Hans Christian Andersen
Sein oder Nichtsein
Hans Christian Andersen

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IX.

Der neue Montanus

Große Freude herrschte im Pfarrhause; im Saale wie in der Studirstube, in der Küche wie im Keller ertönte die Jubelbotschaft: »Unser Sohn kommt nach Hause!« Es war Niels erster Besuch, seitdem er in Kopenhagen Student geworden war.

»Jetzt wird er einpacken,« sagte Mutter den Abend vorher; »jetzt ist er vor Freude schon so aufgeregt, daß er diese Nacht nicht viel schlafen wird. Wenn er sich nur des Morgens nicht verschläft und die Abfahrt des Schiffes versäumt; möchten sie ihn doch ja rechtzeitig wecken!« Ei ja, sie hätte ihn des Morgens wecken können, denn sie war längst wach und dachte an ihn und betete für ihn. Die Uhr schlug sechs; sie stieß »Vater« an den Arm und weckte ihn mit dem Rufe: »Du schläfst noch? Jetzt geht das Schiff ab!«

»Was für ein Schiff?« fragte der Pfarrer und fuhr erschreckt in die Höhe.

»Ei, das Dampfschiff! Jetzt fährt unser Niels aus Kopenhagens Hafen.« Ihre Gedanken weilten unaufhörlich bei ihm, den ganzen Tag machte sie die Reise mit und war trotzdem in der Küche wie im ganzen Hause beschäftigt. Bodil freute sich auf seine Ankunft eben so sehr, gab es jedoch nicht in so ungestümer Weise zu erkennen. Einen Strauß Blumen hatte sie auf der Haide gesammelt und in sein Zimmer gestellt; alle Nippsachen, an denen er Gefallen hatte, und alles, woran er gewöhnt war, hatten ihren alten Platz wieder einnehmen müssen. Auch ihre eigene neue Bibel hatte sie auf den Tisch in seinem Zimmer gelegt.

Es wurde Abend, später Abend, aber Vater erklärte, der Weg wäre gut und die Pferde wären kräftig, bis elf Uhr müßte Niels da sein. Jetzt rasselte ein Wagen heran, die Hunde hellten, der Ersehnte war da.

Was gab es da für ein Umarmen, Fragen und Erzählen! Mitternacht war längst vorüber. Endlich ging Vater zu Bett und forderte die anderen ebenfalls dazu auf, da sich auch Niels nach Ruhe sehnen müßte.

Der folgende Tag war ein Festtag und zu einem solchen sollten sich auch alle übrige gestalten. Hier herrschte friedliche Ruhe in Freude und Liebe. Niels fühlte sich bei der Innigkeit, mit der er empfangen wurde, bei den liebevollen Blicken, die ihm entgegenleuchteten, wie verklärt; ihm schien zwischen der Vergangenheit und Gegenwart fast nur ein freundlicher Traum zu liegen; hier war alles unverändert, aber in ihm war eine Wandlung eingetreten; in Entwickelung, Freiheit und Welterfahrung war er vorgeschritten, zum Guten, wie er hoffte.

In Kopenhagen war Bodil noch nicht gewesen; in ihren Augen war es die Weltstadt, bis von Niels Briefe aus Hamburg, Dresden und Berlin eintrafen, aber die Vorstellungen von der dänischen Königsstadt waren und blieben ihr doch am deutlichsten. Wie fesselnd verstand er doch vom Studentenverein, vom Theater und vom Gesellschaftsleben und besonders von der Eleganz und dem Reichthum im Hause des Großhändlers zu erzählen. Nach seinen Schilderungen erblickte sie in Rebekka und Amalie vollkommene Weltdamen; an dem »Kinde«, der stillen, leseeifrigen Esther fand sie jedoch das meiste Gefallen.

Einen ganz eigenthümlichen Eindruck machte auf Niels der schnelle Wechsel der Örtlichkeiten und Personen: eben erst in der Hauptstadt und jetzt schon weit davon auf der Jütländischen Haide. Dies hatte die Kraft des Dampfes, die Macht der neueren Zeit gethan. Hierdurch wurde das Gespräch auf Dampfschiffe, Eisenbahnen, Elektromagnetismus und die vielen großen Kräfte gelenkt, die wir jetzt alle kennen, die aber damals die ersten Anfänge noch nicht weit überschritten hatten.

»Das sind die Wunder der Gegenwart!« rief Niels.

»Sie sehen fast wie solche aus,« versetzte der alte Japetus, »aber es sind Menschenwerke; legen wir ihnen keine heilige Namen bei!«

»Wie weit wollen die Menschen es denn noch bringen,« sagte Bodil, »und wohin soll das alles führen?«

»Bei den ersten Luftballons fragte man ebenfalls, wozu sie dienen sollten, und Franklin antwortete mit der Gegenfrage, wozu denn das neugeborene Kind diene? Das Menschengeschlecht schreitet in unserer Zeit mit Riesenschritten vorwärts; in jedem Jahrtausend tritt stets ein Jahrhundert hervor, in dem man diesen Ruck nach vorwärts am deutlichsten merkt; in einem solchen Jahrhundert leben wir.«

In stillen Stunden, wenn sie in dem einsamen Pfarrhause traulich beisammen saßen, wurde Niels Bryde auf die beschriebene Weise ein wahrer Apostel der Wissenschaft. Er entrollte vor ihnen die Naturschätze von dem feinen Gewebe der Spinne an bis zum Firmamente mit seinem Sternenheer; er erzählte von der Ausführung eines neuen Projectes, der künstlichen Fischzucht, wodurch die Menschen gleichsam in das Gebiet des Schöpfers hineingegriffen hätten; er sprach von der Wolkenbildung, der Luftschifffahrt und der Daguerreotypie und zeigte ihnen Gott in der Natur, ohne jedoch diesen Ausdruck zu gebrauchen; er bezeichnete es vielmehr als Gottes Herrlichkeit. In seiner Rede war Leben, es fehlte ihm nicht an Worten und Ausdrücken; alles, was man sich klar vorzustellen im Stande ist, kann man auch in Worte kleiden, das wußte Niels. Im Schwatzen leistete er freilich auch etwas, aber das gehört einmal zu den Fehlern der Jugend.

»Du bist fast wie ein zweiter Erasmus Montanus heimgekehrt,« fügte Japetus Mollerup.

»Ja, aber hier auf der Haide glaubt man nicht, wie in dem bekannten Lustspiele die Leute auf dem Berge glauben, daß die Erde flach ist,« erwiderte er, »man ist hier weiter und läßt Montanus solches Unrecht nicht widerfahren. Jenes Holbergsche Lustspiel kommt mir bei der Verkennung des Montanus von Seiten seiner Umgebung wie ein Trauerspiel vor. Und das Tragischste ist, daß er sich schließlich vor der Unwissenheit beugen und die Wahrheit todtschlagen muß, daß er zu dem Zugeständnis gezwungen wird, die Erde sei flach. Dadurch sinkt Montanus freilich von seiner Höhe herab, das Interesse für ihn hört auf und man fühlt das Tragische in dem sich entrollenden Bilde einer elenden Welt.«

»Was thut man nicht, um seine Lisbeth zu bekommen,« sagte Japetus Mollerup; »du thätest sicherlich dasselbe, Niels!«

»Nein,« versetzte Bodil mit einer Bestimmtheit, die den Bruder gar nicht überraschte.

»Nein,« fuhr Niels lächelnd fort, »die Wahrheit ist Gott und den giebt man um leinen Preis auf. Der Wille ist unsere Kraft.«

Und Niels hatte Willen.

»Wenn nur die rastlose Entwickelung unsere Zeit nicht allzu sehr in die rein materielle Welt hinüberführt!« entgegnete Japetus Mollerup nach kurzem Nachsinnen. »Alles wird nur zum weltlichen Nutzen ausgebeutet, alles geht in Maschinen auf! Es ist eine Unruhe, eine Geschäftigkeit über die Menschen gekommen, in der sie unaufhörlich nach dem Äußeren jagen, anstatt sich zur Selbstprüfung nach innen zu lehren.«

»Die Poesie des Lebens wird verwischt,« bemerkte Bodil.

»Im Gegentheil, sie steht nur im Begriff andere Gestalten anzunehmen,« versetzte Niels, »und es thut wahrlich noth. Jede Nationalität sucht sich auch durch die Poesie geltend zu machen; hier im Norden ist es besonders durch Öhlenschläger geschehen; trotzdem ist er immer noch nicht nordisch genug; hierin überragt ihn Grundtvig, wenn diesem auch wieder Öhlenschlägers schaffender Geist fehlt. Dieser hat seine Gestalten indessen nicht aus dem Marmorblocke der Sage gemeißelt, und hätte er es gethan, so würde er vielleicht nicht einmal Eingang bei dem Volke gefunden, allein wahrscheinlich eine große Bedeutung in einer künftigen, mehr kritischen Zeit erlangt haben. Seine Trauerspiele sind ebensowenig nordisch, wie der Orientale seinen Aladdin für orientalisch halten kann.«

Bodil blickte den Bruder überrascht und betrübt an, weil er sich über den Dichter, zu dem sie und gewiß alle im ganzen Lande in Liebe und Dankbarkeit emporschauten, in so kecker und absprechender Weise zu äußern wagte. War dies die Sprache der Jugend?

»Unsere Zeit,« fuhr Niels fort, »verlangt übrigens eine andere Dichtweise als die nordische. Das heidnische Alterthum und die Zeit der Heroen sind vorüber; jene Zeit ist nicht die unsrige, und der unsrigen müssen unsere Dichter ihre Stoffe entnehmen, wollen sie sich in Geist und Wahrheit offenbaren. Lesen wir die alten Sagen, so entrollen sie vor uns das heidnische Alterthum, dessen Charaktere ganz anders hervortreten als die unserer Skalden. Diese suchen nur die alten Rüstungen hervor und zeigen uns in ihnen unsere Zeitgenossen; unsere Sprache ist es, die ihre Helden reden, mit einem kleinen Beigeschmack des Alterthums, so daß wir die alten Götter und Helden, die alten Zeiten zu sehen und zu hören glauben.

›Lieben Freunde, es gab schönre Zeiten,
Doch die unsren sind es nicht.‹

Die Genialität kann ihnen zwar das Gepräge der Unsterblichkeit aufdrücken, wie Shaksepeare es seinem Hamlet verliehen hat, aber es sind nicht Schöpfungen aus jener Zeit und Geschichte, sie stehen sämmtlich dem Hamlet näher als unserer Sage. Sähen sich die Helden und Frauen des Alterthums in den Tragödien, in denen wir sie und das heidnische Alterthum zur Darstellung bringen, so würden sie sich sicherlich eben so wenig wieder erkennen, wie sich die hohen Personen in den Figuren des Puppentheaters, die sie vorstellen sollen, wiedererkennen würden.«

Wie viel Unrichtiges und in zu großem Jugendeifer Dahingesprochenes auch in dem Gesagten lag, so hörte der alte Japetus Mollerup doch mit Interesse zu. Es erhielt dadurch für ihn Bedeutung, daß Niels es war, der es sagte, daß er so zu denken, zu urtheilen und seine Gedanken in solche Worte zu kleiden vermochte. Den meisten Eltern erscheint die Rede ihrer Kinder wie ein Stück ihrer selbst, sie erhält mit der Zeit eine Art Familienstempel und klingt wie ein unumstößlicher Urteilsspruch.

Sprach sich Bodil auch nicht darüber aus, so trat doch in ihren Ansichten über die Poesie eine größere Abweichung hervor. Auf diesem Gebiete hatte sie sich durch ihr natürliches Gefühl eine Art Kenntnis, ein festes Urtheil erworben. Wo sie dagegen in Niels Worten eine wissenschaftliche Wahrheit erkannte, blickte sie zu ihm empor und hörte mit Interesse und dem Verlangen zu, sie zu fassen und sich anzueignen.

Am Abend war der Himmel durchsichtig hell, immer mehr Sterne traten hervor, und weit dehnte sich der Horizont dahin. Bodil stand mit dem Bruder in der offenen Gartenthür, das Firmament mit seinen Welten bildete den Gegenstand ihres Gespräches. Zwar konnte man Niels Bryde nicht von dem Hange freisprechen, seine Weisheit auszukramen, allein man muß doch auch einräumen, daß er von den Herrlichkeiten, von denen er gehört und gelesen hatte, durchdrungen war.

»Was für eine Unendlichkeit!« sagte Bodil.

»Größer, als der Gedanke faßt,« entgegnete der Bruder. »Vergegenwärtige dir den Flug der Schwalbe, und dann denke daran, daß der Sturm noch schneller dahinjagt als sie und der Laut unserer Stimme sich wieder zwanzigmal schneller fortpflanzt als der Sturm, und was will doch diese Bewegung gegen die unserer Erde sagen! Sie schwingt sich noch neunzigmal schneller um die Sonne. Aber noch zehntausendmal schneller gelangen die Sonnenstrahlen zu uns hinab. Eine Kanonenkugel würde bei stets gleichem Fluge den Raum zwischen Sonne und Erde erst in fünfundzwanzig Jahren durchmessen, während ein Sonnenstrahl uns schon in acht Minuten erreicht.«

»Woher weiß man dies?« fragte Bodil und faltete unwillkürlich die Hände; »wer hat die Entfernung messen, wer die Minuten zählen können?«

»Der Menschengeist,« erwiderte der Bruder. »Im Vergleich mit jenem Fixstern, den du dort leuchten siehst, ist uns die Sonne nahe; jeder seiner Strahlen braucht sieben Jahre, um den Weg bis zu uns herab zurückzulegen. Der fernste Stern in der Milchstraße liegt fünfhundertmal weiter von uns als der uns in ihr zunächstliegende, und das Licht, welches, wie gesagt, in der Secunde zweiundvierzigtausend Meilen durchfliegt, gebraucht von dem feinsten Sterne, den das Fernrohr zu entdecken vermag, fünfzehnhundert Jahre, um uns zu erreichen.«

Bodil beugte ihr Haupt und legte unwillkürlich die Hand über die Augen, als stände sie an einem bodenlosen Abgrunde; aber die Augen des Bruders leuchteten und seine Stimme erhielt noch größere Weichheit und Wohlklang.

»Jahrtausende vergehen, ehe das Licht von dem einen äußersten Rande des Nebelfleckes der Milchstraße den entgegengesetzten erreicht, und viele Astronomen nehmen es als gewiß an, daß es im Weltenraume mehrere Milchstraßen giebt, deren Licht länger als eine Million Jahre zu uns hinab gebrauchen würde; und nun sei eingedenk, was ich dir von der Schnelligkeit des Lichtes gesagt habe; in einer Secunde durchläuft es zweiundvierzigtausend Meilen.«

»Ich fasse es nicht! Die Unendlichkeit wird mir unfaßbar, unfaßbar wie Gott! Wie groß, wie herrlich! Und doch bemächtigt sich meiner dabei eine Angst, als ob ich vor diesem Gotte, der in dieser grenzenlosen Unendlichkeit lebt und webt, wie ein Stäubchen verschwände!« Venus war der einzige Planet, den Bodil kannte und aufzufinden wußte. Der Bruder setzte ihr auseinander, wahrscheinlich hätte auch das Alterthum ihn allein gekannt und Homer hätte ihn sogar besungen. Er erzählte ihr von seinem klaren, durchsichtigen Luftkreise, von seinen Gebirgen, die sechsmal höher wären als die höchsten Berge auf Erden, der Dhawaligiri und der Chimborasso; schilderte ihr, wie glänzend und lange die Bergesgipfel dort oben leuchten müßten, bis unsere Erde sichtbar würde, die dort als ein neunmal größerer und neunmal glänzenderer Abendstern erschiene als uns die Venus. »Dorthin, dorthin!« singen gewiß die Dichter unter den Bewohnern dort oben und nennen unsere Erde ein Land des Lichtes.

Er zeigte ihr den Jupiter, den größten der Planeten, obgleich er uns so klein vorkommt, erzählte, daß seine Atmosphäre den flüssigen Massen der Erde gliche, seine Wolken dagegen festen Körpern, und daß, während die vier Jahreszeiten daselbst so lange währten wie drei Erdenjahre, der Tag dort oben nur zehn Stunden dauerte.

Bodil hörte so aufmerksam zu wie ein Kind bei der Erzählung von Märchen und zwar im vollen Glauben der Überzeugung, obgleich der Gedanke unfähig war, diese Größe, diese Unendlichkeit zu fassen. Selbst über die Verschiedenheit der Geschöpfe Gottes auf diesen Weltkörpern von uns schwand ihr jeder Begriff. Sie hörte, daß während auf dem Planeten Merkur das Licht und die Wärme siebenmal stärker ist als auf unserer Erde, auf dem Uranus sich alles, selbst die Luft, wenig unter unserem Gefrierpunkte befindet. Dort ist die hellste Mittagszeit kaum so licht wie eine sternenhelle Nacht bei uns. Vierhundert Millionen Meilen von der Sonne rollt der Uranus im Weltenraume, von seinen Monden und einem Ringe umgeben, der uns strahlt, aber den dortigen Bewohnern finster bleibt.

»Alles genau erwogen, alles genau berechnet!«

»Und lebende Wesen überall,« wiederholte Bodil, der es bei dem Gedanken schwindelte, »Wesen nach Gottes Ebenbilde!«

»Im Wassertropfen ist Leben,« entgegnete der Bruder, »und in diesen ungeheuren Himmelskörpern sollte sich nichts Lebendiges, kein Bild des Geistes regen? Das ist undenkbar! Aber über die Beschaffenheit dieser Wesen schweigt unser Wissen. Nur so viel steht fest, daß die Geschöpfe daselbst, vor allen Dingen auf den Kometen, völlig anders organisirt sein müssen als wir. Ihre Bahnen führen bald so nahe an der Sonne vorüber, daß die Hitze auf ihnen einige tausendmal stärker als die des glühenden Eisens bei uns wird, und sind bald wieder so weit von der Sonne entfernt, daß die Atmosphäre des Kometen eine Kälte wie ein Eisstück hat. Welche Geschöpfe der Erde sind wohl im Stande, solche Wechsel auszuhalten, ja schon welche Augen vermögen nur ein verdoppeltes Sonnenlicht zu ertragen und von ihm wieder in eine Finsternis überzugehen, gegen die unsere dunkelste Nacht wie heller Dämmerschein leuchten würde!«

»Und einst rennt ein solcher Komet gegen unsere Erde,« rief Bodil, »und dies ist der jüngste Tag!« – Plötzlich unterbrach sie sich in ihrem Gedankengange und fügte hinzu: »Die Bibel verkündet es nicht in dieser Weise. Woher wollen die Menschen es denn also wissen?«

»Von ihm wissen sie es, der sie erschuf, der das Erschaffene ewig erhält und Gesetze gab, denen sogar die todten Körper gehorchen müssen. Bis dahin und nicht weiter! Dieses Gesetz giebt sich in allem zu erkennen. Elastisch wird des Kometen gedankenschnelle Kugel von der Lufthülle der anderen Weltkugeln zurückgestoßen werden. Wir sind weit über den alten Glauben hinaus, daß es, wie im Meere Walfische und Riesenschlangen, so in der Luft Ungeheuer giebt, die Pest und Seuchen ausspeien. Die Astronomen haben ihre Bahnen ausgemessen, haben sie in ihrem dampfenden Pelz gesehen, den sie bei Annäherung an die Sonne lösen und als langes Gewand hinter sich her schleppen!«

»Wäre ich ein Mann,« rief Bodil, »ich glaube, ich könnte mich von der Wissenschaft hinreißen lassen, und auf ihrem ganzen Gebiete giebt es doch nichts so Großes, so Herrliches, wie die Astronomie! Wie glücklich du bist!« sagte sie zum Bruder.

»Sie ist ja nicht meine Wissenschaft,« sagte er mit ungewöhnlichem Ernste, in dem eine Beimischung von Wehmuth lag.


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