Xenophon
Die Kyropädie
Xenophon

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Fünftes Buch.

1.

Dieß wurde gethan und gesprochen. Kyrus aber befahl Denen welche er als die dem Kyaxares Ergebensten kannte das für diesen Bestimmte in Empfang zu nehmen und zu verwahren: »auch was ihr mir gebet,« setzte er hinzu, »nehme ich gerne an; es steht je demjenigen von euch der es am meisten bedarf zu Diensten.« – Da sagte Einer der Meder, ein Freund der Tonkunst: »Ich, Kyrus, habe gestern Abend mit Vergnügen die Tonkünstlerinnen welche du jetzt hast gehört, und wenn du mir Eine davon gibst, so würde ich wohl lieber im Felde als zu Hause bleiben.« Kyrus erwiderte: »Ich gebe sie dir nicht nur, sondern glaube dir sogar noch mehr Dank schuldig zu sein daß du mich gebeten hast, als du mir dafür daß du sie erhältst; so sehr wünsche ich euch gefällig zu sein.« Der Bittende bekam sie.

Kyrus berief nun den Meder Araspes, seinen Freund von Kindheit an, Denselben dem er auch das Medische Kleid welches er auszog als er von Astyages nach Persien zurückkehrte geschenkt hatte, und gab ihm den Auftrag ihm das Weib und das Zelt zu bewachen. Es war dieses die Gemahlin des Abradatas, Königs von Susiane. Als das Lager der Assyrier erobert wurde war ihr Mann gerade nicht im Lager, sondern als Gesandter zu dem König der Baktrianer gereist: der König von Assyrien hatte ihn wegen eines Bündnisses abgeschickt, denn er war Gastfreund von dem König der Baktrianer. Diese nun gab Kyrus dem Araspes zur Bewachung, bis er sie zu sich nähme. Araspes fragte: »hast du aber auch das Weib gesehen, Kyrus, das du mir zur Bewachung gibst?« – »Nein, beim Zeus,« erwiderte Kyrus. – »Aber ich,« sagte Araspes, »als wir sie für dich auswählten: zuerst, als wir in ihr Zelt eintraten, erkannten wir sie nicht (denn sie saß auf dem Boden, und alle ihre Dienerinnen um sie her; dem entsprechend war sie auch ähnlich wie die Sklavinnen gekleidet). Als wir aber, um zu erfahren welche die Gebieterin sei, Alle besahen, da bemerkten wir schnell einen großen Unterschied zwischen ihr und allen Uebrigen, 144 unerachtet sie saß, verhüllt war und zur Erde sah. Als wir sie sodann aufstehen hießen, standen alle ihre Dienerinnen mit ihr auf. Da zeichnete sie sich zuerst durch Größe, sodann aber auch durch Schönheit und edlen Anstand aus, obwohl sie in niedrigem Anzug dastand. Man sah auch, wie ihr Thränen herabträufelten, bis auf's Gewand, ja bis auf die Füße. Da redete sie der Aelteste von uns an: »sei getrost, Weib: wir hören zwar daß auch dein Gatte ein schöner und braver Mann sei; jetzt jedoch wählen wir dich für einen Mann aus der, du darfst es glauben, Jenem weder an Gestalt noch an Einsicht noch an Kraft nachsteht: vielmehr glauben wir, wenn irgend ein Mann, so verdient Kyrus Bewunderung, und diesem sollst du von nun an zugehören.« Als das Weib Dieses hörte zerrieß sie den über den Kopf geschlagenen Theil ihres Gewandes und brach in Wehklagen aus, und mit ihr ihre Dienerinnen. Da konnte man den größten Theil ihres Gesichts, ihren Nacken und ihre Hände sehen, Und ich kann dir sagen, ich und alle Andern die sie sahen waren überzeugt daß in Asien nie ein solches Weib von einer sterblichen Mutter geboren worden sei: du mußt sie doch auch sehen.« Kyrus erwiderte: »beim Zeus, noch viel weniger, wenn sie so ist wie du sie schilderst.« »Warum denn?« sprach der Jüngling. Kyrus erwiderte: »wenn ich jetzt, nachdem ich von ihrer Schönheit durch dich gehört habe, mich bei der wenigen Muße die ich habe bereden lasse hinzugehen um sie zu sehen, so fürchte ich sie möchte mich verführen sie recht bald wieder zu besuchen, und so würde ich vielleicht meine Obliegenheiten vernachläßigen und in ihren Anblick versunken die Hände in den Schoos legen.« Da lachte der Jüngling laut auf und sprach: »glaubst du denn, Kyrus, die Schönheit eines Menschen sei im Stande einen wider seinen Willen zu nöthigen gegen seine Pflicht zu handeln? Wäre dieß ihre Natur, so würde sie Alle gleicherweise zwingen. Siehst du das Feuer, wie es den Einen brennt wie den Andern? Dieß ist seine Natur. Was aber die Schönheiten betrifft, so liebt man die Einen, die Andern nicht; der Eine liebt Diese, der Andere Jene, denn Dieß ist etwas Willkürliches, und Jeder liebt welche er will. Zum Beispiel der Bruder verliebt sich nicht in die Schwester, 145 sondern ein Anderer; ebenso der Vater nicht in die Tochter; denn Scheue und Gesetz kann die Liebe unterdrücken. Würde aber ein Gesetz gegeben, man solle ohne zu essen keinen Hunger, ohne zu trinken keinen Durst haben, Winters nicht frieren, Sommers nicht heiß werden, kein Gesetz vermöchte die Menschen zu einem solchen Gehorsam zu bringen. Denn sie sind ihrer Natur nach von diesen Dingen abhängig; Lieben aber ist willkürlich; Jeder liebt daher was ihm gerade zusagt, wie seine Kleider und Schuhe.« – »Wie kommt es denn,« antwortete Kyrus, »wenn das Lieben willkürlich ist, daß man nicht aufhören kann wenn man will? Ich habe schon Leute gesehen die aus Kummer den ihnen die Liebe verursachte weinten, und doch dem geliebten Gegenstande sklavisch dienten, obwohl sie die Sklaverei, ehe sie liebten, für ein großes Uebel hielten; die Vieles hingaben was sie nicht ohne Nachtheil entbehren konnten, und wünschten, wie von einer andern Krankheit befreit zu werden, und doch nicht frei werden konnten, sondern durch eine stärkere Nothwendigkeit gebunden waren als wenn sie mit Eisen gebunden wären. Wenigstens geben sie sich dem Dienst des geliebten Gegenstandes oft blind hin: und unerachtet dieser vielen Leiden die sie haben machen sie keinen Versuch zu entfliehen, sondern bewachen noch den geliebten Gegenstand, daß er ihnen nicht entfliehe.« – »Es ist wahr,« erwiderte der Jüngling: »so machen sie es: doch sind solche Leute unglücklich, und ich glaube es kommt von diesem Gefühl ihres Unglücks her daß sie sich immer den Tod wünschen: und unerachtet es unzählige Wege gibt aus dem Leben zu scheiden, so scheiden sie doch nicht aus demselben. Dieselben Menschen versuchen auch zu stehlen und enthalten sich fremden Gutes nicht: aber wenn sie Etwas geraubt oder gestohlen haben, so bist du, wie du wohl weißt, der Erste der ihnen ein Verbrechen daraus macht und sie straft, weil du das Stehlen nicht als nothwendig anerkennst, und du verzeihst ihnen nicht, sondern bestrafst sie. So ist es auch bei den Schönen: sie zwingen die Menschen nicht sie zu lieben oder Unrechtes zu begehren, sondern die erbärmlichen Leutlein stehen im Dienste aller Begierden, und dann werfen sie die Schuld auf die Liebe. Die Rechtschaffenen aber können, 146 trotz des Verlangens nach Gold, nach guten Pferden und schönen Weibern, doch alles Dessen sich leicht enthalten, um es nicht widerrechtlich anzurühren. Ich wenigstens bin, obwohl ich dieses Weib gesehen und vollkommen schön gefunden habe, doch bei dir und reite und vollbringe die sonstigen mir zukommenden Dienste.« – »Bei'm Zeus,« sprach Kyrus, »vielleicht bist du nicht so lange geblieben als Eros braucht um einen Menschen zu bearbeiten. Denn man kann wohl auch das Feuer berühren, ohne sich sogleich zu brennen, und das Holz lodert nicht im Augenblick auf: und doch berühre ich weder das Feuer von freien Stücken, noch sehe ich die Schönen an. Und auch dir, Araspes, rathe ich nicht deine Augen auf den Schönen verweilen zu lassen. Denn das Feuer brennt Die welche es berühren, die Schönen aber zünden auch Die welche sie von Ferne sehen an, daß sie vor Liebe brennen.« – »Sei ruhig, Kyrus,« erwiderte Araspes: »selbst wenn ich unverrückt darauf hinsehe werde ich nie besiegt werden Etwas zu thun was ich nicht soll.« – »Gut gesprochen,« sagte Kyrus: »so sei denn auf deiner Hut, wie ich dich ermahne, und sorge für sie; denn diese Frau dürfte uns vielleicht noch sehr nützlich werden.«

Nachdem sie Dieß gesprochen hatten trennten sie sich. Der Jüngling aber, der das ausnehmend schöne Weib immer vor Augen sah, ihre Rechtschaffenheit kennen lernte, in ihrem Dienste geschäftig war und sich ihr gefällig zu erweisen glaubte; – der andererseits bemerkte daß sie nicht undankbar sei, sondern ihm durch ihre Bedienung gegenseitig alle Aufmerksamkeit erweisen ließ, damit er, wenn er hereinkam, seine Bequemlichkeit fände, und wenn er einmal nicht wohl war, an Nichts Mangel hätte: – der Jüngling wurde durch das Alles von Liebe umstrickt, was wohl kein Wunder war.

So gieng Dieses zu. Hierauf wünschte Kyrus daß die Meder und die Bundesgenossen freiwillig bei ihm bleiben möchten; er berief daher alle Befehlshaber zusammen. Als sie beisammen waren sprach er Folgendes: »Ihr Meder und alle Anwesende, ich weiß gewiß daß ihr weder aus Verlangen nach Schätzen noch aus Dienstgeflissenheit gegen Kyaxares mit mir ausgezogen seid, sondern mir wolltet ihr eine 147 Gefälligkeit erweisen, mich ehren, mit mir Nachtmärsche und Gefahren theilen. Ohne ungerecht zu sein, kann ich nicht anders als euch dafür Dank sagen; ihn aber nach Würden zu erstatten, dazu glaube ich noch nicht stark genug zu sein. Ich schäme mich nicht Dieß zu sagen; aber zu sagen: »wenn ihr bei mir bleibet, so will ich euch belohnen,« würde ich mich schämen; denn es sähe nach meinem Gefühl gerade aus als sagte ich es damit ihr lieber bei mir bleibet. Dagegen sage ich: »Wenn ihr auch jetzt, dem Kyaxares folgend, abgehet, so will ich doch, wenn es mir gut ergeht, euch so zu belohnen suchen daß ihr mit mir zufrieden sein sollt. Ich selbst ziehe nicht ab; ich will den Hyrkaniern den Eid und den Handschlag halten den ich ihnen gegeben, und mich nie als Verräther an ihnen finden lassen, und ich will es dahin zu bringen suchen daß den Gobryas, der mir jetzt seine Festungen, sein Land und seine Mannschaft übergeben will, seine Reise zu mir nie gereue. Doch mein wichtigster Grund ist: ich würde mich scheuen und schämen, da mir die Götter so augenscheinliches Glück geschenkt haben, dieß aufzugeben und ohne allen Grund abzuziehen. So will ich es machen: ihr aber handelt nach eurem Gutdünken, und saget mir was ihr gesonnen seid.«

