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XVI.
Leid.

Nun im Kerker lag der Spielmann.
Kein lebendig Wesen nahte
Dem Verstrickten; keine Ratte,
Nicht einmal ein spielend Mäuschen,
Die vorher den Thurm bevölkert,
Kürzten ihm die bangen Stunden.
Ganz allein mit den Gedanken
Und dem Rasseln seiner Ketten
Lag er auf des Rathes Gnade.
In des Tages Schneckengange
Mußt' er nur an Gertrud denken,
Die er elend und verlassen
Und an aller Lieb' und Treue,
Jammervoll verzweifelnd wähnte.
Wenn jedoch der letzte Schimmer
Von dem trüben Dämmerlichte,
Das sich in den Kerker einschlich,
Endlich vollends war erloschen
Und sich dichte, rabenschwarze
Finsterniß rings um ihn ballte,
War es ihm, als ob zwei Augen,
O zwei fürchterliche Augen
Ihn mit einem Blicke ansahn,
Den er nicht ertragen konnte,
Und dem er umsonst doch auswich;
Wie er sich auch dreht' und wandte,
Fest die eignen Lider zuschloß,
Ueberall, aus jedem Winkel
Blickten diese starren Augen.
Fröste schüttelten den Starken,
Schweiß bedeckte seinen Körper,
In des Hirnes Fieberwahnsinn
Stand vor ihm in Nacht und Grausen
Der Geharnischte vom Markte,
Roland ging ihm nach und drohte,
Drohte wieder mit dem Schwerte.
Grabgedanken, Todesschauer
Kamen über Hunold, vor sich
Sah er seines Lebens Ende;
Aber welchen Tod zu sterben,
Welche Folterqualen waren
Zu erdulden ihm bestimmt noch?
»Gertrud! Gertrud! giebt es Rettung,
Rief er, rette deinen Sänger!«

Gertrud aber rang mit Schmerzen,
Wie ein Menschenherz sie bittrer
Nicht empfinden kann; der Morgen
Fand sie trostlos auf dem Lager,
Und am Tage schlich verwandelt
Sie einher in dumpfem Trübsinn.
Hunold war ihr untreu worden,
Hatte mit der Hölle Mächten
Sich verbunden, einer Andern
Liebe heimlich zu gewinnen,
Hatte ihres Lebens Hoffnung,
Ihres Glückes Stern vernichtet,
Ihr das junge Herz gebrochen.

Doch dem Mann, der sie betrogen,
Hielt sie selber noch die Treue,
Liebt' ihn noch in der Verzweiflung.
Tag und Nacht auf seine Rettung
Sann sie; aber welche Wege
Standen ihr, der Armen, offen?
Ach! des Thurmes dicke Mauern
Konnten ihre schwachen Hände
Nicht durchbrechen und die Wächter
Vor der fest verschlossnen Thüre
Nicht bewält'gen, nicht bestechen.
Wirre, hoffnungslose Pläne,
Aus des Herzens Angst geboren,
Stiegen in ihr auf, sie wollte
Gnade flehend bald dem Schultheiß,
Balde auch dem Bürgermeister
Weinend sich zu Füßen werfen,
Wollte zu Regina laufen
Und von ihr, der sie Verführung
Und die meiste Schuld am Unheil
Zuschrieb, vorwurfsvoll und drohend
Den Geliebten wiederfordern.
Selbst an den von ihr Verschmähten,
An den Schmied und seinen Beistand
Dachte sie, der sie ja liebte;
Doch der mußte Hunold hassen,
Den beglückten Nebenbuhler.
So im nächsten Augenblicke
Rissen all die schwachen Fäden,
Die sie zur Befreiung ausspann.
Nur ein Schritt noch, ein verlorner
Blieb ihr, hin zu Ethelerus,
Dem Rechtskundigen, Erfahr'nen,
Ging sie, ob er Rath nicht wüßte.
Des Geliebten Leben retten
Sollt' ihr Letztes sein auf Erden,
Ohne seine Liebe leben,
War zu denken ihr unmöglich.


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