Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II.

In dem Sommer, da Marretje Kettingmakers achtzehn Jahre alt ward, stand das Gras im Polder so dicht und so hoch wie seit langem nicht.

Alle Mann waren an der Arbeit, um es einzuholen. Der krüppelige Gerrit Kettingmakers, der Kuhdeckenweber, war in Plugges Land beim Aufladen. Marretje half das Gras wenden.

Es war zum erstenmal in ihrem Leben, daß sie bei der Heuernte mithalf.

Früher noch als die meisten anderen Kinder von Webern und Spinnerinnen hatte sie am Rade gestanden. Sie konnte es noch nicht anders herumbekommen als durch kleine Stöße, unten an den Speichen, als sie schon ganz allein, von Anfang bis zu Ende, eine Haspel spann, die sie stolz den Nachbarinnen zeigte.

So lange sie die Schule besuchte, hatte sie vor, zwischen und nach den Schulstunden ihre zwei Pfund täglich abgesponnen, anstatt mit den anderen Kindern auf der Straße zu spielen.

War sie damit fertig, so harrte ihrer schon wieder andere Arbeit. Die Mutter, die, wie so viele ihresgleichen, mit vierzig Jahren bereits alt und aufgerieben war, konnte alles das, was es im Hause, im Stall und auf dem kleinen Acker zu tun gab, nicht mehr allein bewältigen. Die beiden anderen Mädchen, die von Kindheit an unfolgsam gewesen, gingen ihrer Wege. Die eine arbeitete in einer Chokoladenfabrik zu Inner-Enkum, die andere auf einem Bauernhof; denn da währte der Arbeitstag nur eine bestimmte Anzahl von Stunden, und nachher gab's Feierabend und lustigen Umgang mit Burschen und Mädchen. Marretje mußte helfen.

Sie wurde still und altklug. Die Hausarbeit konnte man ihr ruhig anvertrauen, wenn die Mutter auf dem Felde war, und auch das Kochen. Sie verrechnete sich auch nicht um einen halben Cent Cent – holländische Münze im Werte von reichlich anderthalb Pfennig. beim Handeln mit van der Scheer, dem Webermeister, für den der Vater arbeitete. Als sie mit zwölf Jahren aus der Schule entlassen wurde, legte sich die Mutter, die sich schon seit langem nur mühsam weitergeschleppt. Kurz darauf starb sie.

Bei ihrem Tode hatte sie Marretje die Schlüssel gegeben. Die besorgte nun alles allein.

Um fünf Uhr mußte Gyvertje, die in die Fabrik nach Inner-Enkum ging, Brot und Kaffee haben und mit Schmalz bestrichenes Schwarzbrot zur Vesper; dann kamen Vater und Alie. Sobald die fort waren, begann die Hausarbeit; erst hinten mit dem Ausmisten des Stalles und dem Hineinbringen frischer Streu, dem Melken und Füttern der Ziege, dem Zerkleinern des Brennholzes, dem Auskehren des Flachsabfalles rings um ihr Spinnrad, dann drinnen das Scheuern, Kehren, Lüften und Waschen von Diele, Kamin, Hausrat, Betten, Kochgeschirr, das Reinigen der Lampe in der Vorderstube, und ihres Spinnlämpchens, das Einholen, Zubereiten und Kochen des Mittagbrotes. Vater verlangte, daß alles bereit sei, wenn er um Mittag heimkam. War er dann fort, so begann sie von neuem.

Es mußte Gras geschnitten werden für die Ziege, im Graben, am Wegrain, an den Ackerrändern und im Eichengehölz; von der Heide mußten Plaggen geholt werden zur Viehstreu, und Reiser zum Brennen. Das Unterzeug und die Bettücher warteten auf das Waschen, das Auskochen in dem großen, eisernen Kessel, dessen Rohr durch das Spinnfensterchen hinausgesteckt wurde, das lange Seifen und Spülen – namentlich von Gyvertjes Zeug, aus dem der braune Fabrikstaub nicht herauszubringen war – das Aufhängen auf die Leine, die von der kleinen Stalltür bis zu dem Wacholderstrauch ausgespannt wurde, endlich das Plätten und Zusammenlegen und das viele Stopfen, Nähen und Flicken, das mit jedem Tage mehr wurde und notwendiger. Dann mußte die Ziege zum zweitenmal gemolken und gefüttert und die Buttermilch, die bei Bauer Plugge geholt war, zum Abendbrei über das Feuer gehängt werden, damit er fertig sei, wenn der Vater und Alie und Gyvertje heimkamen.