Nachdem Kyrus so gesprochen hatte erwiderte zuerst Der welcher sich einst für einen Verwandten des Kyrus ausgegeben hatte: »ich, o König (denn zum König scheinst du mir geboren zu sein, so gut als der Anführer der Bienen, der in dem Schwarm geboren wird: denn diesem gehorchen die Bienen stets freiwillig; wo er sich setzt, von da fliegt keine weg, schwärmt er aber wohin, so verläßt ihn keine; ein so starker Trieb von ihm beherrscht zu werden ist ihnen eingepflanzt. Eben so scheinen mir die Menschen gegen dich gesinnt zu sein; denn als du von uns nach Persien zurückkehrtest, wo blieb da in Medien ein Jüngling oder Greis zurück der dir nicht nachfolgte, bis Astyages uns umkehren hieß? Und als du aus Persien uns zu Hülfe kamst, so sahen wir beinahe alle Deine Freunde freiwillig dir folgen. Als du sofort den Zug hieher zu machen wünschtest, so folgten dir alle Meder freiwillig. Jetzt aber sind wir so gesinnt daß wir, wenn wir nur bei dir sind, auch in 148 Feindesland gerne sind, ohne dich aber selbst nach Haus zurückzukehren uns fürchten), die Andern werden selbst sagen was sie thun wollen: ich aber, Kyrus, und Die welche ich anführe, wir wollen bei dir bleiben; dein Anblick wird uns wagen und dulden lehren, deine Wohlthaten werden unsere Ausdauer bestärken.«

Darauf sprach Tigranes: »wundere dich nicht, Kyrus, wenn ich schweige, denn meine Seele ist nicht aufgelegt zu rathschlagen, sondern Deine Befehle zu vollbringen.« Der Hyrkanier aber sagte: »Wenn ihr jetzt abziehen würdet, so würde ich es für die Hinterlist eines Dämons halten, der euch nicht auf die höchste Stufe des Glücks gelangen ließe. Nach menschlicher Klugheit betrachtet, wer würde sich vom fliehenden Feinde abwenden; wenn er die Waffen ausliefert sie ausschlagen; wenn er sich sammt seiner Habe übergibt sie nicht annehmen? Zumal da wir einen Führer haben der nach meiner Ansicht (ich schwöre es euch bei allen Göttern) eine größere Freude hat uns wohlzuthun als sich selbst zu bereichern.« Darauf sprachen die Meder insgesammt: »Du, Kyrus, hast uns ausgeführt; so nimm uns denn, wenn du es für Zeit hältst nach Haus zu ziehen, auch wieder mit dir.« Nachdem Kyrus Dieses gehört hatte betete er: »Höchster Zeus, ich bitte dich, verleih' es mir, Die welche mich ehren im Wohlthun zu übertreffen.« Darauf befahl er den Andern Wachen auszustellen und dann sich selbst zu besorgen. Die Perser sollten die Zelte austheilen, den Reitern die für sie angemessenen, den Fußgängern die für sie passenden: sie sollten es so einrichten daß die Diener in den Zelten alles Nöthige zu bereiten und den Persern zu ihren Abtheilungen zu bringen, auch die Pferde wohl besorgt vorzuführen, die Perser aber nichts Anderes zu thun hätten als die Kriegsübungen vorzunehmen.

2.

Diesen Tag brachten sie also zu. Den andern Morgen in aller Frühe zogen sie zu Gobryas, Kyrus zu Pferd, mit den beritten gemachten Persern, die sich auf ungefähr zweitausend beliefen. Sodann folgten Die welche die Schilde und Schwerter der Reiter trugen, in gleich starker Anzahl; hierauf das übrige Heer in geschlossenen Gliedern; und Jeder sollte nach Befehl des Kyrus seinen neuen Dienern 149 sagen, wer von ihnen sich entweder hinter dem Nachzug oder vor der Front oder auf den Flanken außer Reihe und Glied betreten lasse, der werde bestraft werden.

Am zweiten Tage gegen Abend kamen sie an dem Gebiet des Gobryas an, und sahen daß die Festung sehr stark und auf den Mauern Alles zu nachdrücklicher Vertheidigung gerüstet sei; auch eine Menge Rindvieh und Schafe war, wie sie fanden, unter den Schutz der Befestigungswerke gebracht, und Gobryas ließ dem Kyrus sagen, er möchte herumreiten und sehen wo der Zugang am leichtesten sei, und Einige seiner Getreuen zu ihm hinein schicken, welche vom Innern Einsicht nehmen und ihm darüber Bericht erstatten könnten. Kyrus wollte sich nun selbst davon überzeugen, ob die Festung auf irgend einer Seite zu nehmen sei für den Fall daß Gobryas als Lügner erscheinen sollte: er ritt daher ringsherum und fand sie so fest daß man ihr unmöglich beikommen konnte. Diejenigen aber welche er an Gobryas abgeschickt hatte verkündigten dem Kyrus: es seien drinnen so viele Vorräthe daß sie auf ein Menschenalter (wie ihnen vorkomme) der Besatzung nicht ausgehen würden. Kyrus war nun besorgt was das sein solle. Gobryas aber kam selbst zu ihm heraus, begleitet von der ganzen Besatzung, welche Wein, Gersten und Waizenmehl brachte, Andere trieben Ochsen, Ziegen, Schafe, Schweine heran; und auch alle sonstigen Lebensmittel schafften sie in solchem Ueberfluß herbei daß das ganze Heer des Kyrus ein gutes Mahl halten konnte. Die dazu bestellten Leute theilten diese Vorräthe aus und bereiteten die Mahlzeit.

Als die ganze Besatzung außen war sagte Gobryas zu Kyrus, er möge nun hineingehen, unter allen Sicherheitsmaßregeln die er für nöthig halte. Kyrus schickte Kundschafter und eine Mannschaft voraus und gieng dann selbst hinein. Als er drinnen war ließ er die Thore offen halten und rief alle Freunde und Heerführer in seinem Gefolge herein.

Gobryas brachte sodann goldene Schalen, Gießkannen, Becher, mannigfaltigen Schmuck, unermeßlich viele DarikenPersische Goldmünzen, im Werth von zwanzig Attischen Silberdrachmen, ungefähr 4 Thlr. Xenophon begeht einen Verstoß gegen die Zeitordnung, indem der Name auf (den späteren) Darius hinweist., und alles 150 mögliche Schöne. Zuletzt, als er seine Tochter von außerordentlicher Schönheit und Größe, in tiefer Trauer um den gestorbenen Bruder, herführte, sprach er: »Kyrus, diese Schätze gebe ich dir; diese meine Tochter stelle ich dir zur beliebigen Verfügung anheim. Wir bitten dich flehentlich, ich schon früher, du mögest meines Sohnes, Diese jetzt, du mögest ihres Bruders Rächer werden.« Kyrus versetzte: »Ich habe es dir schon damals zugesagt, wenn du die Wahrheit sagen würdest dir nach Vermögen beizustehen; und da ich dich nun aufrichtig finde bin ich zu Erfüllung meines Versprechens verpflichtet. Diese Schätze nehme ich an und gebe sie dieser Jungfrau und Dem der sie heirathen wird. Ein Geschenk aber nehme ich von dir mit das mir mehr Freude macht als die reichen Schätze Babylon's und der ganzen Welt.«

Gobryas wunderte sich was Dieß sein möchte, und in der Vermuthung er meine seine Tochter fragte er: »und was ist das, Kyrus?« Kyrus antwortete: »ich glaube, Gobryas, daß es viele Menschen gibt die weder gegen die Götter noch gegen die Menschen ihre Pflicht übertreten noch absichtlich lügen würden: aber weil ihnen Niemand große Schätze, Herrschaft, feste Plätze, liebenswürdige Kinder anvertraut hat, so sterben sie ab, ehe sie ihren Charakter zeigen konnten. Mir aber hast du jetzt feste Mauern, mannigfachen Reichthum, deine Mannschaft, und eine Tochter in deren Besitz sich Jeder glücklich fühlen würde, in die Hände gegeben und damit Gelegenheit verschafft vor aller Welt zu zeigen daß ich weder die Pflicht der Gastfreundschaft verletze, noch des Geldes wegen Unrecht thue, noch Verträge ohne Veranlassung breche. Das werde ich dir nie, sei es überzeugt, so lange ich ein gerechter Mann bin und als solcher von den Menschen gepriesen werde, vergessen; sondern ich will mich bestreben dir gegenseitig durch alle Arten von Auszeichnung einen Beweis meiner Achtung zu geben. Fürchte nicht, es möchte dir für deine Tochter an einem ihrer würdigen Manne fehlen: denn ich habe viele wackere Freunde, deren einer diese 151 heirathen wird. Zwar möchte ich nicht versichern daß er eben so viel oder gar noch mehr Geld besitze als du gibst; ja ich kann dir sagen daß Einige von ihnen dich um des Geldes willen das du gibst nicht im Mindesten mehr bewundern werden: sie eifern vielmehr jetzt mir nach, und flehen zu allen Göttern es möge ihnen dereinst gelingen zu zeigen daß sie den Freunden nicht minder treu als ich seien und so lange sie leben den Feinden nie weichen, wenn nicht eine Gottheit ihnen zuwider ist; und daß sie der Tapferkeit und dem guten Namen selbst alle Schätze der Syrer nebst den deinigen und denen der Assyrier nicht vorziehen würden. Bedenke daß solche Männer hier sitzen.« Lächelnd sagte Gobryas: »bei den Göttern, Kyrus, zeige mir Diese, damit ich mir Einen derselben zum Sohne von dir ausbitte.« – »Du brauchst das,« erwiderte Kyrus, »nicht von mir zu erfahren; wenn du mit uns ziehst wirst du Jeden derselben sogar Andern bezeichnen können.«

Nachdem er Dieß gesagt hatte nahm er den Gobryas bei der rechten Hand, stand auf und gieng mit seinem ganzen Gefolge hinaus, und unerachtet der dringenden Bitte des Gobryas, in der Festung zu speisen, nahm er es nicht an, sondern speiste im Lager und zog den Gobryas zur Tafel. Auf eine Streu hingestreckt fragte er ihn: »sage mir, Gobryas, glaubst du mehrere Decken als Jeder von uns zu haben?« Gobryas erwiderte: »Bei'm Zeus, ich weiß wohl daß ihr mehr Decken und Lager und ein viel größeres Haus habt als ich; denn ihr habt Erde und Himmel zum Haus und der Betten so viele als Lagerstätten auf der Erde sind; als eure Decken aber betrachtet ihr nicht die Wolle welche die Schafe tragen, sondern das Gesträuche das auf Berg und Feld wächst.«

Als nun Gobryas mit ihnen speiste, und die einfache Beschaffenheit der aufgetragenen Speisen sah, so glaubte er Anfangs, sie selber stehen auf einer höhern Stufe der Bildung als die Perser: als er aber die Mäßigkeit bei'm Essen bemerkte (denn bei keinem Gericht oder Getränk sieht man einen gebildeten Perser die Augen verziehen, darauf losfahren, oder weniger nüchtern als wenn er nicht bei'm Essen wäre; sondern wie die Reiter, weil sie auf dem Pferde den Kopf nicht verlieren, 152 während des Reitens das Nothwendige sehen, hören und sprechen können, so glauben auch sie bei'm Essen verständig und mäßig erscheinen zu müssen: aber sich durch Speisen und Getränke aufregen zu lassen erscheint ihnen schweinisch und thierisch), als er ferner bemerkte wie sie Fragen an einander machten welche dem Gefragten unterhaltend waren, wie sie einander angenehm bespöttelten, und wie ihr Scherz von allem Muthwillen, aller Unanständigkeit und Beleidigung frei war, und, was ihm am meisten auffiel, daß sie glaubten sie dürfen auf einem Feldzuge sich nicht mehr vorsetzen lassen als jedem Andern welcher mit ihnen in die gleiche Gefahr gienge, sondern Dieß als den größten Schmaus betrachteten ihre künftigen Mitstreiter auf's Beste zu bilden, – da soll Gobryas, als er sich erhob um nach Hause zu gehen, gesagt haben: »ich wundere mich nicht mehr, Kyrus, wenn wir mehr Becher, Gewänder und Gold als ihr besitzen, wir selbst aber weniger werth sind als ihr. Denn wir sorgen dafür uns recht große Vorräthe anzulegen: ihr aber scheint mir dafür zu sorgen daß ihr selbst so wacker als möglich werdet.« Darauf sagte Kyrus: »Nun, Gobryas, so komme denn morgen früh und bringe deine Reiter gerüstet mit, damit wir deine Macht sehen und du uns zugleich durch dein Land führest, um zu erfahren was wir als Freundes-, was als Feindesland zu behandeln haben.«

