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Blätter aus Polen

Danksagung *

Ich danke dir, daß du mich keine Stunde allein lässest, daß du auch in den schrecklichen Nächten bei mir bist und die Boten des Bösen verscheuchest.

Ich danke dir, daß du mich auch am Tage führst, mit der feurigen Fackel vorangehst und alle Stacheln nimmst der öftern Versuchung.

Wo ich ein Weib finde, schau ich es an: es hat deine Züge.
Wo ich ein Kind finde, schau ich es an: es hat dein edles Gesicht.
Alle Menschen, die mir begegnen, haben deinen Gang und deinen Wohllaut der Stimme.
Könnte ich ihnen jemals ein Leids tun?

Die Granaten schrein.
Die Schrapnelle heulen.
Die Maschinengewehre erbrechen Teufelssaft.
Aus Millionen Schlünden feuert Vernichtung.
Ich danke dir, daß du durch deine Gegenwart die Mißtöne bändigest.

Blut fließt.
Zerschlagene Seelen rauchen daraus.
Das dank ich dir: meine Hände sind rein!

Zu dieser Stunde *

Zu dieser Stunde, da ich noch lebend unter Lebendigen wandle,
denkt meiner vielleicht eine Seele, deren ich längstens vergaß.
Eine verratene Liebe wacht auf.
Meine erschossenen Freunde tun ab die Last, die sie deckt, und sind Kameraden wie einst.

Zu dieser Stunde, da ich noch lebend unter Lebendigen wandle,
weint ein Mensch, der mir gleicht, seinem verlorenen Leben nach.
Die Sterne sind weiter als sonst.
Der Himmel hat sich in Unendlichkeiten gerückt.
Die Meere rauschen totenweltlich, unheimlich still.

Zu dieser Stunde, da ich noch lebend unter Lebendigen wandle,
werden vielleicht die Lose geworfen über mein Schicksal.
Im tiefsten Schacht schlägt der Bergmann das Klümplein Blei los, das mich treffen soll.

Zu dieser Stunde vielleicht ...

Abendstern *

Abendstern,
du leuchtest Feuer über meinem dunkeln Weg.
Bote des Himmels, du läßt dich herab,
mich Irdischen zu geleiten.

Hinter mir die Heimat.
Vor mir des nächtigen Todes Umarmung.

Wenn die Mine springt, mir den Leib zerreißt,
wenn die Granate mich in Atome teilt,
die tückische Kugel mir ins Herz fährt,
ich nicht wiederkomme in die Reiche der Erde,

du Himmlischer leuchtest immer noch,
ziehst deine Sternbahn
auf dem blauen Urgrund der Welt,
kühl und vornehm,
nur dem Auge des Weisen erreichbar.

Verzweiflung *

Die Nebel grauen überm Totental.
Gespensterliche Hüllen gehn vom Monde aus.
Der Gräber Schatten scheinen tief und ungewohnt.

Jetzt ist die rechte Zeit des Mords.
Die Kugel, die so lange träg im Laufe stak,
kann sich mit lautem Wollustpfiff
den Weg zu braven Herzen suchen.

Geschütze, warum feiert ihr?
Tut doch die Feuermäuler auf!
Erbrecht Granaten, Lebensneider, kotzt Schrapnelle aus!
Mit harter Tatze haut ins junge Fleisch!

Es ist ja zuviel Fröhlichkeit auf Erden!
Zu tolle Lust im Herzen eingeschlossen!
Auf, macht ein Ende!
Ruht nicht, bis jede Sehne tausendfach durchschossen!

Traumbild *

Ich glaubte die Heimat und alles vergessen.
Da kam ein Traum und brachte sie neu.
Schaudernd fühlte ich, daß ich auf Stroh lag, das Unrat und halber verfault war.

Erinnerungen packten an und schleppten mich in den hintersten Winkel des Hauses, wo es nach Brand und Moder roch, nach erschossenen Menschen, giftigen Kriegsleichen, die wie Pilze aus der Erde schießen.

Ich sah, daß einer seinen Acker pflügte und Köpfe in die Furchen säte. Wohlverstanden, Menschenköpfe, losgetrennt von dem Rumpfteil ihrer Eigentümer, und die Hölle lachte dazu.

Ich sah Gottes Blut als Straffeuer über die Erde regnen und einen blutigen See bilden, aus dem mein Herz wie ein abgründiges Eiland hervorragte.

Stimmen der Nacht *

Stimmen der Nacht, was wecket ihr mich?
Konntet ihr mich nicht schlafen lassen in meinem Gezelt?

O, im Schlafe ist's süß.
Es lächelt ein lieblicher Traum.

