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Geschichte Asems und der Geisterkönigin.

»Herr,« sprach sie, »es lebte einst in der Stadt Balsora ein junger Mann namens Asem, welcher das Färberhandwerk trieb. Ungeachtet er sehr in Ruf war durch die geschmackvolle Wahl seiner Farben sowie durch die Schönheit seiner Gestalt und die Anmut seines Geistes, so war er doch nicht reich und ernährte von dem Ertrage seiner Arbeit noch seine alte Mutter, die bei ihm wohnte. Unterdessen verschaffte seine Liebenswürdigkeit und seine Geschicklichkeit ihm täglich Zuspruch, und er hätte durch sein Gewerbe sein Glück machen können, wenn das Schicksal ihn nicht zu andern Abenteuern berufen hätte.

Eines Tages, als er bei seiner gewöhnlichen Arbeit beschäftigt war, sah er einen reichgekleideten Fremden in seine Werkstatt treten, welcher bei seinem Anblicke ausrief: »Wie, ein junger Mann von Eurer Bildung und so wie Ihr mit Geist begabt kann sich einem solchen Handwerke hingeben?«

»Ich schäme mich nicht,« sprach Asem, »meines ehrlichen Gewerbes, und ich weiß meine Wünsche zu beschränken.«

»Wenn indessen,« fuhr der Fremde fort, »sich Euch ein Mittel darböte, schnell Euer Glück zu machen, würdet Ihr Euch weigern, es zu benutzen?« –

»Nein, wenn es mein Gewissen nicht beschwerte, so würde es mir die höchste Freude sein, meiner Mutter einige Annehmlichkeiten zu verschaffen und meine Studien fortzusetzen, welche zu unterbrechen mein Handwerk mich gezwungen hat.«

»Mein Sohn,« sprach hierauf der Greis mit falscher Freundlichkeit, »Eure Wünsche sollen erfüllt werden. Ihr habt Euren Vater verloren, ich will ihn Euch ersetzen: von diesem Augenblicke nehme ich Euch als meinen Sohn an: ich verstehe die kostbare Kunst, die schlechtesten Metalle in Gold zu verwandeln, und ich kann in einem Augenblick Euer Glück machen. Seid morgen früh bei guter Zeit in Eurem Laden, ich werde auch hinkommen.«

Mit diesen Worten nahm der Fremde Abschied von Asem und verließ ihn ganz verwundert über das, was er soeben gehört hatte.

Die Worte des Greises hatten die Neugier und den Ehrgeiz des jungen Mannes aufs höchste gereizt: er schließt alsbald seinen Laden, und das Herz voller Freude, eilt er hin, seiner Mutter zu verkündigen, was ihm soeben begegnet ist.

»Mein Sohn,« sprach die gute Frau zu ihm, nachdem sie einen Augenblick nachgedacht hatte, »nimm dich wohl in acht: ich fürchte, hinter der Höflichkeit dieses Fremden steckt irgend eine Arglist; beobachte ihn aufmerksam; in meinem Alter kennt man die Bosheit des menschlichen Geschlechts: bleib, mein Sohn, in deinem bescheidenen, aber glücklichen Stande. Bist du nicht reich genug, da du unsere Bedürfnisse bestreiten kannst?«

Asem war betroffen über den guten Rat seiner Mutter und versprach ihr, auf seiner Hut zu sein. Sie aßen ruhig zum Abend und legten sich zu Bette. Aber Asem konnte nicht einschlafen, er erwartete mit Ungeduld den Anbruch des Tages als ein Zeichen des Stelldicheins.

 

Vierhundertunddreiundfünfzigste Nacht.

Mit dem Anbruche des Tages lief er nach seinem Laden, voll Ungeduld, seinen neuen Freund wiederzusehen. Dieser ließ nicht auf sich warten, sondern stellte sich auch bald ein mit einem Schmelztiegel in der Hand. Nach den gewöhnlichen Begrüßungen hieß der Fremde den jungen Mann Feuer anzünden. Er fragte ihn, ob er nicht etwas geringes Metall, sei es Eisen oder Blei oder dergleichen, hätte. Asem fand einen alten kupfernen Topf, sie brachen ihn in Stücke und taten ihn in den Tiegel. Hierauf nahm der Alchimist seinen Turban ab, faltete ihn auseinander und nahm daraus ein wenig gelbes Pulver, welches er auf das Kupfer warf, und wobei er einige geheimnisvolle Worte aussprach. Nach kurzer Zeit nahm er es wieder vom Feuer, ließ den erstaunten Asem eine Barre des reinsten Goldes sehen und forderte ihn auf, sie zu einem Wechsler zu tragen.

»Seid Ihr jetzt überzeugt von meiner Kunst?« sprach triumphierend der Alchimist. Und als Asem ihn um die Mitteilung seines Geheimnisses bat, sagte er zu ihm: »Heut abend will ich mit Euch essen und, wenn wir allein sind, Euer Verlangen erfüllen.«

Sie gingen auf der Stelle nach Hause. Asem zeigte seiner Mutter die Goldbarre, welche er hatte machen sehen, und bat sie, den Abend bei einer ihrer Nachbarinnen zuzubringen, damit er mit seinem Gaste allein bliebe, und bereitete das Abendessen so prächtig, als ihm möglich war. Die Mutter, durch den Augenschein überzeugt, machte keine Bemerkung darüber und fügte sich dem Verlangen ihres Sohnes.

Als sie weg war, begann das Abendessen. Asem tat sich höchst gütlich mit dem ganzen Gelüst eines armen Mannes, welcher soeben sein Glück gemacht hat. Ein so guter Muselmann er war, so trank er doch viel Wein, ein Getränk, woran er nicht gewöhnt war, und bald war er völlig berauscht.

Als der boshafte Greis seinen Wirt in diesem Zustande sah, benutzte er diesen Augenblick, ein Schlafpulver in Asems Schale zu tun, welcher sie leerte, ohne es zu bemerken. Kaum hatte er getrunken, so sank er auf sein Kissen zurück, vom tiefsten Schlaf überwältigt.

Dies war der von dem falschen Zauberer erwartete Augenblick: er wirft ihn in einen langen Kasten, verschließt ihn, nimmt den Schlüssel zu sich und ruft die Träger, welche er bestellt hatte, sich bereit zu halten. Diese bemächtigen sich des Kastens und tragen ihn vor dem Betrüger her. Er wird an Bord eines Schiffes gebracht, welches bereit ist, unter Segel zu gehen; man lichtet die Anker, und sie stechen in See.

Als Asems Mutter am Abend zu Hause kam und weder ihren Sohn noch seinen Gast wiederfand, zweifelte sie nicht mehr an dem Unglücke ihres Sohnes und an der Verworfenheit des Menschen, gegen welchen sie ihm so sehr empfohlen hatte auf seiner Hut zu sein. Verzweiflungsvoll riß sie sich die Haare aus und klagte das Schicksal und die Unvorsichtigkeit ihres Sohnes und die Grausamkeit desjenigen an, welcher ihn ihr entrissen hatte. Die Nachbarn, welche auf ihr Geschrei herbeiliefen, waren erstaunt über das, was sie von ihr vernahmen; vergeblich suchten sie ihr Trost einzusprechen: sie ließ in ihrem Hofe einen Grabstein errichten und beweinte Nacht und Tag ihren Verlust, ohne Nahrung zu sich nehmen zu wollen.

Unterdessen schiffte der treulose Entführer mit gutem Winde dahin. Er war einer der Ghebern oder Feueranbeter und dabei ein geschickter Magier. Jedes Jahr kam er nach Chorasan, um durch seine glänzenden Versprechungen einen jungen Muselmann zu betören, und wenn er sich dessen zu seinem Zwecke bedient und sich die zur Alchimie nötigen Sachen verschafft hatte, so tötete er ihn aus Furcht, daß sein Geheimnis verraten würde.

Zwei Tage nach ihrer Abfahrt hielt es Bharam (so hieß der Gheber) für rätlich, sein Schlachtopfer mit seiner bejammernswürdigen Lage bekanntzumachen; er öffnete den Kasten, welchen er vorsorglich in sein Gemach hatte setzen lassen, und träufelte eine gewisse Flüssigkeit in Asems Nasenlöcher. Dieser niest, reibt sich die Augen und blickt verwundert um sich her; bald enthüllen der Anblick des Magiers und die Bewegung des Schiffes ihm sein Unglück: er gewahrt, daß er in die Schlingen eines Bösewichts gefallen ist, vor welchem seine Mutter ihn vergeblich gewarnt hatte. Und jetzt sprach er mit der Unterwerfung eines in den Willen des Schicksals ergebenen Muselmannes folgende Verse des Korans aus:

»Es gibt keine andere Zuflucht als bei Gott, von welchem wir herkommen, und zu welchem wir wieder zurückkehren sollen.

Großer Gott! Würdige auch mich, mich den Weg des Heiles zu führen, auf den Pfad derer, die du beschirmest, und die dich nicht beleidigt haben.«

Hierauf wandte er sich zu dem Greise und sprach zu ihm mit großer Sanftmut: »Was macht Ihr doch, mein Vater? Ihr hattet mir Vergnügen und Reichtümer versprochen, ist es nun dies, was Ihr mich hoffen ließet?«

»Ungläubiger Hund, Hund von Muselmann!« antwortete der Magier ihm, »du sollst nur von meiner Hand sterben, und mein Vergnügen soll es sein, deine Qual zu verlängern: schon neununddreißig deiner Brüder sind unter meinen Streichen gefallen: du sollst der vierzigste sein. Doch gibt es ein Mittel, dich zu retten: schwöre den Islamismus ab und bete das heilige Feuer an, welches ich verehre, und ich nehme dich als meinen Sohn an und überliefere dir meine Geheimnisse.«

»Möge der Himmel dich und deinen Glauben verderben!« antwortete Asem, indem er wie ein Rasender aufsprang. »Bei Mahommed, nimmer will ich, um mich von einigen nichtigen Gefahren dieser Welt zu retten, abtrünnig werden und auf die Freuden Verzicht tun, welche Gott den wahren Gläubigen verheißt.«

»Elender!« erwiderte sogleich der Zauberer, welchen sich nicht mehr halten konnte, »ich will schon diesen hohen Ton herunterstimmen und diese Beharrlichkeit erschüttern.«

So spricht er, ruft seine Sklaven, und während sie Asem auf dem Fußboden des Gemachs ausgestreckt halten, peitscht er ihn mit verdoppelten Schlägen mit einer scharfgespitzten Geißel und bedeckt ihn mit blutigen Wunden; aber der junge mutvolle Mann trotzte seiner Anstrengung und verspottete seine Wut. Der Gheber, von der Anstrengung erschöpft, hält endlich inne, er läßt sein Schlachtopfer mit schweren Ketten belasten und befiehlt seinen Sklaven, ihn in den untersten Schiffsraum zu werfen, bei Wasser und Brot, so viel als nötig, sein Leben zu fristen.