Nachdem sie Dieses gesprochen hatten gieng Jeder seinem Berufe nach. Mit Tagesanbruch erschien Gobryas an der Spitze seiner Reiter. Kyrus aber richtete, wie es einem Befehlshaber gebürt, seine Aufmerksamkeit nicht nur auf den Marsch, sondern er sann auch unter dem Vorrücken auf Mittel wie er die Feinde schwächen, sich selbst verstärken könne. Er berief daher den Hyrkanier und den Gobryas (denn er dachte, Diese würden am besten wissen was er zu erfahren wünschte) und sprach: »ich glaube, liebe Männer, wenn ich mit euch, als getreuen Männern, über diesen Krieg zu Rathe gehe, keinen Fehlgriff zu thun: denn ich sehe daß ihr noch mehr als ich darauf bedacht sein müßet daß der Assyrier nicht die Oberhand über uns gewinne. Denn mir steht, wenn es mir hier nicht gelingt, vielleicht noch ein anderer 153 Ausweg offen: bei euch aber würde, wenn Dieser die Oberherrschaft erlangt, Alles in fremde Hände übergehen. Denn er ist mein Feind, nicht weil er mich haßt, sondern weil er glaubt es sei ihm nicht zuträglich daß wir mächtig seien, und darum zieht er gegen uns zu Felde: euch aber haßt er sogar, weil er sich von euch gekränkt fühlt.«

Darauf erwiderten Beide übereinstimmend, er möge nur seine Plane verfolgen, denn sie wissen Dieß wohl und seien angelegentlich besorgt, wie das gegenwärtige Unternehmen ablaufen werde. Kyrus begann nun also: »saget mir, hält der Assyrier blos euch für seine Feinde, oder kennt ihr auch noch andere Feinde von ihm?« – »Ja bei'm Zeus,« erwiderte der Hyrkanier, »äußerst erbittert gegen ihn sind die Kadusier, ein sehr zahlreiches und starkes Volk: auch die Saker, unsere Nachbarn, welche von dem Assyrier hart gemißhandelt wurden: denn er versuchte auch sie, wie uns, zu unterjochen.« – »Glaubet ihr also,« sprach Kyrus, »sie Beide würden jetzt gerne mit uns den Assyrier angreifen?« – »Recht gerne,« war die Antwort, »wenn sie sich auf irgend eine Weise mit uns vereinigen könnten.« – »Nun, was steht denn der Vereinigung im Wege?« – »Die Assyrier, dasselbe Volk durch welches du gegenwärtig ziehest.« Als Kyrus Dieses hörte sprach er: »wie, Gobryas, klagst du nicht den Jüngling welcher jetzt zur Herrschaft gekommen ist eines großen Uebermuths in seinem Betragen an?« – »Ich glaube,« versetzte Gobryas, »ich habe eine derartige Behandlung von ihm erfahren.« – »Benahm er sich,« fragte Kyrus, »allein gegen dich so, oder auch gegen Andere?« – »Bei'm Zeus,« sprach Gobryas, »gegen viele Andere; allein was soll ich lange die Gewaltthätigkeiten erzählen welche er an den Schwachen ausübt? Nur von Einem Mann will ich sprechen, der weit mächtiger ist als ich, dessen Sohn sein Freund war, wie der meinige, und den er bei einem Trinkgelage ergreifen und entmannen ließ, wie Einige sagten, weil sein Kebsweib ihn wegen seiner Schönheit gelobt und seine künftige Gattin glücklich gepriesen hatte; wie er aber jetzt aussagt, weil er sie zu verführen gesucht hatte. Nun ist Dieser verschnitten und hat nach seines Vaters Absterben dessen Herrschaft.« – »Glaubst du also,« 154 sprach Kyrus, »auch Dieser würde uns gerne sehen wenn er glaubte wir werden ihm beistehen?« – »Das weiß ich gewiß,« sagte Gobryas; »aber es ist schwer ihn zu sehen, Kyrus.« – »Warum?« fragte Kyrus. – »Weil man, um sich mit ihm zu vereinigen, dicht an Babylon vorbeiziehen muß.« – »Und warum ist Dieß schwierig?« – »Bei'm Zeus,« erwiderte Gobryas, »ich weiß daß von da eine viel stärkere Macht als die welche du jetzt hast ausziehen wird: und du mußt wissen daß eben Dieß die Ursache ist warum dir die Assyrier gegenwärtig weniger als früher die Waffen übergeben und die Pferde ausliefern, weil deine Macht Denen welche sie gesehen haben klein erschien, und dieses Gerücht sich weit verbreitet hat: es scheint mir besser zu sein wenn wir mit aller Vorsicht uns vorwärts bewegen.«

Nachdem Kyrus von Gobryas Dieß gehört hatte sprach er zu ihm: »Dein Rath, den Zug so vorsichtig als möglich einzurichten, scheint mir gut. Ich nun kann bei'm Nachdenken darüber keinen sicherern Zug für uns aussinnen als gerade auf Babylon loszugehen, wenn hier die Hauptmacht der Feinde ist: sie sind zahlreich, wie du sagst, und ich setze hinzu: verbinden sie damit auch Muth, so werden sie uns auch furchtbar sein. Sehen sie nun uns nicht, so glauben sie wir lassen uns aus Furcht vor ihnen nicht sehen, und werden, sei es überzeugt, ihre frühere Furcht ablegen: und ihr Muth wird um so höher steigen, je längere Zeit sie uns nicht sehen. Gehen wir aber jetzt gleich auf sie los, so werden wir Viele finden welche die Gefallenen noch beweinen, Viele welche die Wunden die sie von den Unsrigen erhalten haben noch verbunden haben: Alle aber werden sich noch der Kühnheit dieses Heeres und ihrer Flucht und ihres Mißgeschickes erinnern. Laß dir auch Das noch sagen, Gobryas: die meisten Menschen beweisen, wenn sie muthig sind, einen unbezwingbaren Sinn: fürchten sie sich aber, so haben sie eine um so größere und besinnungslosere Furcht, je Mehrere ihrer sind: denn die vielen elenden Reden, die vielen schlechten Farben, die vielen muthlosen und bestürzten Gesichter steigern die Furcht zu einer solchen Höhe daß es nicht leicht ist sie weder durch Vorstellungen zu vernichten, noch durch Anrücken gegen 155 den Feind Muth einzuflößen, noch durch den Rückzug den Muth wieder zu heben; sondern je mehr du ihnen Muth einsprichst, in desto größerer Gefahr glauben sie zu sein.«

»Noch einen andern Punkt müssen wir, bei'm Zeus, in ernstliche Erwägung ziehen; wenn nämlich von nun an der Sieg im Kriege auf der Seite sein wird wo man das meiste Volk zählt, so fürchtest du mit Recht für uns, und wir sind wirklich in Gefahr: wenn es aber auch jetzt noch, wie früher, die guten Kämpfer sind welche die Entscheidung in den Schlachten geben, so kannst du ohne Gefahr gutes Muthes sein: denn du wirst mit der Götter Hülfe bei uns viel Mehrere finden die streiten wollen als bei Jenen.«

»Damit du aber noch getrosteren Muthes werdest, so betrachte auch Das: die Feinde sind jetzt viel schwächer als ehe sie von uns besiegt wurden, viel schwächer als damals wo sie vor uns davon liefen. Wir aber sind jetzt, nachdem wir gesiegt haben, mächtiger als zuvor; nachdem wir glücklich gewesen sind, stärker; nachdem ihr zu uns gestoßen seid, zahlreicher; du darfst auch deine Leute nicht mehr gering schätzen, seitdem sie bei uns sind; denn den Siegern, das merke dir wohl, mein Gobryas, folgen auch ihre Begleiter mit Muth nach. Und auch Das darfst du nicht vergessen daß die Feinde auch jetzt schon uns erblicken können, und daß wir ihnen, wenn wir stehen bleiben, gewiß nicht furchtbarer erscheinen als wenn wir auf sie losgehen. Dieß ist meine Meinung: führe uns unverzüglich auf Babylon los.«

3.

So kamen sie denn am vierten Tage des Zuges an die Grenzen von Gobryas' Gebiet. Nachdem Kyrus das feindliche Land betreten hatte nahm er das Fußvolk, und von den Reitern so Viele als er zu bedürfen glaubte zu sich und stellte sie in Schlachtordnung: die übrigen Reiter aber schickte er auf einen Streifzug, mit dem Befehl die Bewaffneten niederzuhauen, die Andern, so wie was sie von Schafen bekommen könnten, zu ihm zu bringen. Auch die Perser hieß er den Streifzug mitmachen: und Viele kamen zurück, von den Pferden abgeworfen, Viele aber auch mit reicher Beute beladen.

Als die Beute auf dem Platze war rief Kyrus die Anführer der 156 Meder und Hyrkanier und die Edeln zusammen, und sprach also: »Liebe Männer, Gobryas hat uns gastfreundlich mit vielen Gütern beschenkt. Wenn wir nun, nachdem wir den Göttern das Gebürende ausgewählt und dem Heere so viel es bedarf zugetheilt haben, die übrige Beute ihm gäben, so wäre das wohl schön gehandelt, um sogleich zu zeigen daß wir auch unsere Wohlthäter durch Wohlthaten zu besiegen suchen.« Dieser Vorschlag wurde mit allgemeinem Lob und Beifall aufgenommen. Einer aber sagte: »allerdings, Kyrus, wollen wir Das thun: denn ich glaube, Gobryas hielt uns für arme Wichte, weil wir nicht mit Dariken beladen kamen, noch aus goldnen Schalen tranken. Thun wir aber Dieß, so wird er erfahren daß man auch ohne Gold ein Ehrenmann sein kann.« – »So gehet also,« sprach Kyrus, »und gebt den Magiern das den Göttern Gebürende, für das Heer aber wählet aus was ihm taugt; dann rufet den Gobryas und gebet ihm das Uebrige.« So nahmen sie denn so viel als nöthig war, und gaben das Uebrige dem Gobryas.

Darauf führte er das Heer, vollkommen in Schlachtordnung gestellt, gerade auf Babylon zu. Als die Assyrier aber nicht entgegenrückten befahl Kyrus dem Gobryas hinzureiten und zu sagen: wenn der König ausrücken und um das Land kämpfen wolle, so wolle auch er mit ihm den Kampf bestehen: vertheidige er aber das Land nicht, so müße er dem Sieger sich unterwerfen.

