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X.

»Franz!«

»Herr Graf befehlen?« fragte der in das Speisezimmer eintretende Kammerdiener.

»Ich muß gleich nach Tisch auf Kommission fahren. Geh' zu Piffrader und sage, ich lasse bitten, mir den Schlitten und einen Kutscher zu geben. Eingespannt werden die Fuchsen. Ich muß auf einige Tage nach Windisch-Matrey. Halte gut Haus und vermeide Geschwätz und Unruhe, Du weißt schon, was ich meine!«

»Sehr wohl, Herr Graf!«

Nachdem das Dessert aufgetragen war, verschwand Franz zur Besorgung des Auftrages. Inzwischen ordnete Egon die Dienstpapiere in einer besonderen Aktentasche, packte das Nötigste zusammen für die Reise und machte sich in der Toilette fertig zur winterlichen Fahrt ins verschneite Iselthal.

Franz kam zurück, um zu fragen, ob der Schlitten vor dem Schloß warten solle.

»Nein, ich komme selbst zu Piffrader! Du bringst mein Handgepäck hin!«

Franz blieb stehen, es schien, als wolle er eine Mitteilung machen, wage dies aber nicht.

»Hast Du etwas Besonderes zu melden? Sprich, aber kurz und rasch!«

»Sehr wohl, Herr Graf! Ja und nein, ich weiß nicht recht. Beim Bräuer muß es was abgesetzt haben, ein Verdruß höherer Gattung. Das Fräulein rotverweint, Piffrader teufelswild, der Matreyer Bürgermeister ganz auseinander ...«

Egon horchte auf und sprach: »Was soll es gegeben haben?«

»Das weiß ich nicht, ich konnte nicht gut fragen. Der Kutscher Jörgel meinte etwas dergleichen, als habe der Obertürk –«

»Wer?«

»Der Konstantin Opel, Bürgermeister von Matrey, soll um die Piffrader-Tochter angehalten, aber einen Korb erhalten haben. Der Bräuer ist darüber fuchtig worden und –«

»Es ist gut. Bring' mein Gepäck hinüber!«

In großer Aufregung schritt Egon durch das Zimmer. Ein Freier und die liebe, gute Ida! Und Egon hatte keine Ahnung davon. Gottlob, daß Ida festgeblieben ist! – Ein quälender Gedanke machte sich geltend: Ist denn Egon überhaupt gewillt und in der Lage, ernstlich um Ida anzuhalten? Vorbestraft! Entsetzlich! Die Gemahlin eines Egon Rothenburg und gerichtlich bestraft. Und weswegen? Kann die Äußerung nicht böswilliger Tratsch sein? Gott, wenn man nur die betreffenden Akten lesen könnte! Doch fehlt jede Möglichkeit einer Berechtigung dazu. – Und jetzt, da Ida zweifellos eines Trostwortes mehr denn je bedarf, muß Egon fort auf Kommission, die unaufschiebbar ist.

Die Zeit drängt.

Egon begab sich zum Bräuhause, in dessen Hof die feurigen Füchse ungeduldig im Schnee scharrten. Sehnsüchtig blickte der Graf zu den Fenstern hinauf, doch von Ida ist nichts zu sehen. Seufzend stieg er in den Schlitten und fort ging es durch die schläfrige Stadt, hinaus ins verschneite stille Gelände des langen Iselthales.

Jörgel, der Kutscher, hatte Mühe, die Füchse im Trab zu halten, zeitweilig galoppierten die hitzigen Pferde, bis nach etwa einer Stunde der Übermut nachließ.

»Saggrisch gute Roß'!« meinte Jörgel, um dem stillen Grafen eine Bemerkung zu entlocken.

Egon reagierte darauf nicht und schwieg.

Doch der Kutscher wollte schwätzen, da er nichts zu rauchen hatte. Sich in halber Wendung zum Fahrgast umdrehend, meinte Jörgel: »Heunt, Herr Graf, hätt' es bei uns bald Mord und Totschlag 'geben!«

»Wieso?« fuhr es aus Egons Mund heraus.