Und zwischendurch spann Marretje. Wenn sie des Sonnabends viel weniger als vierzig Pfund in die Fabrik brachte – und eine Stunde brauchte sie gewiß zum Spinnen von einem Pfund – machte der Patron ein saures Gesicht, und dem Vater war es auch nicht recht, wenn sie ihm am Sonnabend Abend nicht mindestens ihre vierzig Stuiver Stuiver – alle holländische Scheidemünze – 1/20 Gulden. vorrechnen konnte. Wenn er und die Schwestern schon schliefen, stand sie noch und spann bis etwa zehn Uhr.

Hinaus kam sie nur dann, wenn sie dem Vater hin und wieder auf dem kleinen Kartoffelfeld helfen mußte, am Sonnabend, wenn sie ihr Garn in die Fabrik brachte und einen Sack Flachsabfall holte, und des Sonntags zum Kirchgang.

Da sie mit jungem Volk nicht zusammenkam, hatte sie weder Bekannte noch Kameraden. Am Sonntag nachmittag, wenn nach dem Mittagbrot das Geschirr fortgeräumt war, wenn der Vater schlief und die Schwestern, jede mit ihrem Schatz, fort waren, blieb sie am Fenster sitzen und schaute hinaus, ob auch jemand vorüberkäme. Im Hause ließ sich kein Laut vernehmen außer dem Ticken der Uhr und dem leisen Geräusch, das die Ziege machte, die in dem kleinen Stall an ihrem Futter knabberte. Es begann zu dämmern. Den Kopf auf den aufgestützten Armen schlief sie ein.

Sie war mit ihren achtzehn Jahren schmal und flachbrüstig wie ein Kind; in dem mageren, blassen Gesicht, das so selten lächelte, standen stille Augen. Allein schon der Gedanke zwischen so vielen Menschen, Frauen und Männern, ganze Tage lang auf dem Lande arbeiten zu müssen, hatte sie scheu gemacht.

Als sie hinauskam, war die Heuernte schon seit mehreren Tagen im Gang.

Jeden Morgen um zwei Uhr begannen die Mäher mit der Arbeit; dann, gegen fünf Uhr, kamen die Arbeiter truppweise in den Karren daher, die zur festlichen Erntefahrt frisch angestrichen waren. Je zwei aneinandergebunden, schwankten sie über die sandigen Wege hinter dem bedächtig gehenden, wohlgenährten und glänzenden Gespann, das ein Fliegennetz auf dem Rücken trug und am Kopfzaum kleine Büschel Birkenzweige.

Aus Valkenswaard, Inner-Enkum, Holthum und den dahintergelegenen Heidedörfern kamen sie daher durch die bunten Felder. Durch den Roggen, der unter dem Winde in bräunlich-weißen und violetten Perlmuttertinten spielte, und dem blauwogenden Hafer bewegten sich von allen Seiten die schimmernden Wagen auf die Landstraße zu. Eine Zeitlang war der Wymenesser Weg, schmal zwischen seinen zwei Reihen Tannen, damit bedeckt. Einem Strom gleich lief das alles in den Polder hinein.

Durch die »Löcher«, die engen Breschen im Deich, die während des Winters zugemauert werden, fuhren die Karren hinab in die Tiefe. Gleich Booten, die von einem schräg ablaufenden Strand in das Meer gleiten, so glitten sie, hin- und herschwankend, in sausender Fahrt über den abschüssigen Polderweg in die Wiese hinein. Die Arbeiter aus der Umgegend, die zu Fuß kamen, kletterten am Deich hinauf.

Auf der Höhe standen sie einen Augenblick still, und hoben sich vor den Blicken der in der Niederung Gehenden riesengroß vom zartgefärbten Morgenhimmel ab. Über ihren Köpfen blitzten die hochgetragenen Heugabeln. Dann liefen sie hinunter und stürzten sich ins Gras wie Schwimmer ins Wasser; weithin schwenkten sie ihre Arme und den langen Rechen. Hinter ihnen kamen immer mehr Männer, Frauen, Karren und Pferde; und nach wenigen Augenblicken war all das Große und Viele nichtig geworden und den Blicken beinah völlig entschwunden in den unermeßlichen Strecken Landes, unter unendlich gewölbten Himmelsweiten der großen Grasfläche.

