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XVI.

Die Erwartung des Steuerinspektors Gritz, daß nach Minderung der Strafe für Gargitter der Bäckermeister Zoderer umsatteln, die »Steuerschraube« wieder in Gnaden annehmen und schleunigst verheiraten werde, erfüllte sich nicht im gewünschten Maße, daher Gritz sich entschloß, das verlorene Paradies aufzusuchen und persönlich Einlenkversuche zu machen. Glücklicherweise war Zoderer nicht zu Hause, und Hedwig, die ja von der Rücknahme der Strafe wußte, war bald wieder gewonnen und glückselig darüber, daß Gritz seine Heiratsabsicht zu verwirklichen entschlossen sei. Hedwig erklärte sich denn auch bereit, mit dem Vater zu reden.

Während das Paar emsig bestrebt war, sich die eheliche Zukunft möglichst rosig auszumalen, saß Zoderer im Bräuhause und konferierte mit dem von Innsbruck zurückgekehrten Piffrader, der ob Idas Krankheit nicht wenig aufgeregt war und heillos zeterte, daß man ihm die Schande einer Unterbringung seines Kindes ins Spital angethan habe. Zoderer meinte, das sei doch keine Schande, im Gegenteil gut gemeint gewesen, denn im Krankenhause sei die Pflege jedenfalls sorgfältiger als im eigenen Hause.

»Wer's glaubt! Mein Haus ischt groß genug, um ein halbes Dutzend Kranke aufzunehmen! Mein Kind im Spital, das heißt gleich soviel wie im Armenhaus! Mit dem Bezirksarzt werd' ich ein Wörtel reden und das gehörig! Überhaupts die Beamtenwirtschaft hab' ich jetzund dick, mehr denn je!«

Zoderer fragte dagegen: »So? Warum denn? Ischt was Besonderes passiert?«

»Na und ob! Ich sag' Dir, im Landtag ischt man mit uns umgesprungen, daß es nimmer schön war!«

»Und das hast Du Dir gefallen lassen, Du, der Piffrader, der reichste Mann von Lienz?«

»Ach was, wer's glaubt! Ich und mir was gefallen lassen, nit amal vom Statthalter! Dem hab' ich die Meinung gehörig g'sagt, der langt für eine Weil'! Aber man soll's einfach nit glauben, was sich so ein Herr außernimmt aus 'm Wurstkessel! Wenn ich über den Ärger nit krank werd', nimmt's mich selber Wunder! Sagt der Statthalter nit, bei uns in Tirol kennt man den Wert der Zeit nit! Hast so was schon g'hört?«

»Na, das ischt mir zu hoch!« beteuerte Zoderer.

»Ich hab's gleich auch nit recht verstanden, er wispelt so viel fein, man kapiert's erst hinterdrein. Wenn ich aber wieder im Landtag als Redner auftrete, druck' ich ihm den Wert der Zeit schon ins Wachsel, darauf kann er sich verlassen! Wär' nit übel, diese Pressiererei in Tirol, ganz aus der Weis'!«

»Ischt aftn die Iselthalstraße bewilligt?«

»Freilich!«

»Na, das ischt ein Glück für uns!«

»Red' decht nicht so dumm! Ein Glück ischt, wenn man recht viel Geld verdient und kein Risiko dabei hat, eine neue Straße ischt nie kein Glück, weil man nit weiß, wie sich die Sach' auswachst. Der Statthalter hat so viel feine, neumodische Pläne und was neu ischt, taugt nixen. Was ich aber noch sagen möcht', Du, Zoderer, wie ischt denn Deinem Schwager seine Sach' mit der narreten Steuerstraf' aus'gangen?«

»Sie haben halt decht eing'sehen, daß es nit geht, und darum haben die von der Hauptmannschaft die Straf' zurückgezogen, gleich nur um fünf Gulden haben sie ihn gestraft und sall kann mein Schwager leicht zahlen. Weißt, es hätten ihn die zweihundert Gulden auch nit umgebracht, aber schreien muß man, wenn man bezahlen soll!«

»Ganz richtig! Aftn geht die Sach' ja wieder z'sammen, was?«

»Das muß ich mir erst überlegen! Im Landtag bischt wohl nit drauf zu reden kommen?«

»Auf die Heirat Deiner Hedwig? Na, sall war nit möglich!«

»Na, ich mein' wegen der narrischen Straf'!«

»Das war auch nit möglich, Hauptgegenstand war ja das Straßengesetz und wir haben damit grad' genug zu arbeiten gehabt. Und dann ischt etwas Merkwürdiges hinterdrein gemunkelt worden, das hat mir auch den Kopf vollgemacht. – Du, wie geht's denn unserem Hauptmann?«

»Soll ihm wieder besser gehen, aus der Gefahr ischt er!«

»Was ich gehört hab', soll er sich brav g'halten haben beim Brand in Matrey. Das g'fällt mir von ihm, wenn er auch ein Graf und Beamter ischt.«

»Was ischt denn gemunkelt worden in Innsbruck?«

»Ja, es heißt, der Hauptmann hätt' in seinem ersten Bericht der Statthalterei einen merkwürdigen Vorschlag gemacht, weißt, geschrieben soll er haben, man soll jetzt nach dem Brand die Gelegenheit ergreifen und den Ort Matrey vom gefährlichen Bretterwandbach weg verlegen.«

»Nicht möglich!«

»Das sag' ich auch! Die Leut' haben einmal am Bach ihren Grund und Boden, wo anders haben sie nixen, also bleiben sie, wo sie sind. Das ischt auch so ein Neuerer, der Hauptmann, grad' so wie der Statthalter, der unser Tirol verbessern will.«

»Da hätt' der Statthalter aber decht ganz gute Absichten, mein' ich!«

»Das versteht nur ein Abgeordneter, wer's glaubt! Zu trauen ischt den Leuten einmal nit denn selbst der Statthalter ischt ein Beamter.«

»Na, es ischt grad' keine Schand' und etwas Sicheres mit Pension haben die Beamten decht!«

»Pfeift der Wind aus dem Loch? Zoderer, lauf' und schau, daß Du Deinen Inspektor so geschwind als möglich vor den Altar bringst!«

»So pressiert es nit, ich laß mich schon eine Weil' zuerst schön bitten!«

»So, so! Ja, Charakter hat halt nit jeder! Jesses, wenn ich denk', wie ich im Landtag dagestanden bin! Alle gegen mich und ich wie ein Turm!«

»Ah so wohl! Im Blättle hab' ich vom Turm nix gelesen!«

»Steht denn schon ein Bericht in der Zeitung?«

»Freilich! Na, Dich haben S' nit schlecht zugedeckt, ich meine, Piffrader, etwas hast Dich decht blamiert?!«

»Zoderer, halt Dich z'ruck! Ich bin gewiß ein guter Kerl, aber als Parlamentär versteh' ich keinen Spaß, wer's glaubt! Und von einem, der bloß Wähler ischt, laß' ich mir keine Bemerkungen machen. Du bist mir ja da decht zu wenig kampetentiert, verstanden!«

»So, patzig willst werden, Piffrader?! Wer schickt denn Dich in den Landtag, decht wir Bürger und Wähler! Wenn wir nimmer mögen, hat Deine Herrlichkeit geschwind ein End'! Wir haben schon gelesen, daß Du dumm wie die Nacht gegen die Iselstraße geredet hast. Leicht wär's schief gegangen und wir hätten die Straß' nit kriegt! War ein Glück, daß der Statthalter gescheiter ischt als der Abgeordnete!«

Piffrader traute seinen Ohren nicht, erregt schrie er: »Zoderer, pack' Dich durch, verschwind', oder ich sag' Dir, was Du bischt, Du Lödterle übereinander!«

»Was? Du schaffst mich aus, Deinen besten Freund?«

»Jawohl, mein Freund bischt Du gewesen! Als Abgeordneter brauch' ich keinen Freund: Leut', die nit begeistert sind von allem, was ich thue in der Landschaft, salle kann ich erst recht nit leiden!«

»Du schaffst mich aus? Überleg' Dir's, Piffrader! Ich bin nit so großmütig wie der Graf Hauptmann!«

»Der hat mir auch nit den Kopf herabgerissen und ist decht ausgeschafft worden! Ein Graf ischt alleweil decht mehr als der Loabltoag von Lienz!«

»Piffrader, jetzt haben wir zwei ausgeredet miteinander! Die heutige Stund' wirst noch zu spüren kriegen! Adjes!«

Zoderer warf das Geld für die Zeche auf den Tisch und entfernte sich im höchsten Zorn.

Das Rencontre hatte die eine nächste Folge, daß Zoderer in die Verehelichung Gritz' mit Hedwig einwilligte, um den Piffrader, seinen jetzigen Feind, zu ärgern. Zoderer sattelte um; wo er konnte, stellte er sich auf die Seite der Beamtenschaft, in der Meinung, dadurch den Bräuer zu vergrämen.

Hedwig besuchte nach erfolgter Aussöhnung mit Gritz sogleich die Freundin im Spital und bat Ida herzlich um Verzeihung für jene im Zorn gesprochenen Worte. Die Freude darüber bewirkte eine Besserung im Zustand Idas, das Mädchen erholte sich zusehends, und konnte nach wenigen Tagen ins Vaterhaus gebracht werden.


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