»Wissen Sie nix davon? Das ischt aber seltsam!«

»Was war denn los?«

»Der Matreyer Obertürk hat unser Idele haben wollen.«

»Wie können Sie denn das wissen?«

»Wie unsereins so was erfährt? Das ischt decht sehr einfach. Die Zimmerin ischt nebenan g'wesen und hat jedes Wort g'hört. Ang'halten hat der Obertürk ganz saggrisch, hätt' es nicht geglaubt, daß der alt' Esel noch heiraten möcht' und – oha!«

Jörgel hatte auf entgegenkommende Bauern nicht geachtet, und um sie nicht zu überfahren, mußte er schnell die Pferde nach rechts herumreißen. Grollend schrie der Kutscher: »Ös Rammel! Wenn schon ich nit aufpaßt hab', so gebt's Ös Obacht!«

Die seitlich im Schnee stehenden Bauern erkannten den Hauptmann und zogen ehrerbietig die Hüte.

Der sonst so höfliche Egon achtete der Leute kaum, die eben vernommene Kunde fesselte ihn zu sehr. Gern wüßte der Graf noch mehr, doch das Fuhrwerk näherte sich in stetig raschester Fahrt der Ortschaft Huben, und Jörgel mußte nun auf die Pferde achten.

Nachdem man das Dorf im Rücken hatte, konnte der Kutscher wieder schwätzen. »Sie, Herr Graf, das war Ihnen eine Metten (Lärm)! Der Bräu hat ja g'sagt, es wär' ihm schon recht, wissen S', Herr Graf, der Obertürk hätt' Maxen (Geld), die Spekulation wär' nit so schlecht.«

»Aber –« warf Egon ein.

»Unser Fräul'n hat nit mögen!«

»So?«

»Freilich! G'sagt hat's, das Heiraten thät' nit pressieren, und der Herr Opel, hat sie g'sagt, möcht' sich um eine passendere Partie umschauen.«

»Der Opel war dem Fräulein wohl zu alt?«

»Freilich! Unser Idele kriegt schon noch einen ganz anderen, jünger, schöner. Wenn's ein Baron wär', zu noblicht wär' er für unser Fräul'n nit, das sag' ich, und ich versteh' auch was davon!«

»Nun, was sagte denn der Bräuer dazu?«

»Herr Graf, der ischt zuerst giftig 'worden und hinterher grob. Die Zimmerin nebenan hat g'meint, er wird 's Idele gar klopfen.«

»Nicht möglich!«

»Wohl, wohl! So war's zum Anhören. Der Bräu hat g'schimpft, daß es nimmer schön war. Und aftn hat der Obertürk seinen Antrag zurückg'nommen. Na ja, der Mann wird sich nit schlecht geärgert haben! So ein Abblitzer thut weh! Der kleinst' Korb ischt in dem Fall mordsmäßig schwer zum Tragen.«

»Hat der Opel die Ablehnung so ohne weiteres hingenommen?«

»Das weiß ich nit genau, die Zimmerin hat nit alles verstanden in der Nebenstub', weil s' eine Weil' g'wispelt haben, die Mannder. 's Fräulein Idele hat geheult dazu. Aftn muß aber der Obertürk bissig 'worden sein.«

»Wieso?«

»Na, weil er auf die dumme G'schicht ang'spielt hat!«

»Auf welche dumme Geschichte?«

»Wissen S' das nit, Herr Graf? Merkwürdig, Sie wissen decht schon gar nixen und sein decht der öberste im Bezirk! Ich hab' g'meint, Sie thäten alles wissen!«

»Was ist das mit der dummen Geschichte?«

»Wissen S' wirklich nix davon?«

»Nein, ich bin erst seit einigen Monaten in Lienz, kann also nicht wissen, was vorher passiert ist.«

»Na, es ischt auch nix dahinter. Also der Obertürk hat ang'spielt von wegen der Vorstraf' vom Idele!«

»Das Fräulein ist vorbestraft, weshalb?« Egons Blick haftete an des Kutschers wulstigen Lippen, kaum vermochte der Graf seiner Aufregung Herr zu werden.

