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[Beilagen]

Beilage I.

»Der Kandidat der Philosophie H. C. Andersen hat geglaubt, seinem Wunsch wegen öffentlicher Unterstützung zu einer Reise in's Ausland ein größeres Gewicht und mehr Nachdruck durch vortheilhafte Aeußerungen älterer Schriftsteller über sein poetisches Talent und über die Nützlichkeit einer solchen Reise für seine Stellung zu geben. Ungeachtet ich weit entfernt bin, meiner individuellen Meinung in dieser Sache ein empfehlendes Gewicht beizulegen, gestatte ich mir doch, bei dieser Gelegenheit meine Theilnahme für den jungen Schriftsteller und das Glück seiner Zukunft zu äußern, indem ich in seinen Arbeiten die unverkennbarsten Aeußerungen einer poetischen Natur und einer ungewöhnlichen Gabe, Bilder aus der Natur und dem Menschenleben darzustellen, anerkenne. Ich würde es für sehr nutzbringend erachten, wenn die Theilnahme, welche seine poetischen Bestrebungen bereits erweckt haben, ihm Gelegenheit verschaffen würde, durch eine Königliche Allergnädigste Unterstützung, seinen Gesichtskreis durch die für einen Dichter so wichtige Bekanntschaft mit der südlichen Natur und dem Volksleben in fremden Ländern erweitern zu können.

Sorö, den 30. September 1832.
B. S. Ingemann

*

»Der Dichter H. C. Andersen hat von mir ein Zeugniß verlangt, daß er einem Allerunterthänigsten Gesuch um ein Reisestipendium folgen lassen will. Da diese Sache nicht innerhalb meines Amtskreises gehört, würde ich Bedenken tragen, diesem Wunsche zu entsprechen, wenn ich nicht glaubte, daß es sich rechtfertigen ließe, ohne daß ich nothwendig hätte, mich als Richter in Streitigkeiten zwischen ästhetischen Parteien aufzuwerfen, wenn ich nämlich mich darauf beschränke, als Zeuge der Verdienste mich auszusprechen, welche, wie ich glaube, alle Personen ihm einig zugestehen. Niemand scheint ihm lebhafte und leicht bewegliche Einbildungskraft und eine bedeutende Macht über die Sprache, die sich sogar in seinen Arbeiten zeigte, bevor er noch Gelegenheit gehabt hat, die gewöhnlichen Schulkenntnisse zu erwerben, absprechen zu wollen. Gewisse seiner Arbeiten haben deshalb auch allgemeinen Beifall gefunden, und selbst in den Arbeiten, die diesen nicht erreicht haben, erkennt man doch meistentheils die oben erwähnten ausgezeichneten Eigenschaften. Würde ihm eine Allergnädigste Unterstützung zur Reise zu Theil werden, so daß er sich mit anderen Nationen und der Natur fremder Länder genauer bekannt machen könnte, würde er gewiß mit der wärmsten Dankbarkeit sich einer solchen Gnade würdig machen und mit wahrem Eifer weiter streben, seinen bereits mit so vielem Glück geübten Dichtergeist auszubilden.

Kopenhagen, den 31. Dezember 1832.
Allerunterthänigst
H. C. Oersted

*

»Daß Herr H. C. Andersen ein junger Dichter mit Phantasie, Gefühl und Witz ist, darin ist seit mehreren Jahren ein nicht unbedeutendes Publikum einig gewesen. Schon als ein unerzogenes Kind, vollkommen aller Kenntnisse entblößt, zeigte er ein bewunderungswürdiges Talent, rhythmisch sich in seiner Muttersprache mit Leichtigkeit und Lebhaftigkeit auszudrücken; er vermochte fließende, wolklingende Verse zu dichten, bevor er lesen und schreiben konnte, daher darf man wol sagen, daß diese Gabe ihm von der Natur angeboren ist! Daß er in späteren Jahren Fortschritte gemacht hat, muß die Billigkeit ihm zugestehen; doch dürfte es ihm wol nöthig sein, seine Menschenkenntniß zu erweitern, seine Urtheilskraft zu schärfen und sich darin zu üben, interessante Charaktere aufzufassen und darzustellen. Zu dieser Uebung ist gewiß keine Schule besser geeignet, als eine Reise in's Ausland, und eine solche würde zweifelsohne dem jungen Dichter zum größten Nutzen gereichen, wie es auch zu hoffen ist, daß dieselbe gute Früchte für die Literatur des Vaterlandes tragen wird.

Den 7. Januar 1833.

Allerunterthänigst
Adam Oehlenschläger

*

»Nur auf inständiges Begehren des jungen Dichters setze ich das Gefühl der Unwürdigkeit, hier in der Reihe der berühmten Namen des Vaterlandes den meinigen zur Empfehlung des jungen Mannes beizufügen, bei Seite, der bereits viel in einem Fache geleistet hat, worin ich selbst eine untergeordnete Anlage versuchte.

Aber ich habe Herrn Andersen seit den ersten Jahren gekannt, als er jung und unerzogen, arm, aber reich begabt, sich in den Strom des Lebens stürzte, um ein Ziel zu erreichen, das er selbst noch nicht begriff. Da ich bei ihm in den folgenden Jahren den ererbten Gottesfunken, dicht eingehüllt in erstickende Rauchwolken, sich immer mehr durchbrechen und schließlich in klareren Flammen ausbrechen sah, da fühlte ich mich oft durchdrungen von Ehrfurcht vor dem Genius, der in ihm mit fast allen äußeren Verhältnissen rang und der – wie man hoffen darf – schließlich sie alle besiegen wird.

Daß dies gelingen möge, ist ein Wunsch, den ich nähre – nicht allein für den Dichter, sondern auch für die Dichtkunst in Dänemark, und daß die mächtig ergreifenden Gegenstände, welche eine größere Reise darbietet, seiner etwas wilden Phantasie einen reelleren Stoff zu behandeln bieten würden, daß er durch vermehrte Kenntnisse einen höheren Geschmack und ein schärferes Gefühl für das Passende gewinnen würde, daß es ihm überhaupt in der gegenwärtigen Periode seines Lebens – welche ich für seine höhere Erziehung ansehe – wohl thun würde, aus der Nothlage herausgerissen zu werden, welche allzuoft ihn zu Produziren gezwungen hat – dies ist bei mir Ueberzeugung geworden, die höchlich dadurch bestärkt wird, wenn ich zurückblicke auf die glückliche Wirkung eines von ihm bereits vor längerer Zeit unternommenen Ausflugs jenseits der Elbe und auf die erfreulichen Spuren in allen weiteren Arbeiten, die von einem rein dichterischen Beweggrund hervorgerufen sind.

Charlottenborg, den 8. Januar 1833.
Allerunterthänigst
J. Thiele

*

»Der Dichter Herr H. C. Andersen, der ein Allerunterthänigstes Gesuch eingereicht hat, um ein Reisestipendium aus dem Fond ad usus publicos zu erlangen, hat geglaubt, daß eine Empfehlung von mir zur Erfüllung seines Zieles beitragen könnte und hat mich deshalb ersucht, ihm eine solche zu ertheilen. Ungeachtet ich selbst nun nicht glaube, daß er meiner Empfehlung bedarf, oder daß diese im Stand sein sollte, sein Vorhaben zu befördern, habe ich nichtsdestoweniger geglaubt, seinem Wunsche entsprechen zu müssen. In dieser Veranlassung gestatte ich mir zu bemerken, daß, obgleich Herrn Andersen's poetische Erzeugnisse Gegenstand sowol des Lobes als des Tadels gewesen sind, dennoch die öffentliche Meinung über ihn insoweit bestimmt zu sein scheint, sein Dichtertalent anzuerkennen. Und was mich betrifft, so macht es mir ein Vergnügen, zu erklären, daß ich von seinem ersten Hervortreten an dieses Talent ungewöhnlich gefunden habe, da ich in seinen verschiedenen Erzeugnissen – was ich auch immer gegen einige derselben einzuwenden gehabt haben mag – geglaubt habe, eine Laune zu gewahren, die nahe verwandt ist mit der unseres berühmten Wessel. Daß Herr Andersen, der – wie alle Dichter – lieber vom Leben als aus Büchern lernt, durch eine Reise durch Frankreich und Italien sich mit neuem Stoff bereichern und eine Menge Kenntnisse sammeln, welche von nützlichem Einfluß aus die Ausübung seines Faches sein würde, darüber nähre ich durchaus keinen Zweifel.

Kopenhagen, den 9. Januar 1833.
Allerunterthänigst
J. L. Heiberg,
Dr. phil., Professor, Königl. Theaterdichter und Uebersetzer, Lehrer an der Königl. Militair-Hochschule.

*

Beilage II.

Agnete und der Meermann.

»Sehr geehrter Herr!

– – Ich bin nicht der erste Richter über Ihr Gedicht. Wir haben, wenn ich so sagen darf, eine ganz verschiedene ästhetische Religion. Sie scheinen der Meinung zu sein, daß der Dichter schaffen könne, was er wolle, wenn sich nur Lebhaftigkeit, Gefühl und Phantasie in dem Werke vorfindet; ich dagegen will, daß die vom Dichter dargestellte Welt mit all' ihrer Freiheit und Kühnheit doch von demselben Gesetze beherrscht werden soll, das das geistige Auge in der wirklichen Welt entdeckt, und ohne welche es nicht werth ist, darin zu leben. Nach meiner Meinung muß deshalb die Macht des Guten als vorherrschend in einem Dichterwerk gefühlt werden, wenn auch das Böse, ja selbst die Hölle ihm als Gegenstand dient. Das Gedicht hat, meiner Meinung nach, nicht das Recht, sich auf die Weltdissonanzen, herausgerissen aus ihrem Zusammenhange, zu beschränken, eben so wenig wie ein musikalisches Kunstwerk sich damit begnügen darf, uns Dissonanzen zu geben, die sich außerhalb des Kunstwerks auflösen sollen. Ich kann mich nicht genugsam von dieser mit meiner Natur verschmolzenen Ueberzeugung losreißen, um recht unparteiisch nach Ihrer eigenthümlichen Art die Werke zu genießen, welche sich nicht jenen Gesetzen der geistigen Welt unterordnen wollen. In Ihrem neuen Gedicht stellen Sie uns ein Wesen dar, worin die niemals befriedigte Sehnsucht des Herzens, dessen wunderbares Haschen nach einer neuen und bessern Welt sich offenbaren soll. Aber diese Sehnsucht zeigt sich nicht gerichtet auf Etwas, das dem Dasein seinen höhern Adel verleiht; es ist nur ein wildes Begehren nach etwas sinnlich Großem. Eine solche Begierde mag die Aeußerung eines höheren Dranges sein; aber hier sieht man nichts von diesem, im Gegentheil, Sie zerreißen die Freundschafts- und Liebesbande, um die Verlockungen der sinnlichen Welt zu befriedigen. Wol ist es wahr, der Dichter hat das Recht, dieses zu schildern; aber dann muß es durchschimmern, daß diese Verlockung eine Verführung ist, etwas Teuflisches hat: Und dieses Teuflische darf für den Menschen nicht unüberwindlich sein, sondern der Unglückliche, der sich demselben ergiebt, muß uns als schuldig gezeigt werden und nicht als derjenige, der allein durch das Schicksal verurtheilt ist. Sie sehen leicht ein, daß diese Grundanschauung einen Einfluß auf mein ganzes Urtheil über das Gedicht haben muß. Uebrigens gestehe ich mit Vergnügen, daß Sie sehr sinnreiche Kunst darauf verwandt haben, ein dramatisches Gedicht des widerstrebenden Stoffes, das sowol auf den Holzschnitt der Heldenlieder (Kämpeviser) paßt, zu bilden, und daß viele schöne Verse und Schilderungen sowol der Gefühle als der Natur ihren Eindruck auf mich nicht verfehlt haben.

Kopenhagen, den 8. März 1834.
H. C. Oersted

*

Beilage III.

An Andersen in Kopenhagen.

Berlin, den 21. Juni 1836.

Mit Freuden, theuerster Freund, wünsche ich Ihnen Glück zu Ihrem Improvisator, indem ich Ihnen meinen herzlichen Dank für so manche freundliche Erinnerung abstatte, die ich träg und unbeholfen unerwidert gelassen habe. Gar erfreulich wolthuend ist das rein unschuldige, keusche, fromme Buch. Die Seite muß ich an ihm zuerst hervorheben, weil es so ganz im Gegensatz steht zu den hervorragenden Erzeugnissen der Zeit, die, wo sie auch Ehrfurcht erzwingen, höchst betrübend sind. Ich rechne dazu die französischen Romane, alle die mir zu Händen gekommen sind: Nôtre dame de Paris, la salamandre, la peau de chagrin, le père Goriot, un secret, l'âne mort et la femme guillotinée u. a. Zum Erschrecken durchschauende Blicke in die Verderbniß des menschlichen Herzens und der Gesellschaft, aber eine entgötterte Welt, eine Nacht, jenseits welcher keine Sonnen strahlen; der Satan von Milton schlägt mit Riesenschwingen das Nichts, aber es kann ihn nicht tragen, und er fällt unabsehbar. – Das sogenannte junge Deutschland hat nur durch die Entrüstung, die es erregt hat, Aufmerksamkeit erweckt. Ein frevelndes Abbrechen und Abreißen ohne Neubau, ohne Plan und Aussicht dazu. Eine ekelhafte Philosophie oder gar Religion der Sittenlosigkeit, wozu in schleppenden Erzählungen hölzerne Puppen die Träger sind, Papierfiguren ohne Fleisch und Blut, ohne Leben. – Hier wollen wir doch nicht den Heine mit einverstanden wissen. Der ist wol ein Dichter bis in die Fingerspitzen. Der erschafft Lebendiges, und wen er anrührt, tritt, Katze oder Mensch, aus dem Papier heraus, und steht da dem Gespötte preisgegeben oder dem Beschauen.

Auf solchem dunkeln Grund, woran ich erinnern mußte, nimmt sich Ihr helles Bild gar köstlich aus, und wir lieben es und den lieben Dichter, der es uns geschenkt hat. Alles ist frisch, lebendig und Liebe werth. Alles gefühlt und gesehen, und das Leben, ohne die mir so oft verdrießliche Klugheit Tieck's, die recht geistreich auszukramen er blos Titularmenschen beauftragt, welche weder Fleisch noch Blut haben. Die Kinder- und Jugendjahre sind Ihnen besonders geglückt, das Leben bei Excellenzen; die Sängerin und die kleine Aebtissin sind eben so schöne als wahre Gestalten, nur die Geschichte der blauen Grotte läßt uns etwas ungläubig. –

Ich wollte Ihnen mehr darüber schreiben, aber ich habe das Buch nicht zur Hand, das ich in der Ihnen bekannten literarischen Gesellschaft lesen lasse, wo es den größten Beifall findet. Besonders Gaudy ist davon entzückt, der jüngst aus Italien zurückgekehrt, eben seinen Römerzug herausgegeben hat. Wissen Sie, daß ich eitel darauf sein möchte, Sie zuerst in Deutschland eingeführt zu haben, ein Verdienst, das ich mir gern als Ihrem Uebersetzer anrechnen lasse. Uebrigens wird Ihnen der nächste deutsche Musenalmanach zeigen, daß ich noch Ihrer gedacht: »Bag Ellekrattet nede.« Hinter dem Erlengebüsch dort unten. Der Uebers.

Was mich anbetrifft, mein sehr theurer Freund, so bin ich ein alter kranker Mann, dem namentlich mit anderen Sinnen die Stimme ganz ausgegangen ist. Ich schreibe Ihnen sehr flüchtig, im Begriff nach dem schlesischen Gebirge abzureisen, wohin man mich schickt, um eine andere Luft einzuathmen. – Auf Besserung habe ich gar keine Aussicht, wol aber auf ein verlängertes gebrechliches Alter. Das ist nicht eben nach meinem Sinn, ich bin jedoch heiter und wohlgemuth und genieße mit Vollbewußtsein und mit herzlichem Dank des vielen Glückes, das mir geworden, und des Wolwollens und der Liebe, die mir aller Orten entgegen kommen, und denen die neuliche Herausgabe meiner gesammelten Schriften eine neue Gelegenheit gegeben, an den Tag zu treten. Es ist wahrlich schön, geliebt zu sein, und des Glückes genieße ich reichbelohnter Sänger in vollem Maße.

Ich hätte Ihnen auch gern ein Buch geschickt, aber ich bin unbeholfen, gehe nicht aus und sehe Niemanden. Ich verbringe meine Zeit mit Husten und Ausruhen und kann an Nichts denken. – Ich habe mir, glücklich genug, eine Beschäftigung ersonnen, die sich meinem jetzigen geschwächten Hinschleichen wol anpaßt, die ich zu jeder Zeit wieder vornehmen und wieder weglegen kann; dies ist ein linguistisches Studium; ich lerne jetzt eifrigst die Sprache von Hawaii, um Grammatik und Lexicon, die noch fehlen, einst den bereits gekannten Zweigen dieses Sprachstammes anzureihen. – In meiner Reise lag mein Beruf, die Lücke, die das Hinscheiden von Wilhelm von Humboldt offen ließ, möglichst zu ergänzen. – Er hatte nämlich seine Sprachforschung von Indien aus über Java bis auf die Inseln der Südsee ausgebreitet, und was ich unternehme, ist, das letzte Glied der abgebrochenen Kette aufzunehmen.

Ich werde unterbrochen und muß schließen, da ich die letzten Momente vor der Reise Ihnen zugewendet habe.

Leben, lieben und dichten Sie wohl, bleiben Sie frisch und gesund und behalten im freundlichen Angedenken einen alten Freund,

Ihren Uebersetzer
Adelbert v. Chamisso.

*


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