Wie ein grünes Meer lag sie da, leuchtend, und wogte in der Sonne.

Rasches, schaumweißes Aufblitzen brach empor, lief vor dem Winde her über das wogende Grün und verging dort, wo durchsichtig schwarze Wolkenschatten trieben; aus dem zwischen hohem Gras unsichtbar gewordenen Kanal schimmerten träge Segel auf, die sich blähten und an den Masten entlang schlaff zusammenfielen. Zwischen Breiten wimmelnden Grüns, darinnen der Wind weiß wühlte, lagen Breiten regungsloser Blankheit, weiter in der Ferne fahle Bahnen, braun und gelb gerippt, wie von kurz nacheinander daherkommenden Wogenreihen, dahinter wieder noch fernere Weiten, von wannen es sich erhob in galoppierenden Scharen schwerer, gelblich-grauer, rundköpfiger Wellen. Das Blau der Gräben glänzte streifenweis dazwischen, das Blau der Sensen schwingenden Mäher wie springende Tüpflein. Und all das Grün, Gelb, Falb, Braun und blitzende Blau, das Starre und das Wimmelnde mit den schwenkenden, blitzenden, kleinen Mähergestalten darinnen, gleich silberflossigen Fischen, die glänzend im Wasser spielen, die Wolkenschatten, die segelten, die fernen Baumgruppen, die gleich Inseln und Vorgebirgen dunkel lagen im Licht, im Kanal die heubeladenen Schiffe mit den geblähten Segeln, ein nebelhaft sich abhebender Deich, die mageren Linien des Polders schwarz vom Himmel sich abzeichnend und dahinter wiederum eine Ferne, undeutlich, mit dem Schimmer eines Kirchtürmchens, das sich silbern vom Himmel abhob, das alles kam dahergeflutet aus noch weiteren Fernen, hinter jenem im Licht verschwimmenden Horizont, gleich als sei dort noch viel mehr Grünes, Gelbes und Falbes in Sonne und Wind und Üppigkeit, eine ganze wogende, wimmelnde Welt von Gras.

Aus einem blendend blau- und -weißen Himmel glühte die Sonne darüber. Die Tage gingen, das Grüne wurde zusehends gelb.

Auf dem flachen Felde wurden die langen Reihen der Heuschober stets höher und höher, im Kanal sanken die großen Heuzillen immer tiefer unter der Last. Wagen, die hohen Häusern glichen inmitten all dieses Flachen, wuchsen stets noch höher hinan, im wackelnden Fortkriechen und Stillhalten an den Heuhaufen entlang. Im Überfluß kam die Ernte ins Land hinein.

Auf dem Wymenesser Weg floß jetzt vom Polder bis zu den Dörfern ein beständiger und langsamer Strom von Heu: unter den schwarzen Tannen und rechts und links zwischen all dem Violett, Weiß, Grün und Blau der Felder regte sich allüberall Gelb.

Die Wagen, hoch und breit, schwankend, so daß die Pferde unter der überhängenden Last fast verschwanden und es schien, als ob sie gewaltig in einer Staubwolke von selbst sich fortbewegten, kamen daher gleich einer Herde rauhhaariger, gelber Riesentiere, die, gesättigt und zufrieden, Wolken süß duftenden Atems im Gehen ausblasend, aus der abgegrasten Wiese heimkehrten.

Wo eines vorübergegangen war, blieb sein Geruch hängen. Der war so stark, daß sich alle anderen unzähligen Düfte des duftenden Junimondes darin auflösten. Die Düfte von Tannen und Birken, von den Johannistrieben des Eichengehölzes, darinnen auch noch das Gaisblatt rankte, der Duft von blühenden Linden und blühendem Roggen und Bohnenfeldern, der erstickende Brodem von Staub und heißem Sande, der feuchtwarme Dunst des Wassers, ja sogar der scharfe Geruch der vorüberziehenden Schafherden, und in den Dorfstraßen der schwere Qualm aus engen Häuschen verging darin. Selbst der Wind roch danach.