»Rein zum Lachen, Herr Graf! Eine Bagantall, weiter nix!«

Egon möchte verzweifeln; in seinem ganzen Leben hat er mit Menschen wie dieser Kutscher da nicht verkehrt, und nun dürstet er nach einem Wort von dessen Lippen.

»Was ein Bagantall ischt, werden Sie aber decht wissen, nit?«

»Ja! Weswegen war das Fräulein angeklagt?«

»Es war eine Dummheit, weiter nix! Und vom Poschterer eine Wichtigthuerei. Aber weil die Sach' einmal ans G'richt 'geben war, hat der Richter halt nit anders können. Hüh, Fuchsen, ich glaub' gar, die lassen jetzt aus. Na ja, g'laufen sein sie gut und der Weg steigt eppas!«

Egon nagte nervös an der Unterlippe, er ist ratlos, wie dem entsetzlichen Schwätzer, der das Wichtigste nicht sagt, die Hauptsache entlockt werden könnte.

Als die Pferde im Schritt gingen, nahm Jörgel das Gespräch wieder auf: »Schauen S', Herr Graf, mit 'm Gericht kann einer g'schwind g'nug was zu thun haben. Drum ischt es kein Wunder gewesen, daß unser Idele aufs Bankel 'kommen ischt!«

»Weshalb denn?«

»Ja, das ischt also gangen: Wissen S', Herr Graf, der Kaufmann, der ischt gleich nur ein Krämer, er laßt sich aber gerne Kaufmann nennen, der hat einmal von einer Fabrik in der Steiermark in einer großen Blechkisten recht schönes Schnellfeuer 'kriegt ...«

»Was ist das?«

»Ja mein, das kann ich Ihnen nit derzählen, wenn Sie nit wissen, was ein Schnellfeuer ischt!«

»Ich weiß es wirklich nicht!« beteuerte Egon.

»Gut! Rauchen thun S' nit, Herr Graf?«

»Nein!«

»Sell hab' ich mir schon gedenkt, weil ich keine Cigarr'n 'kriegt hab'! Na, da ischt es auch kein Wunder, wenn Sie nit wissen, was ein Schnellfeuer ischt.«

»Ach, Sie meinen Zündhölzer!« rief Egon aus.

»Gott sei's gedankt, Sie wissen es decht! Also selles Schnellfeuer waren wunderschöne Zündhölzl'n, selle haben fein geschmeckt (geduftet), gar nit nach dem stinkenden Schwefel, weil keiner dabei war. Na, alsdann: Eine große Schachtel von dem feinen Schnellfeuer hat der Krämer unserm Idele g'schenkt, und 's Fräul'n hat die Schachtel mit die Zündhölzl'n gleich nur in Papier verpackt und an eine Freundin nach Innsbruck geschickt.«

Aufatmend rief Egon: »Und die Sendung ist unterwegs in Brand geraten?!«

»Ja, wenn Sie alles eh schon wissen, was lassen S' mich denn dann verzähl'n?«

»Nur weiter!«

»Sein Sie aber ein g'spaßiger Herr! Erscht weiß er gar nix'n, dann thut er, als wenn er's besser wüßt' als i' selber!«

»Es war nur eine Mutmaßung von mir!«

»Sein das Sachen, eine Mutmaßung! Von seller Maßerei hab' ich meiner Lebtag nixen g'hört.«

»Erzählen Sie nur weiter!« drängte Egon.

