Ernst von Wolzogen
Der Thronfolger - Erster Band
Ernst von Wolzogen

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Zweites Kapitel.

Näheres über den Stern und seine Umwelt. Hans Jochen wird ausgeholt und der Thronfolger bekennt Farbe.

Die Treysas wohnten vorläufig noch im Hotel, da sie sich nach keiner Richtung hin binden wollten. Gefiel es ihrer Tochter nicht bei Hofe, fanden die möglichen Epouseurs keine Gnade vor ihren Augen, so gedachten sie nach wenigen Wochen der Residenz wieder den Rücken zu kehren. Sollte sich dagegen Melanie so gefesselt fühlen, daß ein längerer Aufenthalt ihr angenehm und nutzbringend erschien, so wollten sie eine möblierte Wohnung beziehen, wie sie in der Residenz fast stets saisonweise zu vermieten waren. Das weitläufig gebaute alte Hotel »Zum Europäischen Hof« war zwar das teuerste und vornehmste der Stadt, ließ aber doch in seinen Einrichtungen gar manche Bequemlichkeiten neueren Stils vermissen, besonders was die Möblierung der sogenannten Salons betraf, deren Sofas, Fauteuils, Konsolenspiegel, Vertikos u. s. w. meist noch aus jener stil- und geschmacklosen Mahagoniepoche stammten, welche bei uns in Deutschland erst durch den Aufschwung des Kunstgewerbes nach 1870 langsam zu Ende ging.

Dem alten General von Treysa war es nun zwar höchst gleichgültig, ob er sein Nachmittagsschläfchen auf einem Renaissance-, Rokoko- oder sonstwie stilisierten Sofa abhielt; aber daß in den drei Zimmern, die er im Europäischen Hof inne hatte, kein einziges Lotterbett zu finden war, auf dem er sich ordentlich auszustrecken vermochte, das ärgerte ihn denn doch gewaltig. Und noch weit mehr ärgerte es ihn, daß er hier schier den ganzen Tag anständig angezogen bleiben mußte, während er daheim auf Treysa stets in unendlich weiten Beinkleidern von hellem Lodenstoff und eben solchen, zum Teil uralten Joppen einherging und selbstverständlich den Gebrauch all der modernen Marterinstrumente, gesteifter Kragen, Manschetten und Oberhemden mit Entrüstung von sich wies. Er war es gewohnt, den lieben langen Tag die Pfeife oder die leichte Zigarre – das Stück zu fünf Pfennig – nicht ausgehen zu lassen. Hier war es ihm mit Rücksicht auf seine Damen wie auf die etwaigen Besucher streng verboten, im Salon, welcher Empfangszimmer, Boudoir und Schreibzimmer zusammen war, mehr als höchstens zwei Zigarren den Tag über zu rauchen, und zwar mußte das Aroma dieser Zigarren sich auch erst das Placet von Melanies empfindlicher Nase eingeholt haben. Das Schlimmste aber war, daß er hier die Gesellschaft seiner Hunde entbehren mußte, welche auf Schloß Treysa beständig um ihn waren und in seinem Zimmer sogar das behagliche alte Kanapee mit ihm teilen durften. Auch das Jagdwägelchen mit den beiden braunen Wallachen, in welchem er tagtäglich Frau, Tochter und auch wohl die Herren Hunde spazieren zu fahren pflegte, vermißte er schmerzlichst. Kein Wunder, wenn der alte Herr schon nach wenigen Tagen ihres Aufenthaltes den Europäischen wie den Großherzoglichen Hof auf das innigste verwünschte und seine saure Vaterpflicht mit sehr schlecht verhohlenem Mißvergnügen erfüllte.

Unter diesen Umständen empfand er es natürlich um so schmerzlicher, daß seine Gemahlin gleich nach ihrer Ankunft in der Residenz zu kränkeln begonnen hatte und durch hartnäckige Erkältungszustände ans Zimmer gefesselt blieb, so daß er genötigt war, die wichtigsten Besuche mit seiner Tochter allein zu machen und überhaupt den ganzen Tag, ja oft sogar die halben Nächte seinem reizenden Kinde zur Verfügung zu stellen. Er liebte Melanie zärtlichst und gab sich die größtmögliche Mühe, ihr kein Vergnügen zu versagen oder durch seine greisenhafte Grämlichkeit zu verleiden; dafür suchte er sich aber schadlos zu halten, indem er jeden dienstfreien einsamen Augenblick zu höchst erbaulichen Selbstgesprächen benutzte, welche in einer unzusammenhängenden Reihe von kräftigen Soldatenflüchen und geheimnisvollen Grunzlauten bestanden. Proben dieser Art konnte auch mancher Residenzler zu hören bekommen, der dem alten Herrn bei seinen frühen Spaziergängen im Parke begegnete. Ach, und wie lange konnte die Qual der Entbehrung aller seiner Daseinsfreuden noch dauern! Der außerordentlich herzliche Empfang, der Melanie seitens des gesamten Hofes zu teil geworden war, die glänzende Rolle, die sie gleich bei dem ersten Balle spielte, der sich an jenes Neujahrskonzert angeschlossen, waren dem jungen Mädchen doch zu Kopfe gestiegen und hatten den lebhaftesten Durst in ihr erweckt, den goldnen Freudenbecher bis auf den Grund zu leeren, daraus der erste Schluck ihr gar so köstlich gemundet hatte.

Am Morgen nach dem Balle blieb Melanie bis elf Uhr im Bette liegen. Während sie bei ihrer Toilette war, beratschlagten ihre Eltern im Salon, ob man nun nicht sogleich dem ungemütlichen Hotelleben ein Ende machen und sich irgendwie häuslich einrichten sollte. Die Generalin fühlte sich heute etwas besser und hatte sich in der Erwartung, daß sehr wahrscheinlich manche der jüngeren Herren, die gestern mit Melanie getanzt hatten, ihnen ihren Besuch abstatten würden, dazu aufgerafft, ein gesellschaftsfähiges Gewand anzulegen. Sie bedauerte ungemein, den Triumph ihrer Tochter nicht miterlebt zu haben, und war wenig zufrieden mit dem Bericht des Gemahls, der gerade in Bezug auf den wesentlichsten Punkt, den Eindruck, den Melanie auf die junge Welt gemacht hatte, äußerst unvollkommen ausfiel. Dafür hatte aber auch das Kind trotz aller eignen Müdigkeit noch gestern in später Nacht der Mutter erzählt, was ihm das Wichtigste dünkte: die Begrüßung mit dem Jugendfreunde und die bezaubernde Galanterie des Erbgroßherzogs. Und heute früh hatte die Mutter lange vor dem Bett der tiefschlafenden Tochter gestanden und in dem durch die roten Vorhänge abgedämpften Morgenlicht voll zärtlicher Bewunderung das liebliche Lächeln beobachtet, das gleich dem Wiederschein eines glänzenden Traumglückes über Melanies weiche Züge huschte.