Überall, auch an den rauhen Tannenzweigen und an allen Sträuchern und stacheligen Brombeerranken hingen große, weiche Heubüschel. Alte Weibchen, die des Weges kamen, füllten ihre geflickten Schürzen damit, die Kinder trugen es spielend auf ihre kleinen Schiebkarren. Das ganze Dorf wurde mit Heu gefüllt. Es lag aufgehäuft in kleinen Ställen armseliger Häuschen, aus deren Halbdunkel die gelben Augen der behaglich fressenden Ziege glänzten. Auf den Heubergen wuchs es dem beweglichen, hoch emporgezogenen Dach entgegen; es breitete sich aus auf den Tennen, so daß der Bauer seitlings einen kleinen Gang hineingrub, um zur Hintertür hinausgelangen zu können.

Er mußte sich tüchtig rühren, wenn die erste Fuhre geborgen sein sollte, bevor die nächste kam. Die Knechte reichten es sich zu durch die Dachluken; greifend und aufhäufend arbeitete er selbst mit seinen Söhnen mit, bis in den späten Abend hinein, beim Schein der in dem First baumelnden Stallaterne. Ihre jeglichem Maß und jeglichem Verhältnis entwachsenen Schatten schwankten seltsam verzerrt hin und her über den Lehmboden der Tenne, quer über die Schattenstreifen der Balken hin, die wie die Speichen eines Riesenrades da lagen, schwarz auf rot. Die Bäuerin hatte mit dem Abendbrot für die Mäher vollauf zu tun. Auf Brettern und Böcken, die ganze Diele entlang, stand das Mahl für sie angerichtet. Zufrieden über die reiche Ernte, und weil das Heu so schön trocken hereingebracht war, goß sie den Eierkuchenteig, ohne zu kargen, in die Pfanne, worin der Speck zischte. Und die Burschen und Dirnen, die, die Kleider und die Haare voller Heu, mit den letzten Fuhren heimkehrten in der Dämmerung, zwischen den leeren Kaffeekesseln und Buttermilchkrügen und dem stumpf gewordenen Gerät auf den schwankenden Hügel hingestreckt, erfüllten, während sie von einem Wagen zum andern hinüberriefen, den Abend mit ihren schallenden Stimmen und mit ihrem hellen Gelächter, daß es klang, wie Finkenschlag am Mittag.

In Plugges Feld wurde am Ende des langen Streifens zwischen zwei blinkend blauen Gräben das letzte Gras gemäht; hinter den Mähern kamen mit langen Armbewegungen die Harker. Näher zum Deich hin lag das Gras schon haufenweise, erst halb getrocknet, in langen Schwaden. Die Frauen begannen es zu wenden; dort hatte Marretje ihre Arbeit.

Sie war gleichsam betäubt von all dem vielen Neuen und Geräuschvollen, von der lauten Lustigkeit der Leute, mit denen sie auf dem schaukelnden Karren nach Wymenes gefahren war, dem ansehnlichen Dorf mit seinen sauberen Gehöften, dem Lärmen in der schmalen Straße am Deich entlang, wo rasselnde Gefährte und kleine Zeltwagen zum Markte fuhren, Aufkäufer laut blökendes Vieh vor sich her trieben und unter Peitschenknallen und Geschrei schwerziehende Gespanne aus den »Deichlöchern« herauswühlten, während die schiebenden Männer an den Rädern und am Wagenbalken des hoch beladenen Heuwagens einander zuschrieen. Der Anblick dieser endlosen Weite von in Sonne und Wind wogendem Grase mit der Menge arbeitender Menschen darinnen überwältigte sie. Sie sehnte sich nach dem dämmerigen Haus und ihrem Spinnrade zurück. Und bekümmert dachte sie auch, wie es nun wohl gehen würde mit all der Hausarbeit, die sie während dieser Woche nicht verrichten konnte, und ob die Nachbarin, mit der sie die Abrede getroffen, Alie und Gyvertje wohl ein ordentliches Abendbrot vorsetzen würde.

Das Mädchen, das vor ihr her ging, zeigte ihr die Handgriffe des Kehrens; mit ihrer langzähnigen Gabel griff sie eine Schwade auf, schüttelte sie in der Luft, die Halme rings umher verstreuend, und warf dann mit einer kurzen Wendung des Handgelenks den Haufen Gras umgekehrt zur Erde, so daß das feuchte Grün nach oben gekehrt war. Im Weitergehen schleuderte sie das gleich einem riesigen Kranz um und um gewundene Braun und Grün über die blasse geschorene Sode.