Asems Mut war nicht besiegt, er wurde durch sein Vertrauen auf Gott aufrecht erhalten sowie durch seine Hoffnung, noch das Ende seiner Qualen zu erleben, welche sich jeden Tag erneuten; denn der alte Magier kam alle Morgen, um ihn alle Martern erdulden zu lassen, welche er nur erdenken konnte.

 

Vierhundertundvierundfünfzigste Nacht.

Eines Tages erhob sich ein wütender Sturm; die Wogen schleuderten das Schiff bis an die Wolken empor und drohten es in Stücke zu schlagen. Die Schiffsmannschaft fiel glücklicherweise darauf, den Zorn des Himmels und den ihnen drohenden Sturm der Behandlung zuzuschreiben, welche Bharam den Asem erleiden ließ; sie geboten ihm, seinen Gefangenen loszulassen, und da er nicht sogleich gehorchte, so ergriffen sie die Sklaven, welche die Schergen seiner Grausamkeit waren, warfen sie über Bord und drohten zugleich dem Herrn dasselbe Schicksal an, wenn er nicht auf der Stelle den armen Jüngling in Freiheit setzte.

Bharam mußte sich jetzt wohl dazu verstehen; man zwang ihn sogar, sich auf die Knies zu werfen und sein Schlachtopfer um Verzeihung zu bitten. Der alte Magier gedachte ihn aber wohl noch alle diese Demütigungen teuer bezahlen zu lassen.

Der Sturm legte sich, und während der ganzen übrigen Fahrt wurde Asem gut behandelt und kam wieder etwas ins Leben zurück. Sein Entführer bezeigte ihm alle Aufmerksamkeit und bemühte sich, ihn die zuvor angetane Mißhandlung vergessen zu machen.

Endlich erblickte man das Land; der Magier stieg aus mit Asem, dessen Vertrauen er fast wiedergewonnen hatte, und sagte ihm, er ginge in das Land, wo Gold zu finden wäre. Er befahl dem Schiffshauptmann, sie einen Monat an dieser Küste zu erwarten, und schritt eine Strecke in das Innere des Landes.

Als er sich hier mit Asem allein sah, zog er unter seinem Kleide eine kleine Trommel mit zwei Stöcken hervor und wirbelte einen Marsch, und alsbald erhob sich ein wütender Sturm in der Wüste. Eine Staubsäule bildete sich, und Asem war erschrocken, wurde aber angenehm überrascht, als die Staubwolke verschwand und drei Kamele daraus hervortraten; das eine war mit allen zu einer Reise nötigen Vorräten beladen; die beiden andern reich aufgeschirrten schienen ihre Reiter zu erwarten. Bharam bat Asem, das eine zu besteigen, und bestieg das andere, und so ritten sie mit wunderbarer Schnelligkeit dahin.

Sie sahen während acht Tagen nichts Merkwürdiges: am neunten erblickte Asem etwas sehr Glänzendes am Gesichtskreise; sie näherten sich, und er konnte nun den reichen Bau eines überall von Gold und Edelsteinen glänzenden Schlosses unterscheiden, und die Gegend umher erschien unabsehlich mit den reizendsten Gebüschen bedeckt. Sobald der alte Magier, der aus dieses Schauspiel nicht acht gegeben hatte, es erblickte, lenkte er sein Kamel um und begab sich mit aller Geschwindigkeit desselben auf die Flucht. Asem wäre gern auf dem Wege nach diesem Palaste geblieben, aber das Kamel, welches er ritt, folgte seinem Gefährten trotz allen seinen Anstrengungen und wollte nicht eher stillstehen, als bis Bharam in ein Gehölz eingedrungen war, wo er sich etwas mehr in Sicherheit glaubte. Hier antwortete er auf Asems Fragen, das Schloß, welches er gesehen, wäre von bösen Geistern, seinen Feinden, bewohnt, deren Geschichte er ihm noch eines Tages zu erzählen versprach.

Sie begaben sich wieder auf den Weg, und nach Verlauf einiger Tage fragte Bharam seinen Gefährten, ob er nichts am Gesichtskreise erblickte.

»Ich sehe,« antwortete dieser, »eine sehr schwarze Wolkenkette, welche von Osten nach Westen zieht.«

»Das sind keine Wolken,« sagte Bharam, »sondern sehr hohe Berge, welche man das Wolkengebirge nennt. Ihr Gipfel ist das Ziel unserer Reise, und mit deiner Hilfe wollen wir beide reicher nach unserm Schiffe zurückkehren als alle Könige der Welt: aber zu diesem Zwecke mußt du allen meinen Befehlen gehorchen.«

Asem versprach es ihm, aber ihn schauderte innerlich, wenn er an die neununddreißig Schlachtopfer des Ghebers und an die Mißhandlung gedachte, welche er selber in dem Schiffe von ihm erfahren hatte. Es gereute ihn sehr, dasselbe verlassen zu haben; aber es war jetzt zu spät, umzukehren. Er befahl sich von neuem der Vorsehung und bemühte sich, soviel er vermochte, seine Unruhe zu verbergen.

Bharam überhäufte ihn mit Liebkosungen; sie reisten noch vier Tage, nach deren Verlauf sie sich am Fuße der schwarzen Berge befanden. Aber sie waren noch nicht am Ziele; denn ein ungeheurer Abgrund, in welchen die Wand des Gebirges sich steilrecht hinabsenkte, und eine breite Kluft hemmten das weitere Vordringen, und die Höhe des Gebirges verbreitete tiefe Dunkelheit über alle Gegenstände umher.

Sie stiegen ab und ließen ihre Kamele weiden. Der Magier zog aus dem Vorrate drei Brote und einen kleinen Wasserschlauch hervor und zündete ein Feuer an, hierauf tötete er das kleinste der drei Kamele, weidete es aus und wusch das Innere des Leichnams rein aus. Dann sprach er zu Asem:

»Mein Sohn, jetzt ist der Augenblick gekommen, unsere Arbeiten zu beendigen: dazu bedarf's nur noch, daß du in das Innere dieses Tieres kriechest; ich werde die Haut wieder zunähen, aber ein Loch lassen, durch welches du Atem holen kannst. Ein ungeheurer Roch wird herbeikommen, das Tier mit seinen Klauen packen und es auf den Gipfel des Berges tragen. Sobald du spürst, daß er dich dort niedergelegt hat, so eile, durch deinen Dolch die Haut des Kamels aufzuschlitzen: dein plötzlicher Anblick wird den Vogel in die Flucht jagen; alsdann fülle ohne Zeitverlust den Sack, welchen ich dir gebe, mit dem schwarzen Staube, welchen du auf dem Berge finden wirst, knüpfe ihn an das eine Ende des Seiles, welches ich dir auch mitgebe, und laß ihn herunter, worauf du selber herabsteigen kannst und wir uns wieder auf den Weg machen wollen.«

Asem war genötigt, sich dem Willen seines Gebieters zu unterwerfen: er ließ sich also in den Leichnam des Kamels vernähen. In diesem war er einige Stunden, als zufolge der Vorhersagung des Zauberers einer der ungeheuren Vögel, welche auf dem Gipfel des Gebirges wohnten, auf das Kamel, welches er erblickte, niederstieß, es mit seinen Klauen packte und auf den höchsten Berggipfel emportrug.

 

Vierhundertundfünfundfünfzigste Nacht.

Der junge Muselmann befolgte die empfangene Weisung: er erschreckte den Vogel, stieg von dem Baume, füllte den Sack mit dem schwarzen Staube und näherte sich der senkrechten Felswand, an deren Fuße der alte Gheber ihn erwartete.

Als dieser ihn erblickte, bezeigte er ihm seine Zufriedenheit und ermunterte ihn. »Komm, mein Vielgeliebter!« rief er ihm zu, »unser Glück ist gemacht, und du bist es, dem ich es verdanke. Binde den Sack an das Seil, welches du hast, und laß ihn zu mir hernieder; danach knüpfe das Seil fest um einen der Bäume, die neben dir stehen, und gleite selber daran zu mir herunter.«

Asem band ohne Mißtrauen den Sack an und ließ ihn bis aus den Boden nieder. Aber kaum hatte Bharam das Seil ergriffen, als er mit all seiner Kraft daran zog, um Asem damit herabzureißen, der kein anderes Mittel sah, den Tod zu vermeiden, als das Seil fahren zu lassen. Dadurch rettete er sich, und der Magier rief ihm zu:

»Hund von Muselmann, du sollst jetzt die Demütigungen büßen, welche du mir zugezogen hast: freue dich nun, gehe hin und suche die Leichname deiner Genossen, welche in diesem Gebirge liegen, wo ich sie gelassen habe wie dich.« Und als Asem sein Mitleid anflehte, fuhr er fort:

»Gott verhüte, daß ich ein solcher Narr sei, einen Menschen mit mir zu nehmen, der mein Geheimnis verraten könnte.«

Mit diesen Worten bestieg er sein Kamel und überließ Asem der grimmigsten Verzweiflung. Der arme junge Mann verfolgte mit den Augen seinen treulosen Gefährten, so weit er konnte; als er ihn aber aus dem Gesichte verloren hatte, sank er bewußtlos zu Boden. Er blieb in diesem Zustande einige Stunden, nach deren Verlauf der Hunger und die Liebe zum Leben ihn wieder zu sich selber brachten. Er stand wieder auf, richtete sein Gebet an den Schöpfer und aß eins der kleinen Brote, welche er mitgebracht hatte. Dieses schlechte Mahl stärkte ihn etwas. Er suchte nun auf allen Seiten nach einem Ausgange, aber vergebens. Darüber kam die Nacht, und die Furcht vor den wilden Tieren und die Gefahr, in irgend eine Schlucht zu stürzen, zwangen ihn, abzulassen und einen Baum zu besteigen, auf welchem er, erschöpft von Anstrengungen, einschlief.

