Sagen aus Franken
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Das Reierer Freßglöcklein in Würzburg

Im Reierer Kloster versah einmal ein Sakristan die kirchlichen Geschäfte, der nie gerne gebetet hatte; doch sobald es zum Essen ging, war er immer der erste. Mittags um zwölf mußte er das »Ave Maria« läuten, aber er hat es nie ganz ausgeläutet: das letzte »Gegrüßet seist du, Maria« ließ er jedesmal weg, damit er ja bald zum Essen komme.

Lange Jahre trieb er es so fort. Doch als er dann auf dem Totenbett lag, beichtete er diese Unterlassung. Zur Strafe dafür mußte er nach seinem Tode so lange als Geist umgehen, bis sein Nachfolger, der neue Sakristan, alle »Gegrüßet seist du, Maria« nachgeholt hatte. Deshalb war dieser genötigt, viele Jahre länger zu läuten.

Das Glöcklein aber, das so hell klingt, daß man's unter allen Glocken von Würzburg heraushört, nannte man von der Zeit an s' Reierer Freßglöcklein. Immer noch, wenn mittags um zwölf Uhr das Glöcklein ertönt, sagen die Leute zueinander: »Hörst es, s' Reierer Freßglöckle läutet.«

 


 


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