Die Generalin von Treysa war fünfundzwanzig Jahre jünger als ihr Gatte, dessen dritte Frau sie war. Er hatte sie in Paris kennen gelernt, wo sie als Tochter des hannoverschen Gesandten am kaiserlichen Hofe die letzten Maientage ihrer Jugend mit vollen Zügen genoß. Sie hatte die Bewerbung des hohen Fünfzigers – Herr von Treysa war auch damals schon General und befand sich in diplomatischer Sendung in Paris – sie hatte diese seltsame Bewerbung angenommen, weil sie als eine der zahlreichen Töchter nur mäßig begüterter Eltern, und überdies schon am Ausgang der Jugend befindlich, nicht darauf zählen durfte, innerhalb der glänzenden internationalen Gesellschaft des napoleonischen Hofes einen Freier zu finden. Und obwohl von ihrer Seite aus nur auf Grund vernünftiger Ueberlegung und ehrlicher Hochachtung eingegangen, schlug diese ungleiche Ehe dennoch zu beider Glück aus, wie es denn überhaupt für eine Frau von nicht gerade ausschweifenden Ansprüchen kaum möglich war, mit diesem Manne unglücklich zu werden. Er hatte seine beiden ersten Frauen, wie alle Welt sagte, auf Händen getragen und trug ebenso auch seine dritte, die kluge, gewandte, stets harmlos heitere Pariserin auf Händen. Er stand so sicher und fest in seiner charaktervollen Abgeschlossenheit da, daß keine Frau es wagte, ihm mit all dem Kleinkram weiblicher Laune lästig zu fallen, von dem das Glück der meisten Ehen abzuhängen pflegt, und er blieb, was immer ihm persönlich quer gehen mochte, seiner Frau gegenüber der Kavalier der alten Schule, der auch in der Vertraulichkeit des häuslichen Lebens immer jene zarten Schranken zu achten weiß, welche die feine Sitte gegen ein gefährliches Sichgehenlassen aufrichtet. In den ersten Jahren ihrer Ehe waren sie noch viel miteinander gereist und hatten genug des Interessanten gesehen und erlebt, um auf lange hinaus von Erinnerungen zehren zu können. Inzwischen näherte sie sich den Vierzig, er hatte die Sechzig überschritten – und so freuten sich beide wunschlos ihres schönen Ruhesitzes droben im Waldgebirge. In den Kriegen von 1866 und 70/71 wurden dem Gatten seine drei Söhne aus den beiden ersten Ehen entrissen. Der stumm getragene Schmerz machte ihn zum Greise – aber das reiche Gemüt seiner Gattin entfaltete erst jetzt die schönsten Blüten der Liebe, und er war, trotzdem sein Denken etwas wirr zu werden begann, doch noch im stande, diesen Blütenduft voll Dankbarkeit zu genießen. Freilich ward ihr Verhältnis zu ihm immer mehr das einer treuen Tochter, die ihren greisen Vater pflegt, aber im Besitze ihres herrlich aufblühenden Kindes vermißte sie nichts und blieb durchaus mit dem Lose, das sie gezogen, zufrieden. Heute morgen war sie zum erstenmal beim Anblick der schlafenden Tochter eine gewisse Wehmut überkommen, und sie hatte thronenden Auges ein stummes Gebet zum Himmel gerichtet, daß diesem schönen Kinde das Recht der Jugend ungeschmälert zu teil werden möge.

Während die Eltern noch miteinander berieten, wurde Baron Kospoth angemeldet. Sie hießen ihn mit Freuden willkommen und empfingen ihn mit einem gelinden Vorwurf darüber, daß er sich nicht schon früher habe blicken lassen, wogegen er einwandte, daß er thatsächlich schon einmal habe vorsprechen wollen, dann aber doch nicht heraufgekommen sei, weil ihm schon unten gesagt worden, daß der General ausgegangen und die gnädige Frau unwohl sei.

»Ja, aber warum haben Sie sich da nicht bei Melanie melden lassen, lieber Hans Jochen?« sprach die Generalin.

Kospoth machte sich mit dem Ausziehen seiner Handschuhe zu thun, um eine leichte Verlegenheit zu verbergen. »Ja, das . . . traute ich mich nicht! Hat Ihnen Fräulein Melanie nicht gesagt, daß wir damals als bitterböse Feinde auseinander gegangen sind?«

»Mein Gott! Das sind Kinderthorheiten. Melanie behauptete schon damals, als sie aus Dresden zurückkam, Sie waren ein gräßlicher alter Schulmeister.«

»Ich fürchte, sie hat recht gehabt,« fiel der junge Baron mit einem komischen Seufzer ein. »Gestern, als ich sie bei Hofe wiedersah, alles bezaubernd durch ihre Schönheit, ihre Anmut und Liebenswürdigkeit, da bin ich mir in meiner Eigenschaft als Weltverbesserer recht lächerlich vorgekommen. Ich wüßte wirklich kaum, wofür ich die Gesellschaft dieses Jahrhunderts noch zur Rechenschaft ziehen sollte, da sie doch im stande gewesen ist, ein solches Meisterstück hervorzubringen.«

Er hatte kaum das letzte Wort gesprochen, als das gedachte Meisterstück in eigner Person zur Thür hereintrat. Sie hatte ein einfaches, aber außerordentlich gut sitzendes Straßenkleid angelegt und sah nach ihrem gesunden Morgenschlaf ungemein frisch und rosig aus.

»Hna, ausgeschlafen?« rief ihr der alte Vater zu und erhob sich rasch von seinem Stuhl, um sie in seine Arme zu schließen und auf die Stirn zu küssen. Er war auch der Tochter gegenüber ganz der alte Kavalier. Dann strich er ihr mit seiner großen zitternden Hand über das wellige dunkle Haar und sagte munter: »Ich hoffe, Kind, du hast erst ein bißchen an der Thür gehorcht und so weiter. Der Dingda – mwa! – der Hans Jochen hat dich da eben durch ein eichenes Brett durch . . . hmummummumm! Na! . . . flattiert. Nu wie war's doch gleich?«

»Ich will nichts wissen,« rief Melanie und hielt sich die Ohren zu. »Ich weiß ja, was Herr Baron von Kospoth von mir hält. Wenn er jetzt anders spricht, dann wird er wohl als Hofmann das Lügen gelernt haben.«

»Ich ein Hofmann?! Das ist wirklich gut,« lachte Kospoth, indem er ihr mit ausgestreckter Hand entgegentrat.

»Nun dann also: Freund des Fürsten! Ist es so recht, mein Herr Marquis Posa?« entgegnete Melanie mit einer tiefen, neckischen Verbeugung, ohne in die dargebotene Hand einzuschlagen.

»Laß doch die Possen, Kind!« mahnte die Generalin freundlich. »Ihr habt euch ja fast drei Jahre nicht gesehen, da solltest du doch unsern lieben Hans Jochen ein wenig anders begrüßen.«

»Sind Sie denn wirklich so unversöhnlich, mein gnädiges Fräulein?« begann Kospoth lächelnd.

Doch die Mama unterbrach ihn sogleich wieder durch den erstaunten Ausruf: »Sie? Gnädiges Fräulein?! Oh, oh! Was soll denn das heißen?«

»Mama, wir sollen uns doch wohl nicht duzen?« rief Melanie fast erschrocken, und auch Hans Jochen meinte verlegen, das ginge wohl kaum mehr an.