»Alsdann: Selles Schnellfeuerpaket'l ischt brennend 'worden, das Feuerle haben s' im Packwagen auf der Eisenbahn g'rad noch zu der rechten Zeit g'löscht. Auf'm Begleitzettele haben die Poschterer aftn herausgediftelt, wer salles Schnellfeuerpaket'l in so schlechter Verpackung fortg'schickt hat; sell war unser Idele, und 's Malör war fertig.«

»Das Fräulein kam vor Gericht?«

»Ja! 's Idele hat alles gleich eing'standen, und scharf wie unser Richter schon ist, hat er eine Straf' von fünf Gulden diktiert, die der Bräu natürlich gern 'zahlt hat. Mein, wir waren ja alle froh, daß s' uns 's Idele nit eing'kastelt haben!«

Egon war es, als falle ihm ein centnerschwerer Stein von der Brust; von der ärgsten Sorge befreit, rief er beseligt und aufatmend: »Das war also die Vorstrafe?«

»Nit wahr, ich hab' recht: es ischt ein Bagantall! Und der Obertürk ischt ein Tropf, weil er auf diese G'schicht' ang'spielt hat. Ich druck' ihm das schon noch bei Gelegenheit ins Wachs'l, jawohl!«

Nun Egon den Fall kennt, ist es ihm unbegreiflich, wie er nur denken konnte, daß Ida, das reine, liebliche Wesen, irgendwie von Belang vorbestraft sein konnte. Und dennoch hat er gelitten; jene Äußerung des Richters hatte einen tiefen Schmerz in der Brust zurückgelassen. Dafür wirkt die unerwartete Aufklärung um so befreiender, wahrhaft beseligend. Egon empfindet dem rauhen Jörgel gegenüber aufrichtigen Dank, und in solcher Gefühlsaufwallung spendete der Graf dem Kutscher eine Geldnote.

»Ich dank', Herr Graf! Aber deswegen hab' ich die G'schicht' nit verzählt! Sie haben nix gewußt, also hab' ich's gern verzählt, damit Sie ja nit glauben, an unserem Idele wär' was hängen 'blieben. Ein Bagantall, weiter nix! Wenn S' mir noch einen Fünfer geben, verzähl' ich noch mehr. Sie, der Notar zum Beispiel, der hat Ihnen Schulden!«

»Danke! Behalten Sie Ihre Geschichten nur für sich!«

Ärgerlich ob dieser Zurückweisung, brummte Jörgel vor sich hin: »G'spaßige Leut' bleiben sie decht, diese noblichten Stadtfrack! Hüh, Fuchsen! Wir sein jetzt bald in Matrey, die kalte Luft vom Tauern g'spürt man schon!«

Wie damals vom Venediger herab, kehrte Egon im gleichen Gasthause zum »Rauter« ein, und diesmal wies man dem Gast, welchen Jörgel dem Wirt als den Bezirkshauptmann denunziert hatte, die beste Stube im Hause an. Die Wirtsleute sowie die Kellnerin bestrebten sich, dem hohen Gaste alle erdenkliche Aufmerksamkeit zu erweisen, doch Egon nahm nur flüchtig eine Kleinigkeit zu sich und ließ sich den Thee im Zimmer servieren, das schnell geheizt worden war.

Der Graf will allein sein und seinen Gedanken an Ida leben. Todruhig ist es im verschneiten Ort, nur der Wildbach brummt, jetzt ein zahmer Geselle, dem die Kraft fehlt. Still auch ist's im Zimmer, die Kerzen knistern ab und zu.

Unwillkürlich holte Egon Papier und das Reisetintenfäßchen mit der Mappe hervor. Er begann zu schreiben, seine Gefühle zu schildern; es ward ein Brief an Ida, der erste Brief, den aufrichtige Liebe, innige Zuneigung in die Feder diktierte.

Am nächsten Morgen vor Beginn des Amtstages warf Egon das Brieflein in den nahen Postkasten, und als das geschehen, stieg dem Grafen ein Gefühl auf, als habe er doch vielleicht unrecht gethan. Soll er den Postexpeditor bitten, den Brief auszuheben? Das würde die Neugierde des Mannes erwecken. Aus der Adresse müßte der Postexpeditor ersehen, wem der Bezirkshauptmann geschrieben, und ein Tratsch in Matrey wäre nahezu unvermeidlich.

Egon ließ das Brieflein im Kasten, begab sich in den Gasthof, wo er im Honoratiorenstübchen rasch frühstückte und Punkt neun Uhr den Amtstag begann.

Human wie immer, nahm der Hauptmann jene Leute, die aus entlegener Gegend gekommen waren, zuerst vor. Es waren dies fünf Bauern von Prägratten, welche für diese Berücksichtigung herzlich dankten.

Hatte sich Egon die Abwickelung der Dienstgeschäfte leicht oder glatt gedacht, so war das ein arger Irrtum. Anfangs, da der Hauptmann sprach, waren die Leute ruhig und sehr manierlich. Als aber der erste Bauer seine Meinung zu sagen hatte, die von der Ansicht der anderen abwich, schrieen die vier anderen drein und ereiferten sich derart, daß der Bezirkshauptmann kein Wort mehr verstand. Da galt es, energisch aufzutreten. Scharf forderte Egon Ruhe und Achtung vor der Obrigkeit, und das wirkte auf einige Minuten.

Als aber der Rummel wieder losbrach, da stand Egon auf und sprach: »Meine Herren! Ich bin nicht in der Lage, alles zu hören und zu beantworten, was hier gesprochen recte geschrieen wird. Ich möchte beantragen, daß nicht mehr als drei Redner gleichzeitig sprechen!«

Die Bauern stutzten; schon die Ansprache per »Herren« gefiel ihnen, und plötzlich kam ihnen die Erleuchtung, daß der Hauptmann einen Witz gemacht habe. Jetzt lachten die Gebirgler, und damit hatte Egon an Sympathie so gewonnen, daß die Dienstangelegenheit thatsächlich glatt erledigt werden konnte.

Die fünf Bauern wurden abgefertigt, entlassen und zogen sich in die Schankstube zurück.

Anders gestaltete sich die Verhandlung in der nächsten Angelegenheit; langweilig, nahezu aussichtslos, gespickt von Protesten.

Egon machte sich Notizen, verhörte jeden einzelnen Mann, und erklärte schließlich, da eine Einigung doch soweit erzielt zu sein schien, daß das auszufertigende Protokoll die Unterschriften erlangen dürfte, es könnten sich die Herren dieser Partei auf eine Stunde beiläufig in die Gaststube zurückziehen.

Das geschah, und Egon schrieb nun auf Grund der gemachten Notizen das Protokoll flink und gewandt. Zwei Bogen füllte dieses Elaborat, und nach einer Stunde emsiger Arbeit war der Beamte damit fertig.

Egon trat in die anstoßende Gaststube, wo er zu seiner Überraschung die fünf Bauern aus Prägratten tapfer Karten spielen sah, und lud die Männer der zweiten Partei ein, zur Protokollverlesung und zum Unterschreiben in das Extrazimmer zu kommen.

Da stand einer der Bauern, die es anging, auf und verblüffte den Bezirkshauptmann durch folgende Erklärung: Gleichfalls authentisch, wörtlich aus den mir zur Verfügung gestellten Reminiscenzen eines tirolischen Bezirkshauptmanns kopiert. D. V.»Herr Bezirkshauptmann! Euer Protokoll braucht man uns nit vorzulesen, wir unterschreiben es doch nit! Denn dös Protokoll habt's Ös ja schon fertiger mit'bracht, darum gilt es nit!«

Im Chorus rief die Korona: »Jawuhl! Wir unterschreiben nit!«

Alles Zureden blieb vergeblich; Egon hat sich pro nihilo geplagt, die Verhandlung muß als gescheitert abgebrochen werden.

Mittlerweile war es Mittag geworden, und Egon stattete noch schnell dem Pfarrer einen Besuch ab.

Als der Hauptmann gegen ein Uhr zu Tisch in das Wirtshaus kam und durch die Gaststube zum Extrazimmer schritt, sah er die fünf Prägratter tapfer essend und trinkend.

Unwillkürlich sagte Egon zu diesen Leuten: »Na, gar so pressant hätte es mit Euch nicht zu sein brauchen. Ich dachte, Ihr wollt Euch gleich auf den Heimweg machen?!«

Der Wortführer der Gruppe erwiderte: Siehe vorhergehende Note. »Herr Hauptmann! Öppas (etwas) lebe (essen) müssen ir halt o!«

»Na, dann guten Appetit!«

Die Bauern dankten und »lebten« weiter, wozu sie fleißig Rötel tranken.

Egon speiste im Extrastübchen und amtierte dann zum Abend weiter, eine Verhandlung nach der anderen und mit wechselndem Erfolg beziehungsweise Mißerfolg leitend und erledigend.

Als es dann Schlafenszeit wurde und Egon in die Gaststube trat, um die Kellnerin zur Rechnungslegung aufzufordern, da erblickte er das fünfblätterige Kleeblatt aus Prägratten bei Wein, Schnaps und Kartenspiel munter beisammen.

»Ja, Leute, geht Ihr denn nimmer nach Hause?« fragte Egon.

»Na, Herr Hauptmann! Der Tag ist halt hin – warum hat man uns vorgeladen!«

Egon dachte sich sein Teil und fand, daß Humanität mitunter nicht am Platze ist im Verkehr mit hartköpfigen Bergbauern.

Am nächsten Morgen, knapp vor der Heimfahrt, reizte es Graf Rothenburg, nachzusehen, ob nicht unglaublicherweise die fünfe noch beim Kartenspiel sitzen.

Dem war wirklich so; bleich und übernächtig, aber spielwütig, hockten die fünfe am selben Tisch und spielten die ganze Zeche »zusammen«. Halbtot nickte die Kellnerin an einem Tisch, zum Sterben müde von dieser »Nachtwache«.

»Das will ich mir merken!« murmelte Egon, und fuhr von Matrey weg nach Hause.

Der Schlitten hielt vor dem Amtsgebäude, auch Liebburg genannt. Egon stieg aus, lohnte Jörgel ab und begab sich zunächst in die Kanzlei. Wütendes Klavierspiel, ein flotter Walzer, tönte aus dem oberen Stockwerk herab. Also ist Nissi von Wien schon wieder zurück. Aber man spielt ja vierhändig!

Egon schickte Wörgötter in die Kanzlei der Praktikanten mit dem Befehl, nachzusehen, ob Baron Treßhof anwesend sei.

Die Meldung lautete bejahend, und nun interessierte es den Grafen gewaltig, zu erfahren, wer mit Agnes spiele.

Auf der Treppe lief ihm Franz entgegen, der zu stottern begann: »Herr Graf sind schon da?«

»Wie Du siehst, ja! Ist jemand zu Besuch?«

»Komtesse Franzi Hohenberg ist mit Frau Gräfin Pejascevits von Wien gekommen!«

Egon traute seinen Ohren nicht. »Wer ist gekommen?«

»Komtesse Franzi Hohenberg! Herr Graf Botho sind auch wieder von Innsbruck zurück.«

»Schon gut! Bringe mein Handgepäck in mein Privatzimmer!«

»Zu Befehl!«

Mit nicht gerade angenehmen Gefühlen schritt Egon, der sich dunkel an die kleine Hohenberg erinnern konnte, zur Wohnung hinauf. Wie hat der Graf sich auf ein stilles Leben und Arbeiten bei der Ernennung zum Bezirkshauptmann gefreut, und nun ist das Haus ein wahrhaftiger Taubenschlag geworden.


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