Er hatte einen fürchterlichen Traum und schwitzte große Tropfen, als er, durch die Beängstigung aufgeschreckt, dicht an seiner Brust den aufgesperrten Rachen und die funkelnden Augen einer ungeheuren Schlange erblickte, welche schon im voraus die Lust, ihn zu verschlingen, zu schmecken schien. Der Schreck erstarrte ihn; die Schlange, vermutlich, um eine bequemere Stellung einzunehmen, machte eine Bewegung und drehte den Kopf weg: da ergriff Asem, dessen Entsetzen aufs höchste gestiegen war, seinen Dolch und stieß ihn der Schlange kräftig in den Kopf: das Ungeheuer stürzte auf der Stelle nieder.

Asem konnte die übrige Nacht nicht mehr schlafen; mit Anbruch des Tages stieg er von dem Baume, und jetzt erst konnte er die Größe des Ungeheuers erkennen, welches er getötet hatte. Dieses, mit dem Dolch im Kopfe, lebte noch; aber seine Augen waren geschlossen, und es war Asem leicht, es vollends zu töten, was ihm den Untergang drohte, ward nun das Mittel zu seiner Rettung. Die Größe der Schlange brachte ihn auf den Gedanken, ihr den Balg abzustreifen und daraus lange Riemen zu schneiden, vermittelst welcher er sich herablassen könnte, und so das ihm entrissene Seil zu ersetzen. Er machte sich sogleich eifrig ans Werk und kam damit zustande.

Nach einigen Minuten glitt er an dieser aus dem Schlangenbalge gemachten Leine hinab und gelangte endlich nicht ohne große Mühe an den Fuß dieses Gebirges, in welchem er schon sein Grab gefunden zu haben glaubte.

Dankbar gegen die Vorsehung, warf er sich mit dem Gesichte zur Erde, sagte sein Fatha her und flehte um den Beistand des Propheten in den Gefahren, welche ihm noch zustoßen möchten.

Er wanderte fort, bis es Abend ward, und nährte sich von den Früchten, welche die Bäume der Wälder ihm darboten, durch welche er kam. Bald erkannte er seinen Weg wieder und verfolgte ihn bis zum neunten Tage.

Jetzt erblickte er am Ende einer prächtigen Einfahrt denselben Palast, welchen der Gheber so sorgfältig vermieden hatte. Indem er sich demselben näherte, betrachtete er den wundervollen Bau: goldene Säulen trugen eine Vorhalle von azurfarbigem Erz, und über die Bäume, welche zahllose Vögel mit ihrem lieblichen Gesang erfüllten, sah man das Dach eines unermeßlichen und prächtigen Palastes emporsteigen. Asem war anfangs unschlüssig, ob er hineingehen und um Aufnahme bitten sollte oder nicht. Bharam hatte ihm gesagt, daß böse Geister in dieser Gegend herrschten: aber bedenkend, daß ihm nichts Ärgeres begegnen könnte, als was er schon überstanden hatte, wagte er sich weiter hinein. Er schritt über einen ganz mit köstlichem Marmor gepflasterten prachtvollen Vorhof. Von da gelangte er in einen Saal von bewundernswürdigem Reichtums und sah hier zwei Fräuleins, welche Schach spielten.

Sobald sie ihn erblickten, rief die eine aus: »Ah! meine Schwester, das ist wahrscheinlich der unglückliche junge Mann, der vor einigen Tagen mit dem Zauberer Bharam hier vorübergeritten ist.«

»Er ist es selber,« sprach Asem, indem er sich ihr zu Füßen warf und sie um Zuflucht bat.

»Ihr dürft nicht erst bitten,« antwortete sie ihm, »wir würden Euch schon längst bei uns in diesem Palaste haben, wenn Ihr nicht bei diesem alten Gheber gewesen wäret. Seit der frühesten Jugend hat der Vater uns beide in dieses entfernte Schloß versetzt, welches für Geister erbaut ist; uns liegt die Besorgung der Zimmer ob, und es wird uns freuen, wenn Ihr uns bei dieser Arbeit helfen wollt: wir wollen Euch wie unsern Bruder behandeln.«

Der junge Mann nahm dieses Erbieten mit Vergnügen an. Er hatte beinahe gar nichts zu tun und fragte sich jeden Tag, wozu dieses Schloß wohl eigentlich dienen möchte. Er lebte mit den beiden Schwestern in dem besten Einverständnisse, und seine Freundschaft für sie wuchs mit jedem Tage.

Es geschah indessen, daß man ihn zu gewissen Zeiten sich in ein Zimmer verbergen ließ, aus welchem er nicht sehen konnte, was im Schlosse vorging.

Eines Tages kam es ihm in den Sinn, dem Gebote der beiden Schwestern nicht zu gehorchen und sich in ein Gebüsch zu schleichen. Wie groß war da sein Erstaunen, als er mitten in dem Wasserbecken des Gartens mehrere junge Mädchen, schön wie die Huris, sich im Bade vergnügen sah. Asem bemerkte darunter besonders eine, von welcher er auf der Stelle bezaubert wurde. Er wartete, bis sie ihr Bad vollendet hatten; danach sah er sie sich mit einem leichten Gewande bekleiden und in den Lüften verschwinden.

Der ungetreue Aufseher bediente sich mehrmals ebenderselben List, um die Reize seiner schönen Unbekannten zu betrachten. Aber die beiden Schwestern, die nichts von seinem Verstecke wußten, gewahrten mit Kummer, daß er unvermerkt hinschwand. Es kam endlich dahin, daß für sein Leben zu fürchten war: jetzt, von seinen Freundinnen gedrängt, bekannte er sein Vergehen, und wie die Liebe ihn dafür bestraft hätte. Sie stellten ihm die Torheit dieser Leidenschaft vor, wie unsinnig es für einen Sterblichen wäre, auf eine der Schwestern der Geisterkönigin, zu deren Vergnügungsörtern dieses Schloß gehörte, sein Auge zu werfen. Zugleich sagten sie ihm, daß die Untertanen dieser Königin sämtlich weiblichen Geschlechts wären, die nur zuweilen von männlichen Geistern besucht würden, denen sie aber alle Knaben gleich nach der Geburt zusendeten. Asem aber erklärte, daß er unvermeidlich ins Grab sinken müßte, wenn er nicht zu dem Besitze der schönen Unbekannten gelangte. Als sie nun sahen, daß ihr Kranker nicht anders zu heilen wäre, so trösteten ihn die beiden Schwestern, welche ihn herzlich lieb hatten, und entdeckten ihm, daß die ganze Kraft dieser jungen Fräuleins an ihre Gewänder gebunden wäre, und wenn es ihm gelänge, das Gewand derjenigen, die er liebte, zu entwenden, er sie dadurch nötigen würde, in dem Schlosse zu bleiben. Der Liebesieche genas augenblicks durch diese Worte; er gedachte wohl bei dem nächsten Besuche der Schwestern der Geisterkönigin den Gürtel zu erhaschen.

Die Gelegenheit dazu säumte nicht, sich darzubieten; die jungen Nymphen entkleideten sich, und der verliebte Muselmann sprang nach dem Gewande seiner Schönen und schwenkte es in die Luft. Die Übrigen stürzten erschrocken und im Gedränge nach ihren Kleidern und entflohen mit lautem Geschrei. Die eine von ihnen, welche gefangen zurückblieb, begann bitterlich ihre Eltern und ihre Heimat zu beweinen: aber nichts konnte den Vogelsteller bewegen, seine reizende Beute wieder fahren zu lassen; er bemühte sich, durch seine Aufmerksamkeit und Höflichkeit sein gewalttätiges Betragen zu entschuldigen.

Durchdrungen von dem Gedanken der Gefangenschaft, welche ihr bevorstand, und von dem Verlust ihrer Verwandten und Freunde, stieß sie die zärtlichsten Bemühungen Asems und seiner Freundinnen zurück. Sie bewogen sie jedoch endlich, sich in den Palast führen zu lassen, wo Asem sich zurückzog und seine Angebetete dem Schutze der liebenswürdigen Herrin des Palastes überließ, welche mit Hilfe ihrer Schwester allmählich einen besänftigenden Einfluß auf die junge Gefangene ausübte. Diese konnte bei der Zärtlichkeit, welche man ihr bezeigte, nicht länger gleichgültig bleiben. Die Liebenswürdigkeit und äußere Anmut Asems vollendeten, ihm ihre Zuneigung zu gewinnen; bald empfand sie für ihn die zärtlichste Liebe, und nach Verlauf einiger Monate war er der Gatte der schönen Prinzessin von den Fliegenden Inseln. Prächtige Feste wurden zur Feier dieser Hochzeit angestellt, und die freundliche Sorgfalt der beiden Schwestern erhöhte noch das Glück dieses seligen Paares.

Indessen wurde die Glückseligkeit Asems manchesmal durch das Andenken an seine Mutter getrübt; er konnte endlich dem Verlangen, sie wiederzusehen, nicht länger widerstehen und bat seine Beschützerin um die Erlaubnis, sie verlassen und mit seiner Gattin in sein Geburtsland heimkehren zu dürfen. Die Prinzessinnen, obwohl betrübt über diese Bitte, konnten jedoch nicht umhin, seine kindliche Liebe zu bewundern, und bestimmten selbst den Tag seiner Abreise.

Als die Stunde der Trennung gekommen war, schlugen die Prinzessinnen auf eine Zaubertrommel, und in demselben Augenblick standen mehrere Kamele, mit Geschenken aller Art beladen, vor dem Thron des Palastes samt einem zahlreichen Gefolge von Sklaven für Asem und seine Gemahlin. Er ließ sie in eine zierliche und bequeme Sänfte steigen und bestieg selber ein reich aufgeschirrtes Kamel. Beim Abschiede von seinen großmütigen Wohltäterinnen vergoß er Tränen und versprach, sie eines Tages wieder zu besuchen.

