Richard Zoozmann
Deutsche Minnesänger
Richard Zoozmann

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Der von Kolmas

um 1275

Ein Kind noch soeben,
Und seh schon im Nu
Die Tage verschweben –
Und klage dazu.
O könnt es mir helfen (nur hilft es mir nicht)
Dagegen zu streben,
So sollt es geschehn!
Unstet ist das Leben,
Ihr habt es gesehn:
Im Tode verlöschts wie ein flackerndes Licht.
Ach daß wir doch denken so wenig daran,
Und keiner auf Erden abwenden es kann.
Wir leben, vergessen, und nichts macht uns Sorgen,
Doch ist uns im Honig die Galle verdorben.

Wohl denen, die werben
Ums himmlische Sein;
Dort endet das Sterben,
Dort finden allein
Erfüllung die Wünsche mit ewiger Lust.
Nur Liebe dort waltet,
Der Haß muß vergehn;
Wie dies sich gestaltet,
Wer kann es verstehn,
Wenn irdischer Sorgen entbunden die Brust?
Da lebt man voll Frieden im Freudengemach,
Da rauchet kein Haus und da triefet kein Dach,
Dort banget kein Mensch vor dem lähmenden Alter,
Dorthin wir einst kommen, zu Gott dem Erhalter!

Drum laßt uns erflehen
Von Mutter Marie,
Daß einst wir es sehen,
Und Gott, den doch sie
Im Leibe getragen, dies Land uns erschließ.
Er hält ja umfangen
Den Raum und die Zeit,
Voll Kraft kann er langen
Noch weiter als weit.
Denn merket, welch Wunder der Himmel entließ,
Wogegen ein Wind alle Wunder nur sind:
Sie ist Christi Mutter und dennoch sein Kind,
Zugleich eine Jungfrau in Reinheit und Schöne,
Daß Erde und Himmel der Herr mit ihr kröne.

Als Pilger auf Erden
Ziehn flüchtig wir hin,
An sündigen Beschwerden
Klebt fest uns der Sinn,
Deß Trotz zu zerstören noch keinem gelang.
Wir wandern im Dunkeln
Des Wegs, oft beirrt,
Bis daß wir sehn funkeln
Beim himmlischen Wirt
Der Herberge Licht, das wir suchen so bang.
Der Leib und das Leben zerschmilzt gleich dem Zinn,
Es naht schon der Abend, der Morgen ist hin.
Zur Einkehr wirds Zeit für uns Arme und Toren,
Faßt Nacht uns in Sünden, so sind wir verloren!


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