Hans Christian Andersen
O. Z.
Hans Christian Andersen

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1.

»Quod felix faustumque sit!«
Die akademische Matrikel.

Es gibt eine Glückseligkeit, die noch kein Dichter recht besungen, keine noch so liebenswürdige Leserin je in dieser Welt erlebt hat, noch je erleben wird. Es ist dies ein Zustand der Glückseligkeit, welcher nur dem männlichen Geschlechte und selbst unter diesem nur den Auserwählten erreichbar ist. Es ist ein Lebensmoment, der unsere Gefühle, unsern Geist, unser ganzes Wesen ergreift. Thränen der Unschuldigen sind vergossen, schlaflose Nächte sind darüber hingegangen, in welchen die fromme Mutter und die zärtliche Schwester für diesen kritischen Augenblick des Lebens flehentlich Gott angerufen haben.

Glückseliger Augenblick, den kein Weib, und sei es auch noch so gut, noch so schön und geistreich, erleben kann – glückseliger Augenblick, Student zu werden, oder um mich des üblicheren Ausdrucks zu bedienen, das erste Examen bestanden zu haben.

Der Cadett, welcher Offizier, der Schüler, welcher akademischer Bürger, der Lehrjunge, welcher Geselle wird, sie Alle empfinden in höherem oder geringerem Grade dieses Hinweghüpfen über den Examenwall, hinein in den Tummelplatz der Philosophie. Alle streben wir nach einer größeren Bahn und eilen brausend weiter, dem Flusse gleich, der sich ins Meer verliert.

Zum ersten Male fühlt nun die jugendliche Seele so recht ihre Freiheit und fühlt sie folglich doppelt. Sie strebt nach Wirksamkeit, beginnt ihr eigenes Ich zu begreifen, das ja geprüft und nicht zu leicht befunden ist, und wird noch von all den ungetäuschten Träumen des Kindes umgaukelt. Nicht Liebesglück, nicht Begeisterung für Kunst und Wissenschaft elektrisirt so alle Nerven, wie das Bewußtsein: Nun bin ich Student!

Dieser Frühlingstag des Lebens, an welchem die Eisdecke der Schule gesprengt wird, der Baum der Hoffnungen Knospen treibt, die warme Frühlingssonne leuchtet, fällt bekanntlich bei uns in Dänemark in den Monat October, gerade, wenn die Natur ihres Laubes entkleidet wird, wenn die Abende beginnen dunkler zu werden und sich das Wintergewölk dichter zusammenzieht, recht als wollte es der Jugend zurufen: »Euer Frühling, der aus dem Examen hervorsprießt, ist nur ein Traum! Gerade nun werdet ihr erst recht den Ernst des Lebens kennen lernen!« Allein daran denkt die glückliche Jugend nicht, und wir wollen es ebenfalls nicht, wollen vielmehr mit den Fröhlichen fröhlich sein und ihren Kreis mit Vorliebe aufsuchen. In einem solchen nimmt unsere Erzählung ihren Anfang.


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