Xenophon
Die Kyropädie
Xenophon

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Sechstes Buch.

1.

Nachdem sie diesen Tag so zugebracht und zu Abend gegessen hatten begaben sie sich zur Ruhe. Am folgenden Morgen kamen alle Bundesgenossen an die Pforte des Kyaxares. Während sich nun 181 Kyaxares schmückte, weil er hörte daß viel Volk an der Pforte sei, stellten dem Kyrus seine Freunde die Einen die Kadusier vor, welche ihn baten da zu bleiben, Andere die Hyrkanier, ein Anderer die Saker, ein Anderer den Gobryas. Hystaspes aber führte Gadatas, den Verschnittenen, herbei, der den Kyrus ebenfalls zu bleiben bat. Da sprach Kyrus, weil er wußte daß Gadatas längst beinahe vor Furcht verging, das Heer möchte aufgelöst werden, lachend: »Gadatas, ich sehe wohl daß dir dieser Hystaspes die Ansicht beigebracht hat welche du aussprichst.« Gadatas erhob die Hände zum Himmel, und schwur daß er von Hystaspes nicht auf seine Meinung gebracht worden sei: »aber ich weiß,« sprach er, »daß ich, wenn ihr abziehet, gänzlich verloren bin. Daher kam ich auch aus eignem Antriebe zu Hystaspes, um ihn zu fragen, ob er wisse welchen Entschluß du in Betreff der Auflösung des Heeres gefaßt habest.« Kyrus erwiderte: »so beschuldige ich also, wie es scheint, den Hystaspes ungerecht.« – »Ja bei'm Zeus, gewiß,« sagte Hystaspes. – »Ich stellte sogar dem Gadatas vor daß du unmöglich bleiben könnest, und sagte dein Vater verlange deine Rückkunft.« – »Was sagst du?« sprach Kyrus: »und das unterfiengst du dich auszusagen, ich mochte wollen oder nicht?« – »Freilich,« erwiderte Hystaspes; »denn ich sehe deine große Begierde in Persien angestaunt aufzutreten und deinem Vater deine Thaten im Einzelnen zu erzählen.« Kyrus fragte hierauf: »Hast du kein Verlangen nach Hause zu kommen?« – »Gewiß nicht,« versetzte Hystaspes: »ich werde auch nicht gehen, sondern so lange beim Heere bleiben bis ich diesen Gadatas zum Gebieter über den Assyrier gemacht habe.«

So unterhielten sie sich, halb Scherz, halb Ernst miteinander. Inzwischen trat Kyaxares in glänzendem Schmuck heraus und setzte sich auf den Medischen Thron. Als nun Alle welche zu dem Rathe gehörten beisammen waren und es stille geworden war, sprach Kyaxares: »Bundesgenossen, da ich mich hier befinde und älter als Kyrus bin, so gebürt wohl mir das erste Wort. Die nächste Frage die wir zu besprechen haben scheint mir die, ob wir den Feldzug fortsetzen oder das Heer auflösen wollen. Jeder sage nun darüber seine Meinung.« 182 Hierauf sprach zuerst der Hyrkanier: »Bundesgenossen, ich weiß nicht ob es da Worte bedarf wo die Sache selbst das Beste zeigt. Wir wissen ja Alle daß wenn wir beisammen bleiben wir den Feinden mehr Uebles zufügen als von ihnen erleiden. Als wir aber von einander getrennt waren, so giengen sie mit uns um wie es ihnen am angenehmsten, uns am drückendsten war.«

Nun sprach der Kadusier: »wie ist es möglich daß wir davon sprechen nach Haus zu gehen und uns zu trennen, da uns selbst auf dem Feldzuge die Trennung so schlecht bekommen ist? Wir wenigstens mußten es, wie euch auch bekannt ist, büßen daß wir uns nur kurze Zeit von eurer Abtheilung getrennt haben.«

Darauf sprach Artabazus, der sich einst für Kyrus' Verwandten ausgegeben hatte: »ich, Kyaxares, weiche insoweit von Denen welche früher gesprochen haben ab: Diese sagen, man solle den Feldzug fortsetzen, ich aber sage: als ich zu Haus war lag ich im Feld, denn oft mußte ich zu Hülfe eilen, wenn unsere Güter geplündert wurden; und wenn unsere Festungen bedroht waren war ich oft mit Furcht und Nachtwachen geplagt, und Dieß mußte ich auf eigene Kosten thun. Nun aber habe ich die Festungen der Feinde inne, fürchte sie nicht, und schmause und trinke von dem Ihrigen. Da also das Leben zu Haus ein Feldzug, hier aber ein Fest ist, so bin ich nicht der Meinung, diese Festversammlung auseinander gehen zu lassen.«

Nach Diesem sprach Gobryas: »Bundesgenossen, bis jetzt lobe ich des Kyrus Handschlag; denn er hält Alles was er versprochen hat. Wenn er aber aus dem Lande abzieht, so bekommt natürlich der Assyrier Ruhe, ohne für das Unrecht das er euch zufügen wollte, und für Das was er mir gethan hat, bestraft zu sein: ich aber meinerseits werde zum zweitenmal von ihm bestraft werden, weil ich euer Freund geworden bin.«

Nach diesen Allen sprach Kyrus: »Männer, auch mir ist es nicht verborgen daß, wenn wir das Heer auflösen, wir schwächer, die Feinde hingegen stärker werden. Denn Alle denen die Waffen abgenommen wurden werden sich schnell andere machen lassen; Die welche der Pferde 183 beraubt wurden werden sich bald wieder andere verschaffen, und die Gefallenen werden durch Andere, die nachwachsen und geboren werden, ersetzt werden: Es ist daher kein Wunder wenn sie uns bald wieder beunruhigen können. Warum habe ich also wohl dem Kyaxares gerathen die Auflösung des Heeres zur Sprache zu bringen? Aus Furcht vor der Zukunft. Denn ich sehe daß Gegner gegen uns anrücken mit denen wir, wenn wir hier stehen bleiben, den Kampf nicht bestehen können. Es nahet sich nämlich der Winter, und wenn wir auch für uns selbst Obdach haben, so haben wir es doch, bei'm Zeus, weder für die Pferde noch für die Diener noch für die gemeinen Soldaten, ohne die wir keinen Feldzug unternehmen können. Die Lebensmittel haben wir, wohin wir kamen, verzehrt, und wohin wir nicht kamen, da haben sie dieselben aus Furcht vor uns in die festen Plätze gebracht, so daß sie damit versehen sind, wir aber keine bekommen können. Wer nun ist so tapfer, wer so stark daß er den Kampf mit Hunger und Frost bestehen könnte? Da wir also einen solchen Feldzug zu erwarten hätten, so spreche ich mehr dafür daß wir das Heer freiwillig auflösen als wider Willen durch Noth uns hinaustreiben lassen. Wollen wir aber den Feldzug fortsetzen, so glaube ich wir müssen versuchen in aller Schnelle Jenen möglichst viele feste Plätze wegzunehmen, und für uns selbst recht viele Festungen anzulegen. Denn wenn Dieß geschieht, so werden Diejenigen den größten Vorrath an Lebensmitteln haben welche am meisten nehmen und aufspeichern können, diejenigen aber welche weniger haben werden in Belagerungsstand versetzt werden. Jetzt sind wir gerade in einer Lage wie Schiffer auf dem Meere: – sie schiffen immer weiter, aber Das was sie durchschifft haben liegt nicht befreundeter hinter ihnen als Das was sie noch nicht durchschifft haben. Haben wir aber Festungen, so werden diese dem Feinde das Land entfremden, und wir bringen Alles eher in Sicherheit. Was aber vielleicht Einige von euch fürchten möchten, ob sie nicht fern von ihrem Vaterlande in Besatzung liegen müssen, auch davon laßt euch nicht beunruhigen. Denn wir, da wir auch so von Haus entfernt sind, machen uns anheischig die dem Feinde nächstgelegenen Plätze zu bewachen: ihr aber erobert und 184 bebauet die Gegenden Assyriens welche an euer eigenes Land angrenzen. Denn wenn uns bei der Besetzung der dem Feinde nahe gelegenen Plätze kein Leid geschieht, so könnt ihr, die ihr die von ihm entferntern Plätze einnehmt, in tiefem Frieden leben. Denn ich glaube nicht daß sie unbekümmert um den ihnen auf dem Nacken sitzenden Druck euch in der Ferne werden angreifen können.«

Nach dieser Rede standen Alle auf und erklärten ihre Bereitwilligkeit hierzu, auch Kyaxares. Gadatas und Gobryas erklärten, Jeder von ihnen wolle mit Zustimmung der Bundesgenossen eine Festung anlegen, so daß auch diese zu den Bundesfestungen gehören sollen. Als nun Kyrus Alle zur Vollziehung seines Vorschlags bereit sah, so sprach er zum Schlusse: »wenn wir nun Das was wir für nothwendig halten ausführen wollen, so müßte man in der größten Eile Maschinen bauen, um die Festungen der Feinde zu zerstören, und Werkleute herbeischaffen, um für uns feste Plätze zu errichten.« Darauf versprach Kyaxares selbst eine Maschine machen zu lassen und zu liefern: Gadatas und Gobryas machten sich mit einander zu Einer, Tigranes zu Einer, Kyrus selbst zu zweien verbindlich. Nachdem Dieß angenommen war brachten sie Maschinenbaumeister zusammen, und Jeder schaffte herbei was zu den Maschinen nöthig war. Die Aufsicht übertrugen sie Männern denen man zu solchen Geschäften die meiste Tauglichkeit zutraute.