Endlich reisten sie ab: bei ihrer Ankunft an der Küste fanden sie ein segelfertiges Schiff, und ein günstiger Wind brachte sie in kurzer Zeit nach Balsora, wo Asem das Glück hatte, seine Mutter wiederzufinden.

Nichts vermöchte die Freude zu schildern, welche sie empfand, als sie ihren geliebten und so lange verloren geglaubten Sohn wiedersah; sie umarmte mit Entzücken ihre Schwiegertochter, die ihr von bezaubernder Schönheit erschien; und ihre Hände gen Himmel streckend, dankte sie Gott für die Glückseligkeit, welche er ihr in ihrem Alter aufbewahrt hatte.

Überschüttet von den Gaben der Liebe und des Glücks, war Asem damals einer der reichsten und glücklichsten Einwohner von Balsora. Zwei liebliche Söhne machten seine Glückseligkeit vollkommen, und drei Jahre waren schnell verflogen, seitdem er den Palast der beiden Schwestern verlassen hatte.

Endlich erinnerte er sich des ihnen gegebenen Versprechens, sie zu besuchen, machte alle Anstalten zu seiner Reise, und nachdem er seiner Gattin Lebewohl gesagt, gab er ihr Zaubergewand seiner Mutter in Verwahrung mit dem ausdrücklichen Befehle, nicht zuzulassen, daß sie es anzöge, aus Furcht, daß etwa eine unwiderstehliche Anwandlung sie verleite, nach ihrer Heimat zu fliegen; denn er hatte oft bemerkt, daß sie, obwohl sie sich vollkommen glücklich bei ihm befand, dennoch Sehnsucht fühlte, die Ihrigen wiederzusehen. Nachdem Asem von seiner Mutter alle erwünschten Versprechungen erhalten hatte, reiste er unverzüglich ab.

Seine Fahrt war glücklich, er fand beim Aussteigen an der Küste Kamele, die ihn erwarteten; denn die Prinzessinnen, welche in der Zauberkunst sehr erfahren waren, hatten zum voraus Kunde von seiner Ankunft und sich beeilt, ihm alles entgegenzuschicken, was zu seiner schleunigen Überkunft nach dem Palaste nötig war. Sie empfingen ihn aufs zärtlichste, und die ganze Zeit, welche er bei ihnen blieb, wurde in Freudenfesten zugebracht.

Einige Tage nach Asems Abreise bat seine Gattin ihre Pflegemutter um die Erlaubnis, in die öffentlichen Bäder zu gehen. Die alte Frau gewährte es gern und begleitete ihre Schwiegertochter in die Bäder, welche die vornehmsten Frauen der Stadt zu besuchen pflegten, wie die vom Hofe des Kalifen Harun Arreschid, welcher sich damals zu Balsora aufhielt.

Als sie dort ankamen, befanden sich mehrere Frauen aus dem Gefolge der Sultanin Sobeïde im Bade. Sobald diese Asems Gattin erblickten, wurden sie von ihrer übernatürlichen Schönheit geblendet und hörten nicht eher auf, sie zu bewundern, als bis sie das Bad wieder verließ. Einige sogar, die sich an dem Vergnügen ihres Anblicks nicht sättigen konnten, folgten ihr bis nach Hause und kamen erst sehr spät in den Palast zurück.

Als Sobeïde sie kommen sah, gab sie ihr Mißvergnügen über ein so langes Außenbleiben zu erkennen und wollte durchaus die Ursache davon wissen. Als sie nun eine so begeisterte Lobrede auf die Schönheit der Gattin Asems hörte, ward sie äußerst begierig, diese zu sehen; und am folgenden Tage ließ sie die Mutter Asems zu sich entbieten, welche, durch einen solchen Befehl beunruhigt, sich zitternd zu der Sultanin begab.

Sobald sie vor ihr erschien, warf sie sich nieder und küßte ihre Füße. »Steh auf, Mutter Asems,« sagte Sobeïde zu ihr, »und fürchte nichts. Ich habe deine Schwiegertochter als ein solches Wunder von Schönheit rühmen gehört, daß ich sie zu sehen verlange, und ich befehle dir, sie mir vorzuführen.«

Die Mutter Asems wagte nicht, den Befehlen der Sultanin zu widersprechen, verneigte ehrfurchtsvoll ihr Haupt, und nachdem sie versprochen hatte, zu gehorchen, küßte sie die Hand der Fürstin und eilte nach Hause.

»Die Sultanin Sobeïde will dich sehen,« sagte sie zu ihrer Schwiegertochter, »beeile dich, zu ihr zu gehen.«

Die Gattin Asems, entzückt über diese Neuigkeit, schmückte sich auf der Stelle mit ihren reichsten Kleidern, und in Begleitung ihrer beiden Kinder und ihrer Schwiegermutter begab sie sich nach dem Palaste.

Als sie eintrat, richteten sich alle Blicke auf sie. Die Sultanin saß unbeweglich vor Erstaunen, und geblendet von so vielen Reizen, rief sie aus:

»In welchem Lande ist eine so himmlische Schönheit geschaffen worden?«

Sie lud sie freundlich ein, sich neben sie zu setzen, und befahl, Erfrischungen für sie zu bringen. Sie überhäufte sie mit Lobeserhebungen und bat sie, ihre Geschichte zu erzählen, welche ihr Erstaunen noch vermehrte.

»Fürstin,« sprach die Gattin Asems zu ihr, »da Ihr mich schon in diesen Kleidern schön zu finden würdigt, was würdet Ihr erst sagen, wenn Ihr mich in meinem eigentümlichen Gewande sähet? Wenn Ihr Eure Neugier befriedigen wollt, so befehlt meiner Schwiegermutter, mir mein Luftkleid zu geben; sie wird nicht wagen, es Euch abzuschlagen, und es wird Euch vielleicht ein wundersames Schauspiel gewähren.«

Sobeïde, die nichts lieber wünschte, befahl auf der Stelle der Mutter Asems, hinzugehen und das Zauberkleid zu holen. Bei diesen fürchterlichen Worten zitterte die Alte, indem sie an das Versprechen dachte, welches sie ihrem Sohne gegeben hatte; aber sie wagte nicht, Einwendungen dagegen zu machen, ging traurig nach Hause und brachte das verhängnisvolle Gewand.

Nachdem Sobeïde es lange aufmerksam betrachtet und die Art, wie dieser leichte Stoff gewoben war, bewundert hatte, übergab sie es der Gattin Asems, deren Augen vor Freude funkelten.

Sobald sie das Gewand in ihrer Gewalt hatte, eilte sie, sich damit zu bekleiden, dann schritt sie plötzlich in den Hof des Palastes hinab, nahm hier ihre beiden Kinder in die Arme, und ehe man noch daran denken konnte, sie zurückzuhalten, schwang sie sich mit ihnen vor den erstaunten Blicken der Sultanin und ihres ganzen Gefolges in die Lüfte. Als sie so hoch gestiegen, daß es nicht mehr möglich war, sie zu erreichen, rief sie herab:

»Lebet wohl, liebe Mutter, ich trage es Euch auf, meinen Gemahl zu trösten; saget ihm, daß ich nie aufhören werde, ihn zu lieben, daß aber die Sehnsucht, die Meinigen wiederzusehen, mich zwingt, ihn zu verlassen; wenn er mich so sehr liebt, daß er nicht ohne mich leben kann, so soll er mich auf den Inseln Waak al Waak wiedersuchen.«

Mit diesen Worten flog sie dahin, verlor sich in die Wolken, zeigte sich noch einen Augenblick und entschwand endlich aller Augen.

Als Asems Mutter sie aus dem Gesichte verloren hatte, bemächtigte die Verzweiflung sich ihrer; sie konnte den Schmerz, der sie durchdrang, nicht verleugnen und klagte die Sultanin als die Urheberin ihres Unglücks an.

Sobeïde, selber von Leid und Schmerz ergriffen, vermochte nicht, die Dreistigkeit zu züchtigen, mit welcher die alte Frau zu ihr gesprochen hatte; sie zog sich in das Innere des Harems zurück, und in Traurigkeit versunken, bereute sie schmerzlich ihre Neugierde.

Während diese Dinge in Balsora vorgingen, gedachte Asem mitten unter der zärtlichen und liebevollen Bewirtung an seine Gattin und sehnte sich nach ihr heim. Er beschleunigte seine Abreise, und nachdem er den Schwestern Lebewohl gesagt hatte, kehrte er nach Balsora zurück.

Als er nach Hause kam, fand er seine Mutter allein in bitteren Tränen.

»Was ist vorgefallen?« rief er aus. »O meine Mutter, wo ist meine Frau, wo sind meine Kinder?«

Bei dieser peinlichen Frage verdoppelten sich die Tränen der alten Frau, und nichts vermöchte die Verzweiflung Asems zu schildern, als er den schmerzlichen Verlust vernahm, welchen er erlitten hatte: ein furchtbarer Wahnsinn bemächtigte sich seiner und beraubte ihn für einen Augenblick des Bewußtseins seines Unglücks.

Als er wieder zu sich gekommen war, wollte er wissen, was seine Frau beim Abschiede gesagt: und sobald seine Mutter ihm ihre letzten Worte wiederholt hatte, faßte er auf der Stelle den Entschluß, seine Frau und seine Kinder aufzusuchen, und sollte er ihretwegen auch die ganze Erde durchlaufen, vergeblich stellte man ihm vor, die Entfernung der Inseln Waak al Waak von Balsora wäre so groß, daß man nicht weniger als hundertundfünfzig Jahre bedürfte, um die Reise dahin zu vollenden, er bestand hartnäckig aus seinem Vorsatz, und nichts konnte ihn davon abwendig machen.

Nachdem er Allah gebeten, seine Unternehmung zu segnen und seine Mutter während seiner Abwesenheit in Obhut zu nehmen, schied er von ihr und ruhte sich weder Nacht noch Tag aus, bis er wieder zu dem Palaste der Schwestern gelangt war.