Es kostete Marretje einige Mühe den Griff zu lernen. Aber als sie erst einmal das Aufgreifen des Grases und die rasche Wendung des Handgelenkes im Gefühl hatte, so daß sie, mit den beiden andern gleichzeitig sich bückend und sich wieder aufrichtend, in gleichem Takt weiterarbeiten konnte, fast wie bei dem Hin- und Herwiegen an ihrem Spinnrad daheim, begann sie es angenehm zu finden. Das schwer betaute Gras war kühl an ihren Füßen, so weich für ihr Auge lag das Grün, die Luft schien lebend in frühem, seinem Sonnenschein und einem leicht daherziehenden Winde.

Von der Arbeit, woran sie sich mit den Augen festgehalten, blickte sie plötzlich freimütig auf und freute sich.

Der Schwaden, den sie kehrte, lief am Graben entlang, wo seitlings zwischen bläulichem Schilf allerlei Morastpflanzen blühten, dünne, rote Sumpfnelken und Kuckucksblumen, Schierling mit durchsichtigen, weißen Wölkchen von Dolden auf schlanken Stengeln, zu einem feinen Kranz gebreitet, mattrosiges Wasserliesch und Baldrian, von unten bis oben behangen mit dicken hellvioletten Dolden, die von schillernden Faltern umschwirrt wurden. Sie blickte auf all die Blumen, die sie daheim auf der Heide niemals gesehen hatte, und schaute gleichzeitig in ein bekanntes Gesicht. Jenseits des Grabens, wo das Feld des Bauern van der Scheer lag, war Tymen Vos, der Teppichweber, am Mähen; bis zu den Hüften stand er im Grase.

Er nickte ihr zu.

»Gefällt dir die Arbeit?«

»Ganz gut!«

Sie fuhren wieder fort, jedes mit seiner Arbeit.

Wenn sie aufblickten, sah ein jeder des anderen Gesicht über die Blumen und die gaukelnden Falter hinweg.

Tymen ging, wie in einem langsamen Tanz sich drehend, mit einer Biegung, einem Schwung und einem weiten Auswerfen des Armes inmitten des kreisenden Aufblitzens seiner Sense. Aus seinen aufgestreiften Ärmeln staken seine Arme, rotbraun, das Hemd hing offen über der schweißtriefenden Brust. Unter dem herabgeschlagenen Rande seines Strohhutes glühte sein Gesicht wie eine aufgeblühte Päonie. Marretje mußte immer wieder hinschauen, so erstaunt war sie darüber, daß dies nun derselbe Bursche sei, den sie so gut kannte von der Weberei her, mit seinen scharfen, blassen Zügen und seinen grauen Armen. Tymen seinerseits sah sich das Mädchen aufmerksamer an, die geschmeidig sich regende Gestalt, und, in einem wirren Kranz blonden, krausen Haares die weichen Züge, über die sich mit der stets wärmer werdenden Farbe ein Glanz von Jugend und Frohsinn breitete; er dachte, daß es gar nett sein müsse, zur Kirmes zu gehen mit ihr.

Am Ende des Grabens kamen sie einander gerade gegenüber zu stehen. Sie nickten wieder, gleichzeitig diesmal und lachend, und wandten sich um, er in das wogende Gras hinein, sie zu den langen Schwadenreihen des flach liegenden.

Um Mittag sahen sie sich wieder.

Tymen und sein Kamerad, die schon seit zwei Uhr auf dem Felde waren, hatten ein Bettuch auf vier Stöcken als Sonnensegel aufgespannt, um in der Kühle ihre Mahlzeit halten zu können. Die Hände um den Mund gelegt, riefen sie in den sengenden Sonnenbrand hinein, wo Plugges Arbeitervolk erschöpft nur noch träge sich regte, daß hier Platz für sie sei im Schatten.

Tymen legte für Marretje einen Haufen Heu zurecht, so daß sie dasitzen konnte, das Gesicht gen Norden gekehrt, wo das Blau des Himmels, das gleich blauem Feuer war, und das leuchtende Wolkenweiß kühler wurden und hier und dort schon mählich erloschen unter einem langsam sich ausbreitenden grauen Flor.

Mieke Plugge hatte das Mittagessen gebracht, Haufen Brot, die des Durstes wegen mit ungesalzener Butter bestrichen waren, Salat, mit Essig und Speck begossen, und das köstliche Mähergericht, tiefe, irdene Häfen voll fetten Milchreises. Das Arbeitervolk aber war ausgesogen von der Sonnenhitze und dem Ostwind, ausgedörrt von der heißen schweren Arbeit, die ihnen den Schweiß in Strömen abpreßte. Sie griffen nach den mit Bier und Wasser gefüllten Kannen, den Kesseln mit kaltem Kaffee und den Buttermilchkrügen. Die Alten warnten das junge Volk, »sich nicht zu vertrinken«, aber sie konnten nicht mehr. Den Kopf zurückgelegt, gossen sie das Naß in sich hinein.

Die Tränen und der Schweiß brachen ihnen aus bei dem atemlosen Schwelgen, so daß es fast schien, als ob der Trunk durch ihre rotbraune Haut wieder hindurchbreche wie durch grobes Steingut, das zu lange trocken gestanden, das plötzlich hineingegossene Wasser. Da waren welche, die, innerlich noch brennend, am Graben niederhockten und, indes sie sich vornüberneigten, aus beiden Händen das laue Wasser schlürften. Der Buttermilchkrug war leer, als Marretje danach langte. Tymen hielt ihr den seinen hin. Sie wollte nicht annehmen, halb verlegen, halb auch getrieben von jenem stolzen Zartgefühl, das der Arme seinesgleichen gegenüber empfindet. Jedoch scherzend setzte er ihr den Krug an die Lippen.

»Es ist genug da für dich und für mich.«

Sie fragte, ob er nicht mitessen wolle von ihrem Milchreis: der sei auch gut für den Durst und gleichzeitig für den Hunger.

Lang hingestreckt, auf dem Bauch im Heu liegend, löffelte er aus dem kleinen Napf, den sie auf ihrem Schoß hielt, die kühle frische Nahrung.

Marretje selbst hatte sie erst einmal in ihrem Leben gekostet, bei ihrer ersten Kommunion, als sie in ihrem neuen hellen Kleide an einem mit Schüsseln gedeckten Tisch gesessen hatte und von dem köstlichen Gericht so viel essen durfte, wie sie nur wollte. Die Erinnerung, in die noch manches Ungewohnte und Schöne hineindämmerte von Lichtchen und Gesang und vielen freundlich dreinschauenden Gesichtern, übertrug ein Gefühl von dazumal auf den gegenwärtigen Augenblick. Mit diesem neuen Kameraden saß sie bei einem Fest.

Ringsum streckten sich die Mäher zum Schlafen hin. Sie lagen, nach einem Augenblick, gleich Toten da. Einer auf dem Rücken, ein anderer mit dem Hut über dem Gesicht, ein dritter vornüber, den Kopf auf den verschlungenen Armen, manche zusammengekauert an der Schattenseite eines kleinen Heuhaufens; und ihre Glieder lagen um sie her, als ob sie ihnen nicht gehörten, hier und dort achtlos hingeworfen und vergessen. An ihnen war keinerlei Bewegung zu verspüren, nicht einmal der Atem, und Leben ließ sich nur noch an dem durchäderten Rot einer Hand oder an einem Stück Hals erkennen, das zwischen verschossenen Fetzen zum Vorschein kam.

Marretje lag mit ihrem Kopf in dem weichen Heuhaufen und spürte während des Schlafes, wie er sie erquickte.

Eine Empfindung der Frische weckte sie auf. Das grelle Licht war verschwunden, um sie her trieb es wie eine große Insel von Schatten, es fielen einzelne Tropfen, flüchtig aus einer Wolke gesprengt, die bereits verging.

Tymen watete im Graben, seine Füße und Beine, bläßlich wie Gras, das unter einem Stein kümmerlich entsproß, standen dürftig zwischen den strotzenden Wasserpflanzen; es schien fast, als könnten sie nicht dem Burschen mit dem lustigen, sonnenroten Gesicht und den verbrannten Armen gehören.

Er setzte sich neben sie.

»Ich möchte wohl dreimal im Jahr heuen! Schönes Wetter macht doch das halbe Leben aus; und was verspürt man denn davon in einer Weberei?«

»Im Hause auch nicht viel,« antwortete Marretje.

Er erzählte, daß er jetzt schon seit zehn Tagen im Heulande sei. Er habe zuerst für den Patron gearbeitet, dann auf dem Felde eines Bauern, »mit dem der Patron es verrechnete«. Denn während der Erntezeit liehen die Pächter des Heulandes einander ihr Arbeitsvolk so bereitwillig wie Karren und Pferd und Gerät, und im Sommer gäbe es auch nicht viel Arbeit beim Patron, der schon mehr zu tun haben könnte, sich aber nichts daraus mache, weil er ja doch keinen Sohn habe, der das Geschäft später würde weiterführen können, sondern nur eine Tochter.