Da aber Kyrus voraussah daß diese Arbeiten längere Zeit erfordern würden, so ließ er das Heer an einer Stelle sich lagern die er für die gesundeste und für Herbeischaffung des Nothwendigen gelegenste hielt; und die Plätze welche der Befestigung bedurften ließ er so einrichten daß die stehende Besatzung in Sicherheit war, wenn er sich auch hie und da mit der Hauptmacht weit davon entfernen würde. Außerdem zog er bei Denen welche er für die des Landes Kundigsten hielt Erkundigung ein, woher das Heer am meisten Lebensmittel beziehen könne, und führte es dann immer auf's Fouragieren aus, theils um recht große Vorräthe zu bekommen, theils um sie durch die Anstrengung der Märsche bei Gesundheit und Kraft, theils um ihnen auf den 185 Transportzügen ihren Platz in Reih und Glied im Gedächtniß zu erhalten.

Während Kyrus damit beschäftigt war meldeten Ueberläufer und Gefangene aus Babylon, der Assyrer ziehe nach Lydien, und nehme viele Talente Silber und Gold, sonstige Schätze und mannigfaltigen Schmuck mit. Die gemeinen Soldaten vermutheten, er wolle aus Furcht seine Schätze in Sicherheit bringen: Kyrus hingegen dachte, der Zweck des Zuges werde sein wo möglich einen Gegner wider ihn aufzuwiegeln, und rüstete sich daher mit Macht, in der Voraussetzung daß es noch einer Schlacht bedürfen werde. Er machte die Persische Reiterei vollzählig, indem er theils von den Gefangenen theils von den Freunden Pferde bekam: denn Dieß nahm er von Allen an, und mochte man ihm ein schönes Waffenstück oder ein Pferd anbieten, er wies Nichts zurück. Auch mit Kriegswagen versah er sich von denen welche erbeutet worden waren, und woher er sonst noch welche bekommen konnte. Das früher zur Zeit des Trojanischen Kriegs gewöhnliche Fuhrwerk aber und das noch jetzt in Kyrene übliche schaffte er ab. Denn bisher war auch in Medien, Syrien, Arabien und ganz Asien die Art von Wagen üblich welche die Kyrenäer noch jetzt haben. Kyrus aber war versichert daß wenn die Besten, welche natürlich den Kern des Heeres bilden, zu Wagen kämpfen, Diese nur zum Kampf aus der Ferne verwendet werden und daher keinen entscheidenden Ausschlag zum Siege geben könnten. Dreihundert Wagen nämlich ergeben dreihundert Kämpfer. Diese aber brauchen zwölfhundert Pferde; zu Wagenlenkern nehmen sie natürlich die Besten, auf die sie am meisten Vertrauen haben; dieß macht noch einmal an dreihundert Mann, welche dem Feind auch nicht den geringsten Schaden zufügen können. Dieses Fuhrwerk nun schaffte er ab, und führte an dessen Stelle Kriegswagen ein mit starken Rädern, damit sie nicht so leicht brechen, und mit langen Achsen, weil alles Breite weniger umfällt. Den Sitz für den Wagenkämpfer ließ er, wie einen Thurm, von starkem Holze machen, das ihm bis an die Ellbogen hinaufreichte, damit die Pferde über den Sitz heraus geleitet werden können. Die Wagenkämpfer bepanzerte er am 186 ganzen Leibe, außer an den Augen. Außerdem brachte er auf beiden Seiten der Räder an den Achsen eiserne Sicheln in der Länge von zwei Ellen an, andere unter der Achse, nach der Erde gerichtet, um mit diesen Wagen auf die Feinde loszurennen. Die Einrichtung welche Kyrus damals den Streitwagen gab wird noch jetzt in dem Lande des Königs beibehalten. Er hatte auch viele Kameele, theils von Freunden zusammengebracht, theils die sämmtlichen erbeuteten.

So kam Dieses zu Stande. Da er nun einen Kundschafter nach Lydien schicken wollte, um zu erfahren was der Assyrier unternehme, so schien ihm Araspas, der das schöne Weib zu bewachen hatte, hierzu tauglich. Mit Araspas hatte sich nämlich folgender Vorfall zugetragen. Hingerissen von Liebe zu dem Weibe konnte er dem Drange nicht widerstehen ihr seine Wünsche zu offenbaren. Sie aber wies ihn zurück und blieb ihrem Manne, der Entfernung ungeachtet, getreu (denn sie liebte ihn innig): doch brachte sie bei Kyrus keine Klage über Araspas vor, weil sie nicht gern Freunde entzweite. Als aber Araspas, in der Voraussetzung dadurch seinem erwünschten Ziele näher zu kommen, dem Weibe drohte, wenn sie nicht freiwillig wolle so werde er sie zu zwingen wissen, da hielt sie, Gewalt fürchtend, die Sache nicht mehr geheim, sondern ließ den Kyrus durch ihren Verschnittenen von Allem unterrichten. Als Kyrus Dieß hörte lachte er über Den der gesagt hatte er sei über die Liebe Meister, schickte den Artabazus mit dem Verschnittenen zu ihm und ließ ihm sagen, Gewalt dürfe er einer solchen Frau nicht anthun; wenn er sie aber durch Ueberredung dazu bringen könne, so wolle er Nichts dagegen haben. Als Artabazus zu Araspas kam, so machte er ihm Vorwürfe, sagte die Frau sei ein ihm anvertrautes Kleinod, und sprach von Gewissenlosigkeit, Ungerechtigkeit und Unenthaltsamkeit die er sich habe zu Schulden kommen lassen: so daß Araspas vor Betrübniß einen Strom von Thränen vergoß, vor Scham sich beinahe verkroch, und vor Furcht er möchte von Kyrus gestraft werden vergieng.

Als Kyrus Dieß erfuhr, so berief er ihn zu sich und sprach mit ihm unter vier Augen: »ich sehe, Araspas, daß du mich fürchtest und 187 dich gewaltig schämest; laß Das nun, denn ich höre daß Götter von der Liebe besiegt wurden, und weiß wozu die Liebe Menschen die für sehr verständig galten gebracht hat, und leider habe ich auch an mir selbst bemerkt daß ich, wenn ich bei Schönen bin, nicht Gewalt genug über mich habe gleichgültig gegen sie zu sein. Eigentlich bin ich an dieser deiner Geschichte Schuld, denn ich habe dich mit diesem unbesiegbaren Wesen zusammengesperrt.« Darauf erwiderte Araspas: »Du bleibst Dir doch auch hier, wie immer, gleich, und bist nachsichtig und verzeihend gegen menschliche Fehler; aber,« setzte er hinzu, »auch die andern Menschen machen daß ich vor Kummer in die Erde sinken möchte; denn seitdem sich das Gerücht von meinem Unfall verbreitet hat sind meine Feinde schadenfroh, meine Freunde aber kommen zu mir und rathen mir mich davon zu machen, um deiner Strafe für mein großes Verbrechen zu entgehen.« Kyrus antwortete: »Wisse, Araspas, diese Meinung setzt dich in den Stand mir einen großen Dienst zu erweisen und den Bundesgenossen viel zu nützen.« – »Möchte sich doch,« sprach Araspas, »eine Gelegenheit finden dir wieder nützlich zu werden.« – »Wenn du nun,« erwiderte Kyrus, »unter dem Vorwande, du fliehest vor mir, zu den Feinden gehen wolltest, so würdest du, glaube ich, bei ihnen Glauben finden.« – »Bei'm Zeus,« versetzte Araspas,« auch durch meine Freunde kann ich das Gerücht verbreiten lassen daß ich vor dir geflohen sei.« – »Du würdest dann,« sprach Kyrus, »zu uns zurückkehren, wohl unterrichtet von der ganzen Lage der Feinde. Ich glaube, wenn sie dir trauen, so würden sie dich auch an ihren Besprechungen und Berathschlagungen Theil nehmen lassen, so daß dir nicht das Mindeste das wir zu wissen wünschen verborgen bliebe.« – »Auf der Stelle reise ich ab,« sagte Araspas; »denn vielleicht wird auch Das zu meiner Beglaubigung beitragen daß man glaubt ich sei in dem Augenblicke wo ich von dir gestraft werden sollte entflohen.« – »Aber kannst du auch die schöne Panthea verlassen?« – Araspas erwiderte: »offenbar, Kyrus, habe ich zwei Seelen: denn auf diese Philosophie hat mich jetzt der tückische Sophist Eros gebracht. Denn wäre es Eine Seele, sie könnte nicht zugleich gut und schlecht sein, 188 nicht zugleich nach Edlem und Schändlichem streben und Dasselbe zugleich thun und nicht thun wollen; sicher sind es zwei Seelen: hat die gute die Oberhand, so geschieht das Gute; ist die böse herrschend, so wird das Schlechte begangen. Nun aber, von dir unterstützt, hat die gute entschieden die Oberhand.« – »Wenn du also einverstanden bist zu gehen,« sprach Kyrus, »so mußt du es darauf anlegen das Vertrauen der Feinde zu gewinnen. Unterrichte sie daher über unsere Lage, aber so daß dein Bericht für ihre Unternehmungen möglichst hemmend wird. Dieß würde zum Beispiel der Fall sein wenn du sagtest, wir rüsten uns um irgendwo einen Einfall in ihr Land zu machen. Denn wenn sie Dieß hörten, so würde es ihnen schwerer fallen ihre ganze Macht zusammen zu bringen, weil auch Jeder für seine Habe fürchtete. Bleibe ferner so lange als möglich bei ihnen; denn wenn sie uns einmal recht nahe sind, so wird uns Kenntniß von ihren Unternehmungen am vortheilhaftesten sein. Rathe ihnen auch sich da aufzustellen wo du denkst daß es für uns am vortheilhaftesten sei. Denn wenn du sie verläßst, so müssen sie, wenn sie auch glauben daß du ihre Stellung kennst, diese doch beibehalten. Denn sie werden Bedenken tragen sie zu verändern, und wenn sie es ja thun, so kommen sie augenblicklich in Unordnung.« So zog denn Araspas fort, nahm seine getreuesten Diener mit und theilte sich einigen mit, so weit er es für den Plan förderlich erachtete.

Als Panthea erfuhr daß Araspas abgegangen sei schickte sie an Kyrus und ließ ihm sagen: »betrübe dich nicht, Kyrus, daß Araspas zu den Feinden übergetreten ist; wenn du mir erlaubst nach meinem Manne zu schicken, so stehe ich dir dafür, du wirst an ihm einen viel treueren Freund als Araspas bekommen, und ich weiß, er wird dir eine Mannschaft zuführen, so stark er sie nur aufbringen kann. Denn der Vater des gegenwärtigen Königs war ihm gewogen; der gegenwärtige aber machte schon einmal den Versuch mich und meinen Mann von einander zu trennen. Weil er nun Diesen für einen zügellosen Menschen hält, so würde er gewiß gerne zu einem Manne wie du bist 189 übertreten.« Hierauf ließ Kyrus ihr sagen, sie solle nach ihrem Manne schicken, und Dieß that sie.

Als aber Abradatas die Wahrzeichen seiner Gattin erkannte und den sonstigen Stand der Dinge erfuhr, zog er mit Freuden zu Kyrus mit ungefähr tausend Reitern. Nachdem er bei den Kundschaftern der Perser angekommen war schickte er zu Kyrus und ließ ihm sagen wer er sei. Kyrus ließ ihn sogleich zu seiner Gattin führen. Als die beiden Gatten einander wieder sahen umarmten sie einander, wie es nach unverhofftem Wiedersehen natürlich war. Panthea schilderte den reinen und gemäßigten Charakter des Kyrus, und die Theilnahme die er ihr bewiesen; worauf Abradatas sagte: »wodurch kann ich wohl, Panthea, dem Kyrus wegen deiner und meiner Dank abstatten?« – »Durch was Anderes,« sprach Panthea, »als wenn du dich bestrebst dich eben so gegen ihn zu beweisen wie er sich gegen dich bewiesen hat?«

Hierauf gieng Abradatas zu Kyrus, und als er ihn erblickte nahm er ihn bei der Rechten und sprach: »für die Wohlthaten die du uns erwiesen hast, Kyrus, kann ich dir nichts Größeres sagen als daß ich mich dir zum Freunde, zum Diener und Bundesgenossen hingebe: und bei jeder Unternehmung welche du machen wirst will ich mich bestreben dich mit aller Kraft zu unterstützen.« Kyrus erwiderte: »ich nehme es an, und jetzt entlasse ich dich um mit deiner Gattin zu speisen; in Zukunft aber mußt du dich in meinem Zelte mit deinen und meinen Freunden aufhalten.«

Als hierauf Adradatas sah daß Kyrus mit den Sichelwagen und den bepanzerten Pferden und Reitern beschäftigt war, so bestrebte er sich ihm aus seiner Reiterei gegen hundert Wagen, welche denen des Kyrus ähnlich waren, zu liefern; er selbst rüstete sich, um sie auf seinem Wagen anzufuhren, welcher mit vier Deichseln versehen und mit acht Pferden bespannt war. Seine Gattin Panthea ließ ihm aus ihren Schätzen einen goldenen Panzer und Helm, so wie auch Armschienen machen: und die Pferde an seinem Wagen rüstete er mit einer ganz ehernen Bedeckung aus.

Dieß that Abradatas. Da aber Kyrus seinen Wagen mit vier 190 Deichseln sah, so schloß er, es müßte möglich sein auch einen mit acht Deichseln zu machen, um mit acht Paaren Ochsen das unterste Stockwerk der Maschinen zu führen. Dieses war von der Erde an sammt den Rädern ungefähr drei Klafter hoch. Wenn solche Thürme der Abtheilung folgten, so glaubte er, sie würden seiner Phalanx ein großer Beistand, der feindlichen Abtheilung aber ein großer Schaden sein. Auf den Stockwerken brachte er Gallerien und Brustwehren an, und setzte auf jeden der Thürme zwanzig Mann. Nachdem nun die Thürme ganz fertig waren stellte er einen Versuch mit der Last an, und es fand sich daß die acht Paare den Thurm sammt den darauf befindlichen Männern weit leichter zogen als jedes Paar seinen Packwagen. Denn die gewöhnliche Last des Gepäckes betrug für ein Gespann ungefähr fünf und zwanzig Talente, bei dem Thurme aber, an dem die Hölzer so dick waren wie an einer tragischen Bühne, kam, die zwanzig bewaffneten Männer mitgerechnet, auf jedes Gespann eine Last von weniger als fünfzehn Talenten. Da er nun sah daß es mit der Bewegung keine Schwierigkeit habe, so machte er Anstalt die Thürme dem Heere nachzuführen, überzeugt daß Kunstgriffe im Kriege etwas Erlaubtes seien und zum Wohl und Glück des Heeres beitragen.

2.

Zu derselben Zeit kamen auch vom Könige von IndienS. III, 2. Leute die dem Kyrus Geld brachten und ihm verkündigten: »der Indier läßt dir sagen: ich freue mich, Kyrus, daß du mich wissen ließest was du bedarfst; ich will dein Gastfreund werden und schicke dir Geld; brauchst du sonst Etwas, so schicke zu mir: meine Gesandten haben Auftrag zu thun was du befiehlst.« Kyrus erwiderte: »so befehle ich denn daß ihr Andern in dem Zelte bleibet in welchem ihr euch befindet, das Geld in Verwahrung nehmet und lebet wie es euch angenehm ist: drei von euch aber sollen mir zu den Feinden gehen, als wären sie wegen eines Bündnisses vom Indier geschickt, sollen sich von ihrer Lage unterrichten, und mir und dem Indier so bald als möglich hinterbringen was sie sagen und thun. Wenn ihr mir Dieß gut ausrichtet, so will ich euch dafür 191 noch mehr Dank wissen als daß ihr mir Geld gebracht habt. Denn Kundschafter welche in Sklaven verkleidet sind können nichts Anderes hinterbringen als was Alle wissen: Männer aber wie ihr seid können oft auch in die Berathschlagungen Blicke werfen.« Die Indier hörten diesen Vorschlag gerne, und nachdem sie von Kyrus gastfreundlich bewirthet worden waren packten sie des folgenden Tages auf und reisten ab, mit dem Versprechen Erkundigungen, so viel sie nur könnten, bei den Feinden einzuziehen und in möglichster Bälde wiederzukommen.

Kyrus machte nun die weiteren Rüstungen zum Kriege mit großem Aufwande, als ein Mann der nichts Geringes im Sinne hatte. Er beschränkte sich aber nicht bloß auf die von den Bundesgenossen gebilligten Mittel, sondern er entflammte auch bei seinen Freunden untereinander einen Wettstreit daß Jeder der Bestbewaffnete, Bestberittene, im Wurfspießwerfen und Bogenschießen Geschickteste, zu Anstrengungen Bereitwilligste sein wollte. Dieß bewirkte er indem er sie auf die Jagd führte und Diejenigen welche sich jedesmal am besten hielten auszeichnete: auch die Befehlshaber bei welchen er bemerkte daß sie dafür sorgen ihre Soldaten recht tüchtig zu machen ermunterte er durch Lob und durch alle möglichen Gunstbezeugungen. Wenn er ein Opfer brachte oder ein Fest hielt, so stellte er auch hier in allen zum Kriege gehörigen Uebungen Wettkämpfe an, und ertheilte den Siegern glänzende Geschenke, wodurch große Freudigkeit unter dem Heere verbreitet wurde.

Kyrus hatte bereits Alles was er zu dem Feldzuge haben wollte beinahe fertig, außer den Maschinen. Die Persischen Reiter waren schon volle zehntausend Mann stark; die Sichelwagen die er selbst gebaut hatte hundert, und die welche Abradatas der Susier nach dem Muster jener fertigen ließ waren ebenfalls bis gegen hundert angewachsen. Den Kyaxares hatte Kyrus beredet auch die Medischen Wagen aus der Troischen und Libyschen Bauart auf dieselbe Weise umarbeiten zu lassen; diese waren ebenfalls auf die volle Zahl hundert gebracht. Auf jedes Kameel wurden zwei Bogenschützen gesetzt. Der größte Theil des Heeres war von der Gesinnung beseelt als wäre der 192 Sieg bereits entschieden und die Macht der Feinde von keiner Bedeutung.

So war die Stimmung des Heeres, als die Indier welche Kyrus auf Kundschaft ausgeschickt hatte mit der Nachricht von den Feinden zurückkamen, Krösus sei zum Heerführer und Feldherrn des gesammten feindlichen Heeres gewählt, und alle verbündete Könige hätten beschlossen sich mit ihrer ganzen Macht einzufinden, recht große Summen Geldes zusammenzuschießen und dafür so viel als möglich Söldner zu werben und, wo es nöthig sei, Geschenke auszutheilen: bereits seien viele Thrakier, die mit Schwertern bewaffnet seien, gemiethet, Aegypter schifften herbei, deren Zahl sie auf hundert und zwanzig tausend angeben, bewaffnet mit Schilden die bis auf den Fuß reichen, und mit großen Spießen, wie sie sie noch jetzt haben, und mit Streitäxten: ein Heer Kyprier werde erwartet; bereits auf dem Platze seien alle Kilikier, beide Phrygier, die Lykaonier, Paphlagonier, Kappadokier, Araber und Phönikier, mit dem Könige von Babylon die Assyrier; die Ionier, Aeolier und beinahe alle Griechen welche in Asien wohnen hätten dem Krösus folgen müssen. Krösus habe auch nach Lakedämon wegen eines Bündnisses geschickt: das Heer sammle sich am Flusse Paktólus; sie wollen aber nach Thymbrara vorrücken (wo noch heut zu Tage der Sammelplatz der dem Perserkönig unterworfenen Barbaren ist welche unterhalb Syriens wohnen). Es sei an Alle der Befehl ergangen dorthin Lebensmittel zu Markte zu bringen. Dasselbe beinahe sagten ihnen die Gefangenen, denn Kyrus war auch dafür besorgt einige zu bekommen, von welchen er Nachrichten erhalten konnte. Auch schickte er Kundschafter in Sklaven verkleidet aus, die sich für Ueberläufer ausgaben.

Nachdem nun das Heer des Kyrus hievon Kunde erhalten hatte, so wurde Jeder, wie man sich denken kann, besorgt: sie liefen stiller als gewöhnlich durcheinander, sie zeigten wenig Heiterkeit: sie sammelten sich in Haufen, und man hörte nichts als wie sie sich hierüber befragten und besprachen.

Als Kyrus bemerkte daß sich Furcht durch das Heer verbreitete, so berief er die Heerführer und Alle deren Muthlosigkeit nachtheilig und 193 deren Entschlossenheit vortheilhaft zu wirken schien zusammen: den Leuten seiner Umgebung aber befahl er keinen der übrigen Soldaten, welcher etwa Lust hätte hinzuzutreten und die Rede zu hören, daran zu hindern. Nachdem sie versammelt waren redete er sie also an:

»Bundesgenossen, ich habe euch zusammengerufen, weil ich sah daß Einige von euch auf die von den Feinden eingelaufenen Nachrichten sehr erschreckt schienen. Es scheint mir nämlich sonderbar wenn Einer von euch sich fürchtet, weil man sagt die Feinde sammeln sich, und wenn ihr euch nicht ermuthigen lasset, da ihr doch sehet daß wir jetzt in viel größerer Anzahl versammelt sind als damals wo wir Jene besiegt und jetzt mit Gottes Hülfe viel besser gerüstet sind als damals. O bei den Göttern, was würdet ihr, die ihr euch jetzt fürchtet, wohl gethan haben wenn ihr die Nachricht erhalten hättet die Macht welche jetzt auf unserer Seite steht rücke euch feindlich entgegen? wenn ihr hörtet, einmal daß Diejenigen welche uns früher besiegt haben wieder anrücken, den damals errungenen Sieg im Herzen tragend; sodann daß Diejenigen welche eure aus der Ferne schießenden Bogenschützen und Wurfspießwerfer zusammengehauen haben jetzt mit einer beträchtlichen Verstärkung wieder kommen; daß in derselben Bewaffnung die damals ihrem Fußvolke den Sieg verschaffte nun auch ihre Reiter gegen die Reiter anrücken; daß sie ihre Bogen und Wurfspieße abgeschafft und beschlossen haben mit einem starken Spieße einzudringen, um in's Handgemenge zu kommen: daß ferner Wagen kommen die nicht, wie früher, zur Flucht umgewendet stehen werden, sondern daß die Pferde an den Wagen geharnischt sind, die Wagenlenker auf hölzernen Thürmen stehen, an allen hervorragenden Theilen mit Panzern und Helmen geschient, und daß an den Achsen eiserne Sicheln angebracht sind, um auch mit diesen geradezu auf die feindlichen Glieder loszustürmen; daß sie zudem Kameele haben auf denen sie heranreiten, und daß nicht hundert Pferde den Anblick eines einzigen von ihnen aushalten werden; daß sie endlich mit Thürmen sich nähern, von denen herab sie ihren Leuten zu Hülfe kommen, euch aber zusammenschießen und hindern werden auf freiem Felde zu kämpfen: – würde euch Jemand verkündigen, Das sei die 194 Rüstung der Feinde, was würdet ihr, die ihr euch jetzt fürchtet, machen? Ihr, die ihr bei der Nachricht zittert daß Krösus von den Feinden zum Feldherrn gewählt worden ist, der so viel feiger als die Syrer war daß die Syrer erst flohen nachdem sie in der Schlacht besiegt waren, Krösus aber, nachdem er sie besiegt sah, statt den Bundesgenossen zu Hülfe zu kommen, davon floh? Sodann wird ja verkündigt daß sich die Feinde nicht für stark genug halten den Kampf mit uns zu bestehen, sondern noch Andere in Sold nehmen, als kämpften Diese besser für sie als sie selbst. Wenn nun Einigen diese Verhältnisse furchtbar, die unsrigen aber schlecht erscheinen, Die sollten wir, ihr Männer, zu den Feinden schicken, denn dort könnten sie uns viel mehr nützen als hier bei uns.«

Nach dieser Rede des Kyrus erhob sich der Perser Chrysantas und sprach also: »wundere dich nicht, Kyrus, wenn Einige auf die Nachrichten die einliefen eine düstere Miene machten; nicht Furcht, sondern Unwille war die Ursache davon. Denn wie sich Niemand freuen würde wenn er eben glaubte zum Frühstücke gehen zu dürfen, und ihm dann ein Geschäft angekündigt würde das er noch vor dem Frühstücke vollbringen müsse, so gieng es auch uns: wir glaubten bereits, wir können jetzt reiche Leute werden; als wir daher die Nachricht erhielten daß noch Etwas zu thun übrig seie, so verdüsterte sich unsere Miene, nicht weil wir uns fürchteten, sondern weil wir wünschten auch Dieß möchte schon gethan sein. Da wir aber nicht allein um Syrien kämpfen werden, wo es vieles Getreide, Schaafe und Palmbäume gibt, welche reife Früchte haben, sondern auch um Lydien, wo es vielen Wein, Feigen und Oel gibt, und das vom Meere bespült wird, auf dem mehr Güter zugefuhrt werden als je unser Einer gesehen hat, wenn wir Dieses bedenken, so sind wir nicht mehr unwillig, sondern voll Muthes, um desto früher auch diese Lydischen Güter zu genießen.«

So sprach Chrysantas. Die Bundesgenossen aber waren Alle über seine Rede erfreut und gaben ihr Beifall. – »Ich meine nun, ihr Männer,« sprach Kyrus, »wir sollten schleunig auf sie losgehen, um wo möglich noch vor ihnen auf den Punkt zu kommen wo sie ihre 195 Vorräthe zusammenbringen: sodann, je schneller wir ankommen, desto weniger werden wir sie mit ihren Rüstungen fertig, mit um so mehr aber noch im Rückstande finden. Ich mache einmal diesen Vorschlag – weiß aber Einer einen andern für uns sicherern oder bequemeren Weg, der sage es.« Als nun Viele beistimmten, daß man so schnell als möglich gegen den Feind anrücken müsse, und Niemand widersprach, so begann Kyrus folgende Rede:

»Bundesgenossen, Geist, Körper und Waffen, die wir gebrauchen müssen, ist mit Hülfe der Gottheit schon lange bei uns gerüstet: jetzt aber müssen wir uns für uns selbst und für alle Thiere die wir haben mit Lebensmitteln auf einen Zug von nicht weniger als zwanzig Tagen vorsehen; denn nach meiner Berechnung wartet unser ein Marsch von mehr als fünfzehn Tagen, auf dem wir keine Lebensmittel finden werden; denn sowohl wir als die Feinde haben aufgeräumt, so viel möglich war. Wir müssen uns daher mit hinreichendem Mundvorrath versehen (denn ohne diesen können wir weder kämpfen noch leben); Wein aber muß Jeder nur so viel mitnehmen daß wir uns dabei zum Wassertrinken gewöhnen können. Denn auf einer großen Strecke des Wegs gibt es keinen Wein, wo es auch nicht ausreicht wenn wir uns mit vielem Weine versehen würden. Damit wir nun nicht, wenn wir auf einmal keinen Wein mehr haben, in Krankheiten verfallen, müssen wir es so angreifen. Zum Essen wollen wir jetzt gleich anfangen Wasser zu trinken; denn wenn wir es jetzt schon thun, so werden wir keine große Veränderung empfinden. Wer Mehlspeisen ißt, der ißt ohnehin den Brei immer mit Wasser vermischt; und wer Brod ißt, der ißt es mit Wasser angenetzt, und alles Gekochte ist ja mit vielem Wasser zubereitet. Trinken wir aber nach dem Essen Wein, so wird sich die Lust, ohne verkürzt zu sein, stillen lassen. Dann müssen wir auch von dem Weine nach dem Essen Etwas abbrechen, bis wir unvermerkt Wassertrinker werden. Denn der allmähliche Uebergang macht daß jede Natur die Veränderungen ertragen kann. Dieß lehrt uns auch die Gottheit, indem sie uns allmählich aus dem Winter zur Ertragung der starken Hitze, und von der Hitze in die heftige Kälte hinüberleitet: sie müssen 196 wir nachahmen, um vorher gewöhnt zu Dem was uns unvermeidlich ist zu kommen.«

»Statt der Decken nehmet ein gleiches Gewicht von Lebensmitteln mit. Denn die überflüssigen Lebensmittel werden nicht unbrauchbar sein: wenn ihr aber keine Decken habt, so fürchtet nicht unangenehm zu schlafen; und sollte es der Fall sein, so gebet mir die Schuld. Wer hingegen mit Kleidern reichlich versehen ist, dem kommt es im kranken und gesunden Zustande zu Statten. Die Zuspeise die ihr einpacket muß recht scharf beißend und gesalzen sein; denn dieß erregt Eßlust und hält sich am längsten. Für den Fall aber daß wir in noch unversehrte Gegenden kommen, wo wir wahrscheinlich Getreide bekommen, müssen wir uns alsbald Handmühlen anschaffen, um das Getreide zu verarbeiten; denn dieß ist das leichteste unter den Werkzeugen zur Verarbeitung des Getreides.«

»Auch mit Bedürfnissen für Kranke müssen wir uns versehen; denn diese machen am wenigsten Gepäcke, und wenn der Fall vorkommt so sind sie am unentbehrlichsten. Auch Riemen muß man haben; denn bei Menschen und Pferden hängt das Meiste an Riemen: sind diese abgenützt oder zerreißen sie, so ist man genöthigt stille zu sitzen, wenn man keine überzähligen hat. Wer aber gelernt hat auch einen Speer zu glätten thut wohl daran auch sein Schabeisen nicht zu vergessen. Auch ist es gut eine Feile mitzunehmen; denn wer eine Lanze schärft, der schärft gewissermaßen zugleich seinen eigenen Muth; denn man schämt sich feig zu sein, wenn man die Lanze schärft. Auch Holz muß man für die Kriegs- und Lastwagen im Vorrath haben. Denn was man häufig braucht, da muß sich nothwendig auch viel abnützen. Zu dem Allem muß man auch mit den nothwendigsten Werkzeugen versehen sein; denn man trifft nicht überall Handwerker, und es gibt Wenige die nicht Das was blos Einen Tag halten soll machen könnten. Man muß auch auf jedem Wagen ein Grabscheit und eine Hacke haben, und auf jedem Lastthier eine Axt und eine Sichel; denn Dieß ist sowohl für Jeden besonders brauchbar als auch oft für das Allgemeine nützlich. Was nun das zum Unterhalt Nothwendige betrifft, so mußt ihr Anfuhrer 197 nachsehen, ob die euch untergebenen Soldaten damit versehen sind, man darf es nicht übersehen wenn es einem daran fehlt; denn wir haben es in der Folge zu büßen. Ihr Aufseher des Packwesens müßt untersuchen, ob das Zugvieh mit Allem was ich gesagt habe beladen sei: und wer es nicht hat, den haltet an es anzuschaffen. Ihr Aufseher über die Wegmacher habt hier ein Verzeichniß Derer welche ich aus den Wurfspießwerfern, aus den Bogenschützen und aus den Schleuderern ausgeschossen habe. Die von den Wurspießwerfern müßt ihr dazu anhalten sich mit einer Art zum Holzhauen zu verhauen, Die von den Bogenschützen mit einer Hacke, Die von den Schleuderern mit einem Grabscheit: damit versehen müssen sie rottenweise vor den Wagen vorausmarschieren, damit ihr, wenn es etwa einer Aufbesserung des Weges bedarf, sogleich Hand anlegen könnet, und damit ich, falls ich ihrer bedarf, weiß wo sie zu bekommen sind.«

»Auch will ich die Schmiede, Zimmerleute und Lederarbeiter welche das Alter zum Kriegsdienst haben mit ihrem Handwerkszeug mitnehmen, damit es an nichts fehle, wenn das Heer auch derartiger Künste bedarf. Diese werden vom Waffendienst befreit werden, aber sich an dem ihnen angewiesenen Platze befinden, wo sie Jedem der sie braucht gegen Bezahlung mit ihrer Kunst dienen. Will der eine und andere Handelsmann mit uns ziehen, um zu verkaufen, der darf binnen der festgesetzten Frist, in welcher das Heer mit Lebensmitteln versehen sein soll, Nichts verkaufen; wird er dabei ertappt, so wird ihm Alles genommen: nach Ablauf dieser Frist kann er verkaufen, wie er will; und welcher der Kaufleute die meisten Waaren zum Verkaufe bringt, der wird von den Bundesgenossen und von mir Geschenke und Auszeichnungen erhalten. Glaubt aber Einer Geld zum Einkauf nöthig zu haben, so stelle er mir Zeugen und Bürgen daß er dem Heere folgen werde, und dann soll er von uns bekommen. Dieß mache ich bekannt. Bemerkt aber Einer noch sonst Etwas das sein sollte, der zeige es mir an. Ihr gehet nun hin und packet ein; ich aber will ein Opfer für den Auszug bringen; und wenn die Götter sich günstig zeigen, so wollen wir das Zeichen geben. Dann müssen Alle, mit Dem was ich gesagt 198 habe versehen, am bestimmten Platze bei ihren Führern sich einfinden. Ihr Anführer aber kommet, wenn Jeder seine Abtheilung in Ordnung gebracht hat, Alle zu mir, damit ich Jedem seinen Posten anweise.«

3.

Nachdem sie Dieses gehört hatten packten sie ein, Kyrus aber opferte; und als das Opfer günstig war zog er mit dem Heere aus. Den ersten Tag machte er einen möglichst kleinen Marsch, damit Jeder das was er etwa vergessen hätte holen, und sich mit dem dessen er sich noch benöthigt glaubte nachträglich versehen könnte. Kyaxares nun blieb mit dem dritten Theile der Meder zurück, um auch das eigne Land nicht zu entblößen. Kyrus aber zog, so schnell er konnte, vorwärts; er hatte die Reiterei an die Spitze gestellt, und dieser immer Kundschafter und Späher auf die vorwärts liegenden, zum Spähen geeignetsten Orte vorausgeschickt. Nach dieser führte er das Gepäcke, wobei er auf der Ebene die Wagen und Packthiere in verschiedene Reihen stellte. Hintennach folgte die Phalanx; wenn daher hie und da etwas von der Bagage zurückblieb, so sorgten die Anführer, die gerade dazu kamen, dafür daß es im Zuge keinen Aufenthalt gab. Wo aber der Weg enger war, da nahmen die Bewaffneten das Gepäcke in die Mitte und marschierten auf beiden Seiten, und trat ein Hinderniß ein so hatten es die dabei befindlichen Soldaten hinwegzuräumen. Gewöhnlich hatte jede Abtheilung ihr Gepäcke auf dem Zuge bei sich; denn es war allen Trainsoldaten befohlen worden, wofern sie nicht ein dringendes Hinderniß hatten, bei ihrer Abtheilung zu marschieren. Zu dem Ende trug der Packträger des Taxiarchen ein Zeichen voraus, das Alle von seiner Abtheilung kannten: so marschierten sie zusammen, und Jeder war angelegentlich für seine Leute besorgt, daß Keiner zurückbleibe. Auf diese Art brauchten sie einander nicht zu suchen; Alles war vorhanden und in besserem Stande, und die Soldaten hatten schneller was sie bedurften.

Als aber die vorausgegangenen Kundschafter auf der Ebene Menschen zu sehen glaubten welche Futter und Holz holten, und Zugthiere erblickten welche andere Dinge der Art fuhrten oder auch waideten, und 199 in der Ferne zu bemerken glaubten daß sich Rauch oder Staub erhebe, so schloßen sie aus dem Allem, das feindliche Heer müsse in der Nähe sein. Der Befehlshaber der Kundschafter sandte daher sogleich einen Boten mit dieser Nachricht an Kyrus. Dieser aber befahl ihnen auf diesem Standpunkt zu bleiben, und ihn von allem Neuen was sie sehen in Kenntniß zu setzen: eine Abtheilung Reiter schickte er voraus, mit dem Auftrag den Versuch zu machen ob sie Einige der Leute die sich auf dem Felde befinden greifen könnten, um sich von dem Stande der Dinge genauer zu unterrichten.

Während diese seinen Befehl vollzogen machte er mit dem übrigen Heere Halt, damit sie die Vorkehrungen die er für nöthig hielt, ehe sie ganz in die Nähe des Feindes kämen, träfen. Zuerst gab er Befehl zu frühstücken; dann sollten sie, im Gliede bleibend, auf weitere Befehle warten. Nachdem sie das Frühstück eingenommen hatten berief er die Anführer der Reiter, Fußgänger und Kampfwagen, und die Maschinen, das Gepäcke und die Lastwagen. Während Diese sich versammelten brachten Diejenigen welche einen Streifzug auf die Ebene gemacht hatten Leute die sie ergriffen hatten zurück. Die Gefangenen erwiderten auf die Frage des Kyrus, sie seien aus dem Lager und seien über die Vorposten hinaus nach Futter, Andere nach Holz ausgegangen; denn wegen der Größe des Heers habe man an Allem Mangel. Als Kyrus Dieß vernommen sagte er: »wie weit ist das Heer von hier entfernt?« – »Etwa zwei Parasangen,« gaben sie zur Antwort. Hierauf fragte Kyrus: »sprach man bei ihnen von uns?« – »Ja, bei Gott, und zwar sehr viel, daß ihr bereits nahe herangekommen seiet.« – »Wie nun,« sprach Kyrus, »freuten sie sich auch über diese Kunde (dieß fragte er um der Anwesenden willen)?« – »Nein, bei'm Zeus,« erwiderten sie, »sie waren gar nicht erfreut, sondern vielmehr sehr betrübt darüber.« – »Und was thun sie jetzt?« fragte Kyrus. – »Sie stellen sich in Schlachtordnung: dieß haben sie schon gestern und vorgestern gethan.« – »Und wer stellt sie?« fragte Kyrus. – »Krösus selbst, unterstützt von einem Griechen und einem Meder, der, wie man sagt, ein Ueberläufer von euch ist.« Da rief Kyrus aus: »größter Zeus, möchte es 200 mir gelingen Diesen, wie ich es wünsche, in meine Hände zu bekommen.«

Hierauf ließ er die Gefangenen abführen und wandte sich an die Anwesenden, um etwas zu sagen. Da kam von dem Befehlshaber der Späher ein zweiter Bote und meldete, es zeige sich eine große Abtheilung Reiter auf der Ebene. »So viel wir vermuthen,« sagte er, »gehen sie darauf aus unser Heer auszukundschaften: denn vor dieser Abtheilung sprengen ungefähr dreißig andere Reiter, dicht gedrängt, gerade auf uns los: wahrscheinlich wollen sie, wo möglich, die Anhöhe nehmen: unser Vorposten besteht blos aus zehn Mann.« Da gab Kyrus einer Abtheilung der Reiter die immer um ihn waren, Befehl an den Fuß der Anhöhe zu reiten und sich, ohne sich dem Feind zu zeigen, ruhig zu verhalten. »Wenn aber unsere zehn Leute die Anhöhe verlassen, so erhebt euch und überfallet Die welche ihn einnehmen. Damit euch aber das große Geschwader nichts anhabe, so rücke du, Hystaspes, mit tausend Reitern aus und stelle dich dem feindlichen Geschwader offen entgegen. Verfolge sie aber nicht an Plätze die du nicht kennst, sondern begnüge dich die Anhöhen zu behaupten und kehre zurück. Sollten jedoch Einige mit aufgehobener Rechte auf euch zureiten, so nehmet sie freundlich auf.«

Hystaspes gieng hin und rüstete sich: die Leute von Kyrus' Gefolge aber ritten sogleich ab, wie er befohlen hatte. Sie hatten die Anhöhen noch nicht erreicht, als ihnen Araspas mit seiner Begleitung, der längst als Kundschafter ausgeschickt worden war, der Wächter der Susischen Frau, begegnete. Als Kyrus dieß hörte sprang er vom Sitze auf, gieng ihm entgegen und gab ihm die Rechte. Die Uebrigen, die natürlich gar nichts wußten, waren über diesen Vorgang erstaunt, bis Kyrus sagte:

»Liebe Männer, einer der wackersten Männer ist hier zu uns gekommen; denn jetzt soll alle Welt seine Thaten wissen. Es war weder eine schändliche Handlung wozu er sich hinreißen ließ, noch Furcht vor mir was seine Abreise veranlaßte, sondern ich habe ihn gesendet, um uns, wenn er sich von der Lage der Feinde unterrichtet, sichere 201 Nachrichten darüber zu bringen. Was ich nun dir versprochen habe, Araspas, Dessen erinnere ich mich noch, und ich will es dir hier mit diesen Allen halten; denn billig müßt auch ihr Alle, Männer, Diesen als einen wackern Mann ehren: hat er ja zu unserem Besten sich in Gefahr begeben und die Beschuldigung die man auf ihn lud über sich genommen.« Hierauf umarmten Alle den Araspas und drückten ihm die Hand, bis Kyrus sagte daß es damit nun genug seie: »dagegen,« fuhr er fort, »erzähle du uns jetzt, Araspas, was wir zu wissen brauchen, verkleinere die Wahrheit nicht und stelle die Macht der Feinde nicht schwächer dar als sie ist; denn es ist besser, wenn man sich auf Größeres gefaßt gehalten hat, weniger zu sehen als, wenn man von Weniger gehört, Größeres zu finden.«

Araspas erwiderte: »ich gab mir Mühe mich auf's Genaueste zu unterrichten wie stark das Heer ist; denn ich unterstützte sie selbst bei der Stellung der Schlachtordnung.« – »Du kennst also,« sprach Kyrus, »nicht blos ihre Anzahl, sondern auch ihre Stellung?« – »Ja, bei'm Zeus,« erwiderte Araspas, »sogar wie sie die Schlacht anzuordnen gedenken.« – »Dennoch sage uns,« sprach Kyrus, »zuerst ihre Zahl im Ganzen.« – »Nun,« antwortete er, »sie sind mit Ausnahme der Aegyptier Alle, Reiter und Fußgänger, dreißig Mann in die Tiefe gestellt und nehmen ungefähr vierzig Stadien ein. Ich richtete nämlich ein besonderes Augenmerk darauf, wie vielen Raum sie einnehmen.« – »Wie sind aber die Aegyptier gestellt,« fragte Kyrus, »weil du sagtest mit Ausnahme der Aegyptier?« – »Diese haben die Myriarchen gestellt, je zehntausend Mann, hundert in der Fronte und in der Tiefe: dieß soll ihre heimische Sitte der Schlachtordnung sein, obwohl Krösus diese Stellung ihnen sehr ungern gestattete; denn er wollte dein Heer so viel als möglich überflügeln.« – »Wozu wünscht er Dieß?« fragte Kyrus. – »Um dich, bei Gott, mit der Ueberzahl einzuschließen.« – Da sprach Kyrus: »Diese werden erfahren, ob nicht sie, die uns einschließen wollen, selbst eingeschlossen werden. Was wir von dir zu hören brauchten haben wir nun gehört; ihr aber, Männer, habt Folgendes zu thun:«

202 »Wenn ihr von hier weggehet, so untersuchet die Rüstung eurer Pferde und eure eigene; denn oft wird durch einen kleinen Mangel ein Mann, ein Pferd oder Streitwagen unbrauchbar. Morgen früh aber, während ich opfere, muß das Erste sein daß die Leute frühstücken und die Pferde gefüttert werden, damit es uns, mögen wir auch unternehmen was wir wollen, daran nicht fehle. Dann stelle du dich, Araspas, auf den rechten Flügel, der dir bereits gehört; und ihr übrigen Myriarchen bleibet auf euren Posten; denn hat einmal das Handgemenge begonnen, so hat kein Wagen mehr Zeit die Pferde umzuspannen.Bildlicher Ausdruck für: so ist keine Aenderung in der Stellung mehr zulässig. – Den Taxiarchen und Lochagen befehlet sich an die Spitze der Phalanx zu stellen, und jeden Lochos zwei Mann hoch zu führen.« Jeder Lochos aber hatte vier und zwanzig Mann.

Da sagte Einer der Myriarchen: »Glaubst du auch, Kyrus, daß wir, so gestellt, gegenüber von einer so tiefen Phalanx stark genug sein werden?« Kyrus erwiderte: »wenn die Phalanx tiefer ist als daß sie den Feind mit ihren Waffen erreichen kann, was glaubst du daß sie den Feinden schaden oder den Bundesgenossen nützen könne? Ich wünschte daß jene zu hundert gestellten Gewaffneten lieber zu zehntausend gestellt wären; denn so hätten wir mit den Wenigsten zu kämpfen. In der Tiefe wie ich die Phalanx stellen werde, glaube ich, wird sie ganz in Thätigkeit kommen und sich selbst unterstützen können. Hinter die Geharnischten will ich die Wurfspießwerfer, und hinter diese die Bogenschützen stellen. Denn wer wollte diese vorn stellen, da sie selbst gestehen daß sie in keinem Handgemenge Stand halten würden? Stehen aber die Geharnischten vor ihnen, so werden sie Stand halten: und indem die Einen mit Wurfspießen, die Andern mit Pfeilen über alle ihre Vormänner wegschießen, werden sie den Feinden Schaden thun. Denn welchen Schaden man auch den Feinden zufügt, offenbar ist es jedesmal Erleichterung für die Kameraden.«

»Zuletzt will ich die sogenannten Nachzügler aufstellen. Denn wie 203 ein Haus ohne festen steinernen Unterbau und ohne Dach nichts taugt, so taugt auch eine Phalanx nichts, wenn nicht die Vordersten und Hintersten tüchtig sind. So stellet denn ihr [Geharnischte] euch wie ich befehle; und ihr Anführer der Peltasten stellt eure Lochen nach Diesen, und ihr, Führer der Bogenschützen, die eurigen hinter den Peltasten. Du aber, der du den Nachzug befehligst, stelle deine Leute zuhinterst und befiehl Jedem Aufsicht über seine Leute zu halten, und Diejenigen welche ihre Schuldigkeit thun zu ermuthigen, Die aber welche feig sind nachdrücklich zu bedrohen und, wenn Einer in verrätherischer Absicht den Rücken kehrt, Den mit dem Tode zu bestrafen. Denn es ist eine Aufgabe der Vordersten, die Nachfolgenden mit Wort und That zu ermuthigen: ihr aber, die ihr den Zug beschließet, müßt den Feigen mehr Furcht einflößen als die Feinde.«

»Ihr habt Dieß zu thun; du aber, Euphratas, der du die Mannschaft bei den Maschinen befehligst, sorge dafür daß das Zugvieh welches die Thürme zieht dicht hinter der Phalanx folge. Und du, Dauchos, der du den Train befehligst, führe deine ganze Mannschaft hinter den Thürmen. Deine Unterbefehlshaber sollen Diejenigen welche zu weit vorgehen oder zurückbleiben nachdrücklich bestrafen. Und du, Karduchas, der du die Wagen anführst welche die Weiber führen, stelle sie zuhinterst nach dem Train; denn wenn dieß Alles nachfolgt, so gewährt es den Schein der Menge, wir bekommen Gelegenheit einen Hinterhalt zu stellen, und wenn die Feinde uns einschließen wollen so müssen sie einen weiteren Bogen ziehen. Je größer aber der Platz ist den sie umstellen, desto schwächer müssen sie werden. Dieß habt ihr zu thun. Ihr aber, Artabazos und Artagersas, decket Diese, Jeder mit tausend Mann von eurem Fußvolk. Und ihr, Pharnuchos und Asiadatas, stellet die tausend Reiter die Jeder von euch befehligt nicht in die Phalanx, sondern stellet euch hinter den Wagen abgesondert unter die Waffen; und dann kommet mit den übrigen Anführern zu mir. Ihr müßt aber darauf gefaßt sein als hättet ihr zuerst zu kämpfen. Und du, Anführer der auf den Kameelen Reitenden, stelle dich hinter den Wagen auf, und halte dich an die Befehle des Artagersas. Ihr aber, Führer 204 der Streitwagen, vertheilet euch durch's Loos; und wen es trifft vor die Phalanx zu kommen, der stelle da seine hundert Wagen auf: vor den anderen Wagen soll ein Hundert auf der rechten Seite des Heeres der Phalanx auf der Seite in einer Reihe folgen, das andere auf der linken.« So ordnete es Kyrus an.

Abradatas aber, der König der Susier, sagte: »ich, Kyrus, mache mich freiwillig anheischig den Posten gegenüber von der feindlichen Phalanx einzunehmen, wenn du es billigst.« Kyrus lobte ihn, bot ihm die Rechte und fragte die Perser welche die übrigen Wagen befehligten: »gestehet auch ihr Dieß zu?« Als aber Diese antworteten daß sie Dieß mit Ehren nicht zugeben könnten, so vertheilte er sie durch's Loos, und dem Abradatas fiel der Posten zu zu dem er sich erboten hatte, und er kam den Aegyptiern gegenüber zu stehen. Nun giengen sie ab, und nach Besorgung des oben Gesagten speisten sie, stellten Posten aus und legten sich zur Ruhe.

4.

Am folgenden Morgen opferte Kyrus; nachdem aber das Heer gefrühstückt und den Weihguß gebracht hatte rüstete es sich mit vielen schönen Unterkleidern, Panzern und Helmen. Auch die Pferde versahen sie mit Stirn- und Brustschilden, die Reitpferde mit Schenkel-, die Wagenpferde mit Seitenbedeckung, so daß das ganze Heer von Erz funkelte und von Purpur strahlte. Des Abradatas Wagen mit vier Deichseln und acht Pferden war prächtig geschmückt. Als er aber im Begriff war seinen leinenen Panzer, wie er bei ihnen üblich war, anzulegen, brachte ihm Panthea einen Helm, Armschienen, breite Spangen um die Handgelenke von Gold, ein purpurnes Unterkleid, das bis auf die Füße reichte und unten gefaltet war, und einen violetten Helmbusch. Dieß hatte sie gemacht nach einem Maß das sie ohne Wissen ihres Mannes von seinen Waffen genommen hatte.

Mit Erstaunen sah es Abradatas, und fragte die Panthea: »hast du denn, meine Liebe, deinen eigenen Schmuck zusammenschlagen und mir die Waffen daraus machen lassen?« – »O nein,« erwiderte Panthea; »wenigstens nicht meinen kostbarsten; denn du bist, wenn du den Andern ebenso erscheinst wie mir, mein größter Schmuck.« Unter diesen 205 Worten zog sie ihm die Waffen an, und so sehr sie es auch zu verbergen suchte, rollten ihr Thränen über die Wangen.

Abradatas, der schon vorher ein ansehnlicher Mann war, sah nun in dieser Rüstung ausnehmend schön und edel aus, da ihn auch die Natur begünstigte; er nahm nun von dem Wagenführer die Zügel und schickte sich an, den Wagen zu besteigen. Da sprach Panthea, nachdem sie alle Anwesenden entfernt hatte: »Abradatas, wenn je eine Gattin ihren Mann höher als ihr Leben achtete, so wirst du mich wohl zu diesen zählen. Wozu soll ich mich über das Einzelne verbreiten? Ich glaube durch Handlungen Dieß bewiesen zu haben die überzeugender sind als jetzt meine Worte. Dennoch, unerachtet du meine Gesinnung gegen dich kennst, schwöre ich dir bei meiner und deiner Liebe: lieber wollte ich mich mit dir als Ehrenmann gemeinschaftlich in den Schoos der Erde versinken lassen als mit dir, wenn du dich mit Schmach bedeckt, in Schmach leben; so sehr halte ich dich und mich der schönsten Bestimmung würdig. Dem Kyrus sind wir, wie ich glaube, zu großem Dank verpflichtet daß er mich, seine Gefangene, die für ihn ausgewählt war, weder als Sklavin noch als Freie unter einem entehrenden Namen besitzen wollte, sondern mich wie das Weib eines Bruders dir aufbewahrte. Dazu kommt: als Araspas, der mich bewachte, von ihm abfiel, versprach ich ihm, wenn er mir erlaube an dich zu schicken, so werde er in deiner Person einen viel treueren und besseren Mann als Araspas bekommen.«

So sprach sie; Abradatas aber, entzückt über ihre Rede, legte die Hand auf ihr Haupt, blickte gen Himmel und betete: »größter Zeus, gib daß ich als würdiger Gatte der Panthea und als würdiger Freund des Kyrus, der uns geehrt hat, erscheinen möge.« Nach diesen Worten stieg er durch die Thüre des Wagensitzes auf den Wagen. Nachdem der Wagenlenker die Thüre geschlossen hatte und Panthea ihn auf keine andere Art mehr liebkosen konnte, so küßte sie den Wagen. Bereits setzte sich der Wagen in Bewegung und sie folgte heimlich nach, bis Abradatas sich umwendete und bei ihrem Anblick sprach: »sei getrost, Panthea, lebe wohl und gehe jetzt zurück.« Da ergriefen sie die 206 Verschnittenen und Dienerinnen und brachten sie auf ihren Wagen, wo sie ein Zelt über sie ausspannten. Nun erst, nachdem Panthea entfernt war, konnten die Leute den herrlichen Anblick des Abradatas auf seinem Wagen genießen.

Als Kyrus bei'm Opfer günstige Zeichen erhalten, sein Heer wie er es befohlen sich geordnet, und er eine fortlaufende Linie von Vorposten besetzt hatte, so berief er die Anführer zusammen und redete sie also an: »Freunde und Bundesgenossen, die Götter geben uns bei den Opfern Zeichen wie damals als sie uns den ersten Sieg gewährten; euch aber will ich an Das erinnern an was ihr denken müßt, um viel froher in den Kampf zu gehen. Ihr habt die Kriegsübungen viel anhaltender als die Feinde getrieben, ihr seid bereits weit längere Zeit als die Feinde auf Einer Stelle mit einander unterhalten und in Schlachtordnung gestellt worden, und habt einen gemeinschaftlichen Sieg erfochten; von den Feinden hingegen wurden die Meisten miteinander besiegt, und was die Soldaten auf beiden Seiten betrifft welche noch nicht in der Schlacht gewesen sind, so wissen Die auf der feindlichen Seite daß ihre Nebenmänner Verräther sind; ihr aber, die ihr auf unserer Seite stehet, wisset daß ihr mit Leuten kämpfen werdet die den Bundesgenossen beizustehen Willens sind. Natürlich nun kämpfen Diejenigen welche einander trauen einmüthig und halten Stand; Die aber welche sich gegenseitig mißtrauen müssen nothwendig darauf denken wie Jeder am schnellsten sich flüchten könne.«

»So wollen wir denn, ihr Männer, gegen den Feind ziehen, mit bewaffneten Wagen gegen die unbewaffneten der Feinde, ebenso mit bewaffneten Reitern und Pferden gegen unbewaffnete, um uns in's Handgemenge zu wagen. Das Fußvolk mit welchem ihr kämpfen werdet ist dasselbe mit dem ihr es schon früher zu thun hattet. Die Aegyptier aber sind ebenso schlecht bewaffnet als gestellt: denn ihre Schilde sind zu groß als daß sie etwas thun und sehen könnten, und da sie zu hundert gestellt sind, so müssen sie offenbar einander im Kampfe hindern, so daß nur ganz Wenige kämpfen können. Glauben sie aber uns durch ihre Masse zurückzudrängen, so müssen sie zuerst gegen unsere Pferde und 207 gegen das Eisen, das durch die Kraft der Pferde noch stärker wird, Stand halten. Sollte aber auch einer von ihnen Stand halten, wie kann er auf einmal gegen die Reiterei, gegen die Phalanx und gegen die Thürme kämpfen? Denn Die auf den Thürmen werden uns beistehen und mit ihren Schüssen die Feinde eher zur Verzweiflung als zum Kämpfen treiben. – Wenn ihr nun noch Etwas zu bedürfen glaubet, so saget es mir; denn mit Hülfe der Götter wird uns Nichts mangeln. Wenn Einer etwas sagen will, der rede; wo nicht, so gehet zum Opfer, betet zu den Göttern denen wir geopfert haben, und tretet in eure Reihen. Jeder von euch erinnere seine Leute an Das woran ich euch erinnert habe, Jeder erweise sich vor seinen Untergebenen würdig des Oberbefehls, und zeige in Haltung, Miene und Reden Furchtlosigkeit.«

 


 


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