Diese waren sehr verwundert, ihn wiederzusehen; und als sie die Flucht seiner Gattin und seinen Entschluß vernommen hatten, nach den Inseln Waak al Waak zu reisen, riefen sie alle zugleich aus, daß dieser Vorsatz unausführbar wäre, weil keinem Menschen so langes Leben vergönnt sei, um das Ziel dieser Reise zu erreichen.

»Das verschlägt nichts,« erwiderte Asem, »will der Himmel mich wieder mit meiner Gattin vereinigen, so wird er auch wohl wissen, mich zu ihr gelangen zu lassen; hat er aber das Gegenteil verhängt, so sterbe ich doch mit dem Troste, daß ich mein ganzes übriges Leben daran gesetzt habe, sie wiederzusuchen.«

Die Schwestern, in Verzweiflung über diesen Entschluß, wiederholten noch mehrere Tage hindurch ihre Bitten, von einer so gefährlichen Unternehmung abzustehen: aber er blieb unerschütterlich. Die Prinzessinnen wurden durch seine Zärtlichkeit für seine Gattin und Kinder innig gerührt und gingen miteinander zu Rate.

Sie hatten zwei Oheime, der eine hieß Abd al Kuddus, der andere Abd al Süllyb, und beide wohnten drei Monatreisen von ihnen entfernt. Indem sie sich nun über die Mittel berieten, um Asem bei seiner Reise zu helfen, gedachten sie an diese beiden Oheime, welche zwei mächtige Geister waren, und sie gaben Asem ein Empfehlungsschreiben an sie folgenden Inhalts:

»Der Überbringer dieses Schreibens ist unser trauter Freund, Asem von Balsora; wenn Ihr ihm Mittel verschaffen könnet, nach den Inseln Waak al Waak zu gelangen, so tut es aus Liebe zu Euren Nichten, die Euch lieben und verehren. Wenn aber das, was wir bitten, unmöglich ist, so verhindert ihn, seine Reise Fortzusetzen, damit er nicht in sein Verderben renne. In diesem Augenblicke läßt seine überschwengliche Liebe zu seiner Gattin und seinen Kindern ihn noch alle unsere Ratschläge verwerfen: aber wir hoffen, Ihr werdet später mehr Einfluß auf ihn haben, oder ihm werde durch Euch Sicherheit zuteil werden.«

Diesen Brief gaben sie Asem, und nachdem sie ihn mit Wünschen und Segnungen überhäuft hatten, ließen sie ihn abreisen und begleiteten ihn mit den Augen, solange sie ihn nur erblicken konnten.

Nach einer mühseligen Reise von mehreren Monaten befand er sich auf einem fruchtbaren Gefilde; die Natur war hier so reich und überschwänglich, daß er sich einen Augenblick in dem irdischen Paradiese wähnte. In einiger Entfernung erblickte er ein sehr schönes Gebäude und ging daraus zu. Ein ehrwürdiger Greis saß unter einer zierlichen Säulenhalle; seine Blicke wendeten sich voll Neugier auf den Fremdling, der sich ihm nahte, und mit Freundlichkeit erwiderte er den Gruß desselben. Eingenommen durch das edle Aussehen Asems, lud er ihn ein, sich zu setzen, und nach einem leichten Mahle erkundigte er sich nach der Absicht seines Besuchs.

Dieser Greis war Abd al Kuddus, Oheim der Prinzessinnen; sobald er den Namen seiner Nichten und ihre besondere Teilnahme für diesen Fremdling vernommen hatte, verdoppelte er seine Aufmerksamkeit; er las den Brief, welchen Asem ihm überbrachte, mehrmals hintereinander, und nachdem er lange nachgedacht hatte, sprach er zu ihm:

»Ich beschwöre dich, mein Sohn, verzichte auf dein Vorhaben und wage nicht dein Leben an eine Unternehmung, welche von keinem glücklichen Erfolge gekrönt werden kann. Die Reise, welche du vorhast, ist mit zahllosen Gefahren verbunden; sie geht durch dürre, mit wilden Tieren bevölkerte Wüsten; das unbebaute, ausgetrocknete Land bringt keine Früchte hervor, und vergeblich würdest du, vor Durst verschmachtend, dich zu erfrischen suchen, keine wohltätige Quelle würde sich deinen trostlosen Blicken darbieten. Gesetzt auch, es gelänge dir, alle diese Gefahren zu übersteigen, doch würdest du noch weit von dem Ziele deiner Wünsche entfernt sein, weil deine ganze übrige Lebenszeit nicht hinreichen würde, um ans Ziel deiner Reise zu gelangen, welche hundertundfünfzig Jahre erfordert. Laß also ab, mein Sohn, in dein Verderben zu rennen, und kehre nach Hause zurück.«

Aber vergeblich bemühte sich Abd al Kuddus, Asems Entschluß wankend zu machen; dieser mochte nichts hören, und nachdem er sich hinlänglich ausgeruht hatte, wollte er am dritten Tage wieder abreisen.

Als der Greis versichert war, daß nichts ihn von seinem Vorhaben abbringen konnte, zündete er ein Feuer an, verbrannte Räucherwerk darin, und nachdem er einige geheimnisvolle Worte ausgesprochen hatte, erschien plötzlich ein Geist von mürrischem Ansehen.

»Warum hast du mich gerufen?« fragte er den Greis. »Soll ich diesen Hügel, der deinen Palast trägt, aufheben und ihn über das Gebirge Kaf hinwegschleudern?«

»Nein, Gott sei Dank,« antwortete Abd al Kuddus, »ich bedarf deiner Dienste zu einer andern Arbeit. Ich verlange, daß du diesen jungen Mann zu meinem Bruder Abd al Süllyb bringest.«

Obgleich der Weg dorthin sehr weit war, war der Geist doch sogleich bereit, ergriff Asem mit seiner rechten Hand, setzte ihn auf seine Schulter, schwang sich mit ihm in die Lüfte, und um Sonnenuntergang senkte er sich mit ihm vor Abd al Süllybs Wohnung nieder.

Sobald sie eingetreten waren, grüßte der Riese ihn ehrfurchtsvoll, machte ihm das Verlangen seines Bruders Abd al Kuddus kund, und Asem nahte sich und überreichte ihm den Brief der Prinzessinnen, seiner Nichten. Seine Verwunderung war ebensogroß wie die seines Bruders, als er Asems Geschichte vernahm und sein ausschweifendes Vorhaben, bis zu den Inseln Waak al Waak zu reisen. Es fehlte wenig, daß er nicht in Zorn gegen ihn geriet, als er seine Hartnäckigkeit sah, und wie er wenig auf seine Warnungen zu achten schien. Indessen besänftigten Asems Verzweiflung und der Strom von Tränen, die er vergoß, den Zorn Abd al Süllybs, der, von Mitleid gerührt, im Grunde seines Herzens beschloß, sich Asems anzunehmen und ihn so viel als möglich vor den Gefahren zu beschützen, denen er entgegenging. Er rief also zehn Geister, die auf der Stelle erschienen; und nachdem er sie höflich eingeladen hatte, sich zu setzen, erzählte er ihnen Asems ganze Geschichte und fragte sie dann, was sie davon dächten.

»Das ist eine wunderbare Geschichte,« riefen sie aus, »und sehr kühn ist das Unternehmen dieses jungen Mannes; nichtsdestoweniger wollen wir tun, was Ihr verlanget, Herr, und in einem Augenblick Euren Schützling von Gebirge zu Gebirge, von Wüsten zu Wüsten tragen bis an die Grenzen unsers Gebietes; dort müssen wir ihn verlassen, denn es ist uns nicht erlaubt, weiter zu gehen, und wir wagen es nicht, den Fuß in das Reich der Geister zu setzen, welche mächtiger sind als wir, und deren Zorn wir fürchten.«

»Ich nehme euer Erbieten mit Dank an,« rief Asem aus, »und wenn es euch gefällig ist, so wollen wir ohne längeren Verzug abreisen, denn meine Zeit ist kostbar.«

Asem nahm also Abschied von Abd al Süllyb, und die zehn Geister ergriffen ihn, setzten ihn auf ihre Schwingen, und nach Verlauf eines Tages und einer Nacht erreichten sie ein Land namens Kafoor. Hier war das Ziel ihrer Reise, und da sie Asem nicht weiter nützlich sein konnten, so wünschten sie ihm glückliche Reise, flogen zurück und entschwanden seinem Gesichte.

 

Vierhundertundsechsundfünfzigste Nacht.

Asem, nachdem er ein heißes Gebet zum Himmel gesandt hatte, setzte seinen Weg fort; er wanderte zehn Tage lang, ohne einem einzigen menschlichen Geschöpfe zu begegnen. Endlich erblickte er drei Männer, die vom heftigsten Zorn erhitzt zu sein schienen, als wenn sie einander das Leben nehmen wollten. Asem war im Begriffe, sich ihnen zu nähern, um sie zu trennen, als die drei Kämpfer ihn erblickten und alle zugleich ausriefen:

»Dieser junge Mann soll der Schiedsrichter unsers Streites sein!«

Als er hierauf nähertrat, fragten sie ihn, ob er ihr Schiedsrichter sein wollte. Und nachdem Asem ihren Antrag angenommen hatte, zeigten sie ihm eine Kappe, eine Trommel und einen Ball und sprachen zu ihm:

»Wir sind drei Brüder, die von ihren Eltern dieses Erbteil bekommen haben; da sie aber vor ihrem Tode nicht zu erkennen gegeben, welches Stück jeder von uns haben soll, so hat sich ein hitziger Streit darüber erhoben: drum seid unser Schiedsrichter und teilet einem jeden sein Los zu; wir schwören, uns bei Eurer Entscheidung zu beruhigen.«

Asem war sehr verwundert, und ihm kamen diese drei Dinge so armselig vor, daß sie ihm alle zusammen nicht einen halben Dinar wert zu sein schienen.