Er hielt inne, weil es ihm einfiel, daß Marretje das Dorfgeschwätz über seine Werbung um Zwaantje van der Scheer wohl kennen mochte. Sie aber saß da und schaute ihn so still an. Und er sagte ihr, wie er sich freue über die einträgliche Landarbeit; denn an seiner Mutter und seinem »stillen« Bruder habe er ja eine Familie zu ernähren.

Im Dorf, wo unter den seit Generationen schon Mangel Leidenden und immer wieder untereinander Verheirateten viele so sind, nannte man die Idioten beschönigend die »Stillen«.

»Das ist eine schwere Sorge für dich«, sagte Marretje, die auch an die epileptischen Zufälle des »Stillen« dachte.

»Ach nein, das ist nicht so schlimm. Für Mutter war es wohl schwer, früher, als sie allein alles verdienen mußte. – Du bist jetzt auch zum erstenmal beim Heuen mit, wie?«

»Ja, ich kann daheim nicht entbehrt werden«, antwortete Marretje, die seinem Gedankengang von seinen Mühen zu den ihren gefolgt war.

»Das versteht sich.«

Sie schwiegen, mit den gleichen Gedanken beschäftigt. Still und satt lag der Mittag um sie her.

Die Wolke hatte sich ausgetröpfelt, der gelabte Boden duftete dem wieder hervorbrechenden Sonnenschein entgegen. Eine leichte Bewegung der Luft zerstreute den Wohlgeruch, der gleich unsichtbaren Glocken über die Heuschober gestülpt stand. Ein Odem von feuchter Erde und Saft aus abgeschnittenen, triefenden Stengeln gesellte sich dem Dunst des lauen Grabens und dem reinen Duft der Pappeln längs des Deiches, die von ihren reingewaschenen Blättern die Tropfen abträufeln ließen.

Die Falter, die mit geschlossenen Flügeln an den Schilfhalmen gehangen hatten, breiteten sie aus und flatterten in den Sonnenschein hinein. Da war viel hastiges Gesumme von Bienen, die seit einer Woche schon stundenweit aus dem Umkreis nach dem Polder kamen, um aus dem honigtriefenden Klee und der Wicke ihre Ernte einzuholen, an diesem Morgen noch keine Konterorder erhalten hatten und jetzt wegen der Behinderung durch den Schauer noch schleunigst in um so größerer Hast mitnahmen, was sich aus dem geringeren Blütenzeug im Graben längs des abgemähten Landes gewinnen ließ. Und die Schwalben schossen vorüber, paarweise und in gleichmäßigem Flug, ein schimmernder Vogel in der Luft, ein dunkler Vogel am Boden, durchsichtig schwarz auf dem blitzenden Hellgrün. In der Höhe zwitscherten, unsichtbar, die Lerchen.

Wiederum begann die Arbeit; durch die Stille kam aus weiter Ferne das Räderknarren eines schwer beladenen Heuwagens, und ein Mäher wetzte irgendwo seine Sense. Seit dem Morgen war so vieles schon getan, daß nur noch hier und dort in der Ferne ein wenig Gras ungemäht geblieben war: gleich rauhen dunklen Hecken ragte es aus dem Flachen empor. Aber sonst allüberall, vom Deich an bis weit über den Kanal hinweg, wo die Heuzillen tief eingesunken waren unter ihrer Last, lag das Heu in Schwaden und zu Haufen.

Marretje blickte über das beladene Land.

»Wie viel ist es doch, wie viel!«

»Ja, den Bauern geht es gut dies Jahr, das kannst du glauben! In der Allmend steht es auch wie noch nie, wer jetzt eine Kuh hat, die er da weiden läßt, der ist wohl dran.«

Er spuckte eine Kleeblüte aus, aus der er den Honig herausgebissen hatte und sagte, daß er selber auch Allmendrecht besäße, aber was das wohl nütze, wenn kein Geld für eine Kuh da sei?

»Das kann am Ende wohl noch kommen, wenn alles gut geht, und wenn man spart und ein Kälbchen großzieht«, meinte Marretje beratend.

Er zuckte die Achseln.

»Das ist eine lange Arbeit, ich will nur lieber gar nicht damit anfangen.«

Der Storch, der, bis an den Hals mit Schlