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Zweihundertundfünfzigste Nacht.

Geschichte Nureddins und der schönen Perserin.

Die Stadt Balsora war lange Zeit die Hauptstadt eines den Kalifen zinspflichtigen Reiches. Der König, der zur Zeit des Kalifen Harun Arreschid in demselben herrschte, hieß Muhammed Suliman Arrussi, und beide waren Vettern, Söhne zweier Brüder.

»Es war ein König, der, wenn die feindliche Reiterei gegen ihn eindrang, sie mit jeder Art schneidender oder stechender Waffen befriedigte.

Wenn er Schlachten lieferte, schien er zu schreiben, indem er auf die Linien der Feinde Vokale und Punkte hinzufügte.

Die Vokale schrieb er auf die Feinde mit Säbelhieben, die Punkte mit Lanzenstichen oder mit Pfeilschüssen.

In einem Meere von Blut, entquollen den Kopfwunden der Feinde, schwimmt seine Reiterei.

Dieses Meer, von weitem angesehen, scheint mit Schiffen übersät: aber was man für Mastbäume hält, sind seine Lanzen, was man für Segel ansieht, sind seine Fahnen, und die kleinen Wellen sind die Helme seiner Krieger.

Die Zeit hatte sich verpflichtet, einen ähnlichen König hervorzubringen: allein, o Zeit! du wirst deinen Schwur nicht halten können; bereue es nur, ihn getan zu haben!«

Muhammed hatte es nicht für rätlich erachtet, die Verwaltung seiner Staaten einem einzigen Wesir anzuvertrauen: er hatte sich deren zwei erwählt, nämlich Chakan und Sawi.

Chakan war sanft, zuvorkommend, freigebig und machte sich ein Vergnügen daraus, denjenigen, die mit ihm zu tun hatten, gefällig zu sein in allem, was von seiner Macht abhing, ohne der Gerechtigkeit Eintrag zu tun, welche er pflichtmäßig handhaben mußte. Es war auch niemand weder am Hofe zu Balsora, noch in der Stadt, noch in dem ganzen Königreiche, der ihn nicht verehrte und sein verdientes Lob verkündigte:

»Er war ein redlicher Freund; sein Gewand war Gottesfurcht und Hoheit: unter seinem Einflusse genoß man des Lebens mit Frohsinn und Behaglichkeit.

Nie nahte sich ihm ein Unglücklicher mit seinen Seufzern oder Bitten, der nicht an den Pforten seines Palastes Erhörung fand.«

Sawi war von einer ganz andern Gemütsart; er war stets mürrisch und scheuchte alle auf gleiche Weise zurück ohne Unterschied des Ranges und Standes. Dabei war er, weit entfernt, sich der großen Reichtümer, die er besaß, würdig zu machen, von dem schmutzigsten Geize, so daß er sogar sich selber die nötigsten Dinge versagte. Niemand konnte ihn leiden, und niemals hatte man ihn etwas anderes als Böses sagen hören. Was ihn noch verhaßter machte, war sein großer Abscheu gegen Chakan, und daß er, indem er alle guten Handlungen dieses würdigen Ministers übel auslegte, nicht aufhörte, ihn bei dem Könige schlechte Dienste zu leisten.

Von ihm galten die Verse:

»Sohn eines Geizhalses, eines, an dem kein Gutes war, eines auf der Straße Gefundenen, eines Herumläufers, eines Landstreichers!

Kein Haar war an seinem Leibe, welches nicht Spuren von einer dieser Eigenschaften trug.«

Eines Tages nach der Ratsversammlung unterhielt sich der König von Balsora zur Gemütsergötzung mit seinen beiden Wesiren und mehreren andern Ratsmitgliedern. Das Gespräch fiel auf die gekauften Sklavinnen, die bei uns fast denselben Rang einnehmen wie die rechtmäßigen Ehefrauen. Einige behaupteten, eine solche Sklavin brauchte nur schön und wohlgestaltet zu sein, um über die Frauen zu trösten, welche man wegen Verbindungen oder Familienverhältnissen genötigt ist zu nehmen, und die oft weder mit großer Schönheit noch mit andern Vollkommenheiten des Leibes ausgestattet sind.

Andere behaupteten, und Chakan war dieser Meinung, die Schönheit und alle schönen Eigenschaften des Leibes wären nicht die einzigen Dinge, welche an einer Sklavin erforderlich wären, sondern dieselben müßten auch mit viel Geist, Klugheit, Bescheidenheit, Anmut und, wenn es sein könnte, mit mehreren schönen Kenntnissen begleitet sein. Der Grund, den sie dafür anführten, war folgender: »Es geziemt,« sagten sie, »Männern, die große Geschäfte zu verwalten haben, nichts mehr, als am Ende eines so mühseligen Tagewerkes daheim eine Gefährtin zu finden, deren Unterhaltung gleich lehrreich, anmutig und ergötzlich ist: denn am Ende,« fügten sie hinzu, »unterscheidet man sich nicht von den Tieren, wenn man eine Sklavin bloß dazu hat, sie anzusehen und einen Trieb zu befriedigen, welchen wir mit den Tieren gemein haben.«

Der König trat dieser Meinung bei und gab es dadurch zu erkennen, daß er Chakan befahl, ihm eine Sklavin zu kaufen von vollkommener Schönheit, und mit allen den Eigenschaften begabt, die man soeben genannt hatte, und vor allem sollte sie höchst gebildet sein.

Sawi war eifersüchtig auf die Ehre, welche der König Chakan erzeigte. Da er der entgegengesetzten Meinung gewesen war, so wandte er ein: »Herr, es wird sehr schwer halten, eine so vollkommene Sklavin zu finden, wie Euer Majestät sie verlangt. Findet sich aber auch eine solche, wie ich kaum glaube, so wird man noch einen wohlfeilen Kauf tun, wenn sie nicht mehr als zehntausend Goldstücke kostet.«

»Sawi,« erwiderte der König, »Ihr findet vermutlich die Summe zu hoch: für Euch mag sie es sein, sie ist es aber nicht für mich.« Zu gleicher Zeit befahl der König seinem Großschatzmeister, die zehntausend Goldstücke Chakan ins Haus zu schicken.

Sobald Chakan nach Hause kam, ließ er alle Unterhändler rufen, die sich mit dem Sklavinnenhandel befaßten, und trug ihnen auf, sobald sie eine solche Sklavin fänden, wie er sie ihnen beschrieb, ihm davon Nachricht zu geben.

Die Unterhändler, sowohl um sich dem Wesir Chakan zu verbinden, als ihres eigenen Vorteils wegen, versprachen ihm, all ihre Sorgfalt anzuwenden, um eine solche aufzufinden, wie er sie wünschte.

Es verging nun fast kein Tag, daß ihm nicht eine zugeführt wurde: aber er fand immer einen oder den andern Fehler an ihnen.

Eines Tages frühmorgens, als Chakan nach dem Palaste des Königs ritt, trat ein Unterhändler mit großer Hast an den Steigbügel seines Pferdes und verkündigte ihm, ein persischer Kaufmann, der gestern sehr spät angekommen, hätte eine Sklavin zu verkaufen von vollendeter Schönheit, weit über alle, die er noch gesehen haben möchte. »In Ansehung ihres Geistes und ihrer Kenntnisse,« fügte er hinzu, »so verbürgt er sich, daß sie es mit allem aufnehmen könne, was es von schönen Geistern und Gelehrten auf der Welt gibt.«

Chakan, erfreut über diese Neuigkeit, welche ihm Hoffnung gab, sich dem Könige gefällig zu machen, trug dem Unterhändler auf, ihm nach der Rückkehr aus dem Palaste die Sklavin zuzuführen, und setzte seinen Weg fort.

Der Unterhändler verfehlte nicht, sich zur bestimmten Stunde bei dem Wesir einzustellen, und Chakan fand die Sklavin so schön und so weit über seiner Erwartung, daß er ihr von Stund an den Namen der schönen Perserin beilegte. Ein Dichter, der sie beschreibt, sagt folgendes von ihr:

»Sie war ein Wunder der Schönheit; ihr Antlitz glich dem Vollmonde; sie war ihrem Stamme wert und teuer, wie es ein Kind seiner Mutter ist.

Der Besitzer des Himmelsthrones hatte ihr Adel und Würde des Gemüts zugeteilt, aber auch zugleich Anmut im Ausdruck und im Betragen sowie einen schönen Wuchs.

An dem Himmel ihres Antlitzes glänzten sieben Gestirne gleich Schutzengeln ihrer Wangen gegen jeden Verwegenen.

Wenn ein Mensch durch sehnsüchtiges Anschauen ihr einen Blick ablocken wollte, so verbrannte sie ihn mit Liebesfeuer durch eins dieser Gestirne.«

Da der Wesir selber viel Geist hatte und sehr gelehrt war, so erkannte er aus der Unterhaltung mit ihr sehr bald, daß er vergeblich noch eine andere Sklavin suchen würde, welche sie in irgend einer der vom Könige gewünschten Eigenschaften überträfe. Er fragte den Unterhändler, welchen Preis der persische Kaufmann auf sie gesetzt hätte.

»Herr,« antwortete der Unterhändler, »es ist ein Mann, der nicht vorschlägt: er beteuert, daß er sie, mit einem Worte, nicht geringer lassen kann als für zehntausend Goldstücke. Er hat mir selbst zugeschworen, daß, ungerechnet seine Sorgfalt, Mühe und Zeit, die er auf ihre Erziehung verwandt, er beinahe dieselbe Summe für sie ausgegeben habe teils an Lehrmeister in den Leibesübungen und in geistigem Unterricht und Bildung, teils für Kleidung und Unterhalt. Da er sie gleich beim Kauf in ihrer frühsten Kindheit eines Königs würdig erkannte, so hat er nichts gespart, was dazu beitragen kann, sie zu diesem hohen Range emporzuheben. Sie spielt allerlei Instrumente, sie singt, sie tanzt, sie schreibt schöner als die geschicktesten Schreibmeister, sie macht Verse, und es gibt keine Bücher, die sie nicht gelesen hat. Kurz, man hat noch niemals gehört, daß irgend eine Sklavin so viele Dinge gewußt, als sie weiß.«

Der Wesir Chakan, der den Wert der schönen Perserin viel besser erkannte als der Unterhändler, der nur nachsprach, was der Kaufmann ihm von ihr gesagt hatte, wollte den Handel nicht aufschieben und ließ sogleich den Kaufmann rufen.

Dieser kam; er war schon hochbejahrt, und es galten von ihm folgende Worte eines Dichters, der von sich selber spricht:

»Die Zeit hat mich gewaltig mitgenommen und zitternd gemacht; sie ist es, die Kräfte gibt, aber auch raubet.

Einst sprang und lief ich, ohne zu ermüden: heute bin ich müde, ohne mich vom Flecke gerührt zu haben.«

Der Wesir Chakan sprach zu ihm: »Nicht für mich will ich diese Sklavin kaufen, sondern für den König; aber Ihr müßt sie ihm für einen billigeren Preis lassen als den, welchen Ihr auf sie gesetzt habt.«

»Herr,« antwortete der Kaufmann, »ich würde mir eine große Ehre daraus machen, sie Seiner Majestät zum Geschenke darzubieten, wenn es einem Kaufmanne, wie ich bin, anstünde, Geschenke von solchem Werte zu machen. Ich verlange nur das Geld, welches ich aufgewendet habe, sie zu erziehen und so auszustatten, wie sie da ist. So viel kann ich sagen, daß Seine Majestät einen Kauf macht, womit sie sehr zufrieden sein wird.«

Chakan wollte nicht markten und ließ dem Kaufmanne die Summe auszahlen, vor dem Weggehen sagte der Kaufmann noch zu dem Wesir: »Herr, da die Sklavin für den König bestimmt ist, so vergönnet, daß ich die Ehre habe. Euch zu sagen, daß sie von der langen Reise, die ich mit ihr, um sie hierher zu führen, gemacht habe, äußerst ermüdet ist. Obwohl sie eine Schönheit ohnegleichen ist, so wird sie dennoch ganz anders erscheinen, wenn Ihr sie nur ein vierzehn Tage bei Euch behaltet und dafür Sorge tragt, sie gut pflegen zu lassen. Wenn Ihr sie nach Verlauf dieser Zeit dem Könige vorstellt, so wird sie Euch eine solche Ehre und ein solches Verdienst bei ihm erwerben, daß ich hoffe, Ihr werdet es mir einigen Dank wissen. Ihr seht selbst, daß die Sonne ihr ein wenig die Haut verdorben hat; sobald sie aber zwei- oder dreimal im Bade gewesen ist und Ihr sie so habt kleiden lassen, wie Ihr es für anständig erachtet, so wird sie dergestalt verändert sein, daß Ihr sie noch unendlich viel schöner finden werdet.«

Chakan nahm den Rat des Kaufmanns mit Dank an und beschloß, ihn zu befolgen. Er gab der schönen Perserin ein besonderes Zimmer neben dem seiner Gemahlin, die er bat, sie mit ihr essen zu lassen und sie als eine Frau anzusehen, welche dem Könige gehörte. Er bat sie ferner, ihr verschiedene Kleider machen zu lassen, so prächtig als möglich, und wie sie ihr am schönsten stünden.

Bevor er hier die schöne Perserin verließ, sagte er zu ihr: »Es kann kein größeres Glück für Euch geben als das, welches ich Euch verschaffen will. Urteilt selber davon; es ist für den König, daß ich Euch gekauft habe, und ich hoffe, er wird noch viel zufriedener sein, Euch zu besitzen, als ich es bin, mich des Auftrages entledigt zu haben, welchen er mir erteilt hat. Demnach muß ich Euch noch benachrichtigen, daß ich einen Sohn habe, dem es nicht an Geist fehlt, der aber jung, flatterhaft und unternehmend ist: hütet Euch sorgfältig vor ihm, wenn er Euch nahet.«

Die schöne Perserin dankte ihm für diese Weisung; und nachdem sie ihn fest versichert hatte, daß sie dieselbe beachten würde, verließ er sie.

 

Zweihundertundeinundfünfzigste Nacht.

Nureddin, so hieß nämlich der Sohn des Wesirs Chakan, hatte freien Zutritt ins Zimmer seiner Mutter, mit welcher er zu speisen pflegte. Er war sehr wohlgebildet von Gestalt, jung, anmutig und kühn; und da er ungemein viel Geist hatte und sich mit Leichtigkeit ausdrückte, so hatte er die besondere Gabe, alle zu überreden, wozu er wollte.

Er sah die schöne Perserin; und obgleich er wußte, daß sein Vater sie für den König gekauft und sein Vater selber es ihm erklärt hatte, so tat er sich dennoch gleich bei der ersten Zusammenkunft mit ihr keinen Zwang an, seine Liebe für sie zu unterdrücken. Er ließ sich vielmehr durch ihre Reize, die ihn sogleich bezauberten, hinreißen, und die Unterhaltung, welche er mit ihr hatte, bestimmte ihn zu dem Entschlusse, alle Mittel anzuwenden, um sie dem Fürsten zu entführen.

Die schöne Perserin ihrerseits fand auch Nureddin sehr liebenswürdig. »Der Wesir erzeigt mir eine große Ehre,« sagte sie bei sich selber, »daß er mich zum Geschenke für den König von Balsora gekauft hat: ich würde mich jedoch sehr glücklich schätzen, wenn er sich begnügte, mich seinem Sohne zu schenken.«

Nureddin benutzte sehr eifrig den Vorteil, den er hatte, eine Schönheit, in welche er so verliebt war, zu besuchen und sich mit ihr zu unterhalten. Niemals verließ er sie eher, als bis seine Mutter ihn dazu gezwungen hatte. »Mein Sohn,« sagte diese, »es ist nicht wohlanständig für einen jungen Mann, wie du bist, stets in dem Frauenzimmer zu weilen. Geh, begib dich in dein Zimmer und arbeite, um dich würdig zu machen, dereinst der Nachfolger in der Würde deines Vaters zu werden.«

Weil die schöne Perserin wegen der weiten Reise, welche sie eben gemacht hatte, lange nicht ins Bad gegangen war, so besorgte die Gemahlin des Großwesirs Chakan fünf oder sechs Tage, nachdem sie gekauft war, daß eigens für sie das Bad geheizt wurde, welches der Wesir im Hause hatte. Sie ließ sie von mehreren ihrer Sklavinnen dahin begleiten und befahl diesen, sie ebenso zu bedienen wie sie selber und ihr nach dem Bade ein sehr prächtiges Kleid anzulegen, welches sie ihr schon hatte machen lassen. Sie hatte umsomehr Sorgfalt hierauf verwendet, als sie sich bei dem Wesir, ihrem Gemahls, dadurch ein Verdienst erwerben und ihm zu erkennen geben wollte, wie sehr sie sich alles angelegen sein ließe, was ihm Vergnügen machen könnte.

Aus dem Bade ging die schöne Perserin noch tausendmal schöner hervor, als sie Chakan bei dem Kauf erschienen war, und zeigte sich so der Gemahlin des Wesirs, welche Mühe hatte, sie wiederzuerkennen.

Die schöne Perserin küßte ihr mit Anmut die Hand und sagte zu ihr: »Gnädige Frau, ich weiß nicht, wie Ihr in diesem Kleide mich findet, welches Ihr die Güte gehabt habt mir machen zu lassen. Eure Frauen, die mich versichern, es kleide mich so gut, daß sie mich kaum wiedererkennen, sind vielleicht nur Schmeichlerinnen: ich berufe mich auf Euer Urteil darüber. Sollten sie gleichwohl die Wahrheit sagen, so seid doch Ihr es, gnädige Frau, der allein ich diesen Vorteil verdanke.«

»Meine Tochter,« erwiderte die Gemahlin des Wesirs mit großer Freude, »Ihr dürft es nicht für Schmeichelei halten, was meine Frauen Euch gesagt haben: ich verstehe mich besser darauf als sie; und abgesehen von dem Gewande, welches Euch bewundernswürdig kleidet, bringt Ihr aus dem Bade eine Schönheit mit, die so weit über dem steht, was Ihr zuvor schienet, daß ich selber Euch nicht mehr erkenne. Wenn ich wüßte, daß das Bad noch gut genug wäre, so würde ich es mir auch zunutze machen: ich bin schon in einem Alter, welches erfordert, daß ich mich öfters desselben bediene.«

»Gnädige Frau,« erwiderte die schöne Perserin, »ich weiß auf die unverdiente Ehre, die Ihr mir erweiset, nichts zu antworten. Was das Bad anlangt, so ist es bewundernswürdig, und wenn Ihr Lust habt, in dasselbe zu gehen, so dürft Ihr keine Zeit verlieren. Eure Frauen werden Euch dasselbe sagen.«

Die Gemahlin des Wesirs bedachte, daß sie seit mehreren Tagen nicht mehr im Bade gewesen war, und wollte die Gelegenheit benutzen. Sie sagte es ihren Frauen, und diese versahen sich sogleich mit allem, was dazu nötig war.

Die schöne Perserin begab sich nach ihrem Zimmer, und die Gemahlin des Wesirs gebot, bevor sie ins Bad ging, zwei kleinen Sklavinnen, bei ihr zu bleiben, mit dem Befehle, Nureddin nicht hereinzulassen, wenn er käme.

Während nun die Gemahlin des Wesirs im Bade und die schöne Perserin allein war, kam Nureddin; und als er seine Mutter nicht in ihrem Zimmer traf, ging er in das der schönen Perserin, wo er die beiden kleinen Sklavinnen im Vorzimmer fand. Er fragte diese nach seiner Mutter, worauf sie antworteten, sie wäre im Bade.

»Und die schöne Perserin,« fuhr Nureddin fort, »ist sie auch im Bade?« – »Sie ist schon daraus zurückgekommen und in ihrem Zimmer; aber wir haben Befehl von Eurer Frau Mutter, Euch nicht hineinzulassen.«

Das Zimmer der schönen Perserin war nur durch einen Türvorhang geschlossen. Nureddin schritt vorwärts, um hineinzutreten, und die beiden Sklavinnen stellten sich davor, um ihn daran zu verhindern. Er aber nahm eine wie die andere beim Arm, schob sie aus dem Vorzimmer und schloß die Türe vor ihnen zu.