»Saget mir doch,« sprach er zu den drei Brüdern, »welchen wert jedes dieser drei Stücke haben kann; denn bis jetzt möchte ich nicht das geringste dafür geben.«

»Herr Ohm,« riefen sie aus, »jedes dieser drei Stücke hat eine eigentümliche Kraft, welche für sich allein alle Schätze der Erde aufwiegt, und wenn Ihr erst ihren ganzen Wert kennet, so werdet Ihr ihnen mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen. Geruhet also, uns anzuhören.«

»Diese Kappe,« sprach der älteste, »hat die Kraft, unsichtbar zu machen. Es gibt also nichts, was ihren Besitzer hindern könnte, zu dem höchsten Glücke zu gelangen. Wenn er sie auf seinen Kopf setzt, so kann er überall eintreten, denn weder die Menschen, noch selbst die Geister vermögen ihn zu sehen: er kann sich alles zueignen, was ihm gefällt; er kann in die Gemächer der Könige und Minister eindringen, ihre ehrgeizigen Entwürfe vereiteln, ihre Schändlichkeiten entschleiern und ihre geheimsten Intriguen belauschen. Wenn Reichtümer der Gegenstand seiner Wünsche sind, so kann er in dem königlichen Schatze wühlen; und wenn die Rache ein Bedürfnis seines Herzens ist, so kann er, ohne Strafe zu befürchten, seinen Feind des Lebens berauben.«

Asem hörte aufmerksam die Herzählung aller Vorteile, welche von dieser kostbaren Kappe zu ziehen waren, und gedachte bei sich selber, daß sie niemand so zustatten kommen könnte wie ihm. »Vielleicht,« sprach er bei sich selber, »wird diese Wunderkappe mich meine Gattin wiederfinden lassen.« Hieraus wandte er sich zu den drei Brüdern und sprach:

»Jetzt, da ich von dem Werte dieser sonderbaren Kappe überzeugt bin, so saget mir nun auch den Wert dieser kupfernen Trommel.«

»Der Besitzer dieses Kleinods,« fuhr der zweite Bruder fort, »wenn er auch in der gefährlichsten Lage wäre, wird augenblicklich daraus befreit, sobald er auf die Charaktere schlägt, welche in dies Kupfer eingegraben sind: die ganze Kraft der Trommel ist in diesen Zaubersprüchen enthalten, welche von dem großen Salomon geschrieben sind. Alle Geister stehen demjenigen zu Gebote, der diese Wundertrommel besitzt: sobald er sie rührt, sind alle bereit, seine Befehle zu vollziehen, so schwierig sie auch sein mögen, und alles das durch die Kraft der Zauberworte unsers großen Königs Salomon, des Sohnes Davids.«

»Diese Trommel ist in der Tat für mich gemacht,« sprach Asem bei sich selber, »und ich bedarf ihrer viel mehr als diese drei Männer: sie wird mich gegen die Gefahren beschützen, welchen ich auf den Inseln Waak al Waak entgegengehe; sie wird mir meine Frau und Kinder wiederfinden helfen und mich gegen Anfälle meiner bekannten und unbekannten Feinde in Sicherheit setzen.«

»Auch das ist sehr gut,« sprach er zu dem zweiten Bruder, welcher ihm die Trommel so gepriesen hatte; »laßt jetzt sehen, was es mit dem hölzernen Balle für eine Bewandtnis hat.«

»Herr,« fuhr der dritte Bruder fort, »wer diesen Ball besitzt, findet in ihm bewundernswürdige Kräfte. Er vermag jemand in einem Augenblicke von einem Ende der Erde nach dem andern zu versetzen; er vollendet in zwei Tagen einen Weg von zweihundert Jahren. Man darf ihm nur den Ort andeuten, wohin man gebracht sein will: sogleich bewegt er sich und durchfliegt den Zwischenraum so schnell wie ein Sturmwind und reißt den Wünschenden leicht mit sich fort.«

Als der dritte Bruder also seine Rede geendigt hatte, beschloß Asem, sich den Ball sowie die beiden andern Stücke zuzueignen.

»Es ist nicht genug,« sprach er zu ihnen, »daß ihr mir die Kräfte dieser drei Dinge herzählt, ich muß auch Beweise von euren Worten haben. Sonst kann ich nicht euer Schiedsrichter sein.«

»Ihr habt recht,« riefen die drei Männer aus; »versuchet also ihre Kräfte, so wie es Luch beliebt, und möge Gott Euch in Euren Unternehmungen beschirmen!«

Asem setzte nun die Kappe auf den Kopf, knüpfte die Trommel an seinen Gürtel, warf den Ball auf den Boden und sprach den Ort aus, wohin er wollte, und der folgsame Ball rollte sogleich fort und durchflog mit ihm den Raum mit Windesschnelle.

Als die drei Brüder den Asem mit ihrem Erbteile so rasch dahinfahren sahen, rannten sie ihm nach und schrieen:

»Ihr habt jetzt den gewünschten Versuch gemacht, seid Ihr nicht zufrieden? Es ist genug, haltet doch an, haltet!« –

Aber vergeblich schrieen sie aus allen ihren Kräften, Asem war schon zehn Tagereisen weit von ihnen.

Sein Fahrzeug hielt endlich vor dem Tore eines weitläufigen Gebäudes. Asem stieg aus seinem Schifflein, ergriff seine Trommel und legte die Finger auf die Zaubercharaktere. Er war im Begriff, sie zu schlagen, als eine Stimme sich hören ließ und folgende Worte aussprach:

»Du hast gesiegt Asem, du hast einen Teil der Schwierigkeiten überstiegen, welche dir entgegenstanden: dennoch kannst du das Ziel deiner Wünsche nicht eher völlig erreichen als nach einer langen Reihe von Gefahren und Prüfungen; verbirg sorgfältig deinen Ball, denn du bist jetzt in dem Gebiete der bösen Geister.«

Asem befolgte den Rat dieser Stimme, nahm seinen Ball und verbarg ihn unter seinen Kleidern; hierauf blickte er voll Unruhe umher und rief aus: »Wer bist du?«

»Ich bin,« antwortete die Stimme, »einer der Geister, welche dir durch die Kraft der Trommel dienstbar sind; ich wache unablässig für deine Sicherheit; die übrigen Geister, meine Genossen, werden nicht eher erscheinen, als bis die Gefahr es erheischt. Setze deine Fahrt fort, denn du bist noch drei Jahrreisen von den Inseln Waak al Waak entfernt.«

Asem verlor nicht den Mut; und nach einem kurzen Gebete begab er sich wieder auf den Weg und gelangte endlich in eine von Schlangen, Drachen und wilden Tieren wimmelnde Wüste. Erschüttert von diesem furchtbaren Anblicke, schlug er leicht auf seine Trommel. »Was ist dies für ein Land?« fragte er.

»Es ist das Land der Drachen,« antwortete die Stimme. »Sei auf deiner Hut und verweile nicht in diesem gefahrvollen Lande, wie ermüdet du dich auch fühlest. Die Geister dieser Gegend sind die grimmigsten aller, und ihre furchtbaren Höhlen sind von wilden Tieren erfüllt.«

Hierauf ließ die Stimme sich nicht weiter hören, und Asem, den es nicht rätlich dünkte, hier der Gefahr zu trotzen, nahm seine Kappe, setzte sie auf den Kopf und durchschritt so die grauenvolle Wüste ohne Gefahr, von einem ihrer scheußlichen Bewohner angefallen zu werden, deren entsetzliches Gebrüll ihn gleichwohl ein wenig bange machte.

Er erreichte endlich das Ufer des Meeres und erblickte in der Ferne die Inseln Waak al Waak, deren brennendrote Gebirge wie die von den Strahlen der untergehenden Sonne vergoldeten Wolken erschienen. Ihr erster Anblick erfüllte ihn mit Staunen und Furcht: doch faßte er sich bald wieder und sprach bei sich selber:

»Warum fürchte ich mich so? Da Gott mich gewürdigt hat, mich bis hierher zu geleiten, so wird er mich auch ferner zu beschützen wissen, wenn es sein Wille ist.«

Er pflückte hierauf einige Früchte und aß sie, und nachdem er sich erfrischt und ein Gebet gesprochen hatte, legte er sich auf den Rasen nieder und schlief fest bis zum nächsten Morgen.

Sobald der Tag anbrach, schlug Asem leise auf die Trommel. »Was willst du?« fragte ihn der Geist.

»Dich um die Mittel befragen, über dieses weite Meer nach den Inseln zu gelangen,« antwortete Asem.

»Das vermagst du nicht,« fuhr die Stimme fort, »ohne die Stimme eines ehrwürdigen Weisen, welcher eine Einsiedelei am Fuße des Gebirges bewohnt, welches du in der Ferne siehst. Sie liegt eine Tagereise weit: bediene dich deines Balles, er wird dich binnen einer halben Stunde hinführen, verschweig dem Greise nichts von deinen Abenteuern; denn er allein kann dir das Mittel angeben, über dieses Meer zu gelangen.«

Asem setzte seinen Ball in Bewegung und wurde alsbald nach der Wohnung des Einsiedlers geführt. Er klopfte leise an die Türe, welche sich sogleich auftat. Asem trat ein, er wurde aufs gastfreundlichste von dem Greise aufgenommen und bat ihn um ein Mittel, über das Meer zu gelangen.

»Was bewegt dich, mein Sohn,« fragte der Greis, »eine so schwierige Reise zu unternehmen?«

»Mein Vater,« antwortete der junge Mann, »laßt Euch für jetzt daran genügen, daß ich die glühendste Sehnsucht hege, nach jenen Inseln zu gelangen, und in dieser Absicht aus einem weit entlegenen Lande hergekommen bin.«

Der Weise stellte sich bei diesen Worten vor Asem hin, öffnete ein großes Buch und las ganz leise einige Stellen daraus. Von Zeit zu Zeit warf er auf den jungen Mann einen Blick des Erstaunens, und endlich rief er aus:

»Großer Gott, welche Mühseligkeiten und grausame Prüfungen sind diesem Unglücklichen aufbehalten!

Mein Sohn,« antwortete der Greis, »ich will dir das Mittel angeben, jene Inseln zu erreichen, weil deine Sehnsucht dahin so groß ist: aber ich verhehle dir nicht, daß du den Gegenstand deiner Nachforschungen nicht eher erlangen wirst, als bis du noch viel Mühsal überstanden hast. Jetzt, mein Sohn, erzähle mir noch umständlich deine Geschichte.«

Als er diese vernommen hatte, sprach er zu ihm: »Gott wird vergönnen, daß dir diese Unternehmung gelingt, wie gefahrvoll sie sei. Morgen, mein Sohn, wollen wir nach jenen Bergen reisen und sollst du dieses wundervolle Meer überfahren.«

Mit Anbruch des Tages machte der Einsiedler sich mit Asem auf den Weg; und nachdem sie eine steile Anhöhe mit Mühe überstiegen hatten, gelangten sie an ein Gebäude, welches einer Festung ähnlich sah. Sie traten in einen Hof, in dessen Mitte ein riesengroßes Erzbild stand; mehrere Röhren gingen davon aus und ergossen sich in ein weites Marmorbecken. Dieses Wunder war ein Werk der Geister.

Der Einsiedler zündete Feuer an, warf einiges Räucherwerk hinein und sprach mehrere für Asem unverständliche Worte aus. Kaum hatte er seine Beschwörungen beendigt, als die Wolken sich schwärzten, ein heftiger Sturm sich erhob, bleiche Blitze die Wolken zerrissen und Donnerschläge in dem ganzen Gebirge widerhallten.

Asem, lebhaft erschüttert, betrachtete schweigend, was um ihn vorging, der Sturm machte jedoch weniger Eindruck auf sein Gemüt als das Geheul und das entsetzliche Getöse, welches sich mitten in dem Becken hören ließ, das alsbald mit schäumenden Wogen bedeckt war. Das Ungewitter besänftigte sich endlich, das Getöse schwieg, und der Greis wandte sich zu Asem mit den Worten:

»Geh jetzt hinaus und betrachte das Meer, welches dir undurchschiffbar erschien.«

Asem stieg wieder auf den Gipfel des Berges und blickte neugierig nach dem Meere hin: sein Erstaunen konnte nicht größer sein, als er nicht die geringste Spur mehr von demselben erblickte, vergeblich suchte er noch ein Überbleibsel dieses Meeres, dessen Unermeßlichkeit ihn zuvor so erschreckt hatte.

»Fahre fort, mein Sohn,« sprach der Weise zu ihm, »dein Vertrauen auf Gott allein zu setzen, und verfolge das Ziel deiner Reise.«

Mit diesen Worten verschwand der Einsiedler vor Asems Blicken. Asem setzte nun seinen Weg fort und erreichte endlich die Inseln Waak al Waak. Bezaubernd erschien ihm dieses Land; üppige Wiesen und schattige Bäume boten sich seinen Blicken dar; er wandelte lange durch reizende Gebüsche, deren Schweigen nur durch den wohllautigen Gesang der Vögel unterbrochen wurde. Es war eben Sonnenaufgang, und unter den Wundern, welche er hier erblickte, war auch ein Baum, ähnlich einer Tränenweide, an welchem anstatt der Früchte schöne Jungfrauen hingen, die ausriefen: »Gepriesen sei Gott, unser Schöpfer und Urheber der Inseln Waak al Waak!« Damit tropften sie von dem Baume und erstorben.

Beim Anblicke dieses Wunders ward Asem ganz verwirrt, und er rief aus: »Beim Himmel, dies ist eine wundervolle Erscheinung!«

Als er sich wieder erholt hatte, wandelte er fürder durch die Haine und bewunderte die Werke des Allmächtigen bis Sonnenuntergang; da setzte er sich nieder, um auszuruhen.

Eine alte Frau kam endlich auf ihn zu: verwundert über den Anblick eines Mannes, fragte sie ihn, woher er käme, und was er wollte. »Habet Vertrauen zu mir,« sprach sie zu ihm, »ich werde alles tun, was von mir abhängt, um Euch zu befriedigen.«

Asem, durch so verbindliche Worte ermuntert, erzählte der Alten einen Teil seiner Geschichte und den Beweggrund seiner Reise. Sie schien innig gerührt von seinen Worten; und nachdem sie einige Augenblicke nachgedacht hatte, versprach sie, ihm behilflich zu sein, um zu seiner Gattin zu gelangen, welche Gefahr auch damit verknüpft wäre.

Beide kamen endlich an das Tor der Hauptstadt, und die Alte benutzte die Dunkelheit der Nacht, Asem hineinzuführen, und verbarg ihn in ihrem eigenen Hause. Sie empfahl ihm ausdrücklich, es nicht zu verlassen, denn der bloße Anblick eines Mannes könnte das ganze Land in Aufruhr bringen und das weibliche Volk in Unruhe versetzen.

 

Vierhundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

Asem, erfreut, endlich das Ziel seiner mühseligen Reise erreicht zu haben, versprach der Alten alles, was sie wollte, und mit hoffnungerfülltem Herzen dankte er dem Himmel und flehte ihn an, noch seinen höchsten Wunsch zu gewähren und ihn wieder mit seiner Gattin und seinen Kindern zu vereinigen.

Die Alte bereitete für Asem ein Nachtessen, welches er vortrefflich fand, obwohl die Speisen dieses Landes ganz verschieden waren von denen, an welche er gewöhnt war. Er legte sich hierauf nieder und schlief mit ruhigem Herzen, was ihm endlich höchst nötig war, und erwachte am folgenden Morgen erst sehr spät.

Als er die Augen aufschlug, erblickte er die Alte, welche am Fuße seines Bettes saß. »Mein Sohn,« sprach sie zu ihm, »ich muß dir sagen, daß deine Gattin seit ihrer Trennung von dir viel Leiden erduldet hat; niemand kann dir besser von ihr Nachricht geben als ich, weil ich die Amme der Königin und aller ihrer Schwestern bin. Ich bin oft Zeuge der schmerzlichen Reue gewesen, welche sie bei dem Gedanken empfindet, daß sie sich mutwillig von dir getrennt hat, und ich habe mich bemüht, ihren Kummer zu lindern.«

Asem vergoß bei diesen Worten wehmütige Tränen; die Alte konnte ihn nur durch das Versprechen trösten, ihn bald zu der Prinzessin zu bringen.

Nachdem sie Asem von allen Trübsalen seiner Gattin seit ihrer Heimkehr nach der Insel unterrichtet hatte, verließ sie ihn und begab sich nach dem Palaste, wo sie die Königin mit ihren Schwestern in Beratung über das Schicksal der Gattin Asems traf, der sie es noch nicht hatten verzeihen können, daß sie einen vom Menschengeschlechte geheiratet hatte. Der Beschluß ihrer Beratung war, sie qualvoll töten zu lassen, um mit ihrem Blute die ihrem erlauchten Geschlecht angetane Schmach abzuwaschen.

Sobald die Alte hereintrat, erhoben sich die Königin und ihre Schwestern ehrfurchtsvoll und luden sie ein, sich zu setzen.

»Was habt Ihr für das Schicksal Eurer unglücklichen Schwester entschieden?« fragte sie die Königin.

»Angesehen,« antwortete die Königin, »daß sie eine Mißheirat eingegangen, indem sie ihre Hand einem Wesen gereicht hat, welches nicht zum Geistergeschlecht gehört, daß diese Entehrung auf uns zurückfällt, und daß unser Geschlecht uns mit Recht deshalb verachten würde: so haben wir beschlossen, daß sie ohne Hoffnung auf Erbarmen umkommen soll.«

»Ihr Tod wird auf Euer Haupt zurückfallen,« rief die Amme aus; »denn es ist uns nicht erlaubt, einen bloßen Fehltritt durch ein so entsetzliches Verbrechen zu bestrafen. Übrigens bitte ich Euch um die einzige Gnade, sie noch einmal sehen zu dürfen.«

Nach Bewilligung dieser Erlaubnis führte man die Alte sogleich in das Gefängnis der unglücklichen Prinzessin, welche sie bleich und in Tränen gebadet antraf; ihre Kinder spielten um sie her und bemühten sich, durch ihre unschuldige Fröhlichkeit und ihre süßen Liebkosungen die traurigen Gedanken der Mutter zu zerstreuen. Ihre Amme weinte anfangs mit ihr, umarmte sie zärtlich, und nachdem sie sie ermahnt hatte, ihr Vertrauen auf Gott zu setzen, suchte sie ihr Hoffnung zu geben, daß ihre Leiden vielleicht bald geendigt sein würden.

»Teure Amme,« rief die Prinzessin aus, »deine zärtlichen Worte sind immer für mich ein lindernder Balsam gewesen; aber ich weiß nicht, warum sie gerade heute mehr Kraft haben als gewöhnlich: ich fühle zum erstenmal einen Strahl der Hoffnung bis auf den Grund meiner Seele dringen.«

»Es ist ein Vorgefühl des Glücks, welches der Himmel dir sendet, meine Tochter,« fuhr die Amme fort, »tröste dich, dein Gatte ist nach unzähligen Gefahren endlich bis in dieses Land gelangt; er ist gegenwärtig in meiner eigenen Wohnung, und binnen kurzer Zeit wird er bei dir sein!«

Die Freude, welche in diesem Augenblicke die arme Gefangene durchdrang, wäre ihr fast tödlich geworden: aber nachdem die Alte sie einige kräftige Wohlgerüche hatte einatmen lassen, kam sie wieder zu sich und schickte die ersten Worte, welche sie auszusprechen vermochte, dankbar gen Himmel.

Als die Amme sie ganz wiederhergestellt sah, umarmte sie sie zärtlich und verließ sie, um zu Asem zurückzukehren. Nachdem sie diesem alles erzählt hatte, was zwischen der Königin und ihren Schwestern vorgegangen war, riet sie ihm, seine Gattin so schleunig als möglich zu entführen.

Asem, außer sich, vergoß Tränen des Schmerzes und der Wut, als er die Erzählung von der Grausamkeit der Königin hörte, und brannte vor Ungeduld, mit der Vielgeliebten seines Herzens wieder vereinigt zu sein.

Als die Nacht gekommen war, führte die Amme ihn an den Fuß des Turmes, worin die Prinzessin versperrt war, und nachdem sie ihm alle nötigen Weisungen gegeben, befahl sie ihn dem heiligen Propheten und verließ ihn eilig.

Asem brachte die übrige Nacht in Gebeten zu, und als er die Morgenröte erblickte, setzte er seine Kappe auf den Kopf und ward allen Augen unsichtbar. Die Königin erschien alsbald im Gefolge mehrerer Sklavinnen; sie öffnete die Türe des Gefängnisses, und Asem, der sich unter ihr Gefolge gemischt hatte, ging mit ihr hinein, ohne von jemand gesehen zu werden.

Mit Mühe hielt er die Gefühle des Schmerzes und der Liebe zurück, welche ihn beim Eintritt in diese traurige Wohnung bestürmten, er drückte sich in einen Winkel des Gefängnisses und war Zeuge der unwürdigen Behandlung, welche die Königin ihrer unglücklichen Schwester widerfahren ließ. Nachdem sie sie auf die grausamste Weise verhöhnt hatte, deutete sie ihr an, sich auf den Tod vorzubereiten, und befahl ihren Sklavinnen, sie mit ihren schönen Haaren an einen der Pfeiler des Gefängnisses zu binden.

»Haltet ein, erbarmungslose Henkersknechte, und fürchtet die Rache des Himmels!« rief Asem aus, nicht imstande, länger den glühenden Zorn zurückzuhalten, der ihn ergriffen hatte.

Die Königin, erschrocken über die drohende Stimme, welche sich hatte hören lassen, blickte furchtsam um sich her und floh, von ihren Sklavinnen gefolgt, schleunig von hinnen, indes die Prinzessin, welche die Stimme ihres Gatten erkannt hatte, ihre beiden Hände auf ihre Brust legte und ihre schönen Augen zum Himmel emporhob, um ihm für unverhoffte Hilfe zu danken. Sobald die Königin das Gefängnis verlassen hatte, nahm Asem die unsichtbar machende Kappe ab und flog in die Arme seiner Gattin.

»Grausame,« sprach er zu ihr, »so belohntest du so viel Zärtlichkeit, so viel Liebe?«

»Ach!« antwortete die Prinzessin, »erinnere mich nicht an ein Vergehen, welches ich schon tausendmal bereut habe, und wofür ich so lange und so gerecht bestraft worden bin! Verzeih mir, teurer Gatte,« fügte sie hinzu, indem sie sich zu seinen Füßen warf, »und vergiß das Unrecht, welches ich allein mir unaufhörlich vorwerfen muß.«

Asem, erweicht, hob sie auf und drückte sie an sein Herz zugleich mit seinen geliebten Kindern; und als die ersten Entzückungen ihrer Freude gestillt waren, beschäftigten sich alle beide mit den Mitteln, aus diesem ungastlichen Lande zu entfliehen.

Gegen Übend öffneten sich die Türen des Gefängnisses; Asem setzte seine Kappe wieder auf und setzte sich unsichtbar in einen Winkel des Turmes, die Schließerin trat herein und brachte der Prinzessin ihren gewöhnlichen Unterhalt; und da sie in derselben Kammer zu schlafen pflegte, so aß sie bei ihr zum Abend und schlief endlich fest ein.

Asem benutzte eine so günstige Gelegenheit, näherte sich leise der grimmigen Schließerin, und nachdem er das Schlüsselbund, welches sie an ihrem Gürtel trug, abgelöst hatte, öffnete er behutsam die Türe des Turmes und zog eilig seine Gattin und seine Kinder aus dieser trübseligen Wohnung, in welcher er die Schließerin selber verschloß. Sie machten sich eilig hinweg, und obwohl mit ihren beiden Kindern beschwert, wanderten sie dennoch die ganze Nacht hindurch mit solcher Schnelligkeit, daß sie bei Sonnenaufgang schon weit von der Stadt waren.

Als die Königin die Flucht ihrer Schwester wahrnahm, geriet sie in unbeschreiblichen Zorn; sie rief alle Geister ihrer Bekanntschaft zu Hilfe, die sich auch beeiferten, ihr zu gehorchen; und alsbald erhob sie sich mit einem zahllosen Heere zur Verfolgung der Flüchtigen, ganz entschlossen, sie in Stücke zu hauen.

Asem, auf der Flucht, war ganz erstaunt, als er sich umsah und hinter sich eine dicke Staubwolke erblickte; er wurde von Schrecken ergriffen, als er das ungeheure Heer der Königin erkannte; schon hörte er das Kriegsgeschrei, unterschied die Fahnen, und bei dem Blinken der feindlichen Lanzen vermochte er weder an Verteidigung zu denken, noch schnell genug zu entfliehen Was konnte ihm auch sein Mut gegen ein so mächtiges Heer helfen? Er ergriff also seine Trommel und ließ sie gewaltig ertönen, so daß auf der Stelle Legionen von Geistern die Ebene erfüllten, in einem Augenblick in Schlachtordnung geschart standen und kühnlich dem Heere der Königin entgegenzogen. Hierauf erhob sich der furchtbarste Kampf, den man noch bis auf diesen Tag gesehen hatte, denn es waren nicht Menschen, sondern alle Geister der Erde, die gegeneinander fochten. Die Streiter Asems errangen endlich den Sieg, und die Königin wurde mit ihrem Gefolge gefangen.

Als Asems Gattin ihre Schwester in einer so demütigen Lage sah, beeilte sie sich, sie zu trösten, warf sich ihrem Gemahle zu Füßen und bat für die Königin um Gnade. Asem beteuerte, er dächte an keine Rache, behandelte sie mit der ehrerbietigsten Schonung und versprach ihr, all ihr Unrecht zu vergessen, wenn sie ihrer Schwester ihre ganze Zärtlichkeit wiederschenken wollte.

Die Königin von Waak al Waak, innig gerührt durch ein so großmütiges Verfahren, fühlte in ihrer tiefsten Seele Vorwürfe aufsteigen; sie stürzte ihrer Schwester in die Arme und bat sie, ihre ungerechte und grausame Behandlung zu vergessen.

Von Stund an wurde der Friede geschlossen, Freudenfeste wurden in beiden Lagern angestellt und währten mehrere Tage hindurch.

Die Königin von Waak al Waak sagte endlich ihrer Schwester und ihrem Schwager Lebewohl, und nach zärtlichen Umarmungen trennten sich die sieglosen und sieghaften Geisterscharen, vollkommen zufrieden miteinander.

Asem und die Seinigen nahmen nun ihren Weg nach der Wohnung Abd al Süllybs, wo sie mit Hilfe der Geister und des Balls in wenigen Tagen anlangten.

Der Greis empfing sie freundlich und bewirtete sie mehrere Tage mit großer Pracht. Die Erzählung von Asems Fahrten ergötzte ihn sehr, und vor allem machte die Geschichte von der Kappe, der Trommel und dem Ball ihm großes Vergnügen. Asem glaubte, in der Folge dieser drei Stücke nicht mehr zu bedürfen, und bat Abd al Süllyb, die Kappe zum Zeichen seiner Erkenntlichkeit anzunehmen. Der Greis empfing sie mit Vergnügen und machte ihm Gegengeschenke von sehr hohem Werte.

Die beiden Gatten setzten ihren Weg fort und hielten nicht eher an als bei der Wohnung Abd al Kuddus, welcher sie ebenso gastlich aufnahm wie sein Bruder; die Erzählung von Asems wunderbaren Abenteuern ergötzte ihn nicht minder; mit Freuden nahm er die ihm gebotene Zaubertrommel an und versprach, sie stets zu seinen Diensten bereit zu halten, wenn er ihrer noch jemals bedürfen sollte.

Als Asem sich dem Palaste der Schwestern näherte, sah er sie schon ihm entgegenkommen; ihre zärtliche Besorgnis hatte ihnen seit seiner Abreise nach den Inseln Waak al Waak keinen Augenblick Ruhe gelassen. Bei seinem Wiedersehn brachen sie in freudiges Entzücken aus, und im Triumphe führten sie beide Gatten in ihren Palast, wo prachtvolle Feste sie erwarteten.

Asem hatte alle Mühe von der Welt, seine liebenswürdigen Beschützerinnen und ihren reizenden Wohnort zu verlassen. Hier war es, wo er seine Vielgeliebte zuerst gesehen und sie geheiratet hatte, und die Erinnerungen seiner Liebe und seines Glückes verliehen diesem Orte einen Zauber, welchen er nirgendwo anders finden konnte.

Man mußte sich endlich jedoch trennen; der Zauberball wurde den Schwestern dargeboten, welche sich vornahmen, davon Gebrauch zu machen, um manchmal Asem und seine Gattin zu besuchen; damit wurde das letzte Lebewohl gesagt.

Sie reisten nun ohne Aufenthalt bis Balsora. Nichts vermöchte die Freude auszudrücken, welche die Mutter Asems beim Wiedersehen ihres Sohnes empfand, den sie schon verloren glaubte und so lange beweinte. Die Wirkung dieser Freude war so groß, daß sie, die vom unaufhörlichen Weinen erblindet war, in einem Augenblicke geheilt wurde und ihr Gesicht wiedererhielt, welches alle Anstrengungen der Kunst ihr nicht wiederzugeben vermocht hatten.

Dieses Ereignis wurde als ein großes Wunder angesehen: das Gerücht davon kam auch zu den Ohren des Kalifen Harun Arreschid, welcher, neugierig nach der Bekanntschaft so ungewöhnlicher Leute wie Asems und der Prinzessin von Waak al Waak, hinsandte und sie bewillkommnen ließ, wie schon die ganze Stadt getan hatte. Zugleich ließ er Asem entbieten, vor ihm zu erscheinen und seine Gattin zu der Fürstin Sobeïde zu führen, welche vor Verlangen brannte, sie wiederzusehen.

Asem gehorchte; als er vor Harun trat, verneigte er sich ehrfurchtsvoll, und nachdem der Fürst einen seiner Schreiber hatte hereinkommen lassen, begann Asem seine Geschichte; und seine Erzählung verwunderte den Kalifen dermaßen, daß er den Erzähler mehrmals unterbrach und dem Schreiber befahl, ja nichts auszulassen und keinen Umstand dieser wunderbaren Abenteuer zu verändern.

 


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