Den alten General ärgerte dieser Redensartenaustausch zwischen den jungen Leuten, und er fuhr kurz und grob dazwischen: »Ssst! Ruhig! Ihr seid schrecklich langweilig . . . mwa! Nennt euch meinetwegen Dingda . . . Excellenz, wenn's euch Spaß macht. Sagen Sie uns lieber, was Sie über sich beschlossen haben, Kospoth. Ihr Herr Papa hat mir erzählt, Sie wären der reine Dingsda, na . . . die roten Mützen!«

»Jakobiner?« riet der junge Mann.

»Richtig, die Kanaillen mein' ich. Pardon!« polterte der alte General, denn es regte ihn immer auf, wenn er ein Wort nicht finden konnte. »An den Hof paßten Sie jedenfalls gar nicht.«

»Da hat Papa vollkommen recht. Der Erbgroßherzog macht es mir zwar sehr schwer – denn ich glaube, ich bin ihm wirklich wert geworden auf der Reise – aber ich glaube, ich werde es dennoch höchstens noch acht Tage hier aushalten und dann, wenn es nicht anders geht, bei Nacht und Nebel desertieren.«

»Wie unvorsichtig, Herr von Kospoth!« rief Melanie, indem sie den forschenden Blick, den er auf sie richtete, lächelnd aushielt. »Sie wissen doch, daß ich für Sie verantwortlich bin. Glauben Sie wirklich, daß ich meinen Kopf für Sie wagen könnte?«

»Nein, das wagt mein Kopf allerdings nicht zu glauben,« gab er mit einem ironischen Seufzer zurück. »Aber ich bin ja auch haftbar für Sie. Wenn Sie eher davonfliegen, als es Seiner Königlichen Hoheit lieb ist, so muß ich statt Ihrer erblassen – wie Schiller sagt.«

»Ach ja, das haben wir gehabt,« rief Melanie im Schulmädchenton. Und dann wieder ganz als große Dame: »Lieber Baron, Sie sind frei! Es gefällt mir hier sehr gut, und ich kann Ihnen daher auf Taille schwören, daß ich nicht daran denke, Sie in Ungelegenheiten zu bringen. Papa hat mir schon heute nacht beim Nachhausefahren versprechen müssen, daß wir bis Ende der Saison hier bleiben.«

Der alte General brummte irgend etwas Chaldäisches in seinen Bart, und auch seine Gemahlin hielt eine kleine Rede, deren Sinn Hans Joachim nicht zu fassen vermochte, da seine Gedanken inzwischen ganz wo anders waren. Er dachte zurück an das dralle kleine Mädchen, zu dem er sich einst mit onkelhaftem Wohlwollen hinabgeneigt hatte, und dann an den so klugen und unbefangenen Backfisch, den mit seiner neugebackenen Weisheit zu füttern dem jungen Studenten eine so angenehme Ferienbeschäftigung gewährt hatte, und endlich gedachte er auch des sechzehnjährigen Fräuleins im eben noch fußfreien Gewande, mit dem er über Gott und Unsterblichkeit philosophiert und dessen Ungnade er sich vornehmlich dadurch zugezogen hatte, daß er über alle Kennzeichen feinen Damentums verächtlich absprach. Er hatte Melanie von Treysa in lauter Fröhlichkeit, in hellem Zorn, ja selbst in Thränen echten Schmerzes gesehen, aber doch immer voll echter, einfacher Empfindung; dieser leichte Salonton, aus Ernst und Scherz, aus Bosheit und Artigkeit gemischt, der ihm von jeher so unangenehm gewesen war, befremdete ihn an ihr. Sollte er vielleicht das Ergebnis der berühmten Dresdener Pensionserziehung sein, der letzte finish der ladylikeness? Dann war sie ja allerdings bei Hofe ganz an ihrem Platze, und er durfte sich leichten Herzens davonmachen.

Und doch war ihm das Herz so groß geworden, als er sie gestern in ihrer strahlenden Schönheit wieder gesehen – und doch wurde ihm jetzt das Herz immer schwerer mit jedem scherzenden Worte, das sie sprach. Er hatte schon, wie er vermutete, auf einige Fragen der Eltern wenig zutreffende Antworten gegeben. Erst eine Frage Melanies brachte ihn wieder ganz zu sich.

»Sie laufen doch Schlittschuh?« wandte sie sich an ihn.

»Ich denke, ich werde es noch können, allerdings ohne besondre Grazie, fürchte ich. Gedenken Sie . . .«

»Ja, ich habe dem Erbgroßherzog versprochen, heute um zwölf Uhr aufs Eis zu kommen.«

»Ah – also Allerhöchster Befehl! Dann müssen Sie sich eilen, mein gnädiges Fräulein. Sie wissen: Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.«

»Danach müßten Erbgroßherzoge mindestens eine Viertelstunde früher kommen,« scherzte sie. »Wollen Sie mich nicht begleiten? Ich bin hier noch nicht auf dem Eise gewesen.«

Er versicherte sie seiner Bereitwilligkeit, und dann ging sie hinaus, um sich anzukleiden.

Es entging Kospoth nicht, daß Frau von Treysa ihrer Tochter mit einem etwas erstaunten Blick nachsah. Ah, also befremdete ihr Wesen auch die Mutter, und es waren also doch wohl die paar Atemzüge von Hofluft, welche so eigentümlich auf Melanie gewirkt hatten.

»Sagen Sie doch,« wandte sich die Generalin an ihn, »Sie sollen ja mit den geheimsten Gedanken des Thronfolgers vertraut sein: Denkt er nicht daran, bald zu heiraten? Er ist doch schon fünfundzwanzig Jahre.«

»Für einen Fürsten allerdings ein sehr reifes Alter,« versetzte er nicht ohne Ironie, »Nun, unter dem Siegel der Verschwiegenheit will ich Ihnen verraten: Er hat mir geschworen, daß er nur aus wahrer Neigung, oder sonst gar nicht heiraten wollte.«

»Ach was, Unsinn! Das sagen die jungen Mädchen auch,« brummte der General dazwischen. »Nichts da! Fürsten heiraten nicht zum Vergnügen und so weiter, sondern . . . hna, Dingsda . . . fürs Vaterland.«

Kospoth strich sich lächelnd über den kurz gehaltenen blonden Vollbart und versetzte: »Sie vergessen, Herr General, daß dieser Prinz zwei Jahre lang mit einem Jakobiner im Orient gereist ist!«

Frau von Treysa drohte ihm lächelnd mit dem Finger. »Es scheint wirklich, Sie wollen uns weismachen, Sie hätten den Prinzen unterwegs zum Freidenker erzogen. O nein, das kann ich von einem Kospoth doch nicht glauben!«

Um Hans Joachims hübschen Mund legte sich ein bitterer Zug, als er mit niedergeschlagenen Augen erwiderte: »Pardon, verehrte Tante Treysa, ich dächte, gerade in Bezug auf den heiligen Ehestand wäre ein gewisses Freidenkertum nicht gerade etwas Unerhörtes. Das könnte ich ja sogar direkt von meinem Herrn Papa geerbt haben!«

Der alte General räusperte sich stark und warf unruhige Blicke auf seine zarte, jetzt eben hustende Gemahlin, als ob er die Fortsetzung dieses Gespräches in ihrer Gegenwart für unstatthaft halte.

Es war ihm sehr recht, daß Melanie in diesem Augenblick zurückkehrte. In ihrer pelzbesetzten Jacke, einem kecken Ottermützchen auf dem Kopfe und der langen Boa von weißen Straußenfedern um den Hals, sah sie mit ihrer Fülle und ihren frischen Farben ganz reizend aus. Das junge Paar nahm rasch Abschied und eilte dann leichten Schrittes die Treppe hinunter, Hans Jochen natürlich als gehorsamer Diener mit Melanies Schlittschuhen unter dem Arm. – –

Sie hatten kaum das Zimmer verlassen, als der alte General mit Kopfschütteln, Herumfuchteln der Hände und sonstigen Symptomen innerer Erregung im Zimmer auf- und abzuschreiten begann und mit grimmig zusammengezogenen Brauen vor sich hin murmelte.

Seine Gattin sah ihm einige Minuten lächelnd zu und trat dann, ihm beruhigend über den Arm streichend, hinter ihn. »Willst du dir nicht eine Zigarre anstecken, mon vieux Fritz?« sagte sie einschmeichelnd.

Die düster gerunzelte Stirn des alten Herrn hellte sich auf. »Wenn's erlaubt ist, meine Gnädigste,« sagte er mit einer höflichen Verbeugung und dann schnitt er mit vieler Umständlichkeit die Spitze von einer seiner guten Zigarren ab, während seine Frau ein Streichholz zum Anzünden bereit hielt.

Sie wußte aus alter Erfahrung, daß sich am besten mit ihm reden ließ, wenn sie ihm erlaubte, in ihrer Gesellschaft zu rauchen. Sobald die ersten Züge des echten Havaneser Dampfes seine Behaglichkeit wieder hergestellt hatten, rückte sie auf einem kleinen diplomatischen Umwege mit ihrem Anliegen heraus. »Ich kann mir wohl denken, was dich so aigriert, lieber Fritz,« begann sie. »Ich muß gestehen, auch mir war es gar nicht angenehm, von den außerordentlichen Avancen zu hören, die der Erbgroßherzog Melanie macht. Seine Galanterie soll manchmal etwas weit geführt haben, wenigstens stand er vor seiner Reise in dem Rufe eines gefährlichen Courmachers. Nicht wahr? Das war es doch, was dich so erregte?«

»Mwa!« rief der alte Herr und sah seiner Gemahlin erstaunt ins Gesicht. »Hmummummumm – versteh' nicht recht . . . Ein Prinz muß seine Amouren haben. Aber natürlich unter den kleinen Grisetten, Actricen, Balletteusen und so weiter. Was geht das uns an? Die Melanie weiß, was sie ihrem Stande und ihrer . . . na, Dingda . . . Erziehung und so weiter schuldig ist.«

»Ja, ich habe ja auch volles Vertrauen zu ihrem Charakter,« versetzte die Generalin. »Es wäre nur nicht zu verwundern, wenn die schmeichelhaften Huldigungen eines Thronfolgers sie ein bißchen eitel machten. Und darum wäre es mir sehr recht, wenn sie bald ein solides Attachement zu einem Herrn unsres Standes faßte. Es würde mich sehr freuen, wenn Hans Jochen sich doch noch entschlösse, hier zu bleiben.«

Jetzt wurde der alte Herr sehr aufmerksam. »Du glaubst wirklich, daß sie für den Kospoth inkliniert?«

»Aber ohne Zweifel!« rief die Generalin fröhlich. »Ihr Wesen vorhin, dieses Necken und Gekränktthun scheint mir ein deutlicher Beweis dafür zu sein, daß sie ihn doch jetzt mit ganz andern Augen ansieht wie früher. Damals hat er ihr durch den Altersunterschied zu fern gestanden, und seine altkluge, gönnerhafte Art hat in ihr auch wohl keine wärmeren Gefühle aufkommen lassen. Aber jetzt steht er ganz anders da, und die sieben Jahre Abstand zwischen ihnen sind gerade das richtige Verhältnis. Ich muß sagen, ich würde mich herzlich freuen, wenn etwas daraus würde. Hans Jochen ist nicht nur ein hübscher, sondern auch ein guter und sehr kluger Mensch. Wir kennen ihn genau von klein auf und wissen, was wir uns von ihm versprechen dürfen. Er soll ja jetzt schon ein ausgezeichneter Gelehrter sein. Seine wissenschaftlichen Arbeiten haben ja Aufsehen erregt. Und dann seine Freundschaft mit dem Erbgroßherzog . . . er macht gewiß glänzende Carriere. Und außerdem, wenn er einmal die Herrschaften Volkramstein und Treysa miteinander vereinigt, dann ist er ja vollends ein großer Standesherr.«

Frau von Treysas Augen glänzten. Sie hatte sehr lebhaft gesprochen; aber zu ihrem Aerger schienen die freundlichen Zukunftsbilder, die ihre Beredsamkeit entwarf, auf den Gemahl durchaus nicht den beabsichtigten Eindruck zu machen. Er wurde vielmehr dabei wieder unruhig wie zuvor, und die weißen Borsten seiner Augenbrauen sträubten sich wiederum gar grimmig. Nach längerem Räuspern und Brummen brachte er endlich seine Sprachorgane in Gang und erwiderte ihr: »Liegt alles ganz anders, Kind. Ihr Frauen seht eben immer nur die Dingda . . . Außenseite und so weiter. Der Kospoth ist nämlich ein . . . hna, wie heißen die Esel? . . . ein Sozialist und so weiter. Der Alte hat mir's selbst gesagt. Also Carriere – Unsinn! Die Freundschaft mit dem Erbgroßherzog, die wird auch ein Ende mit Schrecken nehmen, mwa! . . . wenn der regierende Herr dahinter kommt – hna! Morbleu! Der Alte hat mir gesagt, der Hans Jochen wollte überhaupt keine Stellung annehmen. Der will wahrscheinlich so als . . . äh, wie heißen die Canaillen? . . . Wanderprediger, Volksaufwiegler herumziehen, Pamphlete schreiben und so weiter. Ich werde doch mein Kind keinem Demagogen geben! Pfui Teufel!«

Die Generalin konnte sich des Lächelns nicht erwehren. Sie wußte, welch ein wütender Absolutist ihr guter alter Herr war und daß er so ziemlich alle Staatseinrichtungen und gesellschaftlichen Neuerungen seit dem Jahre Achtundvierzig als revolutionäre Schandthaten betrachtete. Sie suchte ihn freundlich zu beruhigen, indem sie ihm zu Gemüte führte, daß die sozialen Reformideen doch einmal in der Zeit lägen und daß ein junger Mann von gutem Kopf und offenem Blick für das Leben von diesen Ideen doch wohl nicht unberührt bleiben könnte. Die Anwartschaft auf einen so bedeutenden Grundbesitz biete ihrer Meinung nach die sicherste Gewähr dafür, daß auch der junge Kospoth in reiferen Jahren sich die besten aristokratisch-konservativen Grundsätze aneignen würde.

»Er wird den Deibel thun!« polterte der alte Treysa heraus, um sich jedoch sogleich mit einer entschuldigenden Verbeugung gegen seine Gattin auf den Mund zu schlagen. Und dann fuhr er fort: »Ich hab' dir die Geschichte bisher verschwiegen, weil das nichts für Damenohren ist und so weiter. Aber jetzt muß ich doch wohl raus damit, sonst machst du mir am Ende Geschichten mit dem Hans Jochen . . . hmumm mummumm . . . Pardon, liebe Cécilie! – Der alte Kospoth ist nämlich nie verheiratet gewesen! Alter Suitier – hähä! Der Hans Jochen ist der Sohn einer Jungfer seiner Mutter und die kleine Person war eine . . . hna, Dingda . . . Schulmeisterstochter. Vor dem Heiraten hat der alte Esel einen heillosen Respekt – hna, und das ging ja auch in diesem Falle nicht, weil Volkramstädt Majorat ist. Nachher that's ihm aber doch um den hübschen kleinen Bengel leid, und da hat er ihm seinen Namen gegeben und in seinem Stande erziehen lassen. Die Mutter hat er natürlich gut versorgt – hat nachher noch brillante Partie gemacht. Hna, was dabei herauskommt aus solcher Vermischung mit der Crapule, das sieht man ja jetzt an dem jungen sogenannten Baron. Aeußerlich Gentleman, innerlich Dingda . . . Plebejer, Demokrat, Sozialist und so weiter! Und wenn er auf das Majorat spekuliert, dann wird er sich wahrscheinlich gründlich verrechnen; denn die Herren Vettern werden es natürlich ruhig auf einen Prozeß ankommen lassen.«

Der alte Herr pflegte, außer wenn er Jagdgeschichten erzählte, keine so langen Reden zu halten, und er lehnte sich, ganz erschöpft von der Anstrengung, in seinen Sessel zurück. Auch seine Gemahlin fand nicht so bald eine Entgegnung auf diese so überraschenden Mitteilungen. Ihr war gerade der junge Kospoth immer als das Muster eines jungen Aristokraten erschienen: gewandt im Benehmen, jedem gesunden Sport freudig zugethan und dabei geistig rastlos strebend, voll Teilnahme für alles Große und Schöne. Sie hätte nie für alle diese glänzenden Eigenschaften einen dunklen Ursprung vermutet. Ohne es selbst eigentlich zu wissen oder zu wollen, war sie doch von mancherlei adligen Vorurteilen befangen und daher im ersten Augenblick auch gar nicht fähig, die Verteidigung des jungen Mannes und seines guten Rechts auf ihre unverminderte Wertschätzung zu übernehmen. Es war ihr daher ganz lieb, daß ihr Gatte sich alsbald Urlaub erbat, um seiner Verabredung mit einigen alten Herren zu einem kleinen Frühstück in einer Weinhandlung nachzukommen. Nur die eine Frage legte sie dem General noch vor, ehe er ging: Ob er sich auch dann weigern würde, Melanie dem jungen Kospoth anzuvertrauen, wenn er seine demokratischen Ideen aufgäbe? »Und ich glaube,« schloß sie, »das kann leicht kommen, wenn man ihn nur hier bei Hofe zu halten versteht. Siehst du, cher ami, dann wäre ja alles gut; denn ein Mann von seinen Fähigkeiten wird auch ohne Grundbesitz immer reichlich zu leben haben. Und das andre, die Blutmischung, kann dich doch nicht so sehr kränken! Ich habe ja doch selbst ein Halbblut geheiratet.«

Sie kokettierte mit ihm in mädchenhafter Schelmerei, und nun war er derjenige, welcher nicht gleich zu erwidern wußte und sich daher mit einem Handkuß und etlichem freundlich gemeintem Gemurmel eiligst zurückzog. – –

Unterdessen schritten Hans Jochen und Melanie durch die krummen Gassen des alten Städtchens dem Schloßpark zu, in welchem eine überschwemmte Wiese der Hofgesellschaft zur Eisbahn diente. Fast jedermann auf der Straße blieb stehen, um dem auffallenden jungen Paare nachzuschauen. Das Fräulein von Treysa war unter der Bürgerschaft noch eine ganz unbekannte Erscheinung, wogegen man auf den Freund des Erbgroßherzogs, der natürlich vom ersten Tage seines Hierseins an für die guten Residenzler ein Gegenstand lebhafter Neugier gewesen war, überall, wo er sich blicken ließ, unter eifrigem Getuschel mit Fingern wies.

»Aha, die Braut!« dachte und sagte mancher, der dem sonnenverbrannten, hochgewachsenen jungen Mann an der Seite dieses rasch ausschreitenden schönen Mädchens begegnete. Und mit stillem Neid mochte wohl mancher hinzusetzen: »Ja, so einer, wie der, der hat jetzt das Aussuchen!«

Das Gespräch, welches zwischen den beiden im Schwange war, hätte nun freilich den Ohren eines Lauschers nicht besonders bräutlich geklungen. Er versuchte einen wärmeren Ton anzuschlagen, indem er die gemeinsamen Jugenderinnerungen auffrischte und seinem freudigen Erstaunen über ihr herrliches Erblühen Ausdruck gab. Allein Melanie sorgte dafür, daß der Ton kein vertraulicher werden konnte, indem sie fortfuhr, die Gekränkte zu spielen, die sich durch ironische Neckerei rächt. Und als er dann, offenbar schmerzlich berührt durch ihr Wesen, sie herzlich zu bitten begann, sie möge es endlich des grausamen Spieles genug sein lassen, da unterbrach sie ihn gar durch die plötzliche Frage, was er eigentlich von dem Thronfolger halte.

Er richtete einen forschenden Blick auf Melanie und überlegte ein Weilchen, ehe er ihr antwortete. Sie sah ihn nicht an, und ihre vollen Wangen waren von der frischen Winterkälte schon so rosig angehaucht, daß er nicht bemerken konnte, ob sie unter seinem Forscherblick errötete. »Kann ich denn auch noch ganz freimütig mit Ihnen reden – seit Sie mir gegenüber nicht mehr Schwesterchen Melanie sein wollen?« begann er endlich zögernd. »Prinzessin Eleonore hat Ihnen ja gestern schon eine diplomatische Aufgabe erteilt – Sie sollen mich zum Hofmann machen! Wer weiß, ob Sie nicht inzwischen noch weitere geheime Aufträge angenommen haben. Ich bin vielleicht den Herrschaften etwas verdächtig, und Sie sollen meine wahren Gesinnungen erforschen; denn man hält es für selbstverständlich, daß ein armer Sterblicher vor Ihnen doch kein Geheimnis bewahren kann!«

»O jemine, wie schön gesagt!« neckte Melanie. »Mir scheint, Sie haben sogar ein ganz bedenkliches Talent zum Fürstendiener! Denken Sie denn so schlecht von Seiner Königlichen Hoheit, daß Sie sich fürchten müssen, Ihre Ansicht über ihn laut werden zu lassen?«

»Schlecht? O nein, durchaus nicht! Der Erbgroßherzog ist im Gegenteil ein Mann von nicht gewöhnlichen Fähigkeiten. Er besitzt Geist und den festen Willen, dereinst seine Herrscherpflicht im Sinne der so ganz neuen Anforderungen, die unsre Zeit stellt, zu erfüllen, soweit ihm dies bei seiner Abhängigkeit als Reichsfürst möglich ist.«

»Nun – aber?«

»Kein aber! Warum wollen Sie mir denn durchaus noch einen kritischen Hinterhalt imputieren?«

»Ach, gehen Sie! Sie sind langweilig. Sie speisen mich mit ein paar Redensarten ab, weil Sie die kleine Melanie für zu unbedeutend und oberflächlich halten, als daß Sie mit ihr irgend was Ernsthaftes reden könnten.«

»Bisher waren Sie es, mein gnädiges Fräulein, die mich nicht ernsthaft reden lassen wollte,« versetzte er doppelsinnig.

Sie zuckte mit einem leichten Seufzer die Achseln und begann dann nach einem Weilchen aufs neue: »Wenn ein Mann wie Sie länger als zwei Jahre mit einem andern zusammengereist ist, dann denke ich doch, daß er sich über dessen Charakter eine Meinung gebildet haben muß. Von Ihnen ein paar wohlwollende allgemeine Bemerkungen über den Prinzen zu hören, daran liegt mir gar nichts. Sie haben doch schon als Gymnasiast und besonders als Student ein so scharfes Urteil über Menschen gehabt . . .«

»Aha, wieder ein Stich für mich! Nun, wenn Sie mit meinem einfachen Lobe bei Ihrem so starken Interesse für den dereinstigen Beherrscher dieses Reiches nicht zufrieden sind, so muß ich wohl . . . . Also ganz ehrlich: Als wir uns auf der Universität zuerst kennen lernten, habe ich an Georg Friedrich keine hervorstechende menschliche Eigenart entdecken können. Er war ein bon camarade für uns junge Leute von Stande. Ein offener Kopf, aber oberflächlich in seinen Urteilen, leichtsinnig aus Ueberzeugung, aber von Herzen gutmütig. Die üblichen Dummheiten unsrer Corpsburschen machte er con amore mit, soweit ihm die Rücksicht auf seinen Rang das nicht verbot. Er unterschied sich jedoch höchst vorteilhaft von der großen Mehrzahl der jungen Aristokraten durch den Mangel jener hochmütigen Geschwollenheit und geckenhaften Schniepelei, die mich so sehr empörte und bald aus dem Corps hinaustrieb. Das war es auch, was mich ihm näher brachte – obwohl ich mir sonst nichts Besonderes von dem Verkehr versprach. Ich glaubte nämlich und glaube auch heute noch, daß ein junger Fürst bei der Erziehung, die ihm zuteil wird, bei der steten Überwachung seines Lebens durch Leute, die auf die herkömmliche Sitte und die normalen Gesinnungen geaicht sind . . . daß es – äh! – einem jungen Fürsten überhaupt kaum möglich ist, eine wirkliche realistische Anschauung von den Verhältnissen der Gesellschaft, von der Denkungsweise des Volkes und all dergleichen wichtigen Dingen zu gewinnen. Vom Säuglingsalter auf wird ja schon darauf hingearbeitet, daß solch ein Sproß eines souveränen Hauses sich stets und überall seiner Ausnahmestellung der übrigen Menschheit gegenüber bewußt bleibe. Schon wer niemals irgendwelche Sorge um seine Existenz gekannt hat, wird zum Beispiel für die soziale Frage kaum ein wirkliches Verständnis gewinnen können, und so geht es ihm mit sehr vielen andern Dingen auch. Selbst wenn man die künftigen Herrscher auf die hohen Schulen schickt – es bleibt doch immer mehr oder weniger Komödie; schon deshalb, weil sich die Lehrer viel zu sehr geschmeichelt fühlen werden, einen fürstlichen Schüler zu besitzen, als daß sie ihn nicht von vornherein als etwas Besonderes betrachten sollten. Die Gelegenheit, sich Anschauungen und Urteile zu erarbeiten, mühselig zu erkämpfen, fehlt ja der Jugend eines Fürsten fast gänzlich. Alles wird ihm von den berufenen Zivil- und Militärpersonen, Professoren und Geheimenräten fix und fertig vorgetragen, und wenn er so gnädig ist, sich dies und jenes zu merken und die unterthänigst vorgebrachten Meinungen zu Höchst den Seinen zu machen, so erregt die fürstliche Weisheit schon allgemeine Bewunderung. Aber Pardon! ich werde wohl langweilig?«

»O bitte sehr!« entgegnete Melanie, »Sie brauchen auch nicht zu fürchten, daß ich Ihre gottlosen Ansichten verraten könnte. Ich finde nur, Sie haben bisher ein bißchen sehr von dem Fürstenstand im allgemeinen gesprochen.«

»Ach so! Um Verzeihung!« sagte Kospoth etwas ironisch. »Gnädiges Fräulein wünschten ja nur, über diesen liebenswürdigen Prinzen im besonderen meine Meinung zu hören. Ich gestehe, die Einleitung ist etwas zu lang ausgefallen; aber da Sie meine Voreingenommenheit nun kennen, so werden Sie, wenn Sie an das Lob denken, womit ich begann, sich leicht zusammenreimen können, daß der Prinz während unsrer Reise mir menschlich näher getreten ist, als dies im allgemeinen zu geschehen pflegt.«

»Das heißt also wohl: Er hat mit Ihren Augen sehen gelernt, oder auch: Sie haben ihm Ihre Brille geliehen und er hat sich daran gewöhnt. Ich kenne ja Ihre Ansichten nicht: aber wenn Sie jetzt die Urteilsfähigkeit des Erbgroßherzogs rühmen, so thun Sie das doch wahrscheinlich, weil er Ihr Urteil zu dem seinigen gemacht hat, nicht wahr? So eitel werden Sie doch wohl auch sein.«

»Das wäre allerdings menschlich, aber . . .«

»Aber Sie sind über solche menschliche Schwäche erhaben?«

»Mein gnädiges Fräulein, ich sehe, ich habe das Unglück, Ihnen heute so gründlich zu mißfallen, daß ich es aufgeben muß, mich zu verteidigen!«

Er sagte es mit einiger Bitterkeit, aber sie versetzte sehr munter: »O nein, durchaus nicht! Ich bin Ihnen ja sehr dankbar, daß Sie die kleine Melanie einer so ernsthaften Unterhaltung würdigen. Es scheint nur, daß Sie es leicht übel nehmen, wenn man irgend etwas nicht ganz logisch findet in Ihren Auseinandersetzungen. Sehen Sie zum Beispiel – Sie sagten, alle Fürsten wären unselbständig in ihren Urteilen, weil sie die Ansichten, die sie haben sollen, immer gleich warm serviert bekommen. Und nun triumphieren Sie darüber, daß unser Thronfolger sich von Ihnen so willig in das Verständnis der neuen Zeit einführen ließ, wie Sie sagten, nicht wahr? Aber Sie sind doch sicher dazu bestimmt, eine glänzende Carriere zu machen, Sie werden sicher einmal Professor, Geheimerat, wer weiß was alles werden, und dann werden die freien Geister von diesem armen Georg Friedrich doch wieder sagen: Ach, der braucht ja nur hinunterzuschlucken, was Excellenz von Kospoth ihm vorgekaut hat!«

»Mit meinen Ansichten wird man nicht Excellenz, mein gnädiges Fräulein!«

Melanie blickte etwas unsicher zu ihm auf: »Sie sind immer noch so schrecklich empfindlich wie früher, Herr von Kospoth!«

»Und Sie urteilen immer noch ebenso rasch wie als Dresdener Pensionsfräulein! Vielleicht finde ich doch noch vor meiner Abreise eine Gelegenheit, Ihnen klarer auseinanderzusetzen . . .«

»Ach, wollen Sie denn wirklich schon so bald fort?« unterbrach ihn Melanie, und dabei traf ihn zum erstenmal ein warmer Blick aus ihren großen braunen Augen.

Das Herz schlug ihm höher. Aber nun wollte er auch seine kleine Rache haben, und er versetzte daher ein wenig spöttisch: »Ah, erinnern Sie sich Ihrer diplomatischen Mission? – Sehen Sie, da ist ja Seine Königliche Hoheit schon auf dem Eise. Er erwartet Sie gewiß mit Sehnsucht. Nun benutzen Sie die Gelegenheit und prüfen Sie ihn auf seine Selbständigkeit. Ich fürchte, es wird Ihnen gar nicht schwer fallen, den irregeleiteten Thronfolger von mir zu emanzipieren, oder, um mich Ihres Ausdrucks zu bedienen, ihm meine Brille von der Nase zu nehmen. Wie reizend Sie sind, mein schönes Fräulein von Treysa, das wird Seine Königliche Hoheit auch mit unbewaffnetem Auge zu erkennen vermögen!«

»O Sie boshafter Mensch! – Bitte, meine Schlittschuhe!«

»Wollen Sie mir nicht gestatten, sie Ihnen anzuschnallen?«

»O bitte, nein! Es würde mich zu sehr demütigen – Sie zu meinen Füßen zu sehen!« Ihre herrlichen Augen blitzten ihn mit herausfordernder Schelmerei an, dann reichte sie ihm mit einer graziösen Neigung des Hauptes die Hand zum Abschied.

Der sonnige Januartag hatte die jüngeren Glieder der Hofgesellschaft fast vollzählig auf die exklusive Eisbahn im Park herausgelockt. Der Erbgroßherzog und seine Schwester und so ziemlich alles, was von den Hofchargen beiderlei Geschlechts noch einigermaßen fest auf zwei Beinen ging, gab sich hier mit löblichem Eifer dem schönen Sport hin, sogar Prinzessin Georgine verschmähte es nicht, sich hier mit der schlankeren Jugend um die Wette zu tummeln, obwohl bei ihr die Lust entschieden die Kunst überwog und ihre schon recht behäbige Gestalt sich auf dem stählernen Flügelschuh fast noch komischer ausnahm als hoch zu Roß, Ihr Leibarzt, der Geheime Medizinalrat Cordell, hatte ihr eine Art Oertelkur vorgeschrieben, in welcher allerlei körperliche Thätigkeit die hervorragendste Rolle spielte, und dieser sehr gesuchte vortreffliche Arzt ging in seiner Sorgfalt für die erlauchte Prinzessin so weit, daß er nicht selten die anempfohlenen Leibesübungen persönlich überwachte und sogar selbst daran teilnahm, wie zum Beispiel am Eislauf. Allerdings war die Ansicht darüber, ob diese Liebenswürdigkeit eine freiwillige sei oder nicht, eine sehr geteilte. Sicher und stadtbekannt war jedoch die an Zärtlichkeit streifende Verehrung, welche Prinzessin »Chochotte«, wie die Intimen des Hofes die arme Cousine des regierenden Hauses spottweise zu nennen pflegten, dem Geheimen Medizinalrat und Professor Cordell zollte, eine Verehrung, mit der sie freilich nicht allein stand, da so ziemlich die gesamte Damenwelt des Großherzogtums und der umliegenden Edelsitze für diesen schönen, weißhaarigen Mann mit den großen, glänzenden Augen, dem bedeutenden Profil, den kleinen, zarten Händen und den feinen Umgangsformen schwärmte. Sofort nach Beendigung des Vormittagsdienstes waren auch die Herren Offiziere vom rosigen Fähnrich bis hinauf zu einem jung verheirateten Hauptmann auf dem blitzenden Tournierplan erschienen, und damit begann erst das eigentliche Leben für die jungen, männlicher Führung bedürftigen Stahlschuhläuferinnen. Auf den hart gefrorenen Promenadenwegen, welche rings um die überschwemmte Wiese herum und auf die im Süden sanft ansteigende Anhöhe hinaufführten, spazierte die Bürgerschaft der Residenz, soweit sie sich zu den besseren Ständen zählte und zu dieser Mittagsstunde abkömmlich war, um hier unter dem lachenden blauen Himmel die hohen Herrschaften und die vornehmen Leute bei ihrem Vergnügen zu beobachten.

Sobald Melanie von Treysa das Eis betrat, stürzte ein halbes Dutzend Lieutenants, und wer sich sonst etwa von ihren Tänzern von gestern in ihrer Nähe befand, auf sie zu, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und der Freude über ihr Erscheinen Ausdruck zu geben, und mit einer Einstimmigkeit, die an die Chöre in der »Braut von Messina« erinnerte, erboten sich alle diese Herren gleichzeitig, ihr die Schlittschuhe anzuschnallen.

Melanie war nichts weniger denn eine alberne kleine Gans, aber sie konnte doch nichts anders, als sich durch diese allgemeine Huldigung der Herrenwelt geschmeichelt fühlen. Sie hatte kaum von drei oder vier dieser jungen Herren, die in der verflossenen Nacht mit ihr getanzt hatten, die Namen behalten. Kein einziger hatte sie besonders interessiert, doch da sie sämtlich so ziemlich gleich gut getanzt hatten, so war sie auch gegen alle gleich wohlwollend gestimmt. Dieser Kampf um die Ehre, ihr diensteifrig zu Füßen knieen zu dürfen, bereitete ihr eine angenehme kleine Verlegenheit, welcher sie nach kurzem Besinnen dadurch ein Ende machte, daß sie vorschlug, sie wolle mit geschlossenen Augen auf die in Linie aufgestellten Herren zugehen und die Schlittschuhe blindlings einem von ihnen überreichen.

Der Vorschlag wurde mit Jubel angenommen. Die Herren stellten sich nach dem Kommando des ältesten Premierlieutenants in einem Gliede gut ausgerichtet auf, Melanie band sich lachend das eine Ende ihrer weißen Boa um den Kopf und tappte dann mit vorgestreckten Schlittschuhen mit unsicherem Halblinks gegen die Front vor. Da fühlte sie, wie ihr die Schlittschuhe aus der Hand genommen wurden, und gleichzeitig erschallte der Ruf: »Nein, das gilt nicht.« Sie ließ die Boa fallen und stand – dem Erbgroßherzog gegenüber, der sich vor ihr verbeugte und dabei die Schlittschuhe mit komischem Pathos an sein Herz drückte.

»Meine Herren,« wandte sich der Thronfolger an die unter scherzhaftem Gemurr sich herandrängenden Lieutenants, »verzeihen Sie diesen Rechtsbruch einem Manne, der zwei Jahre lang unter den Barbaren geweilt hat. Ich werde versuchen, mich wieder langsam an die europäische Zivilisation zu gewöhnen. Für heute erkenne ich nur das – Naturrecht an!« Damit geleitete er das schöne Fräulein nach der Bank, kniete vor ihr nieder und befestigte die neuen vernickelten Stahlkufen an zwei der reizendsten Stiefelchen von der Welt.

»Donnerwetter! Das war schneidig ausgedrückt!« flüsterte der lange Lieutenant von Ungerstein dem Kameraden von Storch zu. »Wenn Königliche Hoheit in dieser Weise gegen die Treysa operiert, dann werden wir gut thun, uns auf die Defensive zu beschränken.«

Und Kamerad von Storch versetzte: »Eine weiß ich, die sich gewiß die Nägel wachsen laßt, um der schönen Treysa die Augen auszukratzen.«

»Sie meinen die Katz,« gab der andre behaglich hohnlächelnd zurück. »Na, wissen Sie, der gönn' ich's eigentlich, daß sie mal ein bißchen geduckt wird. Sie thut immer, als ob ihr der Erbgroßherzog aus der Hand fräße, spielt sich großartig als einflußreiche Favoritsultanin auf. Na, damit hat's aber jetzt geschnappt.«

Die Damenwelt hatte begreiflicherweise mit noch weit lebhafterer Aufmerksamkeit das Auftreten der neuen Ballkönigin beobachtet, und die Bemerkungen, die unter vertrauten Freundinnen darüber ausgetauscht wurden, waren im allgemeinen wenig liebenswürdiger Natur. Komteß Menetekel fand heute das Benehmen des pelzverbrämten Fräuleins aus dem Walde ebenso anstößig wie gestern deren natürliche Fülle; sie sprach von unanständiger Koketterie und fand mit diesem Urteil vielfache Zustimmung.

Am Abend dieses zweiten Januar redete bereits die ganze Residenz von den auffälligen Huldigungen, welche der galante Thronfolger dem schönen Fräulein von Treysa so ganz öffentlich dargebracht hatte. So verschiedenartig auch Georg Friedrich von seinen künftigen Unterthanen beurteilt werden mochte, darin waren sie nun alle einig, daß er doch wohl trotz des vielbesprochenen Einflusses, den sein gelehrter Reisebegleiter auf ihn ausgeübt haben sollte, in Bezug auf sein Verhalten gegenüber dem schönen Geschlechte als derselbe zurückgekehrt sei, als welchen man ihn hier seit Jahren kannte und – je nachdem – schätzte oder fürchtete. Melanie von Treysa aber wurde von ihren Geschlechtsgenossinnen ohne Erbarmen für eine Erzkokette, von sämtlichen Herren dagegen für ein hinreißendes Geschöpf erklärt. Von dem herben Urteil der Damen auf dem Eise machten lediglich Prinzessin Eleonore und Prinzessin Usingen, die schöne englische Gattin des Flügeladjutanten, eine rühmliche Ausnahme, indem sie gegen jedermann, der es hören wollte, erklärten, wie entzückt sie seien von der vornehmen und sicheren Anmut in Melanies Benehmen wie von den Aeußerungen ihres klaren Verstandes und feinen Empfindens.

Als die jungen Herrschaften vom Eislauf in das Schloß zurückkehrten, wußte es die Prinzessin Eleonore einzurichten, daß sie mit ihrem Bruder einige Augenblicke allein blieb.

»Hör' mal, Lieber,« begann sie, »du mußt dich doch ein bißchen mehr vorsehen mit der Treysa! Daß du ihr die Schlittschuhe anschnalltest, war entschieden zu weit gegangen. Ganz abgesehen davon, daß sich eine solche kniefällige Dienstbarkeit gegen eine Dame – und ganz besonders angesichts eines gemischten Publikums – für einen Thronfolger doch wohl nicht schickt . . .«

»Danke gehorsamst für den gnädigsten Zopf!« fiel Georg Friedrich ein wenig gereizt ein. »Ich fürchte, ihr werdet von mir noch manches erleben, was sich eigentlich für einen Thronfolger nicht schickt!«

»Spielst du auf deine Volksbeglückungsträume an? Nun, das hast du mit dir abzumachen; aber du mußt doch bedenken, daß du das Mädchen durch solche auffallenden Huldigungen kompromittierst. Du weißt, daß du hier nicht eben im Rufe eines Tugendboldes stehst.«

Der Prinz blickte ein Weilchen schweigend und mit verklärten Augen in die Ferne, ehe er mit einer gewissen stolzen Zuversicht erwiderte: »Ich glaube, meine lieben Freunde und getreuen Unterthanen werden sich bald genötigt sehen, ihre vorgefaßten Meinungen über mich ganz wesentlich zu ändern.«

Die Prinzessin vermochte ein ironisches Lächeln nicht ganz zu unterdrücken, als sie ihm antwortete: »Pardon, mon cher frère! Du hast mir nun schon so viel von dem neuen Jahrhundert erzählt mit seiner neuen Moral, seinem sittlichen Ernst und was weiß ich – und gleichzeitig nimmst du deine alte Rolle als galanter Prinz im Rokokostile wieder auf! Ich weiß nicht recht, wie ich mir das zusammenreimen soll. Ich glaube auch kaum, daß du zum Beispiel heute ganz in Kospoths Sinne gehandelt hast.«

»In Kospoths Sinne? Was hat denn Kospoth hiermit zu thun? Du sprichst ja wie eine Gouvernante, die sich auf die Autorität des Hofmeisters beruft. Hans Jochen ist doch nicht mein Hofmeister!«

»O behüte! Er ist dein Freund,« begütigte ihn die Prinzessin. »Aber du hast doch nun einmal deine neuen Ideen von ihm und gibst doch zu, daß dir an seiner guten Meinung über dich viel gelegen sei. O, du hättest nur sehen sollen, mit was für Augen er dich und die schöne Melanie auf dem Eise verfolgte!«

»Was tausend! War denn Kospoth auf dem Eise?«

»Nein, er spazierte unter den Zuschauern gewiß eine halbe Stunde lang auf und ab. Aber du hast ja nicht rechts und links gesehen.«

»Und du scheinst ganz besonders scharfe Augen für Hans Jochen zu besitzen!« gab Georg Friedrich ebenso spottend zurück. »Hüte dich nur, daß es deinem Herzen nicht ergeht, wie Tante Chochotte mit dem schönen Medizinalrat!«

Prinzeß Eleonore errötete tief und nagte mit ihren kleinen weißen Zähnen an ihrer Unterlippe. Dann versetzte sie spitz: »Im Ernst, mein Lieber, ich möchte nicht, daß du es mit der Treysa etwa so triebest wie mit der Katz. Dazu ist das Mädchen wirklich zu schade! Ich werde über sie wachen und auch ihren Freund Kospoth bitten . . .«

»Laß mich jetzt endlich mit Kospoth zufrieden, ich muß doch sehr bitten!« fiel ihr der Bruder erregt ins Wort. »Und übrigens der Vergleich mit der Katz ist hier sehr schlecht am Platze; denn – in allem Ernste: ich liebe Melanie, ich liebe sie wahnsinnig!«

Die Prinzessin fuhr zusammen und sah ihren Bruder groß an. »Was willst du damit sagen?«

»Was ich damit sagen will?! Ach – aber Eleonore, das war eine rechte Prinzessinnenfrage!« erwiderte er mit einem mitleidig liebevollen Blick in die erstaunten Augen der Schwester.

Dann wurden sie getrennt und gelangten im Laufe des Tages nicht mehr dazu, sich ungestört weiter auszusprechen.



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