Da liefen sie mit großem Geschrei nach dem Bade und verkündigten weinend ihrer Gebieterin, daß Nureddin trotz ihnen in das Zimmer der schönen Perserin gedrungen wäre und sie verjagt hätte.

Die Nachricht von einer so großen Kühnheit verursachte der guten Frau die empfindlichste Kränkung. Sie unterbrach ihr Bad und kleidete sich aufs schleunigste an. Aber ehe sie fertig war und in das Zimmer der schönen Perserin kam, war Nureddin schon wieder hinausgegangen und hatte die Flucht ergriffen.

Die schöne Perserin war äußerst erstaunt, die Gemahlin des Wesirs ganz in Tränen hereintreten zu sehen wie eine Frau, die außer sich war. »Gnädige Frau,« sagte sie zu ihr, »darf ich Euch fragen, weshalb Ihr so betrübt seid? Welcher Unfall ist Euch im Bade begegnet und hat Euch genötigt, es so bald zu verlassen?«

»Wie!« rief die Gemahlin des Wesirs aus, »Ihr tut mir diese Frage mit so ruhigem Gemüts, nachdem mein Sohn Nureddin in Euer Zimmer gedrungen und allein bei Euch geblieben ist! Konnte uns, ihm und mir, ein größeres Unglück begegnen?«

»Um Verzeihung, gnädige Frau,« versetzte die schöne Perserin, »welches Unglück kann für Euch und Nureddin bei dem sein, was er getan hat?«

»Wie!« erwiderte die Gemahlin des Wesirs, »hat Euch mein Mann nicht gesagt, daß er Euch für den König gekauft hat? Und hatte er Euch nicht gewarnt, Euch zu hüten, daß Nureddin Euch nicht nahete?«

»Ich habe es nicht vergessen, gnädige Frau,« antwortete hierauf die schöne Perserin; »aber Nureddin kam, mir zu sagen, sein Vater hätte seinen Sinn geändert und, anstatt mich für den König aufzubewahren, wie seine Absicht gewesen, ihm selber mit meiner Person ein Geschenk gemacht. Ich glaubte es, gnädige Frau; und da ich eine Sklavin und seit meiner zartesten Jugend an strengen Gehorsam gewöhnt bin, so könnt Ihr wohl denken, daß ich mich seinem Willen nicht widersetzen konnte noch durfte. Ich gestehe selbst, daß ich es umsoweniger mit Widerwillen getan habe, als ich bei der Freiheit, die wir hatten, uns zu sehen, eine starke Neigung für ihn gefaßt hatte. Ich verzichte ohne Bedauern auf die Hoffnung, dem König anzugehören, und werde mich sehr glücklich schätzen, mein ganzes Leben mit Nureddin zuzubringen.«

Auf diese Rede sagte die Gemahlin des Wesirs: »Wollte Gott, daß es wahr wäre, was Ihr sagt! Ich würde mich sehr darüber freuen. Aber, glaubet mir, Nureddin ist ein Betrüger; er hat Euch getäuscht, und unmöglich hat sein Vater ihm dies Geschenk gemacht, wie er Euch gesagt hat. Ach, der Unglückliche! Und wie unglücklich bin ich, und wieviel mehr ist es noch sein Vater durch die traurigen Folgen, welche er fürchten muß und wir mit ihm fürchten müssen! Weder meine Tränen noch meine Bitten sind imstande, ihn zu erweichen und seine Verzeihung zu erflehen. Sein Vater wird ihn seinem gerechten Zorn ausopfern, sobald er die Gewalttat erfährt, welche er gegen Euch verübt hat.«

Nach diesen Worten fing sie bitterlich an zu weinen, und ihre Sklavinnen, die nicht weniger als sie für Nureddins Leben fürchteten, folgten ihrem Beispiele.

Der Wesir Chakan kam einige Augenblicke später dazu und war höchst erstaunt, seine Frau und die Sklavinnen in Tränen und die schöne Perserin so niedergeschlagen zu sehen. Er fragte nach der Ursache, und seine Gemahlin und die Sklavinnen verdoppelten ihr Geschrei und ihre Tränen, anstatt ihm zu antworten. Ihr Schweigen erstaunte ihn noch mehr, er wandte sich an seine Frau und sagte zu ihr: »Ich will durchaus, daß Ihr mir erkläret, was Ihr zu weinen habt, und daß Ihr mir die Wahrheit saget.«

Die trostlose Frau konnte nicht länger umhin, ihren Mann zu befriedigen. »Versprechet mir, Herr,« begann sie, »daß Ihr es mich nicht wollet entgelten lassen, was ich Euch sage: ich versichere Euch zum voraus, daß ich nicht schuld daran habe.« Und ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Während ich mit meinen Frauen im Bade war, ist Euer Sohn gekommen und hat diese unglückliche Zeit benutzt, um der schönen Perserin einzubilden, daß Ihr sie nicht mehr dem Könige geben wollt, sondern ihm ein Geschenk mit ihr gemacht habt. Ich sage Euch nicht, was er nach dieser argen Vorspiegelung weiter getan hat: ich überlasse es Euch selber zu ermessen. Das ist der Grund meiner Betrübnis um Euch und um meinen Sohn, für welchen ich mich nicht wage Euch um Verzeihung anzuflehen.«

Es ist nicht möglich, den Ärger des Wesirs auszudrücken, als er die Unverschämtheit seines Sohnes Nureddin vernommen hatte. »Ha,« rief er aus, indem er sich an die Brust schlug, in die Hände biß und den Bart ausraufte, »auf solche Weise also, unseliger Sohn, unwürdig das Tageslicht zu schauen, stürzest du deinen Vater von der höchsten Stufe seines Glückes in den Abgrund: so richtest du ihn zugrunde und dich mit ihm! Der König wird sich weder mit deinem noch mit meinem Blute begnügen, um diese Beleidigung zu rächen, die seine Person selber betrifft.«

Seine Gemahlin bemühte sich, ihn zu trösten, und sprach zu ihm: »Betrübt Euch nicht zu sehr; ich kann leicht zehntausend Goldstücke aus einem Teile meiner Juwelen lösen: Ihr kauft dafür eine andere Sklavin, die noch schöner und des Königs würdiger ist!«

»He! denkt Ihr denn,« erwiderte der Wesir, »daß ich mich über den Verlust von zehntausend Goldstücken so betrüben könnte? Es ist hier nicht die Rede von diesem Verluste, ja nicht von dem Verluste aller meiner Güter: der sollte mich wenig kümmern. Es gilt hier den Verlust meiner Ehre, die mir teurer ist als alle Güter der Welt.«

»Mich dünkt gleichwohl, Herr,« versetzte die Frau, »daß, was man mit Gelde wieder gutmachen kann, nicht von so großer Erheblichkeit ist.«

»Ei ja!« erwiderte der Wesir, »wißt Ihr nicht, daß Sawi mein Todfeind ist? Glaubt Ihr denn nicht, daß er, sobald er diesen Handel erfährt, hingehen und bei dem König über mich triumphieren wird? »Euer Majestät,« wird er zu ihm sagen, »spricht stets von der Hingebung und dem Diensteifer Chakans; er zeigt jedoch jetzt eben, wie wenig er einer so großen Auszeichnung würdig ist. Er hat zehntausend Goldstücke empfangen, um Euch eine Sklavin zu kaufen. Er hat sich eines so ehrenvollen Auftrages wirklich entledigt, und noch niemals hat man eine so schöne Sklavin gesehen: aber anstatt sie Euer Majestät zuzuführen, hat er es für rätlicher erachtet, seinem Sohn ein Geschenk damit zu machen. »Mein Sohn,« hat er zu ihm gesagt, »nimm diese Sklavin, sie ist dein, du verdienst sie mehr als der König.« – Sein Sohn,« wird er mit seiner gewöhnlichen Bosheit fortfahren, »hat sie genommen und ergötzt sich nun täglich mit ihr. Die Sache verhält sich, wie ich die Ehre habe Euer Majestät zu versichern, und Euer Majestät kann sich selber davon überzeugen.« – Meinet Ihr nun nicht, daß auf eine solche Anklage die Leute des Königs jeden Augenblick kommen können, um in mein Haus zu dringen und die Sklavin wegzuführen? Ich geschweige aller übrigen unvermeidlichen Übel, die daraus folgen werden.«

»Herr,« antwortete die Frau auf diese Rede des Wesirs, ihres Mannes, »ich gestehe, daß die Bosheit Sawis sehr groß ist, und daß er imstande ist, der Sache die arglistige Deutung zu geben, die Ihr hier voraussagt, wenn er die mindeste Kunde davon hätte. Aber kann er oder irgend jemand wissen, was im Innern Eures Hauses vorgeht? Wenn man auch argwöhnte und der König mit Euch davon spräche, könnt Ihr nicht sagen, daß Ihr, nachdem Ihr die Sklavin recht geprüft, sie Seiner Majestät nicht so würdig befunden habet, als sie Euch anfangs geschienen; daß der Kaufmann Euch betrogen habe; daß sie allerdings von unvergleichlicher Schönheit sei, aber viel daran fehle, daß sie ebensoviel Geist habe und so geschickt sei, als sie Euch gerühmt worden? Der König wird es Euch aufs Wort glauben, und Sawi wird die Beschämung haben, wieder ebenso mit seinem verderblichen Anschlage verunglückt zu sein wie so manches andere Mal, wo er vergeblich versucht hat, Euch zu verderben. Beruhiget Euch also; und wenn Ihr meinem Rate folgen wollt, so lasset die Unterhändler rufen, bedeutet sie, daß Ihr mit der schönen Perserin nicht so zufrieden seid, und traget ihnen auf, Euch eine andere Sklavin zu verschaffen.«

Da dieser Rat dem Wesir Chakan vernünftig schien, so beruhigte er sich ein wenig und entschloß sich, ihn zu befolgen; jedoch verminderte dies in nichts seinen Zorn gegen seinen Sohn Nureddin.

 

Zweihundertundzweiundfünfzigste Nacht.

Nureddin ließ sich den ganzen Tag nicht sehen; er wagte es selbst nicht, bei einem der jungen Leute seines Alters, mit denen er umging, eine Zuflucht zu suchen, aus Furcht, sein Vater ließe dort ihm nachspüren. Er ging aus der Stadt und flüchtete sich in einen Garten, wo er sonst nie hineingegangen und bekannt war. Erst sehr spät kam er nach Hause, als er wußte, daß sein Vater sich schon in sein Zimmer begeben hatte, und ließ sich durch die Frauen seiner Mutter öffnen, welche ihn ohne Geräusch einließen. Am folgenden Morgen ging er wieder aus, ehe sein Vater aufgestanden war, und so war er genötigt, einen ganzen Monat dieselbe Vorsicht zu gebrauchen, zu seiner empfindlichsten Kränkung. Denn die Frauen schmeichelten ihm nicht, sondern erklärten ihm geradeheraus, daß der Wesir, sein Vater, in demselben Zorne verharrte und beteuerte, daß er ihn töten würde, wenn er ihm vor Augen käme.

Die Gemahlin des Wesirs wußte durch ihre Frauen, daß Nureddin jeden Tag nach Hause kam; sie wagte es aber nicht, ihren Gemahl um Verzeihung für ihn zu bitten. Endlich faßte sie sich ein Herz und sprach eines Tages zu ihm: »Herr, ich habe es bisher nicht gewagt, mir die Freiheit zu nehmen, mit Euch von Eurem Sohne zu sprechen. Jetzt bitte ich Euch um die Erlaubnis, Euch zu fragen, was Ihr mit ihm zu machen gedenkt. Kein Sohn kann schuldiger gegen einen Vater sein, als es Nureddin gegen Euch ist. Er hat Euch der großen Ehre und Genugtuung beraubt, dem König eine so vollkommene Sklavin wie die schöne Perserin darzubringen, ich gestehe es: aber was ist nach dem allen Eure Absicht? Wollt Ihr ihn durchaus umbringen? Anstatt eines Unglücks, woran Ihr nicht mehr denken solltet, würdet Ihr Euch ein anderes, viel größeres zuziehen, woran Ihr vielleicht nicht denkt. Fürchtet Ihr nicht, daß die Welt, die böse ist, bei der Nachforschung, warum Euer Sohn vor Euch flieht, die wahre Ursache errate, welche Ihr so verborgen halten wollt? Wenn das geschähe, so würdet Ihr gerade in das Unglück stürzen, welches Ihr so angelegentlich zu vermeiden strebt.«

»Liebe Frau,« erwiderte der Wesir, »was Ihr da sagt, ist verständig; aber ich kann mich nicht entschließen, Nureddin zu verzeihen, ohne ihn nach Verdienst bestraft zu haben.«

»Er wird genugsam bestraft,« versetzte die Frau, »wenn Ihr tut, was mir eben einfällt. Euer Sohn kommt jede Nacht nach Hause, wenn Ihr schon in Eurem Schlafgemache seid; er schläft hier und geht wieder aus, ehe Ihr aufgestanden seid. Ergreifet ihn diesen Abend bei seiner Ankunft und stellet Euch, als wenn Ihr ihn töten wollet: ich werde ihm zu Hilfe kommen, und indem Ihr ihm, wie auf meine Bitte, das Leben schenkt, nötiget ihn, die schöne Perserin auf solche Bedingungen zu nehmen, wie es Euch gefällt. Er liebt sie, und ich weiß, daß die schöne Perserin ihn nicht haßt.«

Chakan befolgte gern diesen Rat; demnach stellte er sich hinter die Türe, bevor man sie Nureddin bei seiner Ankunft zur gewöhnlichen Stunde öffnete, und sobald dieser eintrat, fiel er über ihn her und warf ihn unter seine Füße. Nureddin drehte den Kopf um und erkannte seinen Vater mit dem Dolche in der Hand, im Begriff, ihm das Leben zu nehmen.

In diesem Augenblicke kam Nureddins Mutter dazu, und indem sie den Arm des Wesirs zurückhielt, rief sie aus: »Was wollt Ihr tun, Herr?«

»Lasset mich los,« entgegnete der Wesir, »damit ich diesen unwürdigen Sohn töte!«

»Ach, Herr,« fuhr die Mutter fort, »tötet lieber mich selber: ich werde niemals zugeben, daß Ihr Eure Hand in Euer eigenes Blut tauchet!«

Nureddin benutzte diesen Augenblick, und mit Tränen in den Augen rief er aus: »Mein Vater, ich flehe Eure Gnade und Euer Erbarmen an; gewähret mir die Verzeihung, um welche ich Euch im Namen desjenigen bitte, von dem Ihr sie an dem Tage erwartet, wo wir einst alle vor ihm erscheinen werden.«

Er fügte noch folgende Verse hinzu:

»Erlaß mir meine Schuld' denn die Langmütigen vergeben den Verbrechern ihre Vergehen.

Ich gestehe wohl, mehrere Untugenden zu besitzen: möchtest du aber auch die schöne Tugend der Langmut an mir ausüben!

Bedenke, daß derjenige, der da Verzeihung hofft von dem, der über ihm ist, auch denjenigen ihre Schuld verzeihen muß, die unter ihm sind.«

Chakan ließ sich den Dolch aus der Hand winden, und sobald er ihn losgelassen hatte, warf sich Nureddin zu seinen Füßen und küßte sie ihm zum Zeichen, wie sehr es ihn gereute, ihn beleidigt zu haben.

»Nureddin,« sprach der Vater zu ihm, »danke deiner Mutter: ich verzeihe dir ihr zuliebe. Ich will dir sogar die schöne Perserin geben, aber unter der Bedingung, daß du mir eidlich versprichst, sie nicht als eine Sklavin, sondern als deine Gemahlin anzusehen, das heißt, daß du sie niemals verkaufest und selbst auch nicht verstoßest. Da sie Verstand und Geist und Lebensart hat, unendlich viel mehr als du, so bin ich überzeugt, daß sie dieses jugendliche Ungestüm mäßigen wird, das dich zugrunde richten kann.«

Nureddin hatte nicht gewagt, zu hoffen, daß er mit solcher Milde behandelt würde. Er dankte seinem Vater mit aller ersinnlichen Erkenntlichkeit und leistete ihm von Herzen gern den Eid, welchen er von ihm verlangte.

Beide, die schöne Perserin und er, waren sehr zufrieden miteinander, und der Vater war sehr vergnügt über ihre herzliche Einigkeit.

Der Wesir Chakan wartete nicht ab, bis der König von dem ihm erteilten Auftrage mit ihm spräche; er war sehr beflissen, selber ihn öfter davon zu unterhalten und ihm die Schwierigkeiten bemerklich zu machen, welche er fände, sich desselben zur Zufriedenheit Seiner Majestät zu entledigen; kurz, er wußte es so geschickt einzurichten, daß der König unvermerkt nicht mehr daran dachte.

Sawi hatte gleichwohl etwas von dem erfahren, was vorgegangen war; aber Chakan war so weit in der Gunst des Königs voraus, daß er nicht davon zu sprechen wagte.

Es war über ein Jahr, daß dieser so kitzlige Handel glücklicher abgelaufen war, als der Wesir anfangs geglaubt hatte, als er ins Bad ging und ein dringendes Geschäft ihn nötigte, es noch ganz erhitzt zu verlassen; die etwas kalte Luft schlug ihm auf die Brust und verursachte ihm ein heftiges Flußfieber, das ihn zwang, sich zu Bette zu legen. Die Krankheit nahm zu; und als er fühlte, daß der letzte Augenblick seines Lebens nicht mehr fern wäre, sprach er folgendermaßen zu Nureddin, der sein Bette nicht verließ:

»Mein Sohn, ich weiß nicht, ob ich den rechten Gebrauch von den großen Reichtümern gemacht habe, die Gott mir verliehen hat; du siehst, sie helfen mir nichts, um mich von dem Tode zu befreien. Das einzige, worum ich sterbend dich noch bitte, ist, daß du dein mir gegebenes Versprechen in Betreff der schönen Perserin haltest. Ich sterbe zufrieden mit dem Vertrauen, daß du es nicht vergessen wirst.« – Zuletzt sprach er noch:

»Ich gedenke folgender Verse eines Dichters, der da sagt:

»Ich fühle meinen Tod: gepriesen sei der, der nie stirbt! Ich kann dem Tode nicht entgehen.

Wahrlich, derjenige ist kein Herr, über den der Tod Herrschaft ausübt: aber der ist der Herr aller Herren, der nie stirbt!«

Dies waren die letzten Worte, welche der Wesir Chakan sprach. Er verschied wenige Augenblicke darnach und versetzte sein Haus, den Hof und die Stadt in unaussprechliche Trauer. Der König betrauerte ihn als einen weisen, eifrigen und treuen Minister, und die ganze Stadt beweinte ihn als ihren Beschützer und Wohltäter. Niemals ward in Balsora ein ehrenvolleres Leichenbegängnis gesehen. Die Wesire, die Emire und alle Großen des Hofes insgesamt beeiferten sich, einer nach dem andern seinen Sarg auf den Schultern bis zur Begräbnisstätte zu tragen, und alle Bewohner der Stadt, von den reichsten bis zu den ärmsten, gaben ihm mit Tränen das Geleit.

Als der Leichnam mit Erde bedeckt war, sprach einer der Begleitenden folgende Verse aus:

»Am Donnerstage verließ ich meine Freunde, und man wusch mich auf dem Waschgerüste.

Nachdem man mir meine Kleider, mit denen ich bedeckt war, ausgezogen hatte, legte man mir ein Gewand an, welches nicht das meinige war.

Auf den Nacken von vier Leuten wurde ich zum Gebetsorte getragen, woselbst einige für mich beteten. – Ja, betet für mich, ihr alle, die ihr meine Freunde waret! –

Endlich brachten sie mich in ein gewölbtes Gemäuer, an welchem die Zeit vorübergeht, und dessen Türe nicht mehr geöffnet wird.«

Als sich die Begleitung entfernt und Nureddin sich nach Hause begeben hatte, gedachte er folgender Verse eines Dichters:

»An einem Donnerstage abends ist er für immer geschieden, und ich habe ihn begleitet.

Auch sein Geist folgte ihm nach; diesem rief ich zu: »Kehre in ihn zurück, o teure Seele!« –

»Wie soll ich,« wurde mir geantwortet, »in meinen Leib zurückkehren, an dem kein Fleisch und Blut ist, an dem sich nichts als trockene Gebeine finden?

Dessen Auge häufige Tränen blind gemacht haben, und dessen nunmehr taube Ohren einst so viel Tadel hören mußten?«

Nureddin gab auch auf alle Weise die tiefe Betrübnis zu erkennen, welche dieser Verlust ihm verursachen mußte; er ließ sich lange Zeit von niemand sehen.

Eines Tages endlich erlaubte er, einen von seinen vertrauten Freunden hereinzulassen. Dieser Freund bemühte sich, ihn zu trösten; und da er ihn geneigt fand, ihn anzuhören, so stellte er ihm vor: nachdem er dem Andenken seines Vaters alle schuldige Ehre erwiesen und vollständig alles erfüllt hätte, was der Wohlanstand erheischte, so wäre es nunmehr Zeit, daß er wieder in der Welt erschiene, seine Freunde besuchte und den Rang behauptete, welchen seine Geburt und seine Verdienste ihm erworben hätten. »Wir würden,« fügte er hinzu, »gegen die Gesetze der Natur und selbst gegen die bürgerlichen Gesetze sündigen, wenn wir unsern Vätern nach ihrem Tode nicht die Pflichten der kindlichen Zärtlichkeit leisteten, und man würde uns für gefühllos halten. Aber wenn wir uns derselben entledigt haben und man uns deshalb keinen Vorwurf mehr machen kann, so sind wir verpflichtet, die vorige Lebensweise wieder anzufangen und in der Welt zu leben, wie man eben darin lebt. Trocknet also Eure Tränen und nehmet wieder dies fröhliche Wesen an, welches stets überall Freude verbreitet hat, wo Ihr hingekommen seid.«

Der Rat dieses Freundes war sehr vernünftig, und Nureddin würde alle Unglücksfälle vermieden haben, wenn er ihn ganz so regelmäßig, wie er es erforderte, befolgt hätte. Er ließ sich ohne Mühe bereden; er bewirtete sogar seinen Freund; und als dieser sich entfernen wollte, bat er ihn, den folgenden Tag wiederzukommen und drei oder vier ihrer gemeinschaftlichen Freunde mitzubringen.

Allmählich bildete er sich eine Gesellschaft von zehn Freunden, alle ungefähr von demselben Alter, und verlebte mit ihnen die Zeit in steten Festen und Lustbarkeiten. Es verging sogar kein Tag, an welchem er nicht jeden mit einem Geschenke heimgehen ließ.

Manchmal, um seinen Freunden mehr Vergnügen zu machen, ließ Nureddin die schöne Perserin kommen. Sie hatte die Gefälligkeit, ihm zu gehorchen, aber sie billigte nicht diese übermäßige Verschwendung. Sie sagte ihm hierüber ihre Meinung frei heraus. »Ich zweifle nicht,« sprach sie, »daß der Wesir, Euer Vater, Euch große Reichtümer hinterlassen hat: aber wie groß sie auch sein mögen, nehmet nicht übel, wenn eine Sklavin Euch vorstellt, daß Ihr bald das Ende davon sehen werdet, wenn Ihr fortfahret, dieses Leben zu führen. Man kann manchmal seine Freunde bewirten und sich mit ihnen erlustigen; aber eine tägliche Gewohnheit daraus zu machen, heißt die breite Heerstraße in das tiefste Elend hinabrennen. Für Eure Ehre und für Euren Ruf würdet Ihr viel besser tun, den Fußtapfen Eures seligen Vaters zu folgen und Euch in den Stand zu setzen, um auch zu den Würden zu gelangen, welche ihm so viel Ehre erworben haben.«

Nureddin hörte die schöne Perserin lächelnd an; und als sie geendigt hatte, entgegnete er, indem er fortfuhr zu lächeln: »Meine Schöne, lassen wir das Gespräch beiseite; reden wir nur davon, wie wir uns ergötzen wollen. Mein seliger Vater hat mich stets in großem Zwange gehalten: ich freue mich, endlich der Freiheit zu genießen, nach welcher ich vor seinem Tode so lange geschmachtet habe. Ich habe noch immer Zeit genug, mich zu einem regelmäßigen Leben zu bequemen, wie Ihr mir ratet; ein Mensch meines Alters muß sich Zeit nehmen, die Freuden der Jugend zu genießen.«

 

Zweihundertunddreiundfünfzigste Nacht.

Was noch viel mehr dazu beitrug, die Vermögensumstände Nureddins zu zerrütten, war, daß er niemals von Berechnung mit seinem Haushofmeister hören wollte. Er schickte ihn jedesmal, wenn er mit seinem Buche erschien, wieder fort, indem er zu ihm sagte: »Geh, geh, ich verlasse mich ganz auf dich; sorge nur dafür, daß ich alle Tage vollauf habe.«

»Ihr habt zu gebieten, Herr,« erwiderte der Haushofmeister. »Erlaubet jedoch, daß ich Euch an das Sprichwort erinnere, welches sagt: Wer großen Aufwand macht und nicht rechnet, befindet sich endlich am Bettelstab, ehe er es gewahr wird. Ihr begnügt Euch nicht mit dem so verschwenderischen Aufwande Eurer Tafel, Ihr schenkt auch noch mit vollen Händen weg. Eure Schätze können das nicht aushalten, und wären sie auch so groß wie Berge.«

»Geh, sage ich dir,« wiederholte ihm Nureddin; »ich bedarf deiner Lehren nicht: fahre fort, mir zu essen zu schaffen, und bekümmere dich nicht um das übrige.« Er fügte noch folgende Verse hinzu:

»Wenn meine Hand Reichtümer besitzt, warum sollte ich nicht freigebig sein; warum sie nicht öffnen, um zu spenden?

Hast du je von einem Geizhalse gehört, daß er Ruhm erworben habe, oder von einem Freigebigen, daß er in Verachtung gestorben sei?«

Nureddins Freunde waren unterdessen sehr fleißig an seiner Tafel und versäumten keine Gelegenheit, seine Willfährigkeit zu benutzen. Sie schmeichelten ihm, sie lobten ihn und erhoben alles, auch das Geringste und Unbedeutendste, was er tat. Vor allem vergaßen sie nicht, alles übermäßig zu preisen, was ihm gehörte, und fanden dabei ihre Rechnung.

»Herr,« sprach zu ihm der eine, »ich kam gestern an dem Landgute vorbei, das Ihr in jener Gegend habt: nichts ist prächtiger, noch schöner eingerichtet als das Haus, und der Garten dabei ist ein wahres Paradies.« – »Es freut mich, daß es Euch gefällt,« erwiderte Nureddin: »man bringe mir Feder, Tinte und Papier, und ich will nicht weiter davon reden hören; es ist Euer, ich schenke es Euch.«

Andere hatten ihm nicht sobald eins von den Häusern, Bädern und öffentlichen Gastherbergen, die ihm gehörten und große Einkünfte brachten, gerühmt, als er ihnen ebenso ein Geschenk damit machte.

Die schöne Perserin stellte ihm den Schaden vor, den er sich täte; und um ihn auf bessere Entschlüsse zu bringen, sang sie ihm folgende Strophen eines Liedes vor:

»Dein Gemüt ist fröhlich, wenn die Tage heiter sind, und du fürchtest nicht das Böse, womit das Geschick dich bedrohet.

Das Glück hat dich unbesorgt gemacht und irregeleitet: aber bedenke, während des schönsten Wetters entsteht oft plötzlich ein Ungewitter!«

Aber Nureddin, anstatt auf sie zu hören, fuhr fort, bei der nächsten Gelegenheit zu verschwenden, was ihm übrig blieb.

Kurz, Nureddin tat ein ganzes Jahr lang nichts anderes als wohlleben, sich gütlich tun und sich vergnügen, indem er die großen Güter vergeudete, welche seine Vorfahren und der Wesir, sein Vater, mit so viel Sorge und Mühe erworben oder erhalten hatten.

Das Jahr war eben abgelaufen, als es eines Tages an die Türe des Saales klopfte, wo er zu Tische saß. Er hatte seine Sklaven hinausgeschickt und sich mit seinen Freunden eingeschlossen, um in voller Freiheit zu sein.

Einer von Nureddins Freunden wollte aufstehen; aber Nureddin kam ihm zuvor und ging selber hin, zu öffnen. Es war sein Haushofmeister; und Nureddin, um zu hören, was er wollte, trat etwas aus dem Saale und machte die Türe halb zu.

Jener Freund, der auch aufgestanden war und den Haushofmeister bemerkt hatte, war neugierig, zu wissen, was er Nureddin zu sagen hätte, und stellte sich zwischen den Vorhang und die Türe und hörte folgende Rede des Haushofmeisters:

»Herr,« sprach dieser zu seinem Herrn, »ich bitte Euch tausendmal um Verzeihung, wenn ich Euch mitten in Euren Vergnügungen zu unterbrechen komme. Was ich Euch mitzuteilen habe, ist aber, wie mich dünkt, für Euch von so großer Wichtigkeit, daß ich es nicht aufschieben durfte, mir diese Freiheit zu nehmen. Ich komme meine letzte Rechnung ablegen: und was ich seit langer Zeit voraussah, und wovor ich Euch mehrmals warnte, ist eingetroffen, das heißt, Herr, ich habe nicht mehr einen Heller von allen den Summen, die Ihr mir übergeben habt, Eure Haushaltung zu bestreiten. Die übrigen Einkünfte, die Ihr mir angewiesen habt, sind auch erschöpft; und Eure Pächter und alle, die Euch Zinsen zahlen mußten, haben mir so deutlich die Übertragung Eurer Forderungen auf andere dargetan, daß ich in Eurem Namen nichts mehr von ihnen einziehen kann. Hier sind meine Rechnungen; prüfet sie: und wenn Ihr wünscht, daß ich Euch fernerhin dienen soll, so weiset mir andere Hebungen an: wo nicht, so erlaubet, daß ich Abschied nehme.«

Nureddin war so betroffen von dieser Rede, daß er kein Wort darauf antworten konnte. Der Freund, der auf der Lausche stand und alles gehört hatte, trat sogleich wieder herein und teilte seine Entdeckung den übrigen Freunden mit. »Es steht bei euch,« sagte er zu ihnen, »diese Nachricht zu benutzen; ich für mein Teil erkläre, es ist heute das letztemal, daß ihr mich bei Nureddin sehet.« – »Wenn das ist,« erwiderten sie, »so haben wir nicht mehr bei ihm zu tun als Ihr; er wird uns hier nicht mehr wiedersehen.«

Nureddin kam in diesem Augenblicke zurück; und welche heitere Miene er auch annahm, um seine Gesellen wieder in den Zug zu bringen, so konnte er sich doch nicht so gut verstellen, daß sie nicht deutlich genug bestätigt sahen, was sie eben vernommen hatten. Er hatte sich kaum wieder auf seinen Platz gesetzt, als einer der Freunde von dem seinen aufstand und zu ihm sagte: »Herr, es tut mir sehr leid, Euch nicht länger Gesellschaft leisten zu können: ich bitte Euch, nicht übelzunehmen, wenn ich mich entferne.«

»Welches Geschäft nötigt Euch, uns so bald zu verlassen?« fragte Nureddin.

»Herr,« antwortete er, »meine Frau ist heute niedergekommen; Ihr wißt wohl, daß in solchen Fällen die Gegenwart des Mannes immer notwendig ist.« Er machte eine tiefe Verbeugung und ging weg.

Einen Augenblick danach beurlaubte sich ein anderer unter einem anderen Vorwande. Die übrigen taten desgleichen, einer nach dem andern, bis kein einziger von den zehn Freunden übrig blieb, welche bis zu dieser Stunde Nureddin so gute Gesellschaft geleistet hatten.

Nureddin argwöhnte nichts von dem Entschlusse, den seine Freunde gefaßt hatten, ihn nicht wiederzusehen. Er ging in das Zimmer der schönen Perserin und unterhielt sich mit ihr bloß von der Erklärung seines Haushofmeisters in starken Ausdrücken einer wahrhaften Reue über die Zerrüttung seiner Vermögensumstände.

»Herr,« sprach zu ihm die schöne Perserin, »erlaubet mir, Euch zu erinnern, Ihr habt hierin nur Euren eigenen Sinnen trauen wollen: Ihr sehet nun, was Euch widerfahren ist. Ich täuschte mich nicht, als ich das traurige Ende verkündigte, welches Ihr erwarten müßtet. Was mich dabei noch bekümmert, ist, daß Ihr noch nicht alle traurigen Folgen desselben einsehet. Wenn ich Euch darüber Vorstellungen machen wollte, so war Eure Antwort: »Ergötzen wir uns, und genießen wir der guten Zeit, welche das Glück uns bietet, solange es uns günstig ist; vielleicht ist es nicht immer so guter Laune.« Aber ich hatte nicht unrecht, wenn ich Euch erwiderte, daß wir selber durch eine verständige Lebensweise die Schöpfer unsers Glückes sind. Ihr wolltet mich nicht hören, sondern gabet mir oft folgende Verse zur Antwort:

»Wenn das Glück dir günstig ist, so teile davon allen Menschen mit, bevor es fliehet.

Deine Freigebigkeit wird es nicht erschöpfen, wenn es dir wohl will, und dein Geiz wird dich nicht schützen, wenn es sich wegwendet.«

Und so war ich genötigt, Euch gewähren zu lassen.«

»Ich bekenne,« versetzte Nureddin, »daß ich unrecht hatte, den heilsamen Rat, welchen Eure bewundernswürdige Klugheit mir erteilte, nicht zu befolgen; aber Ihr bedenkt nicht, daß, wenn ich auch all mein Gut verzehrt habe, solches mit auserwählten Freunden geschehen ist, welche ich von langer Zeit her kenne. Es sind Männer von Ehrgefühl und voll Erkenntlichkeit, und ich bin sicher, daß sie mich nicht verlassen werden.«

»Herr,« versetzte die schöne Perserin, »wenn Ihr keine anderen Hilfsmittel habt als die Erkenntlichkeit Eurer Freunde, glaubet mir, so ist Eure Hoffnung schlecht gegründet, und Ihr werdet mir nächstens etwas davon zu erzählen wissen.«

»Reizende Perserin,« sagte Nureddin hierauf, »ich habe bessere Meinung als Ihr von der Hilfe, welche sie mir leisten werden. Ich will sie gleich morgen alle besuchen, bevor sie wie gewöhnlich sich zu mir bemühen, und Ihr werdet mich mit einer guten Summe Geldes zurückkommen sehen, womit sie insgesamt mich unterstützt haben werden. Ich werde, wie ich beschlossen habe, mein Leben ändern und dieses Geld in irgend einem Handel vorteilhaft anlegen.«

Nureddin ermangelte nicht, am folgenden Morgen zu seinen zehn Freunden zu gehen, die in einer und derselben Gasse wohnten. Er klopfte an die nächste Türe, wo einer der reichsten wohnte. Eine Sklavin erschien und fragte, bevor sie öffnete, wer da klopfte. »Sage deinem Herrn,« antwortete Nureddin, »es ist Nureddin, der Sohn des verstorbenen Wesirs Chakan.«

Die Sklavin öffnete, führte ihn in einen Saal und ging in das Zimmer ihres Herrn, dem sie Nureddin anmeldete. »Nureddin?« antwortete der Herr mit verächtlichem Ton und so laut, daß Nureddin mit großem Erstaunen es hörte. »Geh, sag ihm, ich bin nicht zu Hause; und sooft er wiederkommt, sag ihm dasselbe.«

Die Sklavin kam zurück und gab Nureddin zur Antwort, sie hätte geglaubt, daß ihr Herr zu Hause wäre, sie hätte sich aber geirrt.

Nureddin ging voll Beschämung weg. »Ha, der treulose, der schändliche Mensch!« rief er aus. »Gestern beteuerte er mir, ich hätte keinen bessern Freund als ihn, und heute behandelt er mich so unwürdig!«

Er ging weiter und klopfte an die Türe eines andern Freundes; und dieser Freund ließ ihm dasselbe sagen wie der erste. Er bekam dieselbe Antwort bei dem dritten und ebenso bei dem folgenden, bis zum zehnten, obwohl alle zu Hause waren.

Jetzt erst ging Nureddin in sich und erkannte seine Torheit, auf die feste Anhänglichkeit dieser falschen Freunde zu vertrauen und auf ihre Freundschaftsbeteuerungen, solange er imstande gewesen war, sie verschwenderisch zu bewirten und sie mit Geschenken und Wohltaten zu überschütten. »Es ist wohl wahr,« sagte er bei sich selber mit Tränen in den Augen:

»Die Menschen, solange sie glücklich sind, gleichen Bäumen, um welche die Leute so lange beschäftigt sind, als sie Früchte haben.

Sind aber diese ihnen alle abgenommen, so gehen dieselben Leute davon und geben sie den Stürmen und dem Staube preis.

Pfui den Menschen dieser Zeit! Auch nicht einer unter zehnen ist gut!«

Er hielt noch an sich, solange er außer seinem Hause war; sobald er aber heimkam, überließ er sich ganz und gar seiner Betrübnis und ging hin, sie der schönen Perserin mitzuteilen.

Sobald die schöne Perserin den traurigen Nureddin kommen sah, erkannte sie gleich, daß er bei seinen Freunden nicht die erwartete Hilfe gefunden hatte. »Nun, Herr,« sprach sie zu ihm, »seid Ihr gegenwärtig von der Wahrheit dessen überzeugt, was ich Euch voraussagte?«

»Ach, meine Teure,« rief er aus, »Ihr habt nur zu wahr gesagt! Nicht einer hat mich erkennen, mich sehen, mich sprechen wollen! Niemals hätte ich geglaubt, von Leuten so grausam behandelt zu werden, die mir so viel Dank schuldig sind, und für welche ich mich selber erschöpft habe! Ich kann mich nicht mehr halten, und ich fürchte in diesem jammervollen Zustande und in der Verzweiflung, worin ich bin, irgend eine meiner unwürdige Handlung zu begehen, wenn Ihr durch Euren weisen Rat mir nicht beisteht.«

»Herr,« erwiderte die schöne Perserin, »ich sehe kein anderes Mittel in Eurem Unglücke, als Eure Sklaven und Euer Hausgerät zu verkaufen und so lange davon zu leben, bis der Himmel Euch irgend einen andern Weg zeigt, um Euch aus dem Elende zu ziehen.«

 

Zweihundertundvierundfünfzigste Nacht.

Dieses Mittel schien Nureddin äußerst hart: aber was sollte er tun in seiner Lage? Er verkaufte zuerst seine Sklaven, jetzt unnütze Mitesser für ihn, welche ihm eine viel größere Ausgabe verursacht hätten, als er noch zu bestreiten imstande war.

Er lebte einige Zeit von dem daraus gelösten Gelde, und als dieses ihm ausging, ließ er sein Hausgerät auf den Markt bringen, wo es weit unter dem wahren Werte verkauft wurde, obgleich sehr kostbare Stücke darunter waren, welche ungeheure Summen gekostet hatten.

Hiervon konnte er wieder eine gute Zeit lang leben; aber endlich versiegte auch die Hilfsquelle, und er besaß nun nichts mehr, was er zu Gelde machen konnte: er teilte der schönen Perserin seinen tiefen Schmerz darüber mit.

Nureddin versah sich nicht der Antwort, welche diese verständige Frau ihm gab. »Herr,« sagte sie zu ihm, »ich bin Eure Sklavin, und Ihr wißt, daß der selige Wesir, Euer Vater, mich für zehntausend Goldstücke gekauft hat. Ich weiß wohl, daß ich nicht mehr so viel wert bin als damals; jedoch bin ich überzeugt, daß ich noch immer für eine ziemlich starke Summe verkauft werden kann. Folget meinem Rat und säumet nicht, mich auf den Markt zu führen und zu verkaufen; mit dem ansehnlichen Gelde, das Ihr für mich löset, begebt Euch nach irgend einer Stadt, wo Ihr unbekannt seid, dort Handel zu treiben; und dadurch werdet Ihr Mittel finden, wenn auch nicht in großem Überflusse, jedoch glücklich und zufrieden zu leben.«

»Ach, reizende und schöne Perserin!« rief Nureddin aus, »ist es möglich, daß Ihr diesen Gedanken habt fassen können? Habe ich Euch so wenig Beweise meiner Liebe gegeben, daß Ihr mich dieser Nichtswürdigkeit fähig wähnet? Könnte ich es tun, ohne meineidig zu sein, nachdem ich meinem seligen Vater geschworen, Euch nie zu verkaufen? Ich will lieber sterben, als dem zuwiderhandeln und mich von Euch trennen, die ich, ich sage nicht ebensosehr, sondern mehr als mich selbst liebe. Indem Ihr mir einen so unannehmlichen Vorschlag macht, gebt Ihr mir zu erkennen, es fehle sehr viel daran, daß Ihr mich ebensosehr liebet, als ich Euch liebe.«

»Herr,« erwiderte die schöne Perserin, »ich bin überzeugt, daß Ihr mich so sehr liebet, wie Ihr sagt, und Gott weiß, ob die Leidenschaft, welche ich für Euch empfinde, geringer ist als die Eurige, und wie viel Überwindung es mich kostet, Euch den Vorschlag zu machen, der Euch so sehr gegen mich empört. Zur Vernichtung des Einwandes, den Ihr mir dagegen macht, darf ich Euch nur an den Spruch erinnern: Not hat kein Gebot. Ich liebe Euch in einem Grade, daß Ihr mich unmöglich mehr lieben könnet, und ich kann Euch versichern, daß ich nie aufhören werde, Euch ebenso zu lieben, welchem Herrn ich auch angehören mag. Ja, es wird für mich die größte Freude auf der Welt sein, mich wieder mit Euch zu vereinigen, sobald Eure Umstände erlauben, mich wiederzukaufen, wie ich hoffe. Es ist freilich, ich bekenne es, eine sehr grausame Notwendigkeit für Euch und für mich, aber nach allem sehe ich kein anderes Mittel, uns beide aus dem Elende zu ziehen.«

Nureddin, der sehr wohl die Wahrheit dessen einsah, was die schöne Perserin ihm hier vorstellte, und keine andere Hilfsquelle hatte, eine schmähliche Armut zu vermeiden, war gezwungen, das Mittel zu ergreifen, welches sie ihm vorgeschlagen hatte. Er führte sie also mit unaussprechlichem Schmerze auf den Markt, wo die Sklavinnen verkauft wurden.

Hier sah er sie mit innigst betrübtem Herzen an und sprach folgende Verse zu ihr:

»Noch einmal, ehe du dich trennest, beglücke mich mit einem Blicke von dir, um mein Herz zu stärken, welches deine Entfernung dem Tode nahe bringt.

Doch sollte dies zu sehr dich schmerzen, so unterlaß es: gern will ich sterben, wenn ich dir dadurch diesen Schmerz ersparen kann.«

Er wandte sich hierauf an einen Unterhändler namens Hadschi-Hassan und sprach zu ihm: »Hadschi-Hassan, hier ist eine Sklavin, die ich verkaufen will; sieh zu, wieviel man dafür bietet.«

Hadschi-Hassan ließ Nureddin und die schöne Perserin in ein Gemach treten; und sobald sie den Schleier, der ihr Gesicht verhüllte, abgenommen hatte, sagte Hadschi-Hassan mit Verwunderung zu Nureddin: »Wie, Herr, täusche ich mich nicht? Ist dies nicht die Sklavin, welche der selige Wesir, Euer Vater, für zehntausend Goldstücke kaufte?« Nureddin versicherte ihn, es wäre dieselbe; und Hadschi-Hassan machte ihm nun Hoffnung, daß er eine bedeutende Summe für sie lösen würde, und versprach ihm all seinen Fleiß anzuwenden, sie zum höchstmöglichen Preise zu verkaufen.

Hadschi-Hassan verließ mit Nureddin das Gemach und verschloß die schöne Perserin darin. Er ging hierauf, die Kaufleute einzuladen; aber alle waren eben beschäftigt, griechische, afrikanische, tatarische und andere Sklavinnen einzukaufen, und er war genötigt, zu warten, bis sie ihren Handel geschlossen hatten.

Als sie dies abgetan und sich fast alle versammelt hatten, sprach er zu ihnen mit fröhlichem Gesicht und lustigen Gebärden: »Meine guten Herren, alles was rund, ist darum noch keine Nuß, und alles was lang ist, noch keine Feige; alles was rot, ist noch kein Fleisch, und nicht alle Eier sind frisch. Ich will sagen, ihr habt in eurem Leben wohl manche Sklavin gesehen und gekauft: aber niemals habt ihr eine einzige gesehen, welche mit dieser zu vergleichen wäre, die ich euch jetzt anbiete. Es ist die Perle der Sklavinnen: kommet und folget mir, ich will sie euch zeigen. Ihr selber sollt mir bestimmen, zu welchem Preise ich sie zuerst ausrufen soll.«

Die Kaufleute folgten Hadschi-Hassan, der ihnen die Türe des Gemaches öffnete, worin die schöne Perserin war. Sie betrachteten sie mit Bewunderung, und alle waren einstimmig der Meinung, daß das Angebot nicht geringer als viertausend Goldstücke sein könnte.

Hierauf verließen sie das Zimmer, und Hadschi-Hassan, der mit ihnen hinausging, schloß die Türe wieder zu und rief vor derselben mit lauter Stimme aus: »Für die persische Sklavin, viertausend Goldstücke zum ersten!«

Keiner der Kaufleute hatte noch ein Gebot getan, und sie gingen noch mit sich selber zu Rate, wie hoch sie sie hinauftreiben sollten, als der Wesir Sawi ankam.

Als er Nureddin auf dem Marktplatz erblickte, sagte er bei sich selber: »Vermutlich macht Nureddin wieder einiges Hausgeräte zu Gelde (denn er wußte, daß er dergleichen verkauft hatte) und will sich eine Sklavin kaufen.« Er näherte sich, und Hadschi-Hassan rief zum zweiten Male: »Für die persische Sklavin, viertausend Goldstücke zum ersten!«

Aus diesem hohen Preise schloß Sawi, die Sklavin müßte noch von ganz besonderer Schönheit sein, und sogleich bekam er große Lust, sie zu sehen. Er spornte sein Pferd gerade auf Hadschi-Hassan zu, der von den Kaufleuten umringt stand, und sagte zu ihm: »Öffne die Türe und laß mich die Sklavin sehen.«

Nun war es nicht Gebrauch, sobald die Kaufleute eine Sklavin gesehen hatten und darum handelten, sie sonst jemand sehen zu lassen. Aber die Kaufleute hatten nicht den Mut, ihr Recht gegen das Ansehen des Wesirs geltend zu machen; und Hadschi-Hassan konnte nicht umhin, die Türe zu öffnen und der schönen Perserin ein Zeichen zu geben, hervorzutreten, damit Sawi sie sehen könnte, ohne von seinem Pferde zu steigen.

Sawi geriet in staunende Bewunderung, als er eine Sklavin von so außerordentlicher Schönheit sah. Er hatte mit dem Makler sonst schon zu tun gehabt, und dessen Name war ihm nicht unbekannt. »Hadschi-Hassan,« sprach er zu ihm, »sind es nicht viertausend Goldstücke, wofür du sie ausrufest?«

»Ja, Herr,« antwortete dieser; »die Kaufleute, die Ihr hier sehet, sind kurz vorher erst übereingekommen, daß ich sie für den Preis ausrufen solle. Ich erwarte, daß sie mehr bieten und sie bis zum höchsten Preise hinauftreiben.«

»Ich will das Geld geben,« fuhr Sawi fort, »wenn niemand mehr bietet.«

Zugleich sah er die Kaufleute mit einem Blicke an, der genugsam zu erkennen gab, er erwarte, daß sie ihn nicht steigern würden. Er war von aller Welt so gefürchtet, daß sie sich wohl hüteten, den Mund aufzutun, selbst nicht einmal, um sich zu beklagen, daß er ihr Vorrecht verletzte.

Als der Wesir Sawi einige Zeit gewartet hatte und sah, daß keiner der Kaufleute ihn überbot, sagte er zu Hadschi-Hassan: »Nun, was wartest du noch? Geh zu dem Verkäufer und schließ den Handel mit ihm für die viertausend Goldstücke ab, oder höre, was er sonst tun will.« Noch wußte er nicht, daß die Sklavin Nureddin gehörte.

Hadschi-Hassan, der schon die Türe des Gemaches wieder verschlossen hatte, ging hin, sich mit Nureddin deshalb zu besprechen. »Herr,« sagte er zu ihm, »es tut mir sehr leid, daß ich Euch böse Nachricht bringen muß: Eure Sklavin soll für ein Spottgeld verkauft werden.« – »Wieso?« fragte Nureddin. – »Herr,« fuhr Hadschi-Hassan fort, »die Sache war anfangs im besten Zuge: sobald die Kaufleute Eure Sklavin gesehen hatten, ermächtigten sie mich ohne Umstände, sie für viertausend Goldstücke auszurufen. Ich rief sie auch für diesen Preis aus: da kam gerade der Wesir Sawi dazu, und seine Gegenwart stopfte den Kaufleuten den Mund, die ich schon geneigt sah, sie bis zu demselben Preise hinaufzutreiben, welchen sie den seligen Wesir, Euren Vater, kostete. Sawi will nicht mehr als die viertausend Goldstücke geben: und ganz wider meinen Willen komme ich, Euch ein so unannehmliches Gebot zu bringen. Die Sklavin gehört Euch, aber ich würde Euch nimmer raten, sie für diesen Preis zu lassen. Ihr kennt den Wesir, Herr, und alle Welt kennt ihn. Über dem, daß Eure Sklavin unendlich viel mehr wert ist, ist er boshaft genug, irgend einen Vorwand zu ersinnen, um Euch die Summe nicht zu zahlen.«

»Hadschi-Hassan,« erwiderte Nureddin, »ich danke dir für deinen Rat; fürchte nicht, daß ich meine Sklavin an den Feind meines Hauses verkaufen lasse. Ich habe das Geld sehr nötig; aber ich will lieber in der äußersten Armut sterben, als zugeben, daß sie ihm überliefert werde. Ich frage dich nur eins: da du alle Gebräuche und alle Auswege kennst, so sage mir nur, was ich tun muß, um dieses zu verhindern.«

»Herr,« antwortete Hadschi-Hassan, »nichts ist leichter. Stellet Euch, als hättet Ihr im Zorn auf Eure Sklavin geschworen, sie auf den Markt zu führen, aber nicht die Absicht gehabt, sie zu verkaufen, sondern diesen Schritt nur getan, um Euch Eures Eides zu entledigen. Das wird aller Welt genügen, und Sawi wird Euch nichts einwenden können. Kommet denn; und in dem Augenblicke, wo ich sie Sawi zuführe, als wenn es mit Eurer Einwilligung geschähe und der Handel geschlossen wäre, reißet sie zurück, indem Ihr ihr einige Streiche gebt, und führet sie wieder nach Hause.«

»Ich danke dir,« sagte hierauf Nureddin, »du wirst sehen, wie ich deinen Rat befolge.«

Hadschi-Hassan kehrte nach der Bude zurück, öffnete sie und trat hinein; und nachdem er die schöne Perserin mit zwei Worten verständigt hatte, nicht über das zu erschrecken, was vorgehen würde, nahm er sie beim Arme und führte sie zu dem Wesir Sawi, der immer noch vor der Türe hielt, und sagte zu ihm, indem er sie ihm übergab: »Herr, hier ist die Sklavin, sie ist die Eure, nehmet sie.«

Hadschi-Hassan hatte diese Worte noch nicht ausgesprochen, als Nureddin hervortrat, die schöne Perserin ergriff und sie an sich riß, indem er ihr einen Backenstreich gab. »Hierher, du Unverschämte,« sprach er zu ihr so laut, daß alle Leute es hören konnten, »komm wieder mit mir. Deine boshaften Launen hatten mich zwar genötigt, einen Schwur zu tun, dich auf den Markt zu führen, aber nicht, dich zu verkaufen. Ich brauche dich noch, und es ist Zeit, zu diesem Äußersten zu schreiten, wenn mir nichts anderes mehr übrig bleibt.«

Der Wesir Sawi geriet über diese Handlung Nureddins in großen Zorn. »Elender Wüstling,« rief er aus, »willst du mir einbilden, daß dir noch etwas anderes zu verkaufen übrig bleibt als deine Sklavin?« Zugleich spornte er sein Pferd gerade auf ihn zu, um ihm die schöne Perserin zu entreißen. Nureddin, höchst erbittert durch den Schimpf, welchen der Wesir ihm antat, ließ die schöne Perserin los, indem er sie auf ihn warten hieß, ergriff das Pferd beim Zaume, stieß es drei oder vier Schritte zurück und sprach dann zu dem Wesir: »Graubärtiger Schurke, ich würde dir auf der Stelle das Leben rauben, wenn mich die Achtung vor diesen Leuten hier nicht zurückhielte.«

Da der Wesir Sawi von niemand geliebt, im Gegenteile von aller Welt gehaßt war, so war keiner unter den Gegenwärtigen, der sich nicht gefreut hätte, daß Nureddin ihn etwas demütigte. Sie winkten ihm und gaben ihm durch Zeichen zu verstehen, er könnte sich nach Gefallen rächen, es würde sich niemand in ihren Streit mischen.

Sawi strengte sich an, Nureddin den Zaum seines Pferdes aus der Hand zu reißen; Nureddin aber, der ein starker und kräftiger junger Mann und durch den Beifall der Umstehenden ermutigt war, zog ihn selber vom Pferde mitten in die Gosse herunter, gab ihm tausend Schläge und stieß ihm den Kopf auf dem Pflaster blutig.

Zehn Sklaven, die Sawi begleiteten, wollten mit gezogenem Säbel über Nureddin herfallen; die Kaufleute aber traten dazwischen und verhinderten sie daran. »Was wollt ihr tun?« sagten sie zu ihnen. »Sehet ihr nicht, daß, wenn der eine Wesir, der andere Sohn eines Wesirs ist? Lasset sie ihren Streit untereinander ausmachen, vielleicht vertragen sie sich nach einigen Tagen wieder, und wenn ihr Nureddin getötet hättet, glaubt ihr, daß euer Herr, wie mächtig er sei, euch vor der Gerechtigkeit schützen könnte?«

Nureddin ward endlich müde, auf den Wesir Sawi zu schlagen; er ließ ihn mitten in der Gosse liegen, nahm die schöne Perserin und kehrte mit ihr unter freudigem Zurufe und lauten Lobpreisungen des Volks nach seinem Hause zurück.

 

Zweihundertundfünfundfünfzigste Nacht.

Der zerschlagene Sawi raffte sich mit großer Mühe unter Hilfe seiner Leute wieder auf und hatte die tödliche Schmach, sich ganz von Kot und Blut besudelt zu sehen. Er stützte sich auf die Schultern zweier seiner Sklaven, und in diesem Zustande ging er gerade nach dem königlichen Palast, im Angesicht aller Leute und mit umso größerer Beschämung, als niemand ihn beklagte.

Als er unter dem Zimmer des Königs war, fing er erbärmlich an zu schreien und seine Gerechtigkeit anzurufen:

»Soll in der Zeit mich Unglück treffen, in welcher du lebst? Sollen mich Wölfe fressen, während du ein Löwe bist?

Soll ich, während in den Quellen deiner Wohltaten jeder Durstige Erholung schöpfet, unter deinem Schutze verschmachten, da du doch einem wohltätigen Regen gleichest?«

Der König ließ ihn vor sich kommen, und sobald er eintrat, fragte er ihn, wer ihn mißhandelt und in diesen Zustand versetzt hätte.

»Herr,« rief Sawi aus, »man darf nur recht in der Gunst Euer Majestät stehen und teil an Eurem geheiligten Rate haben, um auf so unwürdige Weise behandelt zu werden, wie Ihr sehet, daß man mich soeben behandelt hat.«

»Lassen wir das jetzt beiseite,« fuhr der König fort; »sage mir nur die Sache, wie sie ist, und wer der Schuldige ist. Ich will es ihn schon bereuen lassen, wenn er unrecht hat.«

»Herr,« sagte nun Sawi, indem er die Sache ganz zu seinem Vorteil erzählte, »ich ritt auf den Sklavinnenmarkt, um mir selber eine Köchin zu kaufen, die ich brauche; als ich dahin kam, hörte ich eine Sklavin für viertausend Goldstücke ausrufen. Ich ließ mir die Sklavin vorführen, und es war die schönste, die man noch je gesehen hat und jemals sehen kann. Sobald ich sie mit höchstem Wohlgefallen betrachtet hatte, fragte ich, wem sie gehörte, und vernahm, daß Nureddin, der Sohn des Wesirs Chakan, sie verkaufen wollte. Euer Majestät wird sich erinnern, daß Ihr diesem Wesir vor zwei oder drei Jahren zehntausend Goldstücke auszahlen ließet mit dem Aufträge, Euch für diese Summe eine Sklavin zu kaufen. Er kaufte dafür eben diese; aber anstatt sie Euer Majestät zuzuführen, achtete er Euch derselben nicht würdig, sondern machte seinem Sohn ein Geschenk damit. Seit dem Tode des Vaters hat nun der Sohn all seine Habe versoffen, verfressen und vergeudet, und es blieb ihm nichts übrig als diese Sklavin, welche er sich endlich auch zu verkaufen entschlossen hatte, und die man wirklich in seinem Namen verkaufte. Ich ließ ihn kommen, und ohne ihm die Veruntreuung oder vielmehr die Treulosigkeit seines Vaters gegen Euer Majestät vorzuwerfen, sagte ich zu ihm auf die höflichste Weise von der Welt: »Nureddin, die Kaufleute haben, wie ich höre, Eure Sklavin auf das Ausgebot von viertausend Goldstücken gesetzt. Ich zweifle nicht, daß sie, einander überbietend, dieselbe zu einem weit höheren Preise hinaustreiben werden: aber folget meinem Rate, überlasset sie mir für die viertausend Goldstücke; ich will sie kaufen, um dem König, unserm Herrn und Meister, ein Geschenk damit zu machen, dem ich Euch sehr dabei empfehlen werde. Das wird Euch unendlich viel mehr eintragen, als was die Kaufleute Euch dafür geben könnten.« Anstatt mir zu antworten und Höflichkeit mit Höflichkeit zu vergelten, blickte der Unverschämte mich stolz an und sprach zu mir: »Nichtswürdiger Alter, ich wollte meine Sklavin lieber einem Juden schenken, als sie dir verkaufen.« – »Aber, Nureddin,« fuhr ich fort, ohne mich zu erhitzen, obwohl ich große Ursache dazu hatte, »Ihr bedenkt nicht, daß Ihr durch solche Reden den König beleidigt, der doch Euren Vater zu dem gemacht hat, was er war, so wie er mich zu dem gemacht hat, was ich bin.« – Diese Vorstellung, anstatt ihn zu besänftigen, reizte ihn nur noch mehr: er stürzte sogleich wie ein Rasender auf mich los, und ohne einige Achtung für mein Alter, noch weniger für meine Würde, riß er mich von meinem Pferde herunter, schlug mich, solange es ihm gefiel, und versetzte mich in den Zustand, worin Euer Majestät mich hier sieht. Ich flehe Euch nun an, zu erwägen, daß ich wegen meines Diensteifers für Euch so abscheuliche Beschimpfung erlitten habe.«

Mit diesen Worten senkte er das Haupt und drehte sich auf die Seite, um seine Tränen im Überfluß laufen zu lassen.

Der König, durch diese trugvolle Darstellung getäuscht und eingenommen gegen Nureddin, ließ auf seinem Gesichte den Ausdruck eines heftigen Zornes blicken; er wandte sich zu dem Hauptmann der Leibwache, der zugegen war, und sprach zu ihm: »Nimm vierzig Mann von meiner Wache, und nachdem du Nureddins Haus der Plünderung preisgegeben und Befehl erteilt hast, es zu schleifen, so bringe ihn mir mit seiner Sklavin her.«

Der Hauptmann der Wache war noch nicht aus dem Zimmer des Königs, als ein Türhüter, der diesen Befehl gehört hatte, ihm zuvoreilte. Er hieß Sandschiar und war vormals Sklave des Wesirs Chakan gewesen, der ihn in das Haus des Königs gebracht hatte, wo er allmählich so emporgestiegen war.

Sandschiar, voll Erkenntlichkeit gegen seinen alten Herrn und voll Eifers für Nureddin, den er hatte aufwachsen sehen, und seit lange wohlbekannt mit dem Hasse Sawis gegen das Haus Chakans, konnte diesen Befehl nicht ohne Schauder anhören. »Nureddins Handlung,« sagte er bei sich selber, »kann so schwarz nicht sein, als Sawi sie vorstellt; er hat den König eingenommen, und der König wird Nureddin hinrichten lassen, ohne ihm Zeit zu geben, sich zu rechtfertigen.«

Er sputete sich so sehr, daß er noch zeitig genug ankam, um Nureddin zu benachrichtigen, was soeben bei dem Könige vorgegangen war, und daß Nureddin sich mit der schönen Perserin noch retten konnte.

Er klopfte so stark an die Türe, daß Nureddin, der schon seit langer Zeit keine Bedienten mehr hatte, ungesäumt selber kam und öffnete. »Mein lieber Herr,« sprach Sandschiar zu ihm, »Ihr seid nicht mehr sicher in Balsora; fliehet und rettet Euch, ohne einen Augenblick zu verlieren.«

»Warum das?« fragte Nureddin; »was gibt es denn, das mich zwingt, so eilig abzureisen?«

»Fliehet, sage ich Euch,« versetzte Sandschiar, »und nehmet Eure Sklavin mit Euch. Mit zwei Worten: Sawi hat dem Könige soeben nach seinem Belieben erzählt, was zwischen ihm und Euch vorgefallen ist, und der Hauptmann der Wache mit vierzig Soldaten folgt mir auf dem Fuße, sich Eurer und ihrer zu bemächtigen.«

Zugleich erinnerte er ihn an die wohlbekannten Verse eines Dichters:

»Rette dich selbst, wenn du eine Verfolgung erleidest, und laß dein Haus die Abwesenheit seines Erbauers beseufzen.

Du findest stets ein anderes Land für dasjenige, welches du verlässest: aber dein Leben, wenn es dir genommen wird, wie könntest du das ersetzen?

Nur das, was man selber betreibt, hat guten Fortgang; darum sende keinen Gesandten in irgend einer schwierigen Angelegenheit.

Nur daher kommt es, daß des Löwen Hals so überaus stark ist, weil er selber seine Angelegenheiten betreibt.«

Hierauf sagte er noch: »Nehmet diese fünfzig Goldstücke, um Euch einen Zufluchtsort zu suchen; ich würde Euch mehr geben, wenn ich es vermöchte. Entschuldiget mich, wenn ich mich nicht länger aufhalte; ich verlasse Euch ungern, aber zu Eurem und meinem Besten, damit der Hauptmann der Wache mich nicht erblickt.«

Sandschiar ließ Nureddin kaum so viel Zeit, ihm zu danken, und machte sich fort.

Nureddin eilte zu der schönen Perserin und benachrichtigte sie von der Notwendigkeit für sie beide, augenblicks zu entfliehen. Sie warf nur ihren Schleier über, und beide verließen das Haus.

Sie hatten das Glück, nicht nur aus der Stadt zu kommen, ohne daß jemand ihre Flucht gewahrte, sondern selbst auch an die Mündung des nicht sehr entfernten Euphrats zu gelangen und sich auf ein Fahrzeug einzuschiffen, welches im Begriff war, die Anker zu lichten.

Denn gerade als sie anlangten, stand der Schiffshauptmann auf dem Verdeck in der Mitte der Reisenden und fragte sie: »Kinder, seid ihr alle hier? Hat jemand von euch noch etwas in der Stadt zu tun oder vergessen?« Worauf sie antworteten, sie wären alle da, und er könnte unter Segel gehen, wenn er wollte.

Sobald Nureddin sich eingeschifft hatte, fragte er, wohin das Schiff ginge, und war erfreut, zu vernehmen, daß es nach Bagdad führe. Der Hauptmann ließ die Anker lichten, spannte die Segel, und mit einem sehr günstigen Winde entfernte sich das Schiff von Balsora.

Nureddin gedachte der Worte des Dichters:

»Sieh dieses Schiff und erstaune über den wunderbaren Anblick; es kommt in seinem Laufe dem Winde zuvor.
Es gleicht einem Vogel, der seinem Nest entsteigt und mit Blitzesschnelle über das Wasser hinstreicht.«

In Balsora ging aber folgendes vor, während Nureddin mit der schönen Perserin dem Zorne des Königs entfloh:

Der Hauptmann der Wache kam an Nureddins Haus und pochte an die Türe. Da niemand öffnete, ließ er sie einschlagen, und alsbald drangen seine Soldaten haufenweise hinein: sie durchsuchten alles, fanden aber weder Nureddin noch seine Sklavin. Der Hauptmann ließ die Nachbarn fragen und fragte sie selber, ob keiner sie gesehen hätte. Aber wenn diese sie auch gesehen hätten, so war Nureddin doch bei allen so beliebt, daß keiner etwas gesagt haben würde, was ihm hätte nachteilig sein können.

Während man nun das Haus plünderte und schleifte, ging der Hauptmann hin und brachte dem Könige diese Nachricht. »Man suche sie überall, wo sie sich auch versteckt haben,« sagte der König; »ich will sie durchaus haben.«

Der Hauptmann der Wache ging auf neue Nachforschungen aus, und der König entließ den Wesir Sawi mit Ehren. »Geh,« sagte er zu ihm, »kehre zurück in dein Haus und sei unbesorgt wegen Nureddins Bestrafung: ich selber will dich wegen seiner Unverschämtheit rächen.«

Kurz, um alles aufzubieten, ließ der König durch die öffentlichen Ausrufer in der ganzen Stadt bekanntmachen: er würde demjenigen tausend Goldstücke geben, der ihm Nureddin mit seiner Sklavin brächte, denjenigen dagegen strenge bestrafen, der sie etwa verborgen hielte.

Aber welche Mühe er sich auch gab, und welche Sorgfalt er auch anwenden ließ, es war ihm nicht möglich, irgend eine Kunde von ihnen zu erhalten, und der Wesir Sawi hatte nur den Trost, zu sehen, daß der König sich seiner Sache angenommen hatte.

Nureddin und die schöne Perserin schifften unterdessen weiter und vollendeten ihre Fahrt mit allem möglichen Glücke. Sie erreichten endlich Bagdad; und sobald der Schiffshauptmann die Stadt erblickte, rief er voll Freuden über die glücklich vollbrachte Fahrt den Reisenden zu: »Kinder, freuet euch; da ist sie, diese große und wundervolle Stadt, der allgemeine und unaufhörliche Zusammenfluß aus allen Weltgegenden! Ihr werdet darin eine zahllose Volksmenge finden und dort weder die unerträgliche Kälte des Winters noch die übermäßige Hitze des Sommers ausstehen, sondern euch eines steten Frühlings mit seinen Blumen und zugleich mit den köstlichsten Früchten des Herbstes erfreuen.«

Als das Schiff ein wenig unterhalb der Stadt angelegt hatte, stiegen die Reisenden ans Land und begaben sich jeder nach seiner Herberge.

Nureddin bezahlte fünf Goldstücke für seine Überfahrt und stieg ebenfalls mit der schönen Perserin aus. Er war aber noch niemals in Bagdad gewesen und wußte nicht, wo er einkehren sollte. Beide gingen lange neben Gärten hin, die ans Ufer des Tigris stießen, und kamen auch an einen, welcher von einer schönen und langen Mauer eingeschlossen war. Am Ende derselben wandten sie sich in eine lange, wohlgepflasterte Straße, wo sie das Tor des Gartens und dabei einen schönen Springbrunnen erblickten.

 

Zweihundertundsechsundfünfzigste Nacht.

Das Tor war sehr prächtig und mit einer Vorhalle geziert, worin ein Sofa auf jeder Seite stand.

»Hier ist eine sehr bequeme Stelle,« sagte Nureddin zu der schönen Perserin; »die Nacht kommt heran, und da wir auf dem Schiffe schon gespeist haben, so bin ich der Meinung, daß wir hier die Nacht zubringen. Morgen früh haben wir Zeit genug, uns nach einer Wohnung umzusehen. was meint Ihr dazu?«

»Ihr wißt, Herr,« antwortete die schöne Perserin, »daß Euer Wille der meinige ist; bleiben wir hier, wenn es Euch so beliebt.«

Sie nahmen jeder einen Trunk aus dem Springbrunnen und legten sich dann auf eines der beiden Sofas, wo sie sich noch einige Zeit unterhielten. Der Schlaf befiel sie endlich, und sie entschlummerten bei dem angenehmen Geplätscher des Wassers.

Der Garten gehörte dem Kalifen, und in der Mitte desselben stand ein großer Saal, welcher der Gemäldesaal hieß, weil seine Hauptzierde aus Gemälden nach persischer Art bestand, von der Hand mehrerer persischer Künstler gemalt, welche der Kalif eigens hatte kommen lassen. Dieser große und prächtige Saal hatte vierundzwanzig Fenster mit einem Kronleuchter an jedem; und diese vierundzwanzig Kronleuchter wurden nur angezündet, wenn der Kalif hier den Abend zubrachte und das Wetter so stille war, daß auch nicht ein Lüftchen wehte. Sie machten alsdann eine sehr schöne Erleuchtung, welche von der einen Seite sehr weit in der Gegend und von einem großen Teile der Stadt aus zu sehen war.

Es wohnte in diesem Garten nur ein Aufseher, und ein alter hochbejahrter Offizier namens Scheich-Ibrahim versah diese Stelle, welche der Kalif selber ihm zur Belohnung seiner Dienste erteilt hatte. Der Kalif hatte ihm streng anbefohlen, nicht allerlei Leute in den Garten einzulassen und vor allem nicht zu leiden, daß man sich auf die beiden Sofas außen am Tore setzte oder legte, damit sie immer reinlich blieben, und diejenigen zu bestrafen, die er darauf beträfe.

Ein Geschäft hatte den Aufseher genötigt, auszugehen, und er war noch nicht wieder zurückgekehrt. Endlich kam er, und es war noch hell genug, daß er die beiden Personen erblickte, die auf dem einen Sofa schliefen und beide den Kopf mit einem Leinentuche verhüllt hatten zum Schutze gegen die Mücken.

»Schön,« sagte Scheich-Ibrahim bei sich selber, »da sind Leute, die das Verbot des Kalifen übertreten: ich will sie lehren, welche Ehrfurcht sie dem Kalifen schuldig sind.«

Er öffnete leise die Tür, und einen Augenblick danach kam er wieder mit einem dicken Stock in der Hand und mit aufgestreiften Ärmeln. Er wollte schon aus aller Macht auf einen wie den andern losschlagen, aber er hielt noch inne und sprach bei sich selber:

»Scheich-Ibrahim, du willst sie schlagen und bedenkst nicht, daß es vielleicht Fremdlinge sind, die nicht wissen, wo sie unterkommen sollen und den Befehl des Kalifen nicht kennen; es ist besser, daß du zuvor zusiehst, wer sie sind.«

Er hob also die Leinentücher, die ihren Kopf bedeckten, mit großer Vorsicht auf und geriet in die höchste Verwunderung, als er einen so wohlgebildeten Jüngling und ein so schönes Fräulein erblickte. Er weckte Nureddin auf, indem er ihn sanft an den Füßen zog.

Nureddin erhob sogleich das Haupt, und als er einen Greis mit langem weißen Barte an seinen Füßen sah, richtete er sich empor, schob sich auf den Knieen hin, und indem er die Hand des Greises faßte und küßte, sagte er zu ihm: »Gott erhalte Euch, guter Vater! Wünscht Ihr etwas?«

»Mein Sohn,« erwiderte Scheich-Ibrahim, »wer seid ihr? Wo kommt ihr her?«

»Wir sind Fremde, die eben hier angekommen,« antwortete Nureddin, »und wir wollten hier die Nacht zubringen bis morgen.«

»Ihr würdet euch hier schlecht befinden,« versetzte Scheich-Ibrahim; »kommt herein, ich will euch ein bequemeres Nachtlager geben, und der Anblick des Gartens, der sehr schön ist, wird euch erfreuen, solange es noch dämmert.«

»Und gehört dieser Garten Euch?« fragte Nureddin.

»Allerdings gehört er mir,« antwortete Scheich-Ibrahim lächelnd. »Es ist ein Erbteil meines Vaters; kommt nur herein, es wird euch nicht gereuen, ihn zu sehen.«

Nureddin stand auf, indem er Scheich-Ibrahim bezeigte, wie sehr er ihm für seine Höflichkeit verpflichtet wäre, und trat mit der schönen Perserin in seinen Garten. Scheich-Ibrahim verschloß die Türe, ging dann vor ihnen her und führte sie auf eine Stelle, wo sie fast mit einem Blicke die Anlage, die Größe und Schönheit des Gartens übersahen.

Nureddin hatte zu Balsora viel schöne Gärten gesehen, aber noch keinen, der diesem zu vergleichen wäre. Als er alles aufmerksam betrachtet und einige Baumgänge durchwandelt hatte, wandte er sich zu dem Aufseher, der ihn begleitete, und fragte ihn, wie er hieße. Und als dieser ihm geantwortet hatte, daß er sich Scheich-Ibrahim nennte, sagte er zu ihm: »Scheich-Ibrahim, ich muß gestehen, dies ist ein wundervoller Garten; Gott erhalte Euch lange darin! wir können Euch nicht genug für die Güte danken, daß Ihr uns einen so sehenswürdigen Ort sehen lasset; es ist billig, daß wir Euch auf irgend eine Weise unsere Erkenntlichkeit dafür bezeigen. Nehmet, da sind zwei Goldstücke; ich bitte Euch, uns etwas zu essen zu verschaffen, damit wir uns zusammen erfreuen.«

Bei dem Anblicke der beiden Goldstücke schmunzelte Scheich-Ibrahim, der dieses Metall sehr liebte, in seinen Bart; er nahm sie, und indem er Nureddin und die schöne Perserin verließ, um seinen Auftrag auszurichten (denn er war allein), sprach er sehr vergnügt bei sich selber: »Das sind doch brave Leute; ich würde mir selber großen Schaden getan haben, wenn ich die Unbesonnenheit gehabt hätte, sie zu mißhandeln und wegzujagen. Ich will sie mit dem zehnten Teile dieses Goldes fürstlich bewirten, und das übrige bleibt für meine Mühe.«

Während Scheich-Ibrahim ausging, etwas zum Abendessen einzukaufen sowohl für sich, als für seine Gäste, lustwandelten Nureddin und die schöne Perserin in dem Garten und gelangten zu dem Saale der Gemälde, welcher in der Mitte stand. Sie standen still und betrachteten seinen bewundernswürdigen Bau, seine Größe und Höhe; und nachdem sie ringsumher gegangen waren, um ihn von allen Seiten zu beschauen, stiegen sie über eine große Treppe von weißem Marmor zu der Türe des Saales hinauf; aber sie fanden sie verschlossen.

Nureddin und die schöne Perserin stiegen eben die Treppe wieder herunter, als Scheich-Ibrahim, mit Lebensmitteln beladen, ankam.

»Scheich-Ibrahim,« sagte Nureddin zu ihm mit Verwunderung, »habt Ihr uns nicht gesagt, daß der Garten Euch gehört?«

»Ich habe es gesagt,« antwortete Scheich-Ibrahim, »und wiederhole es nochmals, weshalb tut Ihr mir diese Frage?«

»Und dieser prächtige Saal,« fuhr Nureddin fort, »gehört der Euch auch?«

Scheich-Ibrahim versah sich dieser zweiten Frage nicht und schien ein wenig verwirrt. »Wenn ich sage, daß er mir nicht gehört,« sprach er bei sich selber, »so werden sie mich alsbald fragen, wie ich der Herr des Gartens sein könne, ohne zugleich der Herr des Saales zu sein!« Da er nun gern vorgeben wollte, daß der Garten sein wäre, so behauptete er auch dasselbe von dem Saale. »Mein Sohn,« antwortete er, »der Saal ist nicht ohne Garten; einer wie der andere gehören mir.«

»Wenn das ist,« fuhr hierauf Nureddin fort, »und Ihr uns diese Nacht gern zu Gästen haben wollt, so bitte ich Euch, machet uns das Vergnügen, uns das Innere davon sehen zu lassen; nach dem Äußern zu urteilen, muß er von außerordentlicher Pracht sein.«

Es wäre unhöflich von Scheich-Ibrahim gewesen, wenn er Nureddin diese Bitte versagt hätte, nachdem er schon so zuvorkommend gegen ihn gewesen war. Er bedachte überdies, daß der Kalif ihn nicht von seiner Ankunft benachrichtigt hatte, wie er doch zu tun pflegte, daß er also diesen Abend nicht kommen würde, und daß er mithin seine Gäste darin bewirten und selber mit ihnen essen könnte.

Er setzte die mitgebrachten Speisen auf die erste Treppenstufe und ging nach seiner Wohnung, um den Schlüssel zu holen. Er kam mit einem Lichte zurück und öffnete die Türe.

Nureddin und die schöne Perserin traten in den Saal und fanden ihn so überraschend, daß sie nicht müde werden konnten, die Schönheit und den Reichtum desselben zu bewundern. Denn der Gemälde zu geschweigen, so waren die Sofas höchst prächtig, und außer den Kronleuchtern, die in jedem Fenster hingen, war noch an jeder Wand zwischen ihnen ein silberner Armleuchter mit einer Wachskerze. Nureddin konnte alle diese Dinge nicht betrachten, ohne sich des Glanzes zu erinnern, in welchem er gelebt hatte, und darüber zu seufzen.

Scheich-Ibrahim brachte unterdessen die Speisen herein und bereitete den Tisch vor einem Sofa, und als alles bereit war, setzten sich Nureddin, die schöne Perserin und er zu Tische und aßen zusammen.

Als sie fertig waren und ihre Hände gewaschen hatten, öffnete Nureddin ein Fenster und rief der schönen Perserin zu: »Kommet her und bewundert mit mir die herrliche Aussicht und die Schönheit des Gartens im Mondscheine; es gibt nichts Reizenderes.«

Sie trat zu ihm hin, und beide genossen miteinander des schönen Schauspiels, während Scheich-Ibrahim den Tisch abräumte.

Als Scheich-Ibrahim dies abgetan hatte und wieder zu seinen Gästen kam, fragte ihn Nureddin, ob er ihnen nicht auch etwas zu trinken vorzusetzen hätte. »Was für ein Getränk möchtet Ihr wohl?« versetzte Scheich-Ibrahim. »Wollt Ihr Sorbet? Ich habe den köstlichsten; aber Ihr wißt wohl, mein Sohn, daß man den Sorbet nicht nach dem Abendessen trinkt.«

»Ich weiß es wohl,« erwiderte Nureddin; »es ist auch nicht Sorbet, worum wir Euch bitten; es ist ein anderes Getränk: ich wundere mich, daß Ihr mich nicht verstehet.«

»Ah, es ist also Wein, was Ihr meinet?« versetzte Scheich-Ibrahim.

»Ihr habt's erraten,« antwortete ihm Nureddin; »wenn Ihr welchen habt, so tut uns den Gefallen, uns eine Flasche davon zu bringen. Ihr wißt, daß man ihn nach dem Abendessen trinkt, um sich bis zum Schlafengehen die Zeit zu vertreiben.«

»Gott bewahre, daß ich Wein im Hause haben sollte,« rief Scheich-Ibrahim aus, »ja, daß ich auch nur einem Ort nahen sollte, wo er zu haben ist! Ein Mann wie ich, der viermal die Wallfahrt nach Mekka gemacht, hat für sein ganzes Leben auf den Wein Verzicht getan.«

»Ihr würdet uns gleichwohl einen großen Gefallen tun, uns welchen zu verschaffen,« fuhr Nureddin fort; »und wenn Euch nicht die Mühe verdrießt, so will ich Euch ein Mittel dazu lehren, ohne daß Ihr in die Schenke tretet oder die Hand an das leget, was es darin gibt.«

»Unter dieser Bedingung will ich es wohl tun,« antwortete Scheich-Ibrahim; »saget mir nur, was ich tun soll.«

»Wir haben am Eingange Eures Gartens einen Esel angebunden gesehen,« fuhr nun Nureddin fort; »vermutlich gehört er Euch und dient zu Eurem nötigen Gebrauche. Hier habt Ihr noch zwei Goldstücke: nehmet den Esel mit seinen Körben und gehet zu der ersten besten Schenke, ohne Euch weiter ihr zu nähern, als Euch beliebt; gebet einem Vorübergehenden eine Kleinigkeit und bittet ihn, mit dem Esel zur Schenke zu gehen, dort zwei Krüge Wein zu kaufen, in jeden Korb einen zu setzen und Euch den Esel zurückzubringen, nachdem er den Wein von dem Gelde bezahlt hat, das Ihr ihm dazu mitgeben müßt. Dann dürft Ihr nur den Esel vor Euch hertreiben bis zu uns, und wir wollen schon selber die Krüge aus den Körben nehmen. Auf solche Weise tut Ihr nichts, was Euch das geringste Bedenken erregen könnte.«

Die beiden neuen Goldstücke, die Scheich-Ibrahim eben empfing, machten einen starken Eindruck auf sein Gemüt. »Ah, mein Sohn,« rief er aus, als Nureddin geendigt hatte, »was Ihr es gut versteht! Ohne Euch würde ich nie auf dieses Mittel gefallen sein, Euch, ohne mein Gewissen zu beschweren, Wein zu verschaffen.«

Er verließ sie, um seinen Auftrag auszurichten, und er entledigte sich desselben in kurzer Zeit.

Sobald er zurückkam, stieg Nureddin hinab, hob die beiden Krüge aus den Körben und trug sie in den Saal.

Scheich-Ibrahim führte den Esel wieder dahin, wo er ihn geholt hatte; und als er zurückkam, sagte Nureddin zu ihm: »Wir können Euch nicht genug für die Mühe danken, welche Ihr Euch gegeben habt; aber es fehlt uns noch etwas.« –

»Nun, was denn?« fragte Scheich-Ibrahim; »was kann ich noch tun, Euch zu dienen?«

»Wir haben keine Trinkschalen,« fuhr Nureddin fort; »und einige Früchte würden uns sehr wohl tun, wenn Ihr welche hättet.«

»Ihr habt nur zu befehlen,« erwiderte Scheich-Ibrahim, »es soll Euch an nichts fehlen, was Ihr nur immer wünschen möget.«

Scheich-Ibrahim stieg hinab, und in kurzer Zeit bereitete er ihnen einen Nachtisch, besetzt mit mehreren Arten von Früchten in schönen Porzellangefäßen und mit Schalen von Gold und Silber, nach Belieben; und nachdem er sie gefragt hatte, ob sie noch irgend etwas bedürften, entfernte er sich und wollte durchaus nicht bleiben, so dringend sie ihn auch darum baten.

Nureddin und die schöne Perserin setzten sich nun wieder an den Tisch und fingen an, einen Trunk zu tun: sie fanden den Wein vortrefflich.

»Nun, meine Schöne,« sagte Nureddin zu der schönen Perserin, »sind wir nicht die glücklichsten Leute von der Welt, daß der Zufall uns an einen so angenehmen und reizenden Ort geführt hat? Lasset uns fröhlich sein und uns von der Unlust unserer Reise erholen! Kann mein Glück größer sein, wenn ich auf der einen Seite Euch habe und auf der andern die Trinkschale?«

Sie tranken zu wiederholten Malen, unterhielten sich vergnüglich und sangen abwechselnd ihr Lied.

Da sie beide eine vollkommen schöne Stimme hatten, besonders die schöne Perserin, so zog ihr Gesang den Scheich-Ibrahim an, und er hörte ihnen lange mit Vergnügen von der Treppe zu, ohne sich sehen zu lassen. Endlich kam er hervor, und indem er den Kopf durch die Türe steckte, rief er dem Nureddin zu, den er schon berauscht wähnte: »Bravo, Herr! Ich bin erfreut, Euch so lustig zu sehen.«

»Ah, Scheich-Ibrahim!« rief Nureddin, indem er sich nach ihm umdrehte, »was Ihr für ein wackerer Mann seid, und wie wir Euch verbunden sind! Wir dürfen Euch nicht bitten, eins mit uns zu trinken; aber tretet doch nur herein! Kommet näher und erzeiget uns wenigstens die Ehre, uns Gesellschaft zu leisten!«

»Fahret fort, fahret fort,« erwiderte Scheich-Ibrahim; »ich habe genug an dem Vergnügen, Eure schönen Gesänge zu hören.«

Und mit diesen Worten verschwand er wieder.

 

Zweihundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

Die schöne Perserin bemerkte, daß Scheich-Ibrahim auf der Treppe stehen blieb, und benachrichtigte Nureddin davon. »Herr,« setzte sie hinzu, »Ihr seht, daß er einen Abscheu vor dem Weine bezeigt: gleichwohl zweifle ich nicht, ihn zum Trinken zu bringen, wenn Ihr tun wollt, was ich Euch sage.«

»Und was denn?« fragte Nureddin; »Ihr dürft nur befehlen, ich tue alles, was Ihr wollt.«

»Beredet ihn nur, hereinzutreten und bei uns zu bleiben,« sagte sie; »ein Weilchen danach schenket zu trinken ein und bietet ihm die Schale dar; wenn er es Euch versagt, so trinket, und darauf tut, als wenn Ihr einschliefet; für das übrige lasset mich sorgen.«

Nureddin verstand die Absicht der schönen Perserin; er rief Scheich-Ibrahim, der gleich wieder an der Türe erschien. »Scheich-Ibrahim,« sagte er zu ihm, »wir sind Eure Gäste, und Ihr habt uns auf die höflichste Weise von der Welt aufgenommen: warum wolltet Ihr uns nun die Bitte abschlagen, uns mit Eurer Gesellschaft zu beehren? Wir verlangen von Euch nicht, daß Ihr trinken sollt, sondern nur das Vergnügen, Euch zu sehen.«

Scheich-Ibrahim ließ sich bereden; er trat herein und setzte sich auf den Rand des zunächst an der Türe stehenden Sofas. »Ihr sitzt da nicht gut, und wir können so nicht die Ehre haben, Euch zu sehen,« sagte darauf Nureddin; »kommet näher, ich bitte Euch darum, und setzet Euch neben meine Frau: sie wird es gern sehen.«

»So tue ich denn, was Ihr befehlet,« sagte Scheich-Ibrahim. Er näherte sich, und indem er vor Vergnügen schmunzelte, bei einer so reizenden Frau zu sein, setzte er sich in einiger Entfernung von der schönen Perserin.

Nureddin bat sie, zum Danke für die Ehre, welche Scheich-Ibrahim ihnen erzeigte, ein Lied zu singen, und sie sang eins, das ihn zum Entzücken hinriß.

Als die schöne Perserin ausgesungen hatte, schenkte Nureddin Wein in eine Schale und bot sie Scheich-Ibrahim dar mit den Worten: »Scheich-Ibrahim, trinket einmal auf unsere Gesundheit, ich bitte Euch darum.«

»Herr,« erwiderte er, indem er zurückschauderte, als wenn der bloße Anblick des Weines ihm schon ein Greuel wäre, »ich bitte Euch, mich zu entschuldigen; ich habe Euch schon gesagt, daß ich vorlängst den Wein abgelobt habe.«

»Weil Ihr denn durchaus nicht auf unsere Gesundheit trinken wollt,« sagte Nureddin, »so werdet Ihr doch vergönnen, daß ich auf die Eurige trinke.«

Während Nureddin trank, durchschnitt die schöne Perserin einen Apfel und bot die eine Hälfte dem Scheich-Ibrahim dar, indem sie zu ihm sagte: »Ihr habt nicht trinken wollen; aber ich glaube nicht, daß Ihr ebensoviel Schwierigkeit machen werdet, von diesem Apfel zu kosten, der vortrefflich ist.«

Scheich-Ibrahim konnte es einer so schönen Hand nicht abschlagen; er nahm mit einer Verneigung des Hauptes den Apfel und führte ihn an den Mund. Sie sagte ihm darüber einige Schmeicheleien, während Nureddin sich über das Sofa zurücklehnte und sich stellte, als wenn er schliefe. Sogleich rückte die schöne Perserin näher zu Scheich-Ibrahim und sagte leise zu ihm: »Da seht Ihr es; so macht er es immer, sooft wir uns zusammen erlustigen: kaum hat er zwei Züge getrunken, so schläft er ein und läßt mich allein. Aber ich glaube, Ihr werdet mir gern Gesellschaft leisten, während er schläft.«

Die schöne Perserin nahm eine Schale, füllte sie mit Wein und bot sie Scheich-Ibrahim, indem sie zu ihm sagte: »Nehmet und trinket auf meine Gesundheit; ich will Euch Bescheid tun.«

Scheich-Ibrahim machte noch große Schwierigkeiten, er bat sie sehr dringend, es ihm zu erlassen; sie aber setzte ihm so lebhaft zu, daß er, überwunden von ihren Reizen und ihrem Zureden, die Schale nahm und sie rein austrank.

Der gute Greis liebte wohl ein Schlückchen; aber er scheute sich, es vor Leuten zu tun, die er nicht kannte. Er ging heimlich, wie so viele andere, in die Schenke, und er hatte keineswegs die Vorsicht gebraucht, welche Nureddin ihn zum Einkaufe des Weines gelehrt hatte. Er hatte ihn ohne Umstände bei dem Schenkwirte gekauft, wo er wohl bekannt war; die Nacht hatte ihm zum Deckmantel gedient, und er hatte so das Geld gespart, welches er dem hätte geben müssen, dem er nach Nureddins Anleitung den Auftrag zum Einkaufe geben sollte.

Während Scheich-Ibrahim, nachdem er getrunken hatte, die Hälfte des Apfels aufaß, schenkte die schöne Perserin ihm eine andere Schale voll Weins, die er schon mit weniger Schwierigkeit annahm, und er machte gar keine mehr bei der dritten. Er trank endlich die vierte, wobei Nureddin tat, als wenn er aus dem Schlaf erwachte: er richtete sich auf, und indem er ihn mit lautem Lachen ansah, rief er ihm zu:

»Ha, ha, Scheich-Ibrahim, ich ertappe Euch; Ihr habt mir gesagt, Ihr habet den Wein abgelobt, und gleichwohl trinkt Ihr ihn!«

Scheich-Ibrahim versah sich dieser Überraschung nicht, und die Röte stieg ihm etwas ins Angesicht. Jedoch hinderte ihn dies nicht, die Schale zu leeren, und als er es getan hatte, sagte er lächelnd: »Herr, wenn es Sünde ist, was ich getan habe, so fällt sie nicht auf mich, sondern auf Eure Frau: wie vermöchte man so vielen Reizen zu widerstehen!«

Die schöne Perserin, die sich mit Nureddin verstand, verteidigte Scheich-Ibrahim und sagte zu ihm: »Scheich-Ibrahim, lasset ihn reden und tut Euch keinen Zwang an; fahret fort, mit uns zu trinken, und seid fröhlich.«

Bald darauf schenkte Nureddin sich und dann der schönen Perserin ein. Als Scheich-Ibrahim sah, daß Nureddin ihn überging, nahm er eine Schale und hielt sie ihm hin, indem er sagte: »Und ich, soll ich nicht ebensogut trinken als Ihr?«

Bei diesen Worten Scheich-Ibrahims brachen Nureddin und die schöne Perserin in ein lautes Lachen aus. Nureddin schenkte ihm ein, und sie fuhren fort zu scherzen, zu lachen und zu trinken bis gegen Mitternacht.

Um diese Zeit ungefähr bemerkte die schöne Perserin, daß der Tisch nur von einer Kerze erleuchtet war.

»Scheich-Ibrahim,« sagte sie zu dem guten alten Aufseher, »Ihr habt uns nur ein Licht gebracht, und da sind so viele schöne Wachskerzen; ich bitte Euch, machet uns das Vergnügen, sie anzuzünden, damit wir heller sehen.«

Scheich-Ibrahim bediente sich der Freiheit, welche der Wein gibt, wenn der Kopf erhitzt ist; und um nicht eine Erzählung zu unterbrechen, womit er Nureddin unterhielt, sagte er zu der Schönen: »Zündet sie selber an; das geziemt Euch auch besser, da Ihr noch so jung seid; aber hütet Euch wohl, aus guten Gründen, mehr als fünf oder sechs anzuzünden; das genügt.«

Die schöne Perserin stand auf, nahm eine Kerze, setzte sie an dem Lichte, das auf dem Tische stand, in Brand und zündete alle vierundzwanzig Wachskerzen an, ohne sich daran zu kehren, was Scheich-Ibrahim ihr gesagt hatte.

Einige Zeit darauf, während Scheich-Ibrahim die schöne Perserin von einem andern Gegenstande unterhielt, bat ihn wieder Nureddin, auch einige Kronleuchter anstecken zu lassen. Ohne wahrzunehmen, daß schon alle Kerzen der Armleuchter brannten, erwiderte Scheich-Ibrahim: »Ihr müßt wohl sehr träge sein und nicht so rüstig als ich, daß Ihr sie nicht selber anzünden könnt. Gehet und stecket sie an, aber nicht mehr als drei.«

Anstatt nur so viele anzuzünden, zündete Nureddin sie alle an und öffnete die vierundzwanzig Fenster, worauf Scheich-Ibrahim, von der Unterhaltung der schönen Perserin festgehalten, auch nicht acht gab. –

Der Kalif Harun Arreschid hatte sich um diese Zeit noch nicht zur Ruhe begeben; er war in einem Saale seines Palastes, der an den Tigris stieß und die Aussicht nach dem Garten und dem Saale der Gemälde hatte. Zufällig öffnete er ein Fenster nach dieser Seite hin und war höchst erstaunt, den Saal ganz erleuchtet zu sehen, und umsomehr, als der helle Schein ihn anfangs verleitete, zu glauben, daß in der Stadt Feuer wäre.

Der Großwesir Giafar war noch bei ihm und erwartete nur den Augenblick, daß der Kalif zur Ruhe ginge, um sich nach Hause zu begeben. Der Kalif rief ihn in großem Zorne und sprach zu ihm: »Komm, nachlässiger Wesir, tritt her und betrachte den Saal der Gemälde, und sage mir, warum ist er zu dieser Stunde erleuchtet, ohne daß ich dort bin?«

Der Großwesir zitterte bei dieser Neuigkeit schon vor Furcht, daß dem so sein könnte. Er näherte sich, und er zitterte noch mehr, als er sah, daß es wirklich so war, wie der Kalif gesagt hatte. Der Kalif mußte indessen durch einen Vorwand besänftigt werden. »Beherrscher der Gläubigen,« sprach er zu ihm, »ich kann Euer Majestät nichts anderes hierüber sagen, als daß vor vier oder fünf Tagen Scheich-Ibrahim zu mir kam und mir seine Absicht bezeigte, eine Versammlung der Geistlichen seiner Moschee anzustellen zu einer gewissen Feier, welche er sich freute unter der glücklichen Regierung Euer Majestät zu begehen. Ich fragte ihn, was er wünschte, daß ich bei dieser Gelegenheit für ihn tun sollte: worauf er mich bat, ihm von Euer Majestät die Erlaubnis auszuwirken, daß er die Versammlung und Feier in dem Gartensaale anstellen dürfte. Ich entließ ihn mit der Erlaubnis, es zu tun, und sagte zu ihm, daß ich nicht verfehlen würde, mit Euer Majestät davon zu sprechen: und ich bitte nun um Verzeihung, daß ich es vergessen habe. – Scheich-Ibrahim,« fuhr er fort, »hat vermutlich diesen Tag zu der Feierlichkeit gewählt, und bei der Bewirtung der Geistlichen seiner Moschee hat er ihnen ohne Zweifel das Vergnügen dieser Erleuchtung gewähren wollen.«

»Giafar,« erwiderte der Kalif mit einem Tone, der anzeigte, daß er etwas besänftigt war, »nach dem, was du mir gesagt, hast du drei unverzeihliche Fehler begangen. Erstens, daß du dem Scheich-Ibrahim die Erlaubnis gegeben hast, diese Feier in meinem Saale anzustellen: ein bloßer Aufseher ist kein bedeutender Beamter, daß ihm eine solche Ehre gebührte. Zweitens, daß du mir nichts davon gesagt hast; und der dritte ist, daß du nicht die wahre Absicht des guten Alten erraten hast. Denn ich bin überzeugt, daß er keine andere gehabt hat, als zu sehen, ob er nicht eine Beisteuer zu den Kosten dieses Festes erlangen könnte. Du hast nicht daran gedacht, und ich nehme es ihm nicht übel, sich durch diese große Erleuchtung dafür zu rächen, daß er sie nicht erhalten hat.«

Der Großwesir war froh, daß der Kalif die Sache auf diese Weise nahm; er nahm gern die Fehler auf sich, welche der Kalif ihm vorwarf, und gestand freimütig sein Unrecht, daß er Scheich-Ibrahim nicht etliche Goldstücke gegeben hätte.

»Weil dem also ist,« fügte der Kalif lächelnd hinzu, »so ist es billig, daß du für deine Fehler bestraft werdest: aber die Strafe soll nur leicht sein, nämlich, du sollst mit mir den übrigen Teil der Nacht in Gesellschaft dieser guten Leute zubringen, die ich gern sehen will, während ich ein bürgerliches Kleid anlege, so geh und verkleide dich mit Mesrur ebenso, und kommet beide mit mir.«

Der Wesir Giafar stellte ihm vor, daß es schon spät wäre, und daß die Gesellschaft schon auseinandergegangen sein würde, bevor er hinkäme; der Kalif aber erwiderte, daß er durchaus hingehen wollte. Da alles, was der Wesir ihm gesagt hatte, ersonnen war, so war derselbe in Verzweiflung über diesen Entschluß; jedoch mußte er ohne Widerrede gehorchen.

 

Zweihundertundachtundfünfzigste Nacht.

Der Kalif verließ also, als Bürger verkleidet, mit dem Großwesir Giafar und Mesrur, dem Oberhaupte der Verschnittenen, seinen Palast und ging durch die Straßen von Bagdad nach dem Garten. Das Tor stand offen infolge Scheich-Ibrahims Nachlässigkeit, der bei der Rückkehr von der Weinschenke vergessen hatte, es zuzuschließen. Der Kalif war darüber ärgerlich und sagte zu dem Großwesir: »Giafar, was sagst du, daß das Tor so spät offen steht? Sollte das Scheich-Ibrahims Gewohnheit sein, es so die Nacht hindurch offen zu lassen? Ich will lieber glauben, daß die Verwirrung des Festes ihn zu diesem Fehler verleitet hat.«

Der Kalif trat in den Garten und ging nach dem Saale. Da er nicht zu demselben hinaufsteigen wollte, bevor er wüßte, was darin vorginge, beriet er sich mit dem Großwesir, ob er nicht auf einen der zunächst stehenden Bäume steigen sollte, um hineinzuschauen. Der Großwesir aber bemerkte, daß die Saaltüre halb offen stand, und sagte es ihm. Scheich-Ibrahim hatte sie so offen gelassen, als er sich hatte überreden lassen, hineinzugehen und Nureddin und der schönen Perserin Gesellschaft zu leisten.

Der Kalif gab also seinen ersten Vorsatz auf und stieg ohne Geräusch bis zur Saaltüre hinan. Diese stand nur so weit offen, daß er die, die drinnen waren, sehen konnte, ohne gesehen zu werden. Seine Überraschung konnte nicht größer sein, als er eine Frau von einer Schönheit ohnegleichen und einen der wohlgebildetsten jungen Männer und Scheich-Ibrahim mit ihnen am Tische sitzen sah.

Scheich-Ibrahim hielt eben die Schale in der Hand und sagte zu der schönen Perserin: »Meine schöne Herrin, ein guter Trinker muß niemals trinken, ohne zuvor sein Liedchen zu singen. Ich habe einmal einen Dichter sagen hören:

»Trink' in großen und kleinen Gefäßen Wein, der strahlt wie der leuchtende Mond!

Doch trinke nicht ohne Gesang: denn auch das Pferd wiehert, wenn es sich mit einem Trunk erquickt.«

Gebet mir die Ehre und höret mir zu, es ist eins der artigsten Lieder.«

Scheich-Ibrahim sang nun, und der Kalif war darüber umsomehr erstaunt, als es ihm bis jetzt unbekannt gewesen, daß der Alte Wein tränke, und er ihn für einen weisen und gesetzten Mann gehalten hatte, wie er ihm bisher immer erschienen war.

Er entfernte sich von der Türe wieder mit derselben Vorsicht, wie er sich genähert hatte, und kam zu dem Großwesir Giafar, der etliche Stufen tiefer auf der Treppe stehengeblieben war. »Steig hinauf,« sagte er zu ihm, »und sieh zu, ob die da drinnen Geistliche der Moschee sind, wie du mir hast einbilden wollen.«

An dem Tone, womit der Kalif diese Worte aussprach, erkannte der Großwesir gar wohl, daß die Sache übel abliefe. Er stieg hinauf, und als er durch die Öffnung der Türe hineinsah, zitterte er vor Furcht für sich selber, da er eben diese Personen erblickte und die Verfassung, worin sie sich befanden.

Er kam ganz verwirrt wieder zu dem Kalifen und wußte nicht, was er ihm sagen sollte. »Welche Unordnung,« sprach der Kalif zu ihm, »daß Leute die Dreistigkeit haben, in meinen Garten und Saal zu kommen und sich darin zu erlustigen, und daß Scheich-Ibrahim sie hereinläßt, sie duldet, ja sich mit ihnen lustig macht! Bei alledem glaube ich kaum, daß man ein schöneres und stattlicheres junges Paar sehen kann. Bevor ich meinen Zorn ausbrechen lasse, will ich mich noch näher unterrichten und wissen, wer sie sind, und welcher Anlaß sie hierher führt.«

Er trat wieder an die Türe, um sie weiter zu beobachten, und der Wesir, der ihm folgte, blieb hinter ihm stehen, während er hineinschaute. Sie hörten beide, daß Scheich-Ibrahim zu der schönen Perserin sagte: »Liebenswürdige Frau, habt Ihr noch irgend etwas zu wünschen, was die Freude dieses Abends erhöhen könnte.« – »Mich dünkt,« erwiderte die schöne Perserin, »alles wäre vollkommen, wenn Ihr noch ein Saitenspiel hättet und mir es bringen wolltet.«

»Herrin,« antwortete Scheich-Ibrahim, »könnt Ihr die Laute spielen?«

»Bringet eine her,« antwortete die schöne Perserin, »Ihr sollt es hören.«

Ohne weit von seinem Platze zu gehen, nahm Scheich-Ibrahim eine Laute aus einem Schranke und überreichte sie der schönen Perserin, die sogleich anfing, sie zu stimmen.

Der Kalif drehte sich unterdessen nach dem Großwesir um und sagte zu ihm: »Giafar, die junge Frau wird auf der Laute spielen; spielt sie gut, so will ich ihr verzeihen, desgleichen dem jungen Manne um ihretwillen; dich aber lasse ich sicherlich aufhängen.«

»Beherrscher der Gläubigen,« erwiderte der Großwesir, »wenn dem so ist, so bitte ich Gott, daß sie schlecht spielen möge.«

»Warum das?« fragte der Kalif.

»Je mehr unser sind,« antwortete der Großwesir, »desto leichter werden wir uns trösten können, in schöner und guter Gesellschaft zu sterben.«

Der Kalif, der gute Einfälle liebte, lachte über diese Antwort, dann drehte er sich wieder nach der Öffnung der Türe und horchte, um die schöne Perserin spielen zu hören.

Das Vorspiel der schönen Perserin ließ den Kalifen alsbald erkennen, daß sie meisterhaft spielte, hierauf fing sie ein Lied an zu singen und begleitete ihre wundervolle Stimme mit der Laute: sie tat dies mit solcher Kunst und Vollendung, daß der Kalif davon bezaubert wurde.

Sobald die schöne Perserin aufgehört hatte zu singen, stieg der Kalif die Treppe hinab, und der Wesir Giafar folgte. Als er unten war, sagte er zu dem Wesir: »Zeit meines Lebens habe ich keine schönere Stimme, noch besser die Laute spielen gehört; Isaak, den ich für den geschicktesten Lautenspieler auf der Welt hielt, kommt ihr nicht gleich. Ich bin so damit zufrieden, daß ich hineingehen will, um sie in meiner Gegenwart spielen zu hören: es fragt sich nur, wie ich dies anstellen soll.«

»Beherrscher der Gläubigen,« erwiderte der Großwesir, »wenn Ihr hineingeht und Scheich-Ibrahim Euch erkennt, so ist er vor Schrecken des Todes.«

»Das ist es auch, was ich besorge,« versetzte der Kalif, »und es sollte mir leid tun, die Ursache seines Todes zu sein, nachdem er mir so lange gedient hat. Mir fällt etwas ein, wodurch es wohl gelingen kann; bleib du mit Mesrur hier, und erwartet in dem nächsten Baumgange meine Rückkunft.«

 

Zweihundertundneunundfünfzigste Nacht.

Die Nähe des Tigris hatte den Kalifen veranlaßt, Wasser daraus in ein festausgemauertes Becken zu leiten, welches einen schönen Teich bildete, wo die besten Fische des Tigris sich hineingezogen hatten. Die Fischer wußten dies wohl, und sie hätten sehr gern die Freiheit gehabt, darin zu fischen, aber der Kalif hatte es Scheich-Ibrahim ausdrücklich verboten, jemand dorthin zu lassen. Eben diese Nacht hatte gleichwohl ein Fischer, der an dem Gartentore vorbeiging, nachdem der Kalif hineingetreten war und es offen gelassen, wie er es gefunden hatte, die Gelegenheit benutzt und sich in den Garten nach dem Teiche geschlichen.

Dieser Fischer hatte seine Netze ausgeworfen und war eben im Begriffe, sie ans Land zu ziehen, als der Kalif, der aus der Nachlässigkeit Scheich-Ibrahims wohl vermutete, was geschehen war, und diesen Umstand zu seinem Zwecke benutzen wollte, eben dorthin kam. Ungeachtet seiner Verkleidung erkannte der Fischer ihn doch, warf sich sogleich zu seinen Füßen und bat um Verzeihung, indem er sich durch seine Armut entschuldigte.

»Steh auf und fürchte nichts,« erwiderte der Kalif; »zieh nur dein Netz heraus, damit ich sehe, was für Fische darin sind.«

Der beruhigte Fischer gehorchte sofort dem Befehle des Kalifen und zog fünf oder sechs schöne Fische heraus, von welchen der Kalif die beiden größten auswählte und sie mit einer Rute bei den Kiefern zusammenbinden ließ. Hierauf sagte der Kalif zu dem Fischer: »Gib mir dein Kleid und nimm das meine.«

Der Tausch geschah in wenig Augenblicken; und nachdem der Kalif von den Schuhen bis zum Turban als Fischer verkleidet war, sagte er zu dem Fischer: »Nimm dein Netz und geh deinem Gewerbe nach.«

Als der Fischer, sehr zufrieden mit seinem guten Glücke, weggegangen war, nahm der Kalif die beiden Fische in die Hand und ging wieder zu dem Großwesir Giafar und Mesrur. Er stand vor dem Großwesir still, und dieser erkannte ihn nicht. »Was willst du?« sagte er zu ihm; »geh deines Weges.« Der Kalif fing sogleich an zu lachen, und nun erkannte ihn der Großwesir. »Beherrscher der Gläubigen,« rief er aus, »ist es möglich, seid Ihr es? Ich erkannte Euch nicht, und ich bitte Euch tausendmal um Verzeihung wegen meiner Unhöflichkeit. Ihr könnt jetzt in den Saal gehen, ohne Furcht, daß Scheich-Ibrahim Euch erkennen werde.« – »Bleibet also noch hier,« sagte er, »während ich meine Rolle spiele.«

Der Kalif stieg nun nach dem Saal hinauf und klopfte an die Türe. Nureddin, der es zuerst hörte, sagte es Scheich-Ibrahim; und Scheich-Ibrahim fragte, wer da wäre. Der Kalif öffnete die Türe, und nachdem er nur einen Schritt in den Saal tat, um sich zu zeigen, antwortete er: »Scheich-Ibrahim, ich bin der Fischer Kerim: da ich vernommen, daß Ihr Eure Freunde bewirtet, und jetzt eben zwei schöne Fische gefangen habe, so komme ich, Euch zu fragen, ob Ihr sie nicht gebrauchen könnt.«

Nureddin und die schöne Perserin freuten sich, als sie von Fischen reden hörten, und die schöne Perserin sagte sogleich: »Scheich-Ibrahim, ich bitte Euch, gewähret uns das Vergnügen, ihn hereinkommen und uns seine Fische sehen zu lassen.«

Scheich-Ibrahim war nicht mehr imstand, den vorgeblichen Fischer zu fragen, wie oder wo er hereingekommen wäre; er dachte nur daran, der schönen Perserin zu gefallen. Er drehte also den Kopf mit ziemlicher Mühe – so viel hatte er getrunken – nach der Türe und sagte lallend zu dem Kalifen, den er für einen Fischer hielt: »Komm näher, du braver Nachtdieb, komm näher und laß dich sehen.«

Der Kalif trat herein, indem er vollkommen alle Gebärden eines Fischers nachmachte, und zeigte die beiden Fische vor.

»Das sind sehr schöne Fische,« sagte die schöne Perserin; »ich möchte gern davon essen, wenn sie nur gekocht und gut zugerichtet wären.«

»Die gnädige Frau hat recht,« sprach Scheich-Ibrahim; »was sollen wir mit deinen Fischen, wenn sie nicht zugerichtet sind? Geh, richte sie selber zu und bringe sie uns: du findest alles dazu in meiner Küche.

Der Kalif ging wieder zu dem Großwesir Giasar und sagte zu ihm: »Giasar, ich bin sehr wohl aufgenommen worden; aber sie verlangen die Fische zugerichtet.«

»Ich will sie zurichten,« sagte der Großwesir, »es soll im Augenblicke getan sein.«

»Mir liegt die Ausführung meines Plans so sehr am Herzen,« fuhr der Kalif fort, »daß ich gern selber die Mühe übernehmen will. Da ich so gut den Fischer spiele, so kann ich wohl auch den Koch machen: ich habe mich in meiner Jugend mit der Küche abgegeben und meine Sache nicht übel gemacht.«

Mit diesen Worten nahm er den Weg nach Scheich-Ibrahims Wohnung, und der Großwesir und Mesrur folgten ihm dahin.

Sie legten alle drei Hand ans Werk, und obgleich die Küche Scheich-Ibrahims nicht groß war, so fehlte doch nichts von allem, was sie gebrauchten, und in kurzer Zeit hatten sie die Schüssel Fische zugerichtet.

Der Kalif trug sie auf und legte dabei jedem eine Zitrone hin, sich nach Belieben davon zu bedienen. Sie aßen mit großer Lust, besonders Nureddin und die schöne Perserin, und der Kalif wartete ihnen auf.

Als sie fertig waren, betrachtete Nureddin den Kalifen und sprach zu ihm: »Fischer, man kann keine trefflicheren Fische essen, und du hast uns das größte Vergnügen von der Welt gemacht.«

Zu gleicher Zeit fuhr er mit der Hand in seinen Busen und zog seine Börse hervor, in welcher sich dreißig Goldstücke befanden, der Rest von den vierzigen, die Sandschiar, der Türhüter des Königs von Balsora, ihm vor seiner Abreise geschenkt hatte. »Nimm,« sagte er zu ihm, »ich würde dir mehr geben, wenn ich mehr hätte; ja ich würde dich aus der Armut gerissen haben, wenn ich dich gekannt hätte, bevor ich mein Erbteil verzehrte; nimm es indessen ebenso gutwillig an, als wenn es ein ansehnlicheres Geschenk wäre.«

Der Kalif nahm die Börse, dankte Nureddin dafür, und als er fühlte, daß Gold darin war, sagte er zu ihm: »Herr, ich kann Euch nicht genug für Eure Freigebigkeit danken. Es ist ein großes Glück, mit so edlen Männern zu tun zu haben, wie Ihr seid; aber ehe ich mich entferne, habe ich noch eine Bitte an Euch, welche Ihr mir ja gewähren müßt. Da sehe ich eine Laute, woraus ich schließe, daß die gnädige Frau darauf spielen kann. Wenn Ihr sie dazu bewegen könntet, mir die Gnade zu erzeigen und ein Stück darauf zu spielen, so würde ich als der vergnügteste Mensch von der Welt heimgehen: die Laute ist ein Saitenspiel, welches ich leidenschaftlich liebe.«

»Schöne Perserin,« sagte sogleich Nureddin, indem er sich zu ihr wandte, »ich bitte Euch um diese Gnade und hoffe, Ihr werdet sie nicht versagen.«

Sie nahm die Laute, und nachdem sie dieselbe in wenig Augenblicken gestimmt hatte, spielte und sang sie ein Lied, das den Kalifen bezauberte. Zuletzt spielte sie, ohne dazu zu singen, und sie tat dies mit solcher Kraft und Anmut, daß er davon zum Entzücken hingerissen wurde.

Als die schöne Perserin aufhörte zu spielen, rief der Kalif aus: »Welche Stimme, welche Hand und welches Spiel! Kann man besser singen, besser die Laute spielen! Nimmer hat man desgleichen gesehen noch gehört!«

Nureddin, gewohnt, alles, was ihm gehörte, denjenigen zu schenken, die es lobten, erwiderte: »Fischer, ich sehe wohl, daß du dich darauf verstehest: da sie dir so sehr gefällt, so ist sie dein, ich mache dir ein Geschenk damit.«

Zu gleicher Zeit stand er auf, nahm seinen Rock, den er abgelegt hatte, und wollte weggehen, um den Kalifen, den er immer nur für einen Fischer hielt, im Besitze der schönen Perserin zu lassen.

Die schöne Perserin, höchst erstaunt über Nureddins Freigebigkeit, hielt ihn zurück und sagte zu ihm, ihn zärtlich anblickend: »Herr, wo wollt Ihr denn hin? Ich bitte Euch, setzet Euch wieder auf Euren Platz und höret, was ich spielen und singen will.«

Er tat, was sie wünschte; und nun rührte sie die Saiten, und mit Tränen in den Augen ihn anblickend, sang sie dazu aus dem Stegreife von ihr gedichtete Verse, worin sie ihm lebhaft seine geringe Liebe zu ihr vorwarf, weil er sie so leicht und mit solcher Kälte dem Kerim überließ. Sie meinte, ohne sich weiter darüber zu erklären, einem Fischer wie Kerim, welchen sie ebensowenig als er für den Kalifen erkannte. Als sie geendigt hatte, legte sie die Laute neben sich hin und hielt ihr Schnupftuch vor das Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen, die sie nicht zurückhalten konnte.

Nureddin erwiderte kein Wort auf ihre Vorwürfe, und sein Schweigen bezeugte, daß sein Geschenk ihn nicht gereute.

Aber der Kalif, voll Verwunderung über das, was er hörte, sprach zu ihm: »Herr, so wie ich sehe, so ist diese so schöne, so seltene, so bewundernswürdige Frau, welche Ihr mir mit solcher Großmut zum Geschenke gemacht habt, Eure Sklavin, und Ihr seid ihr Herr?«

»Allerdings, Kerim,« erwiderte Nureddin, »und du würdest noch weit mehr erstaunt sein, als du es jetzt scheinst, wenn ich dir alle die Unglücksfälle erzählte, welche mir in Betreff ihrer begegnet sind.« – »Oh, ich bitte Euch, Herr,« versetzte der Kalif, immer sehr gut die Rolle des Fischers spielend, »erzeiget mir den Gefallen und erzählet mir die Geschichte.«

Nureddin, der ihm eben schon etwas Wichtigeres gewährt hatte, obwohl er ihn nur für einen Fischer hielt, wollte ihm auch gern noch diesen Gefallen tun. Er erzählte ihm also seine ganze Geschichte von Anfang her, wie der Wesir, sein Vater, die schöne Perserin für den König von Balsora gekauft hatte, und verschwieg nichts von allem, was er getan und was ihm begegnet war bis zu seiner Ankunft in Bagdad mit ihr und bis zu diesem Augenblicke, da er mit ihm sprach.

Als Nureddin geendigt hatte, fragte ihn der Kalif: »Und wohin wollt Ihr jetzt gehen?«

»Wohin ich gehen will?« antwortete er. »Wohin Gott mich führt.«

»Wollt Ihr mir folgen,« fuhr der Kalif fort, »so gehet nicht weiter: Ihr müßt im Gegenteile nach Balsora zurückkehren. Ich will Euch ein paar Zeilen an den König mitgeben; Ihr werdet sehen, er wird Euch gut aufnehmen, sobald er sie gelesen hat, und niemand wird Euch auch nur mit einem Worte Leides tun.«

»Kerim,« entgegnete Nureddin, »was du mir da sagst, klingt sehr wunderbar: wo hat man je gehört, daß ein Fischer wie du mit einem König in Briefwechsel steht!«

»Das darf Euch nicht verwundern,« erwiderte der Kalif, »wir sind zusammen bei demselben Lehrmeister in die Schule gegangen und sind immer die besten Freunde von der Welt gewesen. Zwar hat das Glück uns nicht auf gleiche Weise begünstigt, es hat ihn zum König und mich zum Fischer gemacht: aber diese Ungleichheit hat unsere Freundschaft nicht vermindert. Er hat sich alle ersinnliche Mühe gegeben, mich aus meinem Stande emporzuziehen: ich aber habe mich immer damit begnügt, die Achtung, welche er für mich hat, mir nichts abzuschlagen, zugunsten meiner Freunde zu benutzen. Drum lasset mich nur machen: Ihr werdet den Erfolg davon sehen.« –

Nureddin ließ sich den Vorschlag des Kalifen gefallen. Da im Saale alles zum Schreiben Notwendige vorhanden war, so schrieb der Kalif an den König von Balsora folgenden Brief, über welchen er fast am äußersten Rande des Papiers in sehr kleinen Schriftzügen die Formel setzte:

»Im Namen des allbarmherzigen Gottes«,

um dadurch anzudeuten, daß er unbedingten Gehorsam forderte.

 

Brief des Kalifen Harun Arreschid an den König von Balsora.

»Harun Arreschid, Mahdis Sohn, sendet diesen Brief an Muhammed, seinen Vetter.

Sobald Nureddin, des Wesirs Chakan Sohn, der Überbringer dieses Briefes, dir denselben übergeben und du ihn gelesen hast, so lege auf der Stelle den königlichen Mantel ab, bekleide ihn damit und räume ihm deine Stelle ein. Gott befohlen.«

Der Kalif faltete und versiegelte den Brief, und ohne Nureddin dessen Inhalt zu sagen, sprach er zu ihm: »Nimm und geh unverzüglich hin und besteig ein Boot, das bald abgehen wird, so wie alle Tage eins zu derselben Stunde abgeht; du kannst auf dem Schiffe schlafen.«

Nureddin nahm den Brief und reiste mit dem wenigen Gelde ab, das er bei sich hatte, als Sandschiar ihm seine Börse gab.

Die schöne Perserin war untröstlich über seine Abreise, drückte sich in eine Ecke des Sofas und zerfloß in Tränen.

Kaum hatte Nureddin den Saal verlassen, als Scheich Ibrahim, der bisher alles, was vorging, mit Stillschweigen beobachtet hatte, den Kalifen ansah, den er noch immer für den Fischer Kerim hielt, und zu ihm sagte: »Höre, Kerim, du bist hergekommen und hast zwei Fische gebracht, die höchstens zwanzig Kupfermünzen wert sind, und hast dafür eine Börse und eine Sklavin zum Geschenk erhalten: denkst du das alles für dich zu behalten? Ich erkläre dir, daß ich für mein Halbteil die Sklavin haben will. Was die Börse betrifft, so laß sehen, was darinnen ist: ist es Silbergeld, so magst du ein Stück für dich behalten; ist es aber Gold, so nehme ich alles und gebe dir etliche Kupferstücke, die ich noch im Beutel habe.« –

Um recht zu verstehen, was nun folgt,« unterbrach sich hier Scheherasade, »ist zu bemerken, daß der Kalif, bevor er die zugerichtete Schüssel mit den Fischen in den Saal trug, dem Großwesir Giafar befohlen hatte, eilig nach dem Palaste zu gehen und ihm vier Kammerdiener und ein Kleid zu holen und damit auf der andern Seite des Saales zu warten, bis er aus einem der Fenster in die Hände klatschte. Der Großwesir hatte diesen Befehl vollzogen, und er und Mesrur mit den vier Kammerdienern erwarteten an dem bestimmten Orte das verabredete Zeichen.

Ich komme nun zu meiner Erzählung zurück,« fuhr die Sultanin fort.

»Der Kalif, noch immer in der Verkleidung als Fischer, antwortete kühnlich dem Scheich-Ibrahim: »Scheich-Ibrahim, ich weiß nicht, was in der Börse ist: sei's Gold oder Silber, ich will es von Herzen gern mit Euch teilen; was aber die Sklavin betrifft, die will ich für mich allein behalten. Wenn Ihr Euch mit dem, was ich Euch anbiete, nicht begnügen wollt, so kriegt Ihr nichts.«

Scheich-Ibrahim, von Zorn entbrannt über solche Unverschämtheit, wofür er diese Rede eines Fischers gegen sich betrachtete, nahm eines von den Porzellangefäßen, die aus dem Tische standen, und warf es dem Kalifen nach dem Kopfe. Der Kalif wich leicht dem Wurfe eines vom Weine berauschten Mannes aus: das Gefäß flog gegen die Wand und zerbrach in tausend Stücke.

Scheich-Ibrahim, durch den Fehlwurf noch mehr erzürnt als zuvor, nimmt nun das auf dem Tische stehende Licht, steht taumelnd auf und steigt eine verborgene Treppe hinab, um einen Stock zu holen.

 

Zweihundertundsechzigste Nacht.

Der Kalif benutzte diese Zeit und klatschte zum Fenster hinaus in die Hände. Der Großwesir, Mesrur und die vier Kammerdiener waren im Augenblicke bei ihm, und die letzteren zogen ihm alsbald das Fischerkleid aus und legten ihm das mitgebrachte Kleid an. Sie waren noch nicht ganz fertig und noch um den Kalifen beschäftigt, der sich auf den im Saale für ihn stehenden Thron gesetzt hatte, als Scheich Ibrahim, von Habgier beseelt, mit einem großen Stock in der Hand hereintrat, womit er dem vermeinten Fischer derbe aufzuwichsen gedachte. Anstatt aber diesen wiederzuerblicken, sah er dessen Kleid mitten im Saale liegen und den Kalifen auf seinem Throne sitzen mit dem Großwesir und Mesrur an seiner Seite. Er stutzte bei diesem Schauspiel und zweifelte, ob er wachte oder träumte.

Der Kalif lachte über sein Erstaunen und fragte ihn: »Scheich-Ibrahim, was willst du, was suchst du?«

Scheich-Ibrahim, der nun nicht mehr zweifeln konnte, daß es der Kalif wirklich wäre, warf sich sogleich zu seinen Füßen, mit dem Antlitze und dem langen Barte den Loden bedeckend, und rief aus: »Beherrscher der Gläubigen, Euer elender Sklave hat Euch beleidigt; er fleht Eure Gnade an und bittet Euch tausendmal um Verzeihung.«

Da die Kammerdiener den Kalifen in diesem Augenblicke fertig angekleidet hatten, stieg er herab von seinem Throne und sagte zu ihm: »Steh auf, ich verzeihe dir.«

Der Kalif wandte sich hierauf zu der schönen Perserin, die ihren Schmerz gehemmt hatte, sobald sie vernommen, daß der Garten und der Saal diesem Fürsten gehörten und nicht Scheich-Ibrahim, wie derselbe vorgegeben, und daß er es selber war, der sich als Fischer verkleidet hatte. »Schöne Perserin,« sprach er zu ihr, »stehet auf und folget mir. Nach dem, was Ihr eben gesehen habt, werdet Ihr erkennen, wer ich bin, und daß es nicht meinem Range gemäß ist, von dem Geschenke, welches Nureddin durch eine Großmut ohnegleichen mit Eurer Person mir gemacht hat, Vorteil zu ziehen. Ich habe ihn nach Balsora geschickt, dort König zu sein, und ich will Euch als Königin ebendorthin senden, sobald ich die nötigen Verfügungen zu seiner Einsetzung getroffen habe. Unterdessen will ich Euch eine Wohnung in meinem Palaste geben, wo Ihr Eurer Würdigkeit gemäß behandelt werden sollt.«

Diese Rede beruhigte und tröstete die schöne Perserin über einen so empfindlichen Verlust; und sie entschädigte sich nach ihrer Traurigkeit völlig durch die Freude, zu vernehmen, daß Nureddin, den sie leidenschaftlich liebte, zu einer so hohen Würde war erhoben worden.

Der Kalif erfüllte das ihr gegebene Versprechen: er empfahl sie selbst seiner Gemahlin Sobeïde, nachdem er ihr die große Achtung mitgeteilt, welche er für Nureddin gefaßt hatte. –

Nureddins Rückkehr nach Balsora war glücklicher und einige Tage früher, als für seine Wohlfahrt zu wünschen gewesen wäre. Er besuchte bei der Ankunft weder Freunde noch Verwandte, sondern ging gerade nach dem Palaste des Königs, der eben Audienz gab. Er arbeitete sich durch das Gedränge, indem er den Brief mit der Hand emporhielt; man machte ihm Platz, und er überreichte denselben.

Der König empfing ihn, öffnete ihn und erbleichte beim Lesen. Er küßte ihn dreimal und stand schon im Begriffe, den Befehl des Kalifen zu erfüllen, als er sich bedachte und ihn dem Wesir Sawi zeigte, Nureddins unversöhnlichem Feinde.

Sawi, der Nureddin gleich erkannt hatte und mit großer Unruhe bei sich selber bedachte, weshalb er wohl gekommen sein möchte, war nicht minder als der König über den Befehl des Kalifen erstaunt, welchen der Brief enthielt. Da er nicht minder dabei beteiligt war, so sann er sogleich auf ein Mittel, ihn zu vereiteln. Er tat, als hätte er ihn noch nicht recht gelesen, und drehte sich, um ihn nochmals zu lesen, ein wenig auf die Seite, als ob er ein besseres Licht suchte: und ohne daß es jemand bemerkte und es an dem Blatte zu sehen war, wenn man es nicht recht nahe beschaute, riß er ganz behende oben von dem Briefe die Formel ab, durch welche der Kalif andeutete, daß er unbedingten Gehorsam forderte, steckte sie in den Mund und verschluckte sie.

Nach einer so boshaften Tat wandte sich Sawi wieder zu dem Könige, gab ihm den Brief zurück und fragte ihn leise: »Nun wohl, Herr, was gedenkt Euer Majestät zu tun?«

»Was der Kalif mir befiehlt,« antwortete der König.

»Nehmet Euch wohl dabei in acht,« antwortete der arglistige Wesir; »das hier ist freilich die Handschrift des Kalifen, aber die Formel fehlt dabei.«

Der König hatte sie sehr wohl bemerkt, aber in der Verwirrung, worin er war, wähnte er sich getäuscht zu haben, als er sie nicht mehr sah.

»Herr,« fuhr der Wesir fort, »Ihr dürft nicht zweifeln, daß der Kalif diesen Brief dem Nureddin auf seine gegen Euer Majestät und gegen mich angebrachten Klagen bewilligt hat, um ihn los zu werden, aber er hat nicht gemeint, daß Ihr vollziehen sollt, was er enthält. Überdies ist zu erwägen, daß er keinen besonderen Boten mit diesem Befehle gesandt hat, ohne welches er unwirksam ist. Man setzt keinen König, wie Ihr seid, ab ohne diese Förmlichkeit; jeder andere wie Nureddin könnte ja ebenso mit einem falschen Briefe kommen; jenes ist noch nie geschehen, Herr, Euer Majestät kann sich hierüber auf mein Wort verlassen, und ich nehme alle üblen Folgen auf mich, die daraus entstehen können.«

Der König Muhammed ließ sich bereden und übergab Nureddin der Willkür des Wesirs Sawi, der ihn mit gewaffneter Hand in sein Haus führte. Dort angelangt, ließ er ihm die Bastonade geben, bis er für tot dalag, und in diesem Zustande ließ er ihn in das Gefängnis tragen und ihn hier in das dunkelste und tiefste Loch werfen mit dem Befehl an den Gefangenenwärter, ihm nichts als Wasser und Brot zu geben.

Als Nureddin, ganz zerschlagen, wieder zu sich kam und sich in diesem Loche sah, stieß er ein klägliches Geschrei aus und beweinte sein unglückliches Schicksal. »Ach, Fischer,« rief er aus, »wie hast du mich betrogen, und wie leichtgläubig bin ich gewesen! Konnte ich eine so grausame Behandlung erwarten, nachdem ich dir so viel Gutes erzeigt habe! Der Himmel segne dich gleichwohl: ich kann nicht glauben, daß deine Absicht böse gewesen ist, und ich will Geduld haben bis ans Ende meiner Leiden.«

Der unglückliche Nureddin blieb zehn Tage in diesem Zustande, und der Wesir Sawi vergaß nicht, daß er ihn darein versetzt hatte. Entschlossen, ihn schmählich ums Leben zu bringen, wagte er es jedoch nicht auf seine Gefahr. Zur Vollführung seines verderblichen Anschlages belud er mehrere seiner Sklaven mit reichen Geschenken und stellte sich an ihrer Spitze dem Könige dar. »Herr,« sprach er zu ihm mit schwarzer Bosheit, »der neue König bittet Euer Majestät, diese Geschenke bei seiner Thronbesteigung freundlich aufzunehmen.«

Der König verstand, was Sawi sagen wollte. »Wie?« antwortete er, »der Elende lebt noch? Ich glaubte, du hättest ihn töten lassen.«

»Herr,« versetzte Sawi, »es steht mir nicht zu, jemand das Leben nehmen zu lassen; das gebührt Euer Majestät.«

»Geh,« erwiderte der König, »und laß ihm den Kopf abhauen, ich gebe dir die Vollmacht dazu.«

»Herr,« sagte hierauf Sawi, »ich bin Euer Majestät unendlich verbunden für die Gerechtigkeit, die sie mir angedeihen läßt. Aber da Nureddin mich so öffentlich beschimpft hat, wie Ihr wißt, so bitte ich um die Gnade, daß seine Hinrichtung auch vor dem Palaste geschehe, und daß die Ausrufer es durch alle Stadtteile verkünden, damit es niemand unbekannt bleibe, daß die mir von ihm angetane Beleidigung vollständig gerochen werden soll.«

Der König bewilligte ihm seine Bitte, und die Ausrufer taten ihre Schuldigkeit und verbreiteten durch die ganze Stadt eine allgemeine Traurigkeit. Das noch frische Andenken der Tugenden des Vaters ließ überall nur mit Unwillen vernehmen, daß der Sohn so schwächlich sollte hingerichtet werden auf den Betrieb und durch die Bosheit des Großwesirs Sawi.

Sawi ging selber in das Gefängnis, begleitet von zwanzig seiner Sklaven und Vollstrecker seiner Grausamkeit. Man führte ihm Nureddin vor, und er ließ ihn ein elendes Pferd ohne Sattel besteigen.

Als Nureddin sich den Händen seines Feindes überliefert sah, sagte er zu ihm: »Du triumphierst jetzt und mißbrauchst deine Gewalt, aber ich vertraue auf die Wahrheit folgender Worte eines unserer Bücher: »Du richtest ungerecht, und über ein kleines wirst du selber gerichtet werden.«

Der Wesir Sawi, der allerdings bei sich triumphierte, erwiderte: »Wie, du Unverschämter, du wagst es noch, mich zu beschimpfen! Geh, ich verzeihe es dir; mag doch geschehen, was da will, wenn ich nur im Angesichte von ganz Balsora deinen Kopf habe abhauen lassen. Du mußt auch wissen, was ein anderes unserer Bücher sagt: »Was schadet es, am Tage nach dem Tode seines Feindes zu sterben?«

Dieser in seinem Haß und in seiner Feindschaft unversöhnliche Minister, umgeben von einem Teile seiner bewaffneten Sklaven, ließ durch die übrigen Nureddin vor sich herführen und nahm den Weg nach dem Palaste. Das Volk war im Begriff, über ihn herzufallen, und würde ihn gesteinigt haben, wenn jemand den Anfang gemacht hätte. Als er ihn auf den Platz vor dem Palaste, dem Zimmer des Königs gegenüber, gebracht hatte, ließ er ihn unter den Händen des Scharfrichters und begab sich zu dem Könige, der schon am Fenster stand, um seine Augen an dem blutigen Schauspiele, das sich vorbereitete, zu weiden.

Die Wache des Königs und die Sklaven des Wesirs Sawi, die einen großen Kreis um Nureddin geschlossen, hatten viel Mühe, das Volk zurückzuhalten, welches, zwar vergeblich, alle möglichen Anstrengungen machte, um sie zu überwältigen, durchzubrechen und ihn zu befreien.

Der Scharfrichter näherte sich ihm und sprach: »Herr, ich bitte Euch, mir Euern Tod zu verzeihen; ich bin nur ein Sklave und kann mich der Ausübung meiner Pflicht nicht entziehen; wenn Ihr nicht noch etwas verlangt, so seid so gut und macht Euch bereit; denn der König wird mir gleich befehlen, den Streich zu tun.«

Da sprach der unglückliche Nureddin, indem er das Haupt zur Rechten und zur Linken drehte: »Will in diesem furchtbaren Augenblicke kein mitleidiger Mensch mir die Liebe tun und mir Wasser reichen, um meinen Durst zu löschen?«

Man brachte sogleich ein Gefäß mit Wasser, welches man von Hand zu Hand bis zu ihm gehen ließ.

Der Wesir Sawi, der diese Verzögerung bemerkte, rief dem Scharfrichter aus dem Fenster des königlichen Zimmers zu: »Was zauderst du? Hau zu ...«

 

Zweihundertundeinundsechzigste Nacht.

Auf diese grausamen und unmenschlichen Worte ertönte der ganze Platz von lauten Verwünschungen gegen den Wesir, und der auf sein Ansehn eifersüchtige König mißbilligte diese Kühnheit in seiner Gegenwart und gab es dadurch zu erkennen, daß er rief, man sollte noch warten.

Er hatte noch einen andern Grund dazu: nämlich, als er zu gleicher Zeit die Augen nach einer großen Straße richtete, die ihm gegenüber in den großen Platz auslief, erblickte er mitten in derselben einen Trupp Reiter, die mit verhängten Zügeln dahersprengten. »Wesir,« sprach er sogleich zu Sawi, »was bedeutet das? Schau her.«

Sawi, der wohl ahnte, was es sein konnte, drang in den König, dem Scharfrichter das Zeichen zu geben. »Nein,« erwiderte der König, »zuvor will ich wissen, wer diese Reiter sind.«

Es war der Großwesir Giafar mit seinem Gefolge, der selber im Namen des Kalifen von Bagdad kam. –

Zum Verständnisse, warum dieser Minister nach Balsora kam, ist zu bemerken, daß nach Nureddins Abreise mit dem Briefe des Kalifen dieser am folgenden Morgen und selbst mehrere Tage darauf nicht daran gedacht hatte, einen besonderen Boten mit der Kundmachung abzusenden, von welcher er der schönen Perserin gesagt hatte.

Er befand sich in dem inneren Palaste der Frauen, als er im Vorbeigehen an einem Zimmer eine sehr schöne Stimme hörte; er blieb stehen, und kaum hatte er einige Worte vernommen, die den Schmerz der Trennung ausdrückten, so fragte er einen der ihm folgenden Verschnittenen, wer die Frau wäre, die in diesem Zimmer wohnte. Der Bediente antwortete, es wäre die Sklavin des jungen Herrn, welchen er nach Balsora gesandt hätte, um an Muhammeds Statt König zu sein.

»Ach, armer Nureddin, Chakans Sohn!« rief sogleich der Kalif aus, »ich habe dich ganz vergessen! – Eile,« fügte er hinzu, »und laß mir unverzüglich Giafar kommen.«

Dieser Minister kam, und der Kalif sprach zu ihm: »Giafar, ich habe nicht daran gedacht, die Kundmachung hinzusenden, damit Nureddin zum König von Balsora anerkannt werde. Es ist keine Zeit mehr, sie ausfertigen zu lassen; nimm Leute zu Pferde mit dir und eile nach Balsora. Ist Nureddin nicht mehr am Leben und hingerichtet, so laß den Wesir Sawi aufhängen; ist er noch nicht tot, so führe ihn mir her samt dem König und dem Wesir.«

Der Großwesir Giafar nahm sich nur so viel Zeit, als er brauchte, um zu Pferde zu steigen, und reiste sogleich ab mit einer guten Anzahl seiner Hausbedienten. So kam er in diesem Aufzuge und zur angegebenen Zeit in Balsora an.

Sobald er auf dem Platze anlangte, wichen alle zurück und machten ihm Platz, indem sie laut um Gnade für Nureddin riefen; und mit solchem Geleite kam er bis an die Treppe in dem Palaste, wo er abstieg.

Der König von Balsora, der den ersten Minister des Kalifen erkannt hatte, ging ihm entgegen und empfing ihn am Eingange seines Zimmers.

Der Großwesir fragte sogleich, ob Nureddin noch lebte, und gebot, wenn er noch lebte, ihn kommen zu lassen.

Als derselbe bald darauf, und zwar gebunden und geknebelt, erschien, ließ er ihn losbinden und in Freiheit setzen und gebot dagegen, sich des Wesirs Sawi zu versichern und ihn mit denselben Stricken zu binden.

Der Großwesir Giafar blieb nur eine Nacht zu Balsora; am folgenden Morgen schon reiste er wieder zurück und führte dem ihm erteilten Befehle zufolge Sawi, den König von Balsora und Nureddin mit sich.

Als er in Bagdad ankam, stellte er sich dem Kalifen vor, und nachdem er von seiner Reise Rechenschaft abgelegt hatte, besonders von dem Zustande, worin er Nureddin gefunden, und von der Behandlung, welche derselbe durch den Rat und Haß Sawis erduldet hatte, erbot der Kalif dem Nureddin, selber dem Wesir Sawi den Kopf abzuhauen.

Nureddin aber erwiderte: »Beherrscher der Gläubigen, wie viel Böses dieser Boshafte mir auch getan und schon meinem seligen Vater zu tun sich bemüht hat, so würde ich mich jedoch für den verruchtesten aller Menschen achten, wenn ich meine Hände mit seinem Blute befleckt hätte.«

Der Kalif lobte ihn für diesen Edelmut und ließ dasselbe Urteil durch die Hand des Scharfrichters vollstrecken.

Der Kalif wollte Nureddin wieder nach Balsora schicken, dort zu regieren; aber Nureddin bat ihn, er möchte ihn davon entbinden, indem er ihm vorstellte: »Beherrscher der Gläubigen, die Stadt Balsora würde mir nach dem, was mir darin widerfahren ist, fortan solchen Abscheu erregen, daß ich Euer Majestät inständig zu bitten wage, zu vergönnen, daß ich den Schwur halte, welchen ich getan habe, mein Lebelang nicht wieder dahin zu kommen. Ich würde meinen höchsten Ruhm darein setzen, der Person Euer Majestät meine Dienste zu widmen, wenn dieselbe die Güte hätte, mir diese Gnade zu bewilligen.«

Der Kalif nahm ihn also unter die Zahl seiner vertrautesten Hofleute an, gab ihm die schöne Perserin wieder und tat ihm so viel Gutes, daß sie zusammen bis an ihren Tod in aller Glückseligkeit lebten, die sie nur wünschen konnten.

Was den König von Balsora anlangte, so begnügte sich der Kalif, ihm eingeschärft zu haben, wie vorsichtig er bei der Wahl der Wesire sein müßte, und schickte ihn in sein Königreich zurück.«

Da der Tag noch nicht anbrach, so begann Scheherasade mit Genehmigung des Sultans folgende Geschichte:

 


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