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Siebentes Capitel.
Von 1835 bis 1838.

Wechsel der öffentlichen Meinung über meine Werke. – Der Dichter J. C. Hauch. – Der Philosoph Sibbern. – Ich überreiche dem Prinzen Christian mein Buch. – Anerkennung in Deutschland. – Englische Uebersetzung. – Uebersetzungen in verschiedene Sprachen. – Das erste Heft meiner »Märchen« erscheint. – Der Roman »O T.« – »Nur ein Geiger.« – Sören Kierkegaard. – Hauch's Kritiken. – Meine erste Reise nach Schweden. – Begegnung mit Frederika Bremer. – Stockholm. – Freiherr von Berzelius. – Upsala. – Der Skandinavismus. – Collin's Haus. – [Ueber ein bedeutendes] Gebiet der dänischen Literatur. – Graf Rantzau-Breitenburg. – Mir wird eine jährliche Staatsunterstützung von Frederik VI. zu Theil.


 

Viele, die früher meine Gegner gewesen, änderten nun ihre Ansicht, und unter diesen gewann ich Einen, wie ich glauben darf, für's ganze Leben. Es war der Dichter Hauch Johann Carsten Hauch, geboren in Frederikshald in Norwegen am 12. Mai 1791, Sohn des Oberhofmarschalls und Theaterdirektors, wurde in einem Pfarrhause in Hardanger erzogen, und gerade der Aufenthalt in dieser romantischen Gegend verlieh seinem Gemüth das eigenthümliche Gepräge, das ihn später als Dichter auszeichnete. Er studirte in Kopenhagen Jurisprudenz, warf sich aber dann auf die Philosophie und Naturwissenschaften. Sich eng an Oehlenschläger anschließend, gehörte er zu den wenigen Studenten, die sich gegen Jens Baggesen auflehnten und eifrigen Antheil an dem Kampfe zwischen dem Alten und dem Neuen nahmen. Beeinflußt von Oehlenschläger, Shakespeare und Goethe, aber namentlich von Novalis und seiner romantischen Schule und der Schelling'schen Naturphilosophie, trat er als Dichter (1818) auf. Von 1846-1848 war er Professor der nordischen Literatur und Sprache in Kiel und 1851, nach Oehlenschläger's Tode, Professor der Aesthetik in Kopenhagen, 1858 eine kurze Zeit Theaterdirektor und, nach Heiberg's tödtlichem Abgange, Censor und aesthetischer Rathgeber des königlichen Theaters. Lebte dann zurückgezogen erst in Frederiksborg und dann in Sorö, und nachdem er seine Gattin verloren hatte, trieb ihn eine unwiderstehliche Sehnsucht nach Rom, wo er bald nach seiner Ankunft, am 4. Marz 1872 starb und zufolge seines Wunsches auf dem protestantischen Friedhofe daselbst begraben wurde. Der Uebers., einer der edelsten Charaktere, die ich kennen lernte. Er war nach mehrjährigem Aufenthalt in Italien gerade um diese Zeit zurückgekehrt, in welcher die Kopenhagener nur in den Heiberg'schen Vaudevillen lebten und athmeten. Meine » Fußreise« machte Glück und er trat, wie früher bemerkt, polemisch gegen Heiberg auf und versetzte auch mir einige kleine Hiebe; es hatte ihn damals Niemand, wie er mir später gesagt hat, auf meine lyrischen, besseren Arbeiten aufmerksam gemacht; man sprach ihm von mir als von einem verhätschelten, übermüthigen Glückskinde; er fand in der » Fußreise« eine hohle, leere Spielerei. Nun hatte er aber den » Improvisator« gelesen und sich selbst überzeugt, daß ich Poesie und Tiefe besitze, was er bis dahin nicht geglaubt hatte; er fühlte, daß sich etwas Besseres in mir rege, als er sich gedacht, und es war ihm deshalb ein natürlicher Drang, mir sofort einen herzlichen Brief zu schreiben, in welchem er sagte, daß er mir Unrecht gethan habe, mir die Hand zur Versöhnung reiche, und von der Zeit an wurden wir Freunde. Mit Eifer bemühte er sich, für mich zu wirken, mit inniger Theilnahme ist er jedem meiner Fortschritte gefolgt; allein so wenig haben Mehrere das Vortreffliche bei ihm, das edle Verhältniß zwischen uns verstehen wollen, daß man, als er später 1845. Der Uebers. seinen Roman » Das Schloß am Rhein« schrieb und in demselben das Zerrbild eines Dichters schilderte, der aus Eitelkeit wahnsinnig wird, hier zu Hause fand, er habe höchst ungerecht und hart gegen mich gehandelt, indem er mich so mit allen meinen Schwächen darstellte; man glaube aber nicht, daß dies die Aeußerung eines Einzelnen war, im Gegentheil, es war dermaßen allgemein angenommen, ja ausgesprochen, daß Hauch selbst sich aus diesem Grunde aufgefordert fühlte, eine Abhandlung über mich als Dichter zu veröffentlichen, um zu zeigen, auf welchen geistigen Standpunkt er mich stelle.

Von dem Professor der Philosophie Sibbern Frederik Christian Sibbern, geboren den 18. Juli 1785 in Kopenhagen, wurde 1802 Student und machte 1810 mit glänzender Auszeichnung sein juristisches Staatsexamen und ein Jahr darauf erwarb er sich den philosophischen Doktorgrad. Er trat dann eine Reise nach der Schweiz und Deutschland an, wo gerade die Philosophie in ihrer Blüte stand. Er trat mit den eminentesten Persönlichkeiten jener Zeit, mit Fichte, Schelling, Hegel, den Brüdern Stollberg, Chamisso, Schleiermacher u. A. m. in Verbindung. – 1818 zurückgekehrt, erhielt er sofort einen Platz an der Universität und las über Psychologie und Logik, worin er seine ganze Originalität und Selbstständigkeit entwickelte, ohne doch ein selbstständiges psychologisches System zu begründen. Er war eigentlich ein viel praktischerer, als theoretischer Philosoph – der Denker und der Mensch war ein und dieselbe Person, eine seltene Eigenschaft, die sich in seinen vielen Schriften, deren Aufzählung hier ermüden würde, wiederspiegelt. Er starb 1869 in Kopenhagen. Der Uebers., den Alle schätzten, und dessen Entzücken über Paludan-Müller's Gedicht » Amor und Psyche« als einer der Beweise für die Vortrefflichkeit desselben galt, war mir gesagt worden, daß er mich als Dichter nicht schätze, daß er meine ganze Thätigkeit streng tadele; ich war deshalb freudig überrascht worden, als ich in einer Broschüre, die er zur Vertheidigung Ingermann's geschrieben, sah, daß er mir gerade wol gesinnt sei und den Wunsch aussprach, es möchte Jemand mir auch ein freundliches Wort sagen. Er las den » Improvisator«, und schrieb mir dann einen herzlichen Brief, das einzige Geschriebene, welches mit Ausnahme der kurzen Besprechung Carl Bagger's mit Anerkennung und Liebe gegeben war. Sibbern schrieb:

 

»Ich habe Ihren › Improvisator‹ gelesen und habe ihn mit wahrer und großer Freude gelesen – Freude über das Werk selbst und Freude darüber, daß Sie es sind, der ihn geschrieben hat. Wieder eine erfüllte Hoffnung, wieder eine wahre Acquisition! Vergleiche ich es in Gedanken mit dem, was ich von Ihrer früheren Poesie kenne, dann scheint mir der Unterschied gleich demjenigen zwischen jenem jungen Aladin zu sein, den wir hinter der Säule lauern und sich auf den Plätzen tummeln sahen, und dem Aladin, welcher, gealtert und dennoch verjüngt, aus dem Bade heraussteigt. Ich las Ihren ›Improvisator‹ auf einmal zu Ende und Tags darauf mochte ich nichts Anderes lesen. Sie werden wissen, was das heißt: es zeigt, daß man von dem Gelesenen erfüllt ist.

»Und das, was mich erfüllte, war Freude sowol über das Buch als über Sie. Wir kennen Sie als »eine gute Seele«; mit Freuden wußte ich nun, daß Sie auch eine gründliche Seele seien. Sie sind im gesellschaftlichen Kreise bei Anderen offen, gutmüthig, wolwollend, lebhaft, leicht erregbar. Ich sehe, daß Sie zu Hause tief, warm, innig und von einer fast kernigen Phantasie zu sein vermögen. Erhalten Sie sich Beides. Und um es zu können, lassen Sie Sinn und Herz unberührt von der Kritik, oder dem, was sich so nennt. Lesen Sie am liebsten gar keine Kritik. Lassen Sie Niemand zu nahe an Sie heran, Sie haben eine Muse, eine Gottheit, die Ihnen nahe ist. Verscheuchen Sie sie nicht, und lassen Sie es nicht geschehen, daß Andere es thun.

»Sie sind in Italien gewesen; Sie haben in Italien gelebt, um dort zu sein, nicht um es zu malen. Das Gemälde kam später von selbst, und im großen Styl ist das Gemälde, welches Sie uns vorführen.

»Es wird eine Zeit kommen, – oder vielleicht ist sie schon gekommen – wo Sie sich in eine andere große Region hinausbegeben werden – in die der Geschichte. Ich freue mich bei dem Gedanken an das, was Sie dann heimtragen und uns bringen werden.

»Dann wird später noch eine andere Zeit kommen, wo Sie in ein anderes großes Reich – das der Philosophie, hinausziehen und in demselben leben werden. Auch dann, hoffe ich, werden Sie uns Spiegelbilder bringen, die davon zeugen, daß die Muse Sie ausgesucht hat.

»Ich schreibe diese Zeilen aus aufrichtigem Herzen. Ich will Ihnen herzlich wol, und will es nur durch Aufrichtigkeit. Sollten aber diese Zeilen gerade in einem Augenblick zu Ihnen kommen, da es heilig in Ihrem Gemüt und in Ihrem Zimmer ist, dann lassen Sie sich von meinem Brief nicht anfechten, sondern legen Sie ihn ruhig bei Seite. Und ist dem nun so, möchte es dann bald heilig werden in Ihrem Gemüt und Ihrem Heim; und kommt dann Etwas, das störend oder verlockend eingreifen will, dann sagen Sie: Abitote, nam heic Dii sunt.

»Und nun seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem ergebenen

Sibbern.

Kopenhagen, 12. September 1835.

  An den Dichter Andersen.«

Doch, zurück zum » Improvisator.« Dieses Buch richtete mein gefallenes Haus auf, sammelte wieder meine Freunde, ja vermehrte sogar deren Anzahl. Zum ersten Male fühlte ich eine in der That erkämpfte Anerkennung.

Das Buch wurde gleich vom Professor Kruse In Hamburg. Der Uebers. in's Deutsche übersetzt unter dem langen Titel: » Jugendleben und Träume eines italienischen Dichters.« Ich äußerte mich gegen diesen Titel, allein er behauptete, worin, wie ich jetzt weiß, er Unrecht hatte, daß ein solcher Titel nothwendig sei, um die Aufmerksamkeit zu erwecken, was der einfachere » Der Improvisator« nicht würde bewirken können. – Carl Bagger hatte, wie wir wissen, das Buch besprochen; eigentliche Kritik blieb aus, bis die öffentliche Meinung gesprochen und wieder gesprochen hatte; da endlich erschien eine solche, ich glaube in der Literaturzeitung, zwar höflicher, als ich gewohnt war, aber man glitt leicht über das Gute hin, »dies sei ja genügend bekannt«, hieß es, und hielt sich an die Mängel, summirte alle die italienischen, falsch geschriebenen Wörter und Ausdrücke zusammen; ja, als um dieselbe Zeit Nicolai's bekanntes Buch » Italien, wie es wirklich ist« erschien, in welchem die Natur Italiens unter die von Deutschland gestellt und in Capri nur ein »Meer-Ungeheuer« gesehen wird, so wie alle Schönheit jenseits der Alpen, bis auf die der mediceischen Venus verworfen, deren Schönheitsformen Nicolai darauf nach eigener Ausmessung mittelst Bindfaden angiebt, dann wurde auch hier in der Heimat laut ausgesprochen, daß man nun sehen könne, was das für Zeug sei, welches Andersen geschrieben habe, – nein, Nicolai, der sei ein ganz Anderer, bei ihm bekäme man den wahren Begriff von Italien.

Ich brachte König Christian VIII., damals Prinz Christian, mein Buch; im Vorgemach traf ich einen unserer kleinen Poeten, welcher im Staatskalender als ein sehr vornehmer Mann verzeichnet steht; er war so gnädig, mit mir zu reden, trieben wir doch dasselbe Handwerk: wir waren beide Poeten; und nun hielt er, an einen hochstehenden Herrn gewendet, mir einen Vortrag über das Wort »Collosseum«, dasselbe stehe im »Improvisator« anders buchstabirt, wie bei Byron, wo es falsch » Colissäum« geschrieben ist, – das sei entsetzlich! Es sei wieder diese Sprachsudelei; man vergesse über dieselbe, was sonst Talentvolles sich im Buche zeige. Der Vortrag wurde laut vor der ganzen Versammlung gehalten. Ich versuchte zu beweisen, daß ich das Wort gerade richtig, Byron aber falsch geschrieben hatte, und der erhabene Herr zuckte mit einem Lächeln die Achseln, reichte mir mein Buch und bedauerte »den schlimmen Druckfehler in dem schön gebundenen Buche!« – »O, das Buch handelt ja nur von Ihnen selbst!« hieß es ringsum in den vielen Kreisen, wo »man Andersen durch ewige Lobhudelei verderbe.« » Die Monatsschrift für Literatur«, zu welcher die ganze intelligente Welt aufschaute und welche als das oberste Schönheitsgericht angesehen wurde, sprach von manch' kleiner Brochüre und manch' kleinem Schauspiel, die längst vergessen sind, würdigte aber den » Improvisator« keines Wortes, vielleicht weil er ein großes Publikum gewonnen hatte. Indessen war eine zweite Auflage des Buches erschienen; ich hatte, gekräftigt durch den Halt, den ich gefunden hatte, einen neuen Roman »O. T.« geschrieben, und dann erst, es war im Jahre 1837, besprach die Monatsschrift diesen und den » Improvisator«, aber wie wurde ich gezüchtigt, schulmeisterirt – davon später.

Aus Deutschland ertönte die erste eingehende Anerkennung, oder vielleicht Ueberschätzung meiner Dichtung, und ich beugte mich, gleich dem Kranken nach dem Sonnenschein, dankbar erfreut – denn mein Herz war dankbar! Ich war nicht, wie die dänische Monatsschrift sich herbeiließ und in ihrer Kritik über den » Improvisator« zu sagen wagte: ein undankbarer Mensch, der in meinem Buche Mangel an Dankbarkeit gegen meine Wohlthäter zeige; sei ich doch selbst der arme Antonio, der unter dem Drucke ächze, den ich dulden solle, dulden müsse! ich, der arme Knabe, dem man das Gnadenbrod gereicht habe!

In Schweden erschien gleichfalls eine Uebersetzung, und in allen schwedischen Journalen, die ich zu sehen bekam, waren nur Lobreden über meine Arbeit zu lesen; aus dem Schwedischen übersetzt erschien eine russische Ausgabe in Petersburg; auch in England wurde das Buch von der Quäkerin Mary Howitt übersetzt, und das, was in demselben von Bedeutung war, wurde bemerkt und beliebt.

» This book is in romance what »Childe Harold is in poetry«, – so wurde es dort besprochen, und als ich ungefähr dreizehn Jahre später zum ersten Male nach London kam, erfuhr ich von einer ehrenden Kritik in der » Foreign Review « als deren Verfasser man den Schwiegersohn Walter Scott's, den tüchtigen, kritisch strengen Lockhart John Gibson Lockhart, geboren 1792 in Glasgow, gestorben den 25. November 1854, war seiner Zeit Advokat in Edinburgh, dann 1825 Redakteur der » Quarterly Review «, also waltet hier wegen des Titels wol ein Irrthum vor. Der Uebers. nannte. Ich wußte von derselben nichts; früher las ich kein Englisch, und ungeachtet sie in einem der in London gelesensten und verbreitetsten » Reviews« stand, die hier nach Kopenhagen kamen, wurde sie nicht von einem einzigen dänischen Blatte erwähnt, während diese sonst von jedem andern dänischen Dichter darüber referiren, wenn der Titel seines Buches in England genannt wird. Es heißt in den Reviews:

»Der › Improvisator‹ ist ein dänisches Werk, gedichtet in der dänischen Sprache, derjenigen, in welcher Hamlet, der schwermüthige Prinz von Dänemark sprach und dachte. Ein Freund hat gesagt, daß Corinna die Großmutter des Improvisators sei; vielleicht, es sind Züge drin, aber der Improvisator ist ein liebenswürdiger Begleiter.«

Die deutsche Kritik hat vom Improvisator gesagt:

»Es wäre nicht uninteressant, zwischen Andersen's Improvisator und der Corinna von Madame Staël eine Parallele zu ziehen. Beide Verfasser haben sich in der Gestalt von italienischen Improvisatoren zu Helden ihrer Romane gemacht; beide haben eine Schilderung der Herrlichkeiten Italiens damit zu verschmelzen gewußt. Aber der Däne ist naiv, die Französin sentimental; Andersen giebt Poesie, die Staël Rhetorik.«

Die dänische Monatsschrift für Literatur nannte auch » Corinna«, aber hier klang es anders.

»Es ist wahrscheinlich, daß Frau Staël-Holstein's Roman » Corinna« dem Verfasser ein irreleitendes Vorbild gewesen ist u. s. w.«

Wie verschieden, sieht man, lauten somit deutsche und englische Zusammenstellungen von »Corinna« und »Improvisator« gegen die Abfertigung über denselben Punkt, welche die dänische Monatsschrift mir zukommen ließ.

Auch in Nordamerika erschienen später ein paar englische Uebersetzungen, und aus dem Schwedischen folgte in Petersburg, doch erst 1814, eine russische Uebersetzung; auch eine böhmische Uebersetzung erschien; in Holland erweckte das Buch große Aufmerksamkeit; in der dort sehr verbreiteten Zeitschrift » de Tijd« stand eine empfehlende Kritik über dasselbe. Im Jahre 1847 erschien es in französischer Sprache, übersetzt von Madame Lebrun, und wurde ganz besonders lobend besprachen, wobei namentlich die »Reinheit« der Dichtung hervorgehoben wurde. – In Deutschland finden sich sieben bis acht verschiedene Ausgaben dieses Romans vor und dazu mehrere Auflagen; ich verweise dabei noch ferner auf die bekannte Hitzig's Ausgabe von Chamisso's Werken, in welcher, in einem der dort abgedruckten Briefe an mich, der Dichter feine Freude über mein Buch ausspricht und es über Werke wie: Notre Dame de Paris, La Salamandre u. s. w. stellt Siehe Beilage III..

Von Außen kam also gleich und Jahre hindurch, wie gesagt, die lauteste Anerkennung, die mich geistig aufrecht hielt. Hat Dänemark an mir einen Dichter, so hat man mich wenigstens hier in der Heimat nicht dazu auferzogen. Während Eltern oft jede kleine andeutende Sprosse, von welcher sie vermuthen, sie könne zu irgend einer Art von Talent führen, in's Treibhaus setzen, hat die Mehrzahl meiner Landsleute so gut wie Alles gethan, um das Talent bei mir zu ersticken; allein es war nun vom lieben Gott zu meiner Entwicklung so bestimmt, und deshalb sandte er Sonnenstrahlen von Außen zu mir und ließ das, was ich geschrieben, sich selbst den Weg bahnen. Im Publikum wohnt außerdem eine Macht, stärker als alle Kritiken und als die einzelnen Parteien, – ich hatte doch durch den » Improvisator« festen Fuß hier in der Heimat gefaßt, hatte bei einigen mir einen ehrenhaften Platz erkämpft; meine Laune hatte Augenblicke, während welcher sie die Flügel erhob. Nur wenige Monate, nachdem der » Improvisator« erschienen war, trat ich mit dem ersten Heft meiner Märchen auf; aber man glaube nicht, daß diese sogleich gut ausgenommen wurden; Leute, die behaupteten, daß sie es gut mit mir meinten, beklagten, daß ich, der kürzlich im » Improvisator« die Hoffnung erweckt hatte, daß ich dennoch » Etwas Gutes« würde leisten können, plötzlich in »kindisches Treiben« zurückfiele. Die »Monatsschrift für Literatur« würdigte sie niemals einer Besprechung, und in » Dannora«, einer damals gelesenen kritischen Schrift, wurde mir an's Herz gelegt, meine Zeit mit Märchenschreiben nicht zu vergeuden. Man vermiße bei mir die gewöhnliche Form dieser Dichtart, und gab mir Muster auf, die ich studiren solle; das wollte ich aber nicht, sagten sie – und so gab ich das Märchenschreiben auf und brachte um diese Zeit, zwischen Mißmuth und Humor schwebend, meinen zweiten Roman »O. T.« Ich hatte einen geistigen Drang zum Produciren, und ich glaubte, im Roman mein rechtes Element gefunden zu haben. Es erschienen also gleich hintereinander » Der Improvisator« 1835, » O. T«, 1836 und » Nur ein Geiger« 1837. Einigen gefiel » O. T« namentlich H. C. Oersted, welcher großen Sinn für das Komische hatte. Er ermunterte mich, in dieser Richtung fortzufahren, und bei ihm und in seinem Kreise fand ich Freude und Anerkennung.

Bei Sibbern, dessen persönliche Bekanntschaft ich nach Empfang seines Briefes gemacht hatte, las ich » O. T.« vor. Der Dichter Paul Müller war von Norwegen zurückgekehrt und wohnte einer dieser meiner Abendvorlesungen bei, er hatte sich seiner Zeit gegen » Die Fußreise« ausgesprochen, hörte aber hier mit großer Theilnahme zu; die Scenen in Jütland auf der Haide und an der Nordsee interessirten ihn, und er sprach sich warm und herzlich für die Schilderung aus. Ein paar Uebersetzungen von » O. T.« in's Deutsche fanden bald Nachahmer in Schweden, Holland und England. Meine kopenhagener Landsleute hatten sich beim » Improvisator« über die falsche Schreibart einiger italienischen Worte und über Correcturfehler aufgehalten. Um ähnliche Vorwürfe fern zu halten, bot mir, als » O. T.« erscheinen sollte, einer der Professoren von der Universität an, die Correctur zu lesen; »ich bin geübt darin«, sagte er, »und man hat mich immer wegen meiner Correctheit belobt; man findet dann, wenn man Sie recensirt, nicht die weniger bedeutende Sache der Buchstabirung mehr, bei der man sich aufhalten kann.« Er las Bogen für Bogen; zwei tüchtige Männer sahen außer ihm gleichfalls die Bogen genau durch; das Buch erschien, und die Kritik hier in der Heimat schloß mit der Phrase: »die gewöhnlichen grammatikalischen Nachlässigkeiten, finden sich, wie stets bei Andersen, auch in diesem Buche.« – »Nein, jetzt ist es zu arg!« sagte der Professor; »ich habe denselben Fleiß wie bei meinen eigenen Büchern angewendet. Man thut Ihnen wirklich Unrecht!«

» O. T.« wurde gelesen und wieder gelesen, mein Publikum nahm zu, aber die Zeitungs- und Journal-Kritik spendete mir noch keine große Ermunterung; ja, man vergaß, daß der Knabe mit den Jahren zum Manne reift, und daß man auch außerhalb des gewöhnlichen Weges sich Kenntnisse erwerben kann; man blieb an alten Behauptungen und Beschuldigungen hängen. Viele, die meine späteren, größeren Arbeiten vielleicht nie gelesen hatten, sprachen sich am allerstrengsten aus, waren aber nicht so ehrlich wie Heiberg, welcher, als ich ihn fragte, ob er diese Romane gelesen habe, scherzend antwortete: »ich lese niemals große Bücher!« – Wie der Ton war, den man sich in der Monatsschrift erlaubte, geht aus Folgendem hervor. Paludan-Müller, der anerkannte und geschätzte junge Dichter, wurde von derselben Monatsschrift hart beurtheilt; er schrieb in dieser Veranlassung sein polemisches Gedicht: » Trochäen und Jamben« und führte dort, als Beleg seiner Klage gegen die Monatsschrift, in einer Note eine Probe dessen an, wie weit dieselbe gegen einen Dichter vorzugehen wagte; ich gebe Paludan-Müller das Wort:

»In welchem ehrenwerthen Journal, – es sei ein in- oder ausländisches – hat man je gesehen, daß ein Recensent sich dergleichen Freiheiten gegen die Person des recensirten Verfassers herausnimmt? Es wird nicht nur der Mangel an Verstand, an höherer Bildung und eigentlichem Studium zum Gegenstand der Besprechung gemacht, sondern seine Unlust zu dem letzteren wird ihm vorgeworfen; es werden gute Rathschläge zu fernerem Fleiß und Studium ertheilt; es wird mit der Kritik gedroht, und endlich wird dein Verfasser die Hoffnung eröffnet, daß er etwas Befriedigendes würde leisten können, wenn er die Rathschläge des Recensenten sich zu Herzen nehme. Diese und viele andere, die besprochenen Schriften (»Improvisator« und »O. T.«) nicht betreffende, sondern deren Verfasser höchst gravirende Aeußerungen, unter welchen sogar eine indirecte Anschuldigung wegen Undankbarkeit gegen Wohlthäter, erlaubt die Redaction der Monatsschrift einem namenlosen Recensenten ganz ungenirt anzuführen und entzieht ihm zu gleicher Zeit, indem sie den Schleier der Anonymität über ihn wirft, der verdienten Züchtigung von Seiten des Beleidigten!«

Es ist immerhin charakteristisch, daß der Verfasser, als später die Mehrzahl der Verfasser der verschiedenen Kritiken in der Monatsschrift veröffentlicht wurde, sich nicht zu nennen wagte.

Im Jahr darauf (1837) erschien der Roman » Nur ein Geiger«, welcher so ganz eine geistige Blüte ist, aus dem Druck entsprungen, den ich in diesem gewaltigen Kampf zwischen meiner Dichternatur und der blutig harten Umgebung litt, und doch war ich einen Schritt vorwärts gelangt, begriff mich selbst und die Welt besser; allein ich war nahe daran, den Gedanken an irgend eine Art von wahrer Anerkennung dessen, was Gott mir verliehen hatte, hier aufzugeben; in einer anderen Welt müsse es zur Klarheit kommen, darin suchte ich meinen Trost. War der » Improvisator« ein wirklicher Improvisator, so war » Nur ein Geiger« der bevorstehende Kampf und das Leiden; diese Dichtung war in ihrer Gesammtheit durchgedacht und, von außen betrachtet, in jeder Einzelheit fast erlebt; die gährende Opposition gegen die Unbilligkeit und die Albernheit, die Prosa und der Druck von Seiten der ganzen Umgebung brachte Stimmungen zuwege, die sich in den Charakteren des Naomi, Ladislaus und des Pathen in der »Hohlgasse« offenbaren.

Auch dieses Buch bahnte sich seinen Weg hier in der Heimat; aber sowol der Dank als die Ermunterung blieb aus; die Kritik räumte nur ein, daß ich oft vom Instinct wunderbar glücklich geleitet würde, – man wählte den Ausdruck, den man für das Thier gebraucht, der aber sonst in der Menschenwelt, in der Welt der Poesie, Genialität heißt; bei mir sollte diese als Instinct gestempelt werden. Es war ein fortdauerndes Niedertreten alles Guten bei mir. Ein einzelner Begabter äußerte wol mündlich gegen mich, daß ich zu hart und unbillig behandelt würde, aber Niemand trat aus und sprach es öffentlich aus. » Nur ein Geiger« beschäftigte eine Zeit lang einen unserer hochbegabten Männer, nämlich den Philosophen Sören Kierkegaard Den der dänische Schriftsteller Dr. Georg Brandis – gegenwärtig in Deutschland lebend – in einer dänischen Abhandlung ausführlich besprochen hat. Geboren in Kopenhagen 1818, gestorben 1855. Der Uebers.; auf der Straße, wo wir uns begegneten, sagte er mir, er wolle eine Kritik des Buches schreiben, und daß ich gewiß zufriedener mit derselben werden würde, als mit den früheren, denn, räumte er ein, man fasse mich ganz unrichtig auf! – Es verstrich lange Zeit, er las das Buch auf's Neue und der erste gute Eindruck wurde verwischt; ich muß denken, daß ihm die Dichtung, je öfter er sie las, um so fehlerhafter erschien, und als die Kritik kam, vermochte ich mich derselben nicht zu erfreuen; sie kam in Gestalt eines ganzen Buches, das erste, glaube ich, welches Kierkegaard schrieb; es war nicht gerade leicht zu verstehen, es besaß die Hegel'sche Schwerfälligkeit des Ausdrucks; es wurde auch im Scherz gesagt, daß nur Kierkegaard und Andersen das Buch ganz gelesen hätten; es war betitelt: » Aus den Papieren eines noch Lebenden.« Ich las damals aus demselben heraus, daß ich kein Dichter, sondern eine dichterische Figur, die aus ihrer Gruppe hinausgetreten sei, und daß es einem künftigen Dichter anheimgegeben sein müsse, mich wieder in die Gruppe hineinzustellen oder mich als Figur in einer Dichtung zu benutzen, in welcher er mein Supplement gestaltete! Später verstand ich diesen Verfasser besser, der mir in meinem Vorwärtsschreiten mit Freundlichkeit und Einsicht entgegengekommen ist.

Ich fand und gewann in der Heimat keinen öffentlichen Beschützer oder Kritiker meiner Romane, und was dieselben außerdem in Schatten stellte, war die allgemeine Begeisterung für die gerade damals von Heiberg herausgegebenen, bewunderten » Geschichten aus dem AlltagslebenDiese Alltagsgeschichten sind von Heiberg's Mutter verfaßt worden, die zu den Schöngeistern jener Zeit gehörte. Sie stammte aus einer bürgerlichen Familie Buntzen, geboren 1774, vermählte sich mit P A. Heiberg und ließ sich von ihm scheiden, nachdem er – stehe Seite 111 d. B. – wegen freisinniger Schriften des Landes verwiesen worden war (1800) und heiratete schon ein Jahr darauf den schwedischen Flüchtling Carl Frederik Gyllenbourg-Ehrensvärd, der wegen Theilnahme an dem Morde Gustaf's III. in Dänemark eine Freistatt gefunden hatte. Seit 1815 Wittwe, lebte sie nur ihrem Sohne und begann im Alter von 50 Jahren ihre Alltagsgeschichten zu schreiben, was jedoch vor aller Welt bis nach ihrem Tode, am 2. Juli 1850, ein Geheimniß blieb. Der Uebers. Die Sprache in diesen, der Inhalt und vor Allem die Heiberg'sche Empfehlung und Bewunderung dieser Werke, verlieh denselben den höchsten Rang bei der Lesewelt.

Und doch, wie höhnisch man mich auch immer abseitigen mochte, ich wurde gelesen, und soweit hatte ich es indeß gebracht, daß Viele hier in der Heimat nicht mehr an meiner poetischen Befähigung zweifelten, welche man vor meiner Reise nach Italien ganz geleugnet hatte. Aber keine dänische Kritik sprach sich über die Idee, die Frischheit, den Humor, über das, was in meinen Romanen eigentlich sein mochte, aus; erst als sie in schwedischer Sprache erschienen, gingen einige schwedische Journale mit Wolwollen ein wenig tiefer auf sie ein, und die Kritiker lasen und faßten sie mit gutem ehrlichen Willen auf; auch in Deutschland war dies der Fall; von dort her wurde mein Muth gestärkt zum Weiterarbeiten.

Ueber » O. T.« und » Nur ein Geiger« sprach sich die » London literary Gazette« sehr lobend aus.

Erst mehrere Jahre später sprach in Dänemark ein Mann von Bedeutung, der Dichter Hauch, sich in seiner früher erwähnten Abhandlung in einer vom Naturforscher Professor Schouw herausgegebenen Wochenschrift herzlich über mich als Dichter und über die Romane aus und hob in wenigen Zügen das Charakteristische in denselben hervor. Am Schlüsse heißt es beispielsweise:

»Wer vermag in seinem » Geiger« jenen Austritt zu lesen, in welchem der »vornehme Hund«, wie sich der Dichter ausdrückt, sich mit Verachtung den der Speise abwendet, mit welcher der arme Knabe vorlieb nehmen muß, ohne zugleich zu erkennen, daß dies nicht ein Spiel ist, in welchem die Eitelkeit ihren Triumph sucht, sondern daß es im Gegentheil die in ihrem Innersten tief gekränkte Menschennatur ist, die hier ihren Schmerz ausspricht.«

So lautete es etwa neun bis zehn Jahre später von mir in Dänemark; so lautet die Stimme eines edlen und geehrten Mannes. Mir ist es mit der Kritik ergangen, wie es mit dem Weine zu gehen pflegt, je mehr Jahre vergehen, bevor er ausgeschenkt wird, desto vortrefflicher schmeckt er.

In demselben Jahre, in welchem der » Geiger« erschien, besuchte ich zum ersten Male das Nachbarland, machte die Canal-Reise nach Stockholm. Damals kannte man nicht, was jetzt skandinavische Sympathien heißt; aus den alten Kriegen mit dem Nachbar hatte sich eine Art Mißtrauen vererbt; die kopenhagener Straßenjungen vergaßen nicht im Winter, wenn die Eisdecke die Länder verband und die Schweden zu uns in Schlitten herüberkamen, hinter ihnen in roher und frecher Weise herzurufen; man kannte sehr wenig von der schwedischen Literatur, und es fiel nur wenigen Dänen ein, daß man durch geringe Uebung die schwedische Sprache leicht lesen und verstehen könne. Tegnér's » Frithjofssage« und » Axel« kannte man, aber nur in Uebersetzungen. Aber die Zeiten ändern sich.

Ich hatte ein paar schwedische Schriftsteller gelesen, und von diesen sprach mich namentlich der Verstorbene, unglückliche Stagnelius Erik Johan Stagnelius, geboren 1793 auf der Insel Öland, besuchte die Universitäten zu Lund und Upsala und zeichnete sich sowol durch seine gediegenen Kenntnisse als hohe dichterische Begabung aus. Seine Schriften, von denen mehrere preisgekrönt wurden, sind Deutsch in Leipzig erschienen und vor allen zeichnet sich das Epos »Lilien von Saron« durch Inhalt und Formschönheit aus. Leider lebte der Dichter sehr stürmisch und starb, erst 30 Jahre alt, im Jahre 1823 in Stockholm. Der Uebers. an; seine Dichtungen erfüllten mich noch mehr als die Tegnér's, der damals die Dichtkunst in Schweden repräsentirte. Ich, der ich bisher nur nach dem Süden gereist war, wobei der Abschied von Kopenhagen auch mit dem Abschied von der Muttersprache gleichbedeutend ist, fühlte mich nun ganz Schweden hindurch wie halb zu Hause; denn ich konnte dort meine dänische Sprache reden, und vernahm in der Sprache des Landes gleichsam nur einen Dialect des Dänischen; mir schien, daß Dänemark sich erweiterte, das Verwandte an den Völkern trat mir gar lebhaft vor Augen, ich begriff, wie nahe Schwedisch, Norwegisch und Dänisch zu einander standen. Ich traf auf herzliche, freundliche Menschen, und es ist meine Natur, mich bald an dieselben anzuschließen. Diese Reise wurde mir eine meiner fröhlichsten. – Das malerische schwedische Land mit seinen ausgedehnten Wäldern, großen Seen, dem brausenden, großartigen Trollhättafall Der Trollhätta- (Teufelsmütze-) Fall stürzt in drei Absätzen, die verschiedene Namen führen, 112 Fuß in die Tiefe und führt in jeder Secunde aus dem Wenersee 400 Kubikfaden Wasser der Göta-Elf (Fluß), die sich in die Nordsee ergießt, zu. Dieser romantisch-schöne Punkt, dem es an Sagen nicht fehlt, wird mit dem Dampfschiff von Gothenburg aus in 6 Stunden, mit der Eisenbahn in 2½ bis 3 Stunden erreicht. Der Uebers., den malerischen Scheeren Scheeren ( Skärgård)nennt man die Klippen und Felseninseln, welche an Schwedens West- und Ostküste, an Norwegens West- und Finnlands Südküste, die den Ufern gegen die Wuth des Meeres Schutz verleihen, also gleichsam die Brandung abschneiden. Der Uebers., diese ganze Natur war mir neu, und nun Stockholm selbst Wer sich über Schweden, Land und Leute unterrichten will, den mache ich auf mein »Skizzenbuch von Schweden« 2. Auflage Berlin, Bichteler u. Co. aufmerksam. Der Uebers., dessen Lage sich fast der von Constantinopel nähert und sich mit der von Edinburgh mißt, überraschte mich im hohen Grade. – Die Canalfahrt selbst klingt ja dem Uneingeweihten halb abenteuerlich, wenn man erzählt, daß das Dampfschiff dort von den Seen hinauf über die Bergeshöhen geht, von wo man unter sich die ausgedehnten Tannen- und Birkenwälder sieht. Durch kühn erbaute Schleusen heben und senken sich die Schiffe, während der Reisende seine Waldwanderungen macht. Von dieser Reise, und namentlich von dem mächtigen Wenersee her, knüpft sich eine Bekanntschaft von großem Interesse und nicht ohne Einfluß auf mich: die Bekanntschaft mit der schwedischen Romanschriftstellerin Fridrika Bremer Geboren 1802 zu Åbo in Finnland, gestorben auf ihrem Landsitze Arste bei Stockholm am 31. December 1865. Ihre Novellen aus dem Alltagsleben sind in fast alle Sprachen übersetzt worden. Ihre Arbeiten, an die sich noch Reisebeschreibungen reihen, betragen über 50 Bände, die 1857-1864 in Deutschland in einer gesammelten Ausgabe erschienen. Der Uebers..

Auf dein Canal zwischen Trollhätta und Wenersborg hatte ich gerade den Capitän am Bord und einige der Mitreisenden gefragt, welche schwedische Schriftsteller in Stockholm lebten, und meine Lust geäußert, Fräulein Bremer zu sehen und zu sprechen. »Ja, die treffen Sie nicht, sie ist für den Augenblick zum Besuch nach Norwegen gereist«, antwortete der Capitän. – »Sie kommt wol zurück, während ich hier bin!« sagte ich im Scherz und fügte hinzu: »auf Reisen begleitet mich immer das Glück, so daß das Meiste, von dem, was ich mir wünsche, in Erfüllung geht.« – »Dieses Mal aber kaum!« erwiderte der Capitän. Drei Stunden nachher, als wir Wenersborg verlassen sollten, wo Waaren und Passagiere an Bord genommen wurden, kam er lachend mit der Liste der neu hinzugekommenen Reisenden auf mich zu und rief laut: »Glücklicher Mensch! ja freilich haben Sie Glück; Fräulein Bremer befindet sich jetzt hier an Bord und geht mit nach Stockholm!« Ich nahm das für Scherz, er zeigte mir den Namen aus seiner Liste; allein ich war doch nicht davon überzeugt, inwiefern es wirklich die Verfasserin sei. Unter denen, die ich an Bord gewahrte, entdeckte ich keine Dame, von der es mir scheinen wollte, als könnte sie es sein. Es wurde Abend und um Mitternacht befanden wir uns auf dem großen weitausgedehnten Wenersee Der Wenersee, in den der westliche und der östliche Theil des Götacanals, welcher die Ostsee mit der Nordsee verbindet, ausmünden, ist einer der größten Binnenseen Europas; er ist 14 Meilen lang mit einer Breite von 7 Meilen, auf dem sich oft die Wellen wie auf dem Meere bewegen. Berühmt ist der See auch wegen seiner häufig vorkommenden »Fata Morgana.« Der Uebers..

Um drei Uhr des Morgens stand ich auf, um den Sonnenaufgang zu sehen; außer mir kam noch Jemand aus den Kajüten heraus: es war eine Dame, nicht jung, nicht alt, gehüllt in Shawl und Mantel, – auch sie wollte die Sonne aufgehen sehen. Ich dachte: ist Fräulein Bremer hier an Bord, dann muß sie es sein! Ich begann ein Gespräch, sie antwortete höflich, aber fremd, und als ich sie fragte, ob sie die Verfasserin der bekannten Romane sei, gab sie eine ausweichende Antwort und fragte nun nach meinem Namen; sie kannte denselben, gestand aber offen, daß sie keine meiner Arbeiten gelesen hatte, und fragte ob ich kein Exemplar derselben bei mir führe. Ich hatte gerade den » Improvisator«, den ich für Freiherr von Beskow bestimmt hatte, im Koffer; ich lieh ihr denselben, und sie begab sich in ihre Kajüte zurück und kam den ganzen Vormittag nicht wieder zum Vorschein. Als ich sie aber wieder sah, war ihr Antlitz erheitert und voller Herzlichkeit; sie drückte mir die Hand, sagte, daß sie das Meiste vom ersten Theil des Buches gelesen hatte und mich nunmehr zu kennen glaube. – Das Schiff flog mit uns über Berge, durch stille Seen und Wälder dahin, in die Scheeren der Ostsee hinein, wo die Felseninseln zerstreut liegen und die merkwürdigsten Uebergänge von dem nackten Gestein zur grünen Insel und derjenigen, an welche Bäume und Häuser sich befestigen, bilden; es ging durch Brandung und über Strudel dahin, an zwei Stellen mußten alle Passagiere ganz still auf ihren Plätzen sitzend verharren, während die ganze Aufmerksamkeit des Lootsen auf einen Punkt gerichtet war; man fühlte sozusagen auf dem Schiffe die Hand der Naturkraft, die es eine Secunde ergriff und wieder los ließ. Fräulein Bremer erzählte mir manche Sage, manche Geschichte, die sich an diese oder jene Insel oder an dieses und jenes Gehöft an den Ufern des Landes knüpfte. Die Reise wurde reicher und fröhlicher.

In Stockholm wurde die Bekanntschaft fortgesetzt und Jahre haben dieselbe durch Briefe fester geknüpft; sie ist ein edles Weib, die großen, tröstenden Wahrheiten der Religion, das Poetische in der stillen Einfachheit des Lebens haben sie lief durchdrungen und sie besitzt einen Genius, um ihren Anschauungen Ausdruck verleihen zu können.

Noch waren keine meiner Romane in schwedischer Uebersetzung erschienen; ich war in Stockholm als Dichter nur von Einzelnen gekannt, welche die » Fußreise« und meine lyrischen Gedichte gelesen hatten, und diese Wenigen waren Leute, die der Literatur angehörten und mich daher auch auf's herzlichste und mit schwedischer Zuvorkommenheit und Aufmerksamkeit empfingen; der wegen seiner humoristischen Gedichte bekannte und geehrte Geistliche Dahlgrèn Carl Johan Dahlgrèn, geboren auf dem Lande in Ostgothland bei der Stadt Norrköping den 20. Juni 1791, schrieb viele humoristische Lieder, Novellen und Lustspiele, starb als Prediger in Stockholm den 12. Mai 1844, also bald nach Andersens Besuch daselbst. Der Uebers., der jetzt längst gestorben ist, schrieb ein Lied an mich. Ueberall fand ich Gastfreundschaft und Herzlichkeit, daher ist es kein Wunder, daß ich Schweden und die Schweden lieb gewann. Von H. C. Oersted war ich an den berühmten Chemiker Berzelius Johan Jacob Freiherr von Berzelius wurde auf dem Lande im Stifte Linköping den 29. August 1779 geboren, wurde 1807 Professor der Medicin, 1815 der Chemie, für die er ferner ausschließlich wirkte und für die neuere Chemie von großer, unvergänglicher Bedeutung wurde. König Carl Johan (Bernadotte) verlieh ihm den Adel. Seine Werke über die verschiedenen Zweige der Chemie sind alle in's Deutsche, einige sogar in alle europäische Sprachen übertragen worden. Er starb in Stockholm den 7. August 1848, wo man ihm aus einem nach ihm benannten Platze ein schönes Erzdenkmal, nach Ovarnström's Modell errichtete. Der Uebers. empfohlen, dessen Bekanntschaft ich nun zum ersten Male machte; durch ihn wurde mir in Upsala ein guter Empfang zu Theil. Ich zog dorthin auf einige Tage und der damalige Professor Rudberg führte mich nach den Königshügeln in Alt-Upsala Alt (Gamla-) Upsala, der Hochsitz des nordischen Heidenthums liegt etwa ½ Meile von der Universitätsstadt Upsala entfernt. Hier erheben sich drei hohe Hügel, die für die Grabstätten des Thor, Odin und Frej (Frö?) gehalten werden. Der Uebers., wo wir aus dem großen silbernen Horn, das König Carl Johan geschenkt hatte, auf das Wohl des Nordens Champagner tranken. Land und Leute wurden mir immer theurer, und es schien mir, wie gesagt, als erweitere sich die Grenze meiner Heimat; erst nun verstand ich vollkommen, wie nah verwandt Schweden, Norweger und Dänen waren, und in diesem Gefühl schrieb ich gleich nach meiner Heimkehr das Lied:

»Wir sind ein Volk, wir heißen Standinaven!«

In diesem Gedicht war kein Gedanke an Politik, dieselbe ist mir fremd, – der Dichter soll nicht im Dienste der Politik arbeiten, sondern ruhig, wie ein Seher, den Bewegungen vorangehen. Das skandinavische Lied entstand, als noch keine Rede von einem Skandinavien war, es entsprang aus dem Gefühl des Verwandten bei den drei Völkern, der Liebe, die ich fühlte und wünschte, daß sie in Geist und Herz, wie ich, sie zu einander hegen möchten, und nicht unfreundlich und einander mißverstehend wie die reißenden Gewässer geschieden seien.

»Man sieht, daß die Schweden ihn fetirt haben!« war das Erste, was ich in der Heimat über mein Lied vernahm. Einige Jahre verstrichen, die Nachbarn lernten einander besser verstehen; Oehlenschläger, Tegnér Esais Tegnér, geboren auf dem Lande in der Provinz Wemland den 13. November 1782, Professor in Lund, dann Bischof von Wexiö, starb den 2. November 1846. In Lund hat man ihm ein Denkmal, nach dem Modell von Ovärnström, in Erz gegossen, 1853 auf dem nach ihm benannten Platze errichtet. Seine Dichtungen sind alle in's Deutsche übersetzt worden, vor allen aber sein Meisterwerk » Die Frithjofssage«, von der über 12 verschiedene Uebersetzungen erschienen sind. Dr. Georg Brandes hat kürzlich im April-Juni-Heft der »Deutschen Rundschau« 1878 ein vortreffliches Charakterbild des Dichters gebracht. Der Uebers. und Fredrika Bremer brachten sie dazu, gegenseitig ihre Literaturerzeugnisse zu lesen und die Verwandtschaft wurde dadurch gefühlt und begriffen; der alberne alte Rest von Feindschaft, weil sie das gegenseitige Gute bei einander nicht kannten, verschwand, es trat ein schönes, herzliches Verhältniß zwischen Schweden und Dänen ein.

Der Skandinavismus knospete indeßen in Kopenhagen, vielleicht auch in Schweden, in Norwegen, glaube ich, ist dies nie recht der Fall gewesen. Man errichtete eine » Skandinavische Gesellschaft«, das heißt einen Verein in Kopenhagen, in welchem man brüderliche Reden über die drei Völker des Nordens und historische Vorträge hielt, ebenso skandinavische Concerte veranstaltete mit Liedern von Bellman, Rung, Lindblad Carl Michael Bellman, der schwedische Volksdichter und Componist, auch der »schwedische Anakreon« genannt, wurde den 24. Februar 1741 in Stockholm geboren, wo er, nachdem er mehrere Beamtenposten bekleidet hatte, den 10. Februar 1795 starb. Seine volksthümlichen, bacchantischen Dichtungen, die er selbst mit Musikbegleitung versah, machten ihn so populär beim Volke, daß man heute noch am 20. Juli, dem Tage, an welchem man seine Büste im Thiergarten errichtete, ein großes Volksfest dort feiert, wo man nur seine Lieder hört. Einige Lieber sind von Winterfeld (Berlin, Hofmann) in's Deutsche übersetzt worden. Sonst sehe man mein »Schweden« Seite 41-60. – In dem großartigen Restaurationsetablissement »Hasselbacken« im Thiergarten, wo der Dichter unter einer Eiche zu improvisiren pflegte, hat der Besitzer vor wenig Jahren ihm ein neues Denkmal in sitzender Stellung errichtet. – Rung war Chordirigent der königlichen Oper in Kopenhagen, der viele Lieder und einige Opern componirt hat. – Adolf Frederik Lindblad, 1804 in Stockholm geboren, hat sich namentlich durch herrliche Compositionen von Volksliedern, die Jenny Lind zuerst in Deutschland sang, einen Namen gemacht. Der Uebers. und Gade, und das ist ja ganz vortrefflich! – Nun gelangte mein Lied zu Ehren, und man sagte mir, daß dieses Lied Alles überleben würde, was ich je geschrieben hätte! Ja, einer unserer bedeutendsten öffentlichen Charaktere versicherte mich, und zwar im Ernste, daß es das einzige Gedicht sei, welches mich zum dänischen Dichter mache. Nun wurde es so hoch gestellt, ein Jahr früher war es nur das Product geschmeichelter Eitelkeit!

Sowol in Schweden wie in Dänemark wurde mein Lied componirt und ist seitdem ein Concertlied geworden, aber populär ward es nie.

Nach meiner Rückkehr von der schwedischen Tour begann ich fleißig Geschichte zu lesen und machte mich mehr mit fremder Literatur bekannt; doch das Buch, in welchem ich am meisten las, und aus welchem ich die stärksten Eindrücke erlangte, war, wie immer, das der Natur. Bei dem Sommerleben auf den Herrenhöfen der Insel Fyen, namentlich dem dicht am Walde romantisch gelegenen Lykkesholm, dem alten Hof des unglücklichen Kai Lykke, und auf dem gräflich Moltke'schen Gute Glorup, wo der mächtige Reichshofmeister (Kanzler) Walkendorph, der Feind Tycho Brahe's Kay Lykke war ein Günstling der Unions-Königin Margarethe und starb auf dem Schaffott. – Wegen Tycho de Brahe siehe Seite 192 Band 1. – Der hier erwähnte Graf Moltke-Hvitfeldt hieß Gerhard, war Geheimrath und starb den 20. December 1851. Der Uebers. gewohnt hatte, und wo nun der edle, alte Graf Moltke-Hvitfeldt lebte, fand ich den freundlichsten Empfang, das gemächlichste Heim, und las hier auf meinen stillen Wanderungen gewiß mehr als mir die Schule von Reflections-Weisheit geben könnte.

In Kopenhagen war schon damals, wie bis in die späteste Zeit, das Haus Collin's mir ein »Heim der Heimat« geworden, wie ich es schon in der Zueignung des » Improvisators« bezeichnet hatte; hier fand ich Eltern und Geschwister. Die Laune, die Lebensfreude, die in dem Roman » O. T.« und in den in diesen Jahren geschriebenen dramatischen Arbeiten zu finden sind, z. B. in dem » Unsichtbaren auf Sprogö«, haben ihre Quelle in dem Collin'schen Hause, das in dieser Richtung einen gesunden Einfluß auf mich übte, so daß das Kränkliche meiner Seele nicht zur Herrschaft bei mir gelangte; die älteste Tochter Collin's, Frau Ingeborg Drewsen, mit ihrer fröhlichen Laune, ihrem Witz und Humor, übte namentlich auf mich einen großen Einfluß aus; wenn das Gemüt weich und elastisch wie die Meeresfläche ist, und das war das meinige, dann spiegelt es, wie diese, seine Umgebung ab.

Ich war recht productiv, und meine Schriften gehörten zu denjenigen meiner Heimat, die stets gekauft und gelesen wurden; für jeden neuen Roman bekam ich ein höheres Honorar, aber man wird dabei in Betracht ziehen müssen, welch' kleines Absatzgebiet dänische Bücher haben, und daß ich von Heiberg's Schloßaltan Von dem Schloßaltan der Christiansborg in Kopenhagen wird der Tod des Königs und der Regierungsantritt des neuen Königs dem Volke verkündet. Der Uebers. und seiner Monatsschrift eben nicht als der bedeutende Dichter der Zeit proclamirt worden war, und daß also das Honorar ein geringes blieb, – indeß ich lebte – natürlicherweise nicht wie man es sich in England dachte, wenn man dort den Dichter des »Improvisators« nannte. Ich entsinne mich noch Charles Dickens Der berühmte englische Verfasser, der früher seine Arbeiten unter dem pseudonymen Namen »Boz« erscheinen ließ, ist am 7. Februar 1812 in Portsmouth geboren und starb auf seinem Landsitze Tavistock-House bei London am 9. Juni 1870. Er wurde in der Westminster-Abtei in London unter großer Feierlichkeit beigesetzt. Der Uebers. Erstaunen, als er den Betrag meines Honorars für dieses Buch erfuhr. »Wie viel haben Sie bekommen?« fragte er mich. – Ich antwortete: »19 Pfund Sterling.« – »Für den Bogen?« fragte er. – »Nein«, erwiderte ich, »für das ganze Buch!« – »Aber, wir verstehen einander gewiß falsch« fuhr er fort; »Sie können nicht für das ganze Werk, für den Improvisator, nur neunzehn Pfund Sterling erhalten haben, das werden Sie jedenfalls für den Bogen bekommen haben.« – Ich mußte bedauern, daß dem nicht der Fall war; für den Bogen würde es ungefähr nur ein halbes Pfund ausmachen. – »Du, mein Gott!« rief er, »das ist ja nicht zu glauben, wenn Sie es nicht selbst sagten.« Allerdings kannte Dickens die dänischen Verhältnisse nicht, bemaß die Einnahme nach derjenigen, die er in England hatte; aber sehr möglich ist es, daß meine Uebersetzerin dort mehr bekam als ich, der Verfasser; doch genug davon, ich lebte – freilich unter einigen Entbehrungen.

Zu produciren und immer zu produciren, fühlte ich, würde Vernichtend für mich sein; die Versuche, die ich machte, um mir eine Art von Stellung oder sonst einen ehrenhaften Erwerb zu verschaffen, mißglückten alle. Ich suchte eine Anstellung bei der königlichen Bibliothek; H. C. Oersted unterstützte auf's Wärmste mein Gesuch bei dem Chef der Bibliothek, dem Oberkammerherrn v. Hauch; Oersted schloß sein schriftliches Zeugniß, nachdem er H. C, Andersen's »Verdienste als Dichter« berührt hatte, auf folgende Weise: »daß er sich auch durch Rechtsinn und durch Ordnung und Genauigkeit ausgezeichnet, welche Viele glauben, von einem Dichter nicht erwarten zu können, die man aber, wenn man ihn kennt, ihm unleugbar einräumen muß.« Diese Worte über mich von Oersted richteten dennoch nichts aus; der Oberkammerherr fertigte mich mit der größten Artigkeit ab, indem er sagte, ich sei zu talentvoll, als daß er mich bei so trivialer Arbeit, wie die der Bibliothek sei, anstellen könne. – Ich versuchte es, mich mit dem »Verein der Preßfreiheit« in Verbindung zu setzen; ich hatte einen Plan und Entwurf zu einem dänischen Volkskalender, ähnlich dem sehr verbreiteten deutschen von Gubitz gegeben, und damals gab es in Dänemark noch keinen solchen. Ich glaubte durch die Naturschilderungen im »Improvisator« Tüchtigkeit für Darstellungen dieser Art gezeigt zu haben, ein paar Heftchen meiner Märchen waren damals schon erschienen, die müßten zeigen, daß ich gut zu erzählen verstand. Oersted war sehr zufrieden mit dem entworfenen Plan, und er unterstützte auch diesen auf's Beste; allein die Mitglieder des Beurtheilungscomités fanden, daß diese Arbeit mit zu vielen und großen Schwierigkeiten verknüpft sein würde, als daß der Verein sich auf dieselbe einlassen könne. Das heißt, man traute mir die Tüchtigkeit zu derselben nicht zu; denn später erschien unter einem andern Redacteur ein solcher Kalender, der von dem Verein unterstützt wurde.

Stets mußte ich somit, um zu leben, an den nächsten Tag denken; ein gastfreundliches Haus war mir um diese Zeit noch geöffnet, das einer alten Dame, deren Eigenthümlichkeiten von Jedem leichter aufgefaßt wurden, als ihre vielen anderen vortrefflichen Eigenschaften. Sie fand Freude am Lesen meiner Schriften, und mit mütterlichem Sinne zeigte sie mir ihr Wolwollen; es war die alte, jetzt verstorbene, verwittwete Frau Bügel, geborene Adzer, Conferenzrath Collin war übrigens um diese Zeit meine Hilfe, mein Trost, meine Stütze, an den ich mich, doch bescheiden, nur in den schwersten Fällen, wendete. Ich hatte Noth und Armuth zu ertragen, von welchen hier zu erzählen es mich nicht gelüstet. Doch wie ich in den Kinderjahren dachte, wenn es mir recht hart erging, half der liebe Gott! Ich besitze einen Glücksstern, und das ist der Glaube an Gott.

Eines Tages, ich saß in meinem kleinen Zimmer, klopfte es an die Thür; ein fremder Mann mit einem feinen, freundlichen Gesicht, ich hatte ihn früher nie gesehen, trat ein. Es war der jetzt verstorbene Graf Conrad Rantzau-Breitenburg, ein Holsteiner und damals Staatsminister; er liebte Poesie, war von Italien erfüllt und wollte einen Besuch bei dem Verfasser des » Improvisators« machen. – Er hatte mein Buch in der Originalsprache gelesen und fühlte sich lebhaft von demselben angesprochen; er hatte am Hofe und in seinem Kreis sich auf's Wärmste für den Improvisator erklärt; er stand in großem Ansehen, war als ein Mann von Geschmack und als Kenner der Literatur bekannt, ein echt ritterliches Gemüt. In seiner Jugend war er viel gereist, hatte sich lange in Spanien und Italien aufgehalten, sein Urtheil war somit von großer Bedeutung. Er war es, der den Dichter aufsuchte. Still trat er in mein kleines Zimmer, sprach seinen Dank und seine Anerkennung über mein Buch aus, bat mich, ihn zu besuchen, und fragte, ob er irgendwie zu meinem Nutzen thätig sein könne. Ich deutete ihm an, wie schwer es sei, schreiben zu müssen, um zu leben, sich nicht sorglos wegen des Nothwendigen entwickeln und wirken zu können, und er drückte liebevoll meine Hand, versprach, mir ein thätiger Freund zu werden, und das ward er. Collin und H. C. Oersted, glaube ich, haben gewiß auch in der Stille mitgewirkt als meine Fürsprecher beim König Frederik VI.

Schon seit mehreren Jahren unter der Regierung dieses Königs war es angeordnet, daß eine Summe aus der Staatskasse zur Reise-Unterstützung an junge Gelehrte, Schriftsteller und Künstler verwendet werden solle, ja, Einzelne, die noch keine feste Stellung hatten, bezogen eine Art jährliche Gage, oder, wenn man will »Unterstützung«, so z. B. die Dichter Oehlenschläger, früher Ingemann, Heiberg u. A. Gerade in den Tagen hatte Hertz eine solche jährliche Summe bekommen, seine Zukunft war dadurch einigermaßen gesichert worden; es war meine Hoffnung und mein Wunsch, daß mir dasselbe Glück zu Theil werden möchte, und es geschah wirklich. König Frederik VI. gewährte mir von nun an jährlich 400 Reichsbankthaler Gleich 900 Mark jetziger deutscher Reichswährung. Der Uebers..

Ich war von Dankbarkeit und Freude erfüllt, ich brauchte nun nicht, wie ich früher so oft genöthigt war, zu schreiben, um zu leben; ich hatte nun in möglichen Krankheitsfällen eine sichere Hilfe; ich war von den Menschen nun noch weniger abhängig.

Es begann ein neuer Abschnitt meines Lebens!

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