Gobryas ritt hierauf an einen Ort wo er seinen Auftrag mit Sicherheit ausrichten konnte; der König aber ließ ihm durch einen Abgeordneten antworten: »Dein Gebieter, Gobryas, läßt dir sagen: nicht Das reut mich daß ich deinen Sohn getödtet habe, sondern daß ich dich nicht noch dazu getödtet habe. Wenn ihr kämpfen wollet, so kommet auf den dreißigsten Tag; jetzt haben wir noch keine Zeit, wir sind noch in der Rüstung begriffen.« Gobryas erwiderte: »möge diese deine Reue nie aufhören; denn offenbar, seitdem dich diese Reue quält, verursache ich dir nicht geringen Aerger.« Gobryas überbrachte die Antwort des Assyriers. Nachdem Kyrus diese gehört hatte ließ er das Heer sich zurückziehen, berief den Gobryas und sprach: »sage an, nicht 157 wahr du hast gesagt, du glaubest der von dem Assyrier Verschnittene würde auf unsere Seite treten?« – »Ich zweifle gar nicht daran,« antwortete Gobryas; »denn wir haben schon oft offen mit einander gesprochen.« – »Wenn es dir nun geeignet scheint so gehe zu ihm und richte es vor Allem so ein daß außer euch Niemand um Das wisse was er sagt. Wenn du dich aber in der Unterredung mit ihm davon überzeugt hast daß er unser Freund werden will, so mußt du Maßregeln treffen daß seine freundschaftliche Gesinnung gegen uns verborgen bleibt. Denn es gibt keinen Weg wo man im Krieg den Freunden so viele Vortheile verschaffen kann als wenn man für ihren Feind gilt, oder den Feinden so viel schaden kann als wenn man für ihren Freund gilt.« – »Ich bin gewiß,« erwiderte Gobryas, »Gadatas würde die Gelegenheit theuer erkaufen dem gegenwärtigen Könige der Assyrier einen großen Schaden zuzufügen; aber auf das was ihm etwa möglich wäre müssen auch wir bedacht sein.«

»Sage mir einmal,« sprach Kyrus, »glaubst du der Verschnittene würde in die auf der Grenze gelegene Festung, die nach eurer Angabe gegen die Saker und Hyrkanier zur Schutzwehr für dieses Land gegen feindliche Anfälle angelegt wurde, von dem Befehlshaber eingelassen werden, wenn er mit einem Heere käme?« – »Ganz gewiß,« sagte Gobryas, »wenn er unverdächtig, wie er jetzt ist, zu ihm käme.« – »Da würde er wohl am wenigsten verdächtig werden wenn ich vor sein Gebiet rückte, als ob ich es nehmen wollte, und er mit Macht sich vertheidigte: ich würde ihm ein Stück Landes nehmen: er dagegen würde uns entweder sonstige Leute nehmen, oder die Boten welche ich an Diejenigen absendete die ihr für Feinde des Assyriers ausgebet. Wenn Diese ergriffen wären, müßten sie sagen sie bestellen ein Heer und holen Leitern um die Festung anzugreifen; der Verschnittene aber würde sich dann stellen als komme er, um diese Kunde voraus zu verkündigen.« Gobryas antwortete: »wenn es so gienge – so weiß ich gewiß daß er ihn einlassen und ihn bitten würde zu bleiben, bis du abgezogen seiest.« – »Könnte er wohl,« fragte Kyrus, »wenn er einmal eingelassen wäre, uns den Platz in die Hände spielen?« – 158 »Ohne Zweifel,« sagte Gobryas, »wenn er die Anstalten im Innern macht, und du von außen einen nachdrücklichen Angriff unternimmst.« – »So gehe hin,« sprach Kyrus, »und versuche es ihn durch deine Vorstellungen dazu zu bringen; dann komme wieder. Als Pfand der Beglaubigung kannst du ihm nichts Größeres sagen und ausweisen als was du selbst von uns erhalten hast.« Darauf gieng Gobryas hin; der Verschnittene sah ihn mit Vergnügen, kam über Alles mit ihm überein und verabredete das Nöthige.

Nachdem Gobryas die Nachricht gebracht hatte daß der Verschnittene mit Allem was ihm ausgerichtet worden vollkommen einverstanden sei, so machte Kyrus am folgenden Tage einen Angriff, und Gadatas vertheidigte sich, und der Platz welchen Kyrus wegnahm war in der That so wie ihn Gadatas bezeichnet hatte. Von den Boten welche Kyrus, nach vorher verabredeter Richtung ihres Weges, abgeschickt hatte, ließ Gadatas Einige entfliehen, um die Heere herbeizuführen und die Leitern zu bringen: Diejenigen aber welche er gefangen nahm fragte er in Gegenwart Vieler aus; und nachdem er den angeblichen Zweck ihrer Reise vernommen hatte machte er sogleich Anstalt diese Nachricht zu überbringen, und brach bei Nacht aus. Er fand bald Glauben und wurde als Beistand in die Festung eingelassen. Eine Zeit lang traf er in Gemeinschaft mit dem Befehlshaber alle möglichen Anstalten zur Vertheidigung; als aber Kyrus anrückte bemächtigte er sich des Platzes, unterstützt von den Gefangenen die er dem Kyrus abgenommen hatte. Gadatas traf hierauf sogleich im Innern der Festung die nöthigen Einrichtungen, kam dann zu Kyrus heraus, fiel nach der Sitte vor ihm nieder, und sprach: »Heil dir, Kyrus.« – »Das wird mir,« erwiderte Kyrus: »denn mit der Hülfe der Götter wünschest du es mir nicht nur, sondern dringst es mir sogar auf. Ich kann dir sagen, ich schlage es hoch an, diesen Platz den hiesigen Bundesgenossen befreundet zu hinterlassen. Dich aber, Gadatas, hat der Assyrier zwar des Vermögens Kinder zu zeugen beraubt, nicht aber, Freunde zu erwerben: und sei überzeugt, du hast dir an uns durch diese That Freunde gemacht die sich bestreben werden, wenn es in ihren Kräften steht, dir 159 keinen schlechtern Beistand zu leisten als wenn du Söhne und Enkel besäßest.«

Während Kyrus noch sprach lief der Hyrkanier, der eben erfahren hatte was sich zugetragen hatte, auf Kyrus zu, nahm seine Rechte und sprach: »o du großer Segen deiner Freunde, Kyrus! zu welch' hohem Danke gegen die Götter verpflichtest du mich, daß sie mich mit dir zusammengeführt haben.« – »Gehe nun hin,« erwiderte Kyrus, »nimm den Platz um dessen willen du mich so liebenswürdig findest in Besitz, und richte ihn so ein wie es für euer Volk und die übrigen Bundesgenossen, hauptsächlich aber für diesen Gadatas, der ihn uns überliefert hat, am vortheilhaftesten ist.« – »Wie nun,« sagte der Hyrkanier: »wenn die Kadusier und Saker und meine Mitbürger kommen, sollen wir auch Diese dazu ziehen, damit wir Alle die dabei zu sprechen haben uns gemeinschaftlich berathschlagen, wie wir die Festung am besten zu unserem Vortheil benützen können?« Kyrus billigte Dieß. Als nun die bei der Festung betheiligten Parteien zusammen kamen beschloßen Die welchen es zu gut kam daß sie befreundet war, sie gemeinschaftlich zu besetzen und sie als Schutzwehr gegen feindliche Anfälle und als Verschanzung gegen die Assyrier zu gebrauchen. Auf dieses nahmen die Kadusier, Saker und Hyrkanier mit viel mehr Bereitwilligkeit und in größerer Anzahl an dem Feldzuge Antheil, so daß aus diesen Ländern ein Heer zusammen kam wozu die Kadusier gegen zwanzigtausend Peltasten und gegen viertausend Reiter stellten; die Saker gegen zehntausend Bogenschützen und gegen zweitausend Bogenschützen zu Pferde; die Hyrkanier schickten noch Fußvolk, so viel als sie aufbringen konnten, und ihre Reiter verstärkten sie bis auf zweitausend: denn früher hatten sie mehrere ihrer Reiter zu Hause gelassen, weil sowohl die Kadusier als die Saker Feinde der Assyrier waren. – Während Kyrus hier verweilte und mit der Einrichtung der Burg beschäftigt war brachten viele Assyrier welche in diesen Gegenden wohnten Pferde herbei, Viele lieferten die Waffen ab, weil sie nun alle ihre Nachbarn fürchteten.

Hierauf kam Gadatas zu Kyrus und sagte, er erhalte Nachricht 160 daß der Assyrier auf die Kunde von dem Vorgang bei der Festung sehr ungehalten über ihn sei und Anstalten zu einem Einfall in sein Land mache. »Wenn du mich nun entlässest, Kyrus, so würde ich meine festen Plätze zu retten suchen: das Uebrige ist von geringerer Bedeutung.« Kyrus fragte: »wenn du jetzt gehst, wann wirst du zu Hause sein?« Gadatas erwiderte: »am dritten Tage werde ich in unserem Lande speisen.« – »Glaubst du auch den Assyrier schon da zu treffen?« – »Ohne Zweifel; denn er wird sich beeilen, so lange er dich noch in weiter Ferne glaubt.« – »In wie viel Zeit aber,« fragte Kyrus, »könnte ich mit dem Heere dahin gelangen?« Darauf erwiderte Gadatas: »Herr, du hast ein großes Heer und kannst wohl nicht in weniger als sechs bis sieben Tagen an meinen Wohnsitz kommen.« – »So gehe du denn,« sprach Kyrus, »auf's schnellste: ich will so eilig als möglich nachrücken.«

Gadatas machte sich nun auf den Weg, Kyrus aber berief alle Befehlshaber der Bundesgenossen zusammen: und als Viele der Wackersten beisammen waren, hielt er folgende Rede an sie: »Bundesgenossen, Gadatas hat uns einen für uns Alle sehr wichtigen Dienst geleistet, und zwar, ehe er auch nur die geringste Wohlthat von uns erhalten hatte. Nun läuft die Nachricht ein, der Assyrier falle in sein Land ein, wahrscheinlich theils um sich an ihm zu rächen, weil er durch ihn einen empfindlichen Schaden erlitten zu haben glaubt; theils mag er aber auch bedenken daß, wenn er Die welche zu uns abfallen nicht bestraft, seine Anhänger aber von uns zu Grunde gerichtet werden, natürlich bald Niemand mehr ihm getreu bleiben werde. Jetzt nun, ihr Männer, könnten wir meines Erachtens ein schönes Werk thun, wenn wir dem Gadatas, unserem Wohlthäter, kräftig zu Hülfe zögen: es wäre zugleich ein Werk der Gerechtigkeit, ihm Dank abzustatten. Auch für uns selbst, glaube ich, würde es vortheilhaft sein; denn wenn wir vor aller Welt zeigen daß wir Diejenigen welche uns Uebles thun durch Uebelthun, Die welche uns wohl thun durch Gutes übertreffen, so muß Das die Folge haben daß Viele unsere Freunde werden wollen, unser Feind zu sein Niemanden gelüsten wird. Schienen wir aber den Gadatas 161 zu vernachläßigen, bei den Göttern, mit welchen Gründen könnten wir Andere überreden uns noch einen Gefallen zu thun? Wie könnten wir es wagen uns selbst zu loben? Wie könnte Einer von uns dem Gadatas in's Gesicht sehen, wenn wir von ihm an Wohlthaten übertroffen würden, so Viele von Einem Mann, der noch dazu in solcher Lage ist?«

So sprach er; und Alle erklärten sich vollkommen einverstanden dieß auszuführen. Da fuhr Kyrus fort: »wohlan denn, da auch Ihr damit einverstanden seid, so lasse Jeder von uns bei dem Zugvieh und bei den Wagen Diejenigen welche am tauglichsten sind mit diesen zu ziehen. Gobryas soll den Oberbefehl über sie haben und sie anführen; denn er ist der Wege kundig und sonst tüchtig. Wir aber wollen mit den kräftigsten Pferden und Männern uns in Bewegung setzen und Lebensmittel auf drei Tage mitnehmen. Je leichter und einfacher wir uns bepacken, desto besser wird uns in den folgenden Tagen Frühstück, Abendessen und Schlaf schmecken. Der Zug aber soll in folgender Ordnung geschehen. Voraus fahre du, Chrysantas, die Bepanzerten; weil der Weg eben und breit ist so lasse die Taxiarchen vorne und jede Taxis Mann für Mann marschieren; denn in geschlossenen Reihen können wir uns am schnellsten und sichersten bewegen. Die Bepanzerten aber lasse ich darum voran marschieren weil Dieß der schwerste Theil des Heeres ist. Geht das Schwerste voraus, so muß Alles was schneller geht leicht nachfolgen: marschiert aber das Schnellste bei Nacht voraus, so ist es kein Wunder wenn sich die Heere trennen; denn der Vortrab rennt voran. Dann soll Artabazus die Persischen Peltasten und Pfeilschützen führen: darauf Andramias der Meder das Medische Fußvolk; darauf Embas das Armenische Fußvolk, dann Artuchas die Hyrkanier, dann Thambradas das Fußvolk der Saker; alsdann Damatas die Kadusier. Auch diese Alle sollen so marschieren daß die Taxiarchen vorn, auf den rechten Flügel des länglichten Zuges die Peltasten, auf den linken die Bogenschützen zu stehen kommen. Bei dieser Stellung werden sie brauchbarer. Auf Diese soll das Gepäck für Alle folgen; hier haben die Befehlshaber dafür zu sorgen daß vor Schlafengehen Alles zusammengepackt ist, daß sie in der Frühe mit 162 dem Gepäck auf dem bestimmten Platze erscheinen und in Ordnung nachziehen. Hinter dem Gepäck soll Madatas der Perser die Persischen Reiter führen: auch bei ihm sollen die Hekatontarchen vorn marschieren, und jeder Hekatontarch soll seine Abtheilung Mann für Mann führen, wie bei'm Fußvolk. Nach diesen soll der Meder Hiersombatas ebenso seine Reiter führen, und dann du, Tigranes, deine Reiterei, und die andern Hipparchen Die mit welchen Jeder zu uns stieß. Dann kommet ihr, Saker: zuletzt aber, wie sie gekommen sind, sollen die Kadusier ihr Heer führen. Und du, Alkeunas, da du sie anführst, sorge jetzt für den ganzen Nachzug und laß Keinen hinter deinen Reitern zurückbleiben. Ihr Anführer aber, und alle Verständige, seid darauf bedacht in der Stille euch zu bewegen: denn bei Nacht müssen Einem mehr die Ohren als die Augen sagen was vorgeht und was man thun muß; und eine Unruhe bei Nacht ist viel störender und viel schwerer beizulegen als bei Tage. Darum muß man Stille beobachten und die Ordnung bewahren. Die Nachtwachen müßt ihr, wenn ihr bei Nacht aufbrechen sollet, immer so kurz und zahlreich als möglich machen, damit die lange Schlaflosigkeit auf dem Wachposten Keinen für den Zug erschöpfe. Wenn es aber Zeit zum Aufbruch ist, so lasset ein Zeichen mit dem Horn geben. Ihr alle nun findet euch, mit dem Nothwendigen versehen, auf der Straße nach Babylon ein. Der jedesmal Aufbrechende fordere immer den auf ihn Folgenden auf ihm zu folgen.«

Hierauf begaben sie sich in die Zelte, und im Weggehen besprachen sie sich unter einander über das gute Gedächtniß des Kyrus, daß er bei den vielen Befehlen die er zu ertheilen habe Jeden bei seinem Namen nenne. Kyrus aber that Dieß wohlbedacht; denn es kam ihm sehr sonderbar vor wenn die Handwerksleute Jeder die Namen der Werkzeuge seiner Kunst kennt, wenn der Arzt alle Instrumente und Arzneien die er gebraucht namentlich weiß, der Feldherr aber so unwissend sein sollte daß er die Namen der ihm untergebenen Anführer nicht wüßte, die er als Werkzeuge gebrauchen muß, wenn er einen Ort nehmen oder bewachen, wenn er Muth oder Furcht einflößen will. Und wenn er Einen auszeichnen wollte, so fand er es schicklich ihn mit 163 Namen zu nennen. Auch fand er daß Die welche glaubten von dem Feldherrn gekannt zu sein sich mehr bestrebten bei schönen Thaten erblickt zu werden und sich ebendarum aller Schlechtigkeiten zu enthalten. Auch Das schien ihm thöricht wenn er Etwas ausgeführt wünschte, so zu befehlen wie einige Hausherrn in ihrem Hause befehlen: »hole Einer Wasser, spalte Einer Holz.« Denn wenn man den Befehl so gibt, so, glaubte er, sehen sie Alle einander an, und Keiner vollbringe das Befohlene: und unerachtet Alle schuldig seien, so schäme und fürchte sich darum Keiner, eben weil sie die Schuld mit Vielen gemein haben. Darum rief er Alle bei'm Namen auf, wenn er einen Befehl gab. Das war die Ansicht des Kyrus über diesen Punkt.

Als nun die Soldaten gespeist, Wachen ausgestellt und alles Nöthige eingepackt hatten, giengen sie schlafen; um Mitternacht aber ertönte das Signal mit dem Horn. Kyrus sagte dem Chrysantas, er wolle auf dem Zuge bei der vordern Abtheilung des Heeres warten und zog hinaus, und nahm seine Diener mit. Kurze Zeit darauf erschien Chrysantas mit den Bepanzerten. Kyrus gab ihm die Wegweiser und hieß ihn langsam marschieren, bis er Botschaft erhielte (denn es waren noch nicht Alle auf dem Wege): er selbst blieb stehen und ließ jeden Ankommenden in seiner Ordnung weiter ziehen; nach Denjenigen aber welche zurück blieben sandte er und ließ sie rufen. Als Alle auf dem Wege waren ließ er dem Chrysantas durch Reiter melden daß nun Alles in Bewegung sei, er daher schneller marschieren solle. Er selbst aber ritt an die Spitze des Heers und betrachtete bei'm Vorbeireiten mit Ruhe die Abtheilungen. Zu Denen welche er geordnet und schweigend einherziehen sah ritt er hin, fragte sie wer sie seien, und wenn er es erfahren hatte lobte er sie: wo er aber Unruhe bemerkte, da forschte er nach dem Grund derselben und suchte sie zu dämpfen. Nur Eine seiner nächtlichen Vorsichtsmaßregeln habe ich noch zu erwähnen: er schickte vor dem ganzen Heere einige wenige leichte Fußgänger voraus, die von Chrysantas gesehen werden und ihn sehen konnten: Diese sollten horchen und den Chrysantas von Allem was sie sonst erspähen könnten nöthigenfalls in Kenntniß setzen. Auch Diese hatten einen 164 Anführer der sie in Ordnung hielt, und was merkwürdig war meldete er; mit unbedeutenden Nachrichten wollte er nicht beschwerlich fallen. So zogen sie in der Nacht vorwärts.

Nachdem es Tag geworden war ließ er eine Abtheilung von Reitern der Kadusier, weil auch ihr Fußvolk zuletzt im Zuge war, bei diesem zurück, damit auch dieses nicht von Reitern entblöst wäre; die Uebrigen aber ließ er zu der vorderen Abtheilung voranreiten, weil auch der Feind vorn war, damit er, wenn sich ihm Etwas widersetzte, mit dem Kern des Heeres schlagfertig entgegentreten und kämpfen, oder, oder wenn sich etwas vom Feind auf der Flucht blicken ließe, auf der Stelle nachsetzen könnte. Er hatte immer schon seine eigenen Leute bestellt welche nachzusetzen und welche bei ihm zu bleiben hatten: die ganze Schaar durfte sich nie auflösen. So führte Kyrus das Heer: er aber blieb nie an Einer Stelle, sondern bald da bald dort umherreitend sah er nach und besorgte was sie etwa bedürften. So marschierten des Kyrus Leute.

4.

Einer der angesehensten Männer aus der Reiterei des Gadatas kam, bei der Erwägung daß Gadatas von dem Assyrier abgefallen war, auf den Gedanken, wenn Dieser weggeräumt wäre, so könnte er von dem Könige alle Besitzungen desselben erhalten. Er schickte daher einen seiner Getreuen an den Assyrier mit der Weisung, im Falle daß er das Assyrische Heer bereits in dem Gebiet des Gadatas treffe, so solle er dem Assyrier sagen, wenn er sich in einen Hinterhalt legen wolle, so könne er den Gadatas sammt seinen Leuten in seine Gewalt bekommen. Er sollte ihm ferner angeben, wie gering die Macht des Gadatas sei und daß Kyrus ihn nicht begleite: auch den Weg den er nehmen werde gab er an. Um mehr Glauben zu finden befahl er auch seinen eignen Untergebenen, die Festung die er in dem Gebiet des Gadatas inne hatte dem Assyrier mit Allem was darinnen war zu übergeben: auch er selbst werde kommen, wo möglich wenn er den Gadatas getödtet habe; gelinge Das nicht, um wenigstens in Zukunft unter dem Assyrier zu dienen. Nachdem der Abgeordnete in größtmöglicher Eile zu dem Assyrier gekommen und den Zweck seiner Ankunft eröffnet hatte, 165 so nahm dieser den Platz sogleich in Besitz, und legte eine starke Reiterei nebst Wagen in den zahlreichen Dörfern in Hinterhalt. Als Gadatas in die Nähe dieser Dörfer kam schickte er Einige auf Kundschaft voraus. Da der Assyrier die ankommenden Kundschafter bemerkte befahl er, zwei bis drei Wagen und einige Reiter sollten aus dem Hinterhalt hervorbrechen, als ob sie sich fürchteten und ihrer Wenige wären. Kaum sahen dieß die Kundschafter, als sie nachsetzten und dem Gadatas ein Zeichen mit der Hand gaben. Dieser ließ sich berücken und verfolgte sie nach Kräften. Die Assyrier, welche glaubten Gadatas sei zu fangen, erhoben sich sogleich aus dem Hinterhalt. Als die Leute des Gadatas dieß sahen flohen sie, wie natürlich, und die Assyrier verfolgten sie. Da hieb der welcher dem Gadatas nach dem Leben trachtete auf ihn ein, und traf ihn zwar nicht tödtlich, verwundete ihn aber in die Schulter. Nach dieser That eilte er davon, bis er bei den nachsetzenden Assyriern war: und nachdem er erkannt war setzte er mit den Assyriern an der Seite des Königs den Flüchtlingen in gestrecktem Galoppe eifrig nach. Da wurden denn natürlich diejenigen welche die langsamsten Pferde hatten von den Schnellsten gefangen: und die ganze Reiterei des Gadatas war hart gedrängt, weil sie schon vom Zuge erschöpft war.

In diesem Augenblicke sahen sie den Kyrus mit seinem Heere anrücken. Man kann sich denken mit welcher Wonne und Freude sie wie nach einem Sturm in den Hafen einliefen. Kyrus wunderte sich zuerst: als er aber die Sache erfuhr führte er, bis sie sich alle entgegenstellten, sein Heer ebenfalls in Schlachtordnung. Da aber die Feinde den Stand der Dinge gewahr wurden und sich auf die Flucht begaben, so befahl er Denen welche dazu beordert waren nachzusetzen; er selbst folgte mit den Uebrigen, wie er es zweckmäßig fand. Da wurden auch Wagen erbeutet: von einigen waren die Wagenlenker gestürzt, theils bei'm Umwenden theils durch andere Unfälle: andere wurden von den Reitern abgeschnitten und gefangen. Sie tödteten auch Viele, unter Andern auch Den welcher auf Gadatas eingehauen hatte. Von dem Assyrischen Fußvolk, das die Festung des Gadatas belagerte, flüchtete 166 ein Theil in die von Gadatas abgefallene Festung: die Andern entkamen in eine große Stadt des Assyriers, wohin auch der Assyrier selbst mit seinen Wagen und Rossen flüchtete.

Nach dieser That zog sich Kyrus in das Gebiet des Gadatas zurück, gab Denen deren Geschäft es war Befehl für die Gefangenen zu sorgen, und besuchte sogleich den Gadatas, um zu sehen wie er sich auf seine Wunde befinde. Gadatas kam ihm bereits verbunden entgegen. Kyrus war über seinen Anblick erfreut und sprach: »ich komme zu dir, um zu sehen wie du dich befindest.« – »Und ich,« erwiderte Gadatas, »komme bei den Göttern, um nur wieder zu sehen wie du aussiehst, der du einen solchen Geist besitzest; ich weiß nicht, wozu du gegenwärtig meiner bedarfst; du hast mir Dieß nicht versprochen, hast für dich nicht die mindeste Wohlthat von mir empfangen; und dennoch, blos weil ich deinen Freunden von einigem Nutzen gewesen bin, kamst du mir so bereitwillig zu Hülfe daß ich, während ich allein stehend verloren gewesen wäre, durch dich gerettet bin. Bei den Göttern, Kyrus, wäre ich, wie ich ursprünglich geboren bin, und hätte Kinder gezeugt, ich weiß nicht ob ich je einen Sohn bekommen hätte der so gegen mich gesinnt wäre. Denn ich kenne viele Söhne, unter Andern auch den gegenwärtigen König von Assyrien, der seinem Vater schon weit mehr zu Leide gethan hat als er dir jetzt thun kann.«

Kyrus erwiderte: »Gadatas, wahrlich du übersiehst durch die Verwunderung über mich ein weit größeres Wunder.« – »Und welches ist dieses?« fragte Gadatas. – »Daß so viele Perser, Meder und Hyrkanier, alle anwesenden Armenier, Saker und Kadusier sich für dich bemüht haben.« Da betete Gadatas: »Mögen, o Zeus, die Götter diesen Allen reichen Segen schenken, den reichsten aber Dem der diese so gestimmt hat. Um nun auch diese Leute, die du lobst, Kyrus, anständig zu bewirthen, so nimm diese Gastgeschenke, wie ich sie vermag.« Mit diesen Worten ließ er alles Mögliche herbeischaffen, so daß wer wollte auch opfern konnte, und das ganze Heer, würdig seiner schönen Thaten und glücklichen Erfolge, bewirthet wurde.

Der Kadusier deckte den Nachzug und hatte keinen Antheil an dem 167 Nachsetzen. Um nun auch seinerseits eine glänzende That zu verrichten machte er, ohne dem Kyrus seinen Plan mitzutheilen oder etwas davon zu sagen, einen Streifzug in das Gebiet von Babylon. Während aber seine Reiter zerstreut waren rückte der Assyrier aus seiner Stadt, in die er sich geflüchtet hatte, aus, und erschien an der Spitze seines recht gut geordneten Heeres. Und als er bemerkte daß die Kadusier allein seien, grief er sie an und tödtete ihren Anführer nebst vielen Andern. Auch viele Pferde bekam er, und nahm ihnen die Beute welche sie mit sich führten wieder ab. Der Assyrier verfolgte sie so weit als er es für sicher hielt, und kehrte dann um; von den Kadusiern aber kamen die Ersten, die sich retteten, gegen Abend in's Lager.

Als Kyrus den Vorfall erfuhr gieng er den Kadusiern entgegen, nahm die Verwundeten auf und schickte sie zu Gadatas, um sich heilen zu lassen; die Uebrigen brachte er in Zelte und trug Vorsorge daß sie mit Lebensmitteln versehen wurden, unterstützt von einigen edlen Persern; denn bei solchen Gelegenheiten strengen sich gute Menschen gern außergewöhnlich an. Er selbst ließ tiefe Betrübniß blicken: ja als die Uebrigen zur bestimmten Zeit speisten gieng Kyrus noch mit den Dienern und Aerzten herum, um wissentlich Keinen ungepflegt zu lassen: er besuchte sie entweder selbst, oder, wenn es ihm nicht möglich wurde, bestellte er persönlich Leute, um sie zu pflegen. So begaben sie sich dießmal zur Ruhe.

Mit Tagesanbruch ließ Kyrus von den Uebrigen die Führer, die Kadusier aber sämmtlich durch den Herold zusammenrufen, und redete sie folgendermaßen an: »Bundesgenossen, das Unglück das uns betroffen hat ist menschlich; denn daß Menschen fehlen ist, glaube ich, nichts Ungewöhnliches. Doch ist es der Mühe werth von diesem Vorfall einen Vortheil zu ziehen, nämlich zu lernen, vom Ganzen nie eine Mannschaft zu trennen welche schwächer ist als die Macht der Feinde. Ich will damit nicht sagen daß man nicht hie und da mit einer kleinern Abtheilung als der Kadusier diesmal hatte einen nothwendigen Zug machen dürfe; wenn aber Einer ehe er auszieht seinen Plan Dem der die Macht hat Hülfe zu leisten mittheilt, so kann er zwar immerhin getäuscht werden: 168 der Zurückbleibende aber kann auch die Feinde täuschen und ihre Aufmerksamkeit auf eine andere Seite von den Ausgerückten abwenden, er kann die Feinde anderswo beschäftigen und dadurch den Freunden Sicherheit gewähren, und so wird auch der Entfernte von der Hauptmacht nicht getrennt, sondern mit ihr in Verbindung sein. Wer aber auszieht, ohne Mittheilung gemacht zu haben wohin?, dem geht es nicht anders als ob er allein zu Felde zöge. Wir wollen uns aber dafür, so Gott will, in kurzer Zeit an den Feinden rächen. Sobald ihr gefrühstückt habet will ich euch auf den Schauplatz der Begebenheit führen, theils um die Gefallenen zu begraben, theils um den Feinden zu zeigen daß da wo sie gesiegt zu haben glauben Andere, so Gott will, die Oberhand über sie haben; und damit sie selbst die Gegend nicht mit Vergnügen ansehen wo sie unsere Bundesgenossen zusammengehauen haben: rücken sie aber nicht gegen uns aus, so verbrennen wir ihre Dörfer und verheeren ihr Land, damit sie sich nicht bei'm Anblick Dessen was sie uns gethan haben freuen, sondern, wenn sie ihr Unglück gewahr werden, sich betrüben. Ihr Andern geht nun hin und frühstückt: ihr aber, Kadusier, wählt euch zuerst nach eurer Sitte einen Anführer, der mit der Götter und eurer Hülfe für euch sorge, wenn ihr etwas bedürfet; und wenn ihr ihn gewählt und gefrühstückt habt, so schicket ihn zu mir.« Sie thaten Dieses.

Nachdem Kyrus mit dem Heer ausgerückt war und dem von den Kadusiern gewählten Anführer seinen Posten angewiesen hatte, so befahl er ihm seine Abtheilung in seiner Nähe zu führen, um wo möglich die Männer wieder zu ermuthigen. So rückten sie denn aus, und als sie auf den Platz gekommen waren begruben sie die Kadusier und verwüsteten das Land. Hierauf zogen sie, mit Lebensmitteln aus dem feindlichen Lande versehen, wieder in das Gebiet des Gadatas zurück.

Als aber Kyrus erwog daß die zu ihm Abgefallenen, welche in der Nähe von Babylon waren, Mißhandlungen ausgesetzt seien, wenn er nicht immer in der Nähe wäre, so ließ er dem Assyrier durch die Feinde welche er entließ, und noch durch einen eigenen Herold welchen er an ihn sandte, sagen daß er bereit sei Die welche das Land bauen ungekränkt 169 zu lassen, wenn auch er die Arbeiter der zu ihm Abgefallenen in ihrer Arbeit nicht stören wolle. »Du wirst,« ließ er ihm sagen, »wenn du auch kannst, nur Wenige stören (denn das Gebiet der zu mir Abgefallenen ist klein); ich aber kann dir den Anbau eines großen Landstrichs gestatten. Was die Einerntung der Frucht betrifft, so kommt diese, wenn Krieg ist, an den Sieger – ist es aber Friede, natürlich an dich. Sollte jedoch Einer meiner Leute gegen dich, oder Einer der Deinigen gegen mich die Waffen erheben, so wollen wir Beide Diese mit aller Strenge bestrafen.« Mit diesem Auftrag entließ er den Herold. Als die Assyrier dieß vernahmen boten sie Allem auf den König zu bereden auf diesen Vorschlag einzugehen und vom Krieg so wenig als möglich übrig zu lassen; und wirklich gab der Assyrier, sei es auf Zureden des Stammesgenossen oder aus eigener Bewegung, seine Einstimmung dazu, und es wurde ein Vertrag geschlossen, daß Die welche das Land bauen Friede, Die welche die Waffen tragen Krieg haben sollten. Dieß brachte Kyrus in Betreff Derer die das Land bauten zu Stande. Die waidenden Heerden hieß er seine Freunde, wenn sie wollten, in dem in ihrer Gewalt befindlichen Lande in Sicherheit bringen, bei den Feinden aber holten sie Beute wo sie konnten, um den Bundesgenossen den Feldzug angenehmer zu machen. Denn die Gefahren sind dieselben, wenn man auch die Lebensmittel nicht nimmt: den Unterhalt aber von den Feinden zu nehmen schien den Feldzug zu erleichtern.

Als Kyrus bereits zum Abzug gerüstet war erschien Gadatas, viele und mannigfaltige Geschenke, wie man sie nur in einem großen Hause hat, herbeibringend und führend, dabei auch viele Pferde, die er seinen Reitern abgenommen hatte, weil er ihnen wegen des Hinterhalts nicht traute. Als er sich näherte sagte er: »Kyrus, Das bringe ich dir, damit du jetzt davon gebrauchest was du bedarfst: glaube aber daß auch alles Andere was ich habe dir gehört. Denn ich habe keinen Abkömmling und werde keinen bekommen, dem ich mein Haus hinterlassen kann; mit meinem Tod muß unser Geschlecht und Name ganz erlöschen; und Das ist mir widerfahren, Kyrus (ich schwöre es dir bei den Göttern, die Alles sehen und hören), ohne daß ich etwas Ungerechtes oder 170 Schändliches gesagt oder gethan habe.« Bei diesen Worten weinte er über sein Schicksal und konnte nicht weiter sprechen. Kyrus bedauerte ihn über sein Unglück und sprach: »die Pferde nehme ich an, denn einerseits kann ich dir nützen, wenn ich sie besser Gesinnten gebe als die wohl waren welche sie jüngst bei dir hatten: andererseits kann ich (was ich schon längst wünschte) die Persische Reiterei früher auf die volle Zahl von zehntausend bringen; die andern Schätze aber nimm wieder mit und behalte sie, bis du mich so reich siehst daß ich an Gegengeschenken von dir nicht übertroffen werde. Giengest du jetzt weg und hättest mir mehr gegeben als du von mir empfängst, bei den Göttern, ich müßte mich ja schämen.« Darauf sagte Gadatas: »so vertraue ich denn dir dieß an (denn ich kenne deine Gesinnung): urtheile du selbst, ob ich im Stande bin es aufzubewahren. Denn so lange wir mit dem Assyrier befreundet waren schien die Besitzung meines Vaters die schönste. In der Nähe der Hauptstadt Babylon genoßen wir alle Vortheile einer großen Stadt; aller Unannehmlichkeiten waren wir, wenn wir uns hieher nach Hause zurückzogen, enthoben. Nun wir ihnen aber feind sind, ist es natürlich daß wir sammt dem ganzen Haus, wenn du hinweg bist, Nachstellungen zu erwarten haben und im Ganzen ein trauriges Leben führen werden, da wir den Feind in der Nähe haben und ihn uns überlegen sehen. Du möchtest nun vielleicht fragen, warum ich Das nicht bedacht habe ehe ich abfiel? Ich antworte: ergrimmt über die Mißhandlung sah meine Seele nicht auf das Sicherste, sondern trug sich immer mit dem Gedanken, ob sich einmal Rache nehmen lasse an dem Feinde der Götter und Menschen, welcher stets haßt, nicht sowohl wenn ihm einer Unrecht thut, sondern wenn er argwöhnt einer sei besser als er. Darum wird er wohl, selbst schlecht, stets Bundesgenossen haben die noch schlechter als er sind. Und sollte wohl auch Einer der besser als er ist sich zeigen, sei ruhig, Kyrus, du brauchst mit diesem wackern Manne nicht zu kämpfen, er wird selbst genug Anschläge machen, bis er den welcher besser als er ist aus dem Weg geräumt hat; mir aber wehe zu thun, das wird er leicht, auch mit seinen schlechten Leuten, in seiner Gewalt haben.«

Dem Kyrus schien diese Rede der Beachtung werth: er sagte 171 daher sogleich: »warum haben wir denn, Gadatas, in deine Festungen keine Besatzungen gelegt, damit sie dir, wenn du dich darein wirfst, zum sicheren Gebrauche vorbehalten bleiben? und warum ziehst du jetzt mit uns zu Felde, damit, wenn die Götter uns ferner, wie jetzt, beistehen, er dich, nicht du ihn zu fürchten habest? Was du nun von deinen Schätzen gerne siehst, oder die Personen deren Umgang dir Freude macht, nimm mit auf die Reise. Du könntest mir, wie ich glaube, sehr nützlich sein: und ich will mich nach Kräften bestreben es dir ebenfalls zu werden.« Als Gadatas Dieß hörte athmete er wieder leichter und fragte: »könnte ich mich wohl noch vorher rüsten, ehe du abziehst? denn ich will auch meine Mutter mit mir nehmen.« – »Allerdings kannst du Das noch,« sprach Kyrus, »denn ich will warten, bis du sagst daß du fertig seiest.« So gieng denn Gadatas hin und legte in Verbindung mit Kyrus in die festen Plätze Besatzungen, und packte Alles was zur vollkommnen Einrichtung eines großen Hauses gehört zusammen. Auch von seinen Angehörigen und Getreuen nahm er Diejenigen mit die ihm angenehm waren, und Viele denen er nicht traute zwang er auch ihre Weiber oder Schwestern mitzunehmen, um sie durch Diese an sich zu fesseln.

Den Gadatas nahm Kyrus sogleich unter seine Umgebung, um sich von ihm die Wege und die Plätze wo es Wasser, Futter und Lebensmittel gab zeigen zu lassen und das Lager immer in fruchtbaren Gegenden schlagen zu können. Da aber Kyrus auf dem Wege die Stadt Babylon erblickte, und die eingeschlagene Straße dicht an der Mauer vorbeizuführen schien, so berief er den Gobryas und Gadatas und fragte, ob es noch einen andern Weg gebe, um nicht ganz nahe an der Mauer vorbeiziehen zu müssen? Gobryas antwortete: »es gibt zwar noch viele Wege, Gebieter, aber ich glaubte, du würdest jetzt absichtlich recht nahe an der Stadt vorbeiziehen, um ihm zu zeigen wie stark und schön dein Heer jetzt ist. Zogest du ja auch, als es kleiner war, dicht an der Mauer hin, so daß er unsere kleine Anzahl sehen konnte. Wenn er sich aber jetzt auch einigermaßen gerüstet hat, gemäß der Erklärung die er dir gab daß er sich zum Kampfe rüsten wolle, so weiß ich, wenn er deine 172 Macht sieht, wird ihm seine Rüstung wieder ganz ungenügend erscheinen.« Kyrus versetzte: »du scheinst dich zu wundern, Gobryas, daß ich damals, als ich mit einem viel kleineren Heere herbeizog, dieß nahe an der Mauer hinführte, nun aber, da ich eine größere Macht habe, dazu nicht geneigt bin. Aber wundere dich nicht: denn hinführen und vorbeiführen ist Zweierlei. Wenn man hinführt, so stellt Jedermann das Heer in die zum Kampf vortheilhafteste Stellung, und wer klug ist, der sieht bei'm Abzug auf die Sicherheit, nicht auf die Schnelligkeit. Wenn man aber vorbeizieht, so ist der Zug der Wagen nothwendig gedehnt, und auch das Uebrige was zum Gepäcke gehört kann nur in lockern, lang gestreckten Reihen marschieren. Dieses Alles muß durch Bewaffnete gedeckt sein, und nirgends darf der Feind bei'm Gepäcke eine bloßgegebene Seite bemerken. Die nothwendige Folge nun eines solchen Zugs ist daß der streitbare Theil dünn und schwach gestellt wird. Wollten nun die Feinde irgendwo aus der Mauer einen Anfall in Masse machen, so würden sie da wo sie angreifen den vorbeiziehenden an Kraft weit überlegen sein. Bei einem lang gedehnten Zug dauert es auch lang bis Hülfe kommt; Die auf der Mauer aber haben nicht weit, um auf die Nahegekommenen loszugehen und sich wieder zurückzuziehen. Ziehen wir dagegen in derselben Entfernung in der wir auch jetzt in gedehntem Zuge marschieren, vorüber, so werden sie unsere Stärke sehen: und durch die den Zug maskierenden Bewaffneten sieht jeder Haufe furchtbar aus. Sollten sie nun gleichwohl einen Angriff auf uns machen, so sehen wir sie lange vorher, so daß wir nicht ungerüstet überfallen werden. Es ist aber wahrscheinlicher, ihr Männer, daß sie gar keinen Versuch machen, wenn sie sich weit von der Mauer entfernen müssen: es wäre denn daß sie glaubten mit ihrer gesammten Macht unserm ganzen Heere überlegen zu sein: denn der Rückzug ist für sie etwas Furchtbares.« Die Anwesenden fanden diese Ansicht richtig, und Gobryas zog dem erhaltenen Befehle gemäß voraus. Während nun das Heer an der Stadt vorbeizog verstärkte Kyrus immer den jedesmal zurückbleibenden Theil, und so hatte er die Stadt bald im Rücken. Als er nun so marschierend in den zum Marsch erforderlichen Tagen an die 173 Grenzen der SyrerSyrer so viel als Assyrer. und Meder, von wo er ausgezogen war, gelangte, so nahm er von den drei Festungen welche die Syrer daselbst hatten die eine, die schwächste, im Sturm; bei den zwei andern brachte Kyrus durch Schrecken, Gadatas durch Ueberredung die Besatzung zur Uebergabe.

5.

Nach diesen Thaten ließ Kyrus dem Kyaxares durch einen Boten sagen, er möchte zum Heer kommen, um sich gemeinschaftlich zu berathen was wegen der genommenen Festungen zu verfügen sei, das Heer zu beschauen, und ihm über das Weitere was nun gethan werden sollte mit seinem Rathe beizustehen. »Sollte er es aber befehlen, so sage, ich wolle zu ihm kommen und bei ihm mein Lager aufschlagen.« Der Abgeordnete nun gieng mit diesem Auftrag ab. Inzwischen befahl Kyrus das Zelt des Assyriers, das die Meder für Kyaxares ausgewählt hatten, auf's Schönste mit aller Zugehör die er hatte auszuschmücken und die beiden Weiber in das Weibergemach des Zeltes zu führen, mit ihnen die Tonkünstlerinnen, welche für Kyaxares ausgewählt worden waren. Dieses geschah auch.

Nachdem der Abgeordnete seinen Antrag an Kyaxares ausgerichtet hatte hielt es dieser für besser daß das Heer an den Grenzen bleibe: denn die Perser, nach welchen Kyrus geschickt hatte, waren angekommen, vierzigtausend Pfeilschützen und Peltasten; und da er fand daß schon Diese dem Medischen Gebiete vielen Schaden zufügen, so schien ihm besser sich Dieser zu entledigen als noch anderes Volk aufzunehmen. Als daher Derjenige welcher das Heer aus Persien hergeführt hatte den Kyaxares, wie es Kyrus befohlen, fragte ob er das Heer bedürfe, und verneinende Antwort erhielt, so brach er auf die Nachricht von Kyrus' Ankunft noch an demselben Tag mit dem Heere auf, um zu ihm zu stoßen.

Des folgenden Tages machte sich Kyaxares mit den zurückgebliebenen Medischen Reitern auf den Weg. Als Kyrus erfuhr daß er sich nähere nahm er die Persischen Reiter, deren Anzahl bereits beträchtlich 174 war, alle Meder und Armenier, die Hyrkanier, und von den übrigen Bundesgenossen die Bestberittenen und Bewaffneten, und zog dem Kyaxares entgegen, um ihm seine Macht zu zeigen. Als aber Kyaxares die zahlreiche und wackere Begleitung des Kyrus erblickte und mit seinem kleinen und unbedeutenden Gefolge in Vergleichung setzte, so fand er darin etwas für sich Entehrendes, und wurde ärgerlich. Und nachdem Kyrus vom Pferde abgestiegen war und ihm entgegentrat, um ihn nach der Sitte zu küssen, so stieg Kyaxares vom Pferd, wandte sich um und weinte, statt ihn zu küssen, vor allen Anwesenden. Hierauf ließ Kyrus alle Uebrigen bei Seite gehen und ausruhen: er nahm den Kyaxares bei der Rechten, führte ihn seitwärts unter einige Palmen, ließ ihm Medische Teppiche auf die Erde legen, setzte sich neben ihn und fragte ihn also: »Sage mir, bei den Göttern, Oheim, warum zürnst du mir? und was siehst du Unangenehmes, daß du so ärgerlich bist?« Da antwortete Kyaxares: »ich, der ich seit Menschengedenken unter meinen Vorfahren nur Könige zähle, von einem königlichen Vater abstamme, und selbst für einen König gelte, ich muß hier sehen wie ich so demüthig und würdelos einherreite, während du durch meine Unterstützung und sonstige Hülfsmittel in aller Größe und Pracht auftrittst. Es ist drückend Dieß von Feinden zu erfahren, aber, bei Gott, noch viel drückender von Denen von welchen man es am wenigsten erwarten sollte. Ich will mich zehnmal lieber unter die Erde vergraben als so entwürdigt auftreten und sehen wie meine Leute mich vernachläßigen und verlachen. Denn ich weiß es wohl daß nicht nur du größer bist als ich, sondern auch meine Unterthanen mächtiger als ich mir entgegentreten und im Stande sind mir eher Schaden zuzufügen als sich von mir zufügen zu lassen.« Bei diesen Worten übermannte ihn das Weinen noch viel mehr, so daß er auch den Kyrus hinrieß daß seine Augen voll Thränen wurden. Nach einer kleinen Weile sprach Kyrus: »Kyaxares, deine Aeußerung ist weder wahr noch dein Urtheil richtig, wenn du glaubst durch meine Anwesenheit seien die Meder in den Stand gesetzt dir Böses zu thun. Daß du gleichwohl erbittert bist, wundert mich nicht: ob du aber mit Recht oder mit Unrecht ihnen böse bist, will ich 175 unentschieden lassen; denn ich weiß, du würdest es nicht gerne hören wenn ich sie vertheidigen würde. Wenn aber ein Herrscher über alle seine Untergebenen erbittert ist, so halte ich dieß für einen großen Fehler; denn nothwendig muß man, wenn man Viele schreckt, sich viele Feinde machen: und wenn man Allen insgesammt zürnt, muß man sie Alle unter einander zum Einverständniß bringen. Aus diesen Gründen, ich muß es dir sagen, habe ich diese nicht ohne mich zu dir entlassen, weil ich fürchtete du möchtest in deiner Leidenschaft Etwas thun das uns Alle betrüben würde. Davor nun bist du, wenn ich hier bin, mit Hülfe der Götter gesichert; daß aber du dich von mir beleidigt glaubst, das ist mir sehr schmerzlich, wenn ich bei allem möglichen Bestreben den Freunden Gutes zu thun dafür angesehen werde als thue ich das Gegentheil davon. Wir wollen aber keine so ungegründete Beschuldigungen aufeinander werfen, sondern wo möglich genau untersuchen worin mein Unrecht besteht. Ich mache den unter Freunden billigsten Vorschlag: findet sich daß ich dir etwas zu Leide gethan habe, so will ich mein Unrecht bekennen; zeigt sich aber daß ich nicht Böses gethan habe noch thun wollte, wirst du dann nicht auch zugestehen von mir nicht beleidigt zu sein?« – »Natürlich,« erwiderte er. – »Wenn sich aber zeigt daß ich dir sogar Gutes gethan und mich bestrebt habe dir möglichst viel Gutes zu erweisen, verdiente ich dann nicht vielmehr Lob als Tadel von dir?« – »Mit Recht,« sagte Kyaxares. – »Wohlan denn,« sprach Kyrus: »laßt uns alle meine Thaten einzeln betrachten. Denn so wird sich am besten zeigen, was daran gut und was schlecht ist. Wir wollen bei der Zeit wo ich den Oberbefehl übernahm anfangen, wenn dir Dieß hinreichend scheint.«

»Sobald du erfuhrest daß die Feinde in großer Anzahl sich sammeln und gegen dein Land anrücken, so schicktest du sogleich an das Volk der Perser und batest um Unterstützung, und an mich besonders mit der Bitte es zu versuchen die Perser die etwa kämen anzuführen. Ließ ich mich da nicht von dir dazu überreden, erschien ich nicht mit so vielen und tüchtigen Männern als ich sie nur aufbringen konnte?« – »Allerdings kamst du.« – »Sage mir nun zuerst: erkanntest du darin eine 176 Beeinträchtigung oder vielmehr eine Wohlthat gegen dich?« – »Offenbar,« erwiderte Kyaxares, »demzufolge eine Wohlthat.« – »Als sodann die Feinde kamen und wir mit ihnen kämpfen mußten, bemerktest du da daß ich mich einer Anstrengung entzog oder eine Gefahr mied?« – »Nein, bei'm Zeus.« – »Ferner, als der Sieg mit Hülfe der Götter unser wurde und die Feinde sich zurückzogen, als ich dich da aufforderte sie gemeinschaftlich zu verfolgen und gemeinschaftlich zu rächen und die Vortheile gemeinschaftlich zu genießen, kannst du mir hierin Habsucht vorwerfen?« Auf Dieses schwieg Kyaxares.

Kyrus fuhr fort: »Da du hierauf lieber schweigst als antwortest, so sage mir ob du dich dadurch beleidigt glaubtest weil ich, da du das Nachsetzen nicht für sicher hieltest, dich selbst an dieser Gefahr nicht Theil nehmen ließ, sondern dich bat mir einige deiner Reiter mitzugeben? Denn wenn auch diese Bitte unrecht war, besonders da ich dir vorher als Bundesgenosse gedient hatte, so mußst du darüber den Beweis führen.« Als Kyaxares auch hierauf schwieg fuhr Kyrus fort: »wenn du mir auch hierauf keine Antwort geben willst, so sage mir denn, ob ich dich dadurch beleidigt habe daß ich auf deine Antwort, du wollest nicht, weil du die Meder guter Dinge sahest und sie nicht davon abrufen und schon wieder zwingen wolltest sich in Gefahr zu begeben – findest du darin etwas Anstößiges daß ich, statt dir böse zu werden, dich darauf wieder um Etwas bat das zu gewähren dich, wie ich wußte, am wenigsten kostete, und das den Medern zu befehlen am leichtesten war, nämlich mir Diejenigen mitzugeben welche mir freiwillig folgten? Mit der Gewährung dieser Bitte nun war mir noch Nichts gegeben, wenn ich Diese nicht überredet hätte. Ich gieng daher hin und redete ihnen zu, und Diejenigen welche ich überredet habe nahm ich mit deiner Erlaubniß mit. Wenn du Dieß für tadelnswerth hältst, so kann man, wie es scheint, von Dir selbst Das was du gibst, nicht tadelfrei annehmen. So zogen wir denn aus. Von da an, welche unserer Thaten ist nicht allgemein bekannt? Wurde nicht das feindliche Lager erobert? Sind nicht Viele von Denen welche dich angegriffen haben gefallen? Ja, von den lebenden Feinden sind viele der Waffen, viele der Pferde 177 beraubt worden. Die Schätze Derer welche früher dein Gebiet plünderten siehst du jetzt in der Hand deiner Freunde, welche sie theils dir theils deinen Untergebenen zuführen. Das Größte und Schönste aber ist: du siehst dein Land vergrößert, das feindliche verkleinert, die Burgen der Feinde besetzt, die deinigen aber, welche früher mit in den Bereich der Gewalt der Syrer gezogen waren, dir nun wieder zugefallen. Daß ich nun Willens sei mich belehren zu lassen ob irgend etwas von Diesem für dich ein Nachtheil oder ein Vortheil sei, wüßte ich nicht zu sagen; doch hindert nichts es wenigstens anzuhören; so sage du denn was du darüber denkst.«

Nachdem Kyrus geendigt hatte erwiderte Kyaxares darauf Folgendes: »Freilich, Kyrus, kann ich Das was du gethan hast auf keinerlei Weise böse nennen; aber Das mußt du wissen daß dieses Gute von der Art ist daß es mir desto lästiger ist je größer es scheint. Denn lieber wollte ich dein Land durch meine Macht vergrößern als das meinige durch dich auf diese Art vergrößert sehen. Denn dir bringt Das Ruhm, mir aber bringt es ich weiß nicht wie Unehre. Auch Schätze würde ich unter solchen Umständen nach meinem Gefühl dir lieber schenken als so wie du sie mir jetzt gibst empfangen. Denn während ich damit von dir bereichert werde fühle ich nur um so mehr um was ich ärmer werde. Es würde mich ferner weniger betrüben meine Unterthanen von dir ein wenig beeinträchtigt, als jetzt mit so großen Wohlthaten überhäuft zu sehen. Wenn dir diese Denkart unerkenntlich scheint, so denke dich einmal in meine Lage und betrachte dann wie es dir erscheint. Wenn Jemand Hunde die du zu deiner und deines Hauses Bewachung hältst so zu behandeln wüßte daß sie vertrauter mit ihm als mit dir würden, würde er dich durch eine solche Behandlung erfreuen? Oder wenn dir Dieß zu geringfügig scheint, so bedenke Das: wenn Jemand deine Diener, welche du zum Dienste in Festungen und im Felde besitzest, so zu stimmen wüßte daß sie lieber ihm als dir angehören möchten, würdest du ihm für diese Wohlthat Dank wissen? Ferner (um auf Etwas zu kommen das die Menschen am meisten lieben und mit der zartesten Sorge pflegen): wenn Jemand dein Weib so 178 gewinnen würde daß er machte daß sie ihn mehr liebte als dich, würde er dich durch diese Wohlthat erfreuen? Ich bin gewiß, Dieß würde so gar nicht der Fall sein daß wer dieß thäte den gröbsten Eingriff in deine Rechte machen würde. Um aber auch etwas meinem Falle am meisten Aehnliches anzuführen: wenn Jemand die Perser die du mitbrachtest so gewinnen würde daß sie ihm lieber folgten als dir, hieltest du Den für deinen Freund? Ich glaube wohl nicht; du hieltest ihn vielmehr für einen größern Feind als wenn er Viele derselben tödtete. Ferner wenn einer deiner Freunde, zu welchem du freundschaftlich sagtest: »»nimm von dem Meinen so viel du willst,«« auf diese Rede hingienge und nähme so viel er nur könnte und sich mit dem Deinen bereicherte, während dir nicht einmal ein mäßiges Vermögen zur Verfügung übrig bliebe, könntest du einen Solchen für einen tadellosen Freund halten? Im gegenwärtigen Falle nun, Kyrus, glaube ich, wo nicht Dieß, doch etwas Aehnliches von dir erfahren zu haben. Es ist wahr was du sagst: du nahmst, auf meine Erlaubniß die Freiwilligen mitzunehmen, meine ganze Macht und ließest mich allein. Und nun bringst du mir was du mit meiner Macht genommen hast, und vergrößerst mein Gebiet mit deiner Macht; ich aber muß mich dafür ansehen lassen daß ich mir, ohne an dem Glücke thätigen Antheil zu haben, wie ein Weib Wohlthaten erweisen lasse, und anderen Leuten und diesen meinen Unterthanen hier erscheinst du als ein Mann, ich als der Herrschaft unwürdig. Hältst du nun Dieß für Wohlthaten, Kyrus? Wisse, wärest du für mich besorgt gewesen, Nichts hättest du dich so sehr gehütet mir zu rauben als Ansehen und Ehre. Denn was hilft es mir wenn mein Land erweitert, ich aber entwürdigt werde? Denn ich herrschte nicht über die Meder, weil ich besser als sie Alle bin, sondern vielmehr darum weil eben sie es für nothwendig halten daß wir in Allem besser seien als sie.«

Kyrus unterbrach ihn, und sprach: »ich bitte dich, bei den Göttern, Oheim, wenn ich dir früher einen Gefallen erwiesen habe, so gewähre mir nun auch meine Bitte. Höre für jetzt auf mir Vorwürfe zu machen, und wenn du unsere Gesinnungen gegen dich erprobt hast und findest daß meine Thaten zu deinem Vortheil verrichtet wurden, so 179 umarme mich mit derselben Zärtlichkeit wie ich dich und halte mich für deinen Wohlthäter: findest du aber das Gegentheil, dann mache mir Vorwürfe.« – »Vielleicht,« erwiderte Kyaxares, »hast du doch Recht; drum will ich es so machen.« – »Nun,« sagte Kyrus, »darf ich dich auch küssen?« – »Wenn du willst,« versetzte Kyaxares. – »Wirst du dich nicht mehr von mir wegwenden, wie kürzlich?« – »Nein.« – Da küßte er ihn.

Dieser Anblick verbreitete unter den Medern, Persern und vielen Andern (denn Allen war daran gelegen was daraus werden würde) Freude und Heiterkeit. Kyaxares und Kyrus bestiegen die Pferde und ritten voran: dem Kyaxares folgten die Meder (denn so hatte ihnen Kyrus durch einen Wink zu verstehen gegeben), dem Kyrus die Perser und dann die Uebrigen.

Nachdem sie in das Lager gekommen und den Kyaxares in das ausgerüstete Zelt geführt hatten, so reichten Die welche dazu bestellt waren dem Kyaxares die nöthigen Bequemlichkeiten, die Meder aber traten in der freien Zeit welche Kyaxares vor der Mahlzeit hatte zu ihm, theils aus eignem Antrieb, die Meisten aber auf Kyrus' Geheiß, und brachten ihm Geschenke: Der einen schönen Mundschenken, Der einen guten Koch, Der einen Bäcker, Der einen Tonkünstler, Andere Becher, Andere ein schönes Kleid; und beinahe Jeder schenkte ihm Etwas von Dem was ihm zugefallen war: so daß Kyaxares überzeugt wurde daß weder Kyrus sie von ihm abwendig gemacht habe, noch daß die Meder ihm weniger Aufmerksamkeit schenken als zuvor.

Als es Essenszeit war ließ Kyaxares den Kyrus, weil er ihn nach langer Abwesenheit wieder gesehen hatte, zur Tafel laden. Kyrus erwiderte: »verlange Das nicht von mir, lieber Kyaxares: oder siehst du nicht daß die hier anwesenden Leute alle von uns hieher gerufen sind? Es wäre daher nicht schön gehandelt wenn ich sie vernachläßigte und meinem Vergnügen nachgienge. Wenn die Soldaten sich vernachläßigt glauben, so werden die Guten viel muthloser, die Schlechten viel frecher. Du speise nun besonders, da du weit herkommst; und wenn Einige dir Ehrenbezeugungen darbringen, so behandle sie dafür freundlich und ziehe 180 sie zu Tische, damit sie auch Zutrauen zu dir bekommen. Ich will mich nun dem genannten Geschäfte widmen; morgen früh aber werden die Befehlshaber vor deiner Pforte erscheinen, damit wir Alle mit dir Maßregeln für die Zukunft treffen. Lege du uns die Frage zur Berathung vor, ob wir den Feldzug fortsetzen wollen oder ob es Zeit sei das Heer zu entlassen.« Kyaxares hielt darauf Mahlzeit, Kyrus aber versammelte Diejenigen seiner Freunde welche sich durch Einsicht und Brauchbarkeit zu vorkommenden Geschäften auszeichneten, und sprach also: »Liebe Männer, um was wir zuerst gebeten haben, das haben wir mit Hülfe der Götter. Denn wohin wir ziehen mögen sind wir Herren des Landes, und die Feinde sehen wir weniger, uns selbst aber zahlreicher und stärker werden. Wollten nun die jetzt zu uns gestoßenen Bundesgenossen ferner bei uns bleiben, so könnten wir, sei's auf dem Wege der Gewalt oder der Unterhandlung, viel mehr ausrichten. Recht viele der Bundesgenossen nun zum Bleiben zu stimmen ist ebensowohl eure als meine Sache. Wie aber im Kampfe Derjenige welcher die Meisten besiegt hat als der Stärkste gerühmt wird, so gilt auch wenn es sich um Ueberredung handelt Der welcher die Meisten für unsere Ansicht gewinnt mit Recht für den im Reden und Handeln Gewandtesten. Denket daher nicht darauf wie ihr, als hättet ihr eine Prunkrede vor uns zu halten, zu einem Jeden von ihnen sprechen wollet, sondern darauf arbeitet hin daß die von einem Jeden Ueberredeten durch ihre Handlungen zu erkennen seien. Ihr nun sorget dafür: ich will nach Kräften dafür sorgen daß die Soldaten, mit allem Nöthigen versehen, sich nur über den Feldzug zu berathen haben.«

 


 


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