Das Erwachen bringt nichts, als die Widrigkeiten des Feldzugs:
Häuser, die zum Himmel flammen,
Menschen, die vor Schmerzen schreien,
Weiber, zueilend der Schwelle des Wahnsinns,
Kinder, die dünnen Arme zum Himmel streckend,
zu einem Himmel, der nicht helfen kann.

Stimmen der Nacht, was wecket ihr mich?
Kein Feind ist nah. Lasset mich schlafen!

Laßt mich in meinen Traumgarten gehn, ins Rosenbeet.
Die schönste, goldigste der Rosen brech ich mir ab.

Abend *

Die Luft fließt über meinem Haupte hin.
Ein Vogel hat in meinem Helm sein Nest gebaut.
Ein zweiter kommt und bringt ihm Nahrung zu.

Des müden Tags und seiner Trübnis voll,
ergeh ich ferne mich in dunkeln Wäldern,
wo, wie ein Tier,
geduckt hinschleicht die Dämmerung.

Soldaten ziehen übern Weg.
Ich kenne alle, winke ihnen zu.
Und schlanke Pappeln geben Schatten drein.
O Stille weit, o Stille hehr!

Der Schall der Schüsse ist verrauscht.
Es lebt nichts weiter, als dies tolle Herz,
das seine Liebe in die Weite schaffen muß.

Wozu? *

Es ist oft so, daß ich laut weinen möchte.
Mein Herz begreift dies Leben nicht.
Die von den Granaten ausgestreute Vernichtung hat mein Gehirn betäubt.

Tag für Tag das Brüllen der Geschütze zu hören, Stahlgranaten zu laden in den stählernen Leib, die Kartuschen einzusetzen, die Reibzündschrauben einzuschrauben, die Abzugsschnur zu spannen, abzuziehen, daß das Untier mit einem Aufschrei zurückfällt, dieses mechanische Tun kann doch mein Leben nicht ausfüllen.

Wächst denn die Frucht des Feldes nicht für mich?
Die Blumen, winken sie mir nicht?
Der Sonne Glanz ist doch für mich bestimmt!
Wozu der harte Todesgang?

In der Nacht *

In der Nacht eine Stimme wecket mich:
Soldat, komme heraus zu den Verwundeten!
Da liegen sie in fahlen Hüllen,
ohne Arme, ohne Beine.
Der Jammer steht wie dicker Nebel in der Luft.

Der Kommandoruf der Offiziere,
das Befehlsgebrüll der unteren Chargen tönt nicht so laut
wie die stummen Blicke dieser Männer,
die verwundet liegen.

Manche haben nichts Menschliches mehr.
Zum Tier hat sie die Granate zerrissen,
zum schreienden Tier.
Der Schmerz wühlt mit wütenden Messern in ihren Leibern.

Andere sind froh und still, haben Glanz in den Augen.
Sie sind froh, der Hölle entronnen zu sein.
Sie sind still, weil die Heimat ihrer wartet.

Heimat, süßer Name, öffne deine Tore weit,
denn die Elenden kommen gegangen.

Es sind Leute da, die sagen, daß ich töten soll,
die innere Stimme aber sagt mir, ich soll nicht töten.
Andere Leute sagen, ich soll friedlich leben.
Aber mein Herz bäumt sich auf. Es will den Kampf.

Hätte das Leben Wert ohne den Tod dahinter?
Tausend Zweifel bestürmen mich.
Ich trage die Waffen, ich habe tausendlei Dinge zu tun,
ich kann nicht mit mir ins Reine kommen.

O, in den Nächten lag ich und weinte ich,
das Gefühl in mir selber überwältigte mich.
Ich fühlte mich im Grunde meines Herzens allen Menschen verbunden.
Aber am Tage feuerte ich das Geschütz los.

Ein armseliger Klumpen Fleisch bin ich geworden.
Wär ich ein Adler, jagt' ich den Falken.
So aber, unnütze Arbeit, jag ich mich selber,
reiße in Fetzen meine Seele los.

Von den Göttern ist keine Hilfe zu erwarten.
Hole aus dir selbst Mut, Mannherz!
Es sind deutliche Grenzen gesetzt zwischen jene und uns,
sie neiden uns das bißchen Fressen, Leben genannt.

Wie die Ströme wogen im Frühjahr hin,
stürzt sich ihr Unmut über die elende Menschheit aus.
Blut muß fließen in Millionen Bächen,
eher ruhen sie nicht, eher rasten sie nicht.

Wenn der Menschen einer aufstünde und sagte:
»Torheit ist, was wir treiben, Blutsmord! Brudermord!«
meinst du, sie würden feurige Blitze senden,
den Frevler zu strafen, oder mit Donner dreinschlagen?

Nein, ein listiges Lächeln würde stehen bleiben in ihrem Gesicht:
»Erkannt hat uns die Kreatur!
Aber uns selbst Lob! es ist nur ein Einzelner!
Die Masse käut noch immer das alte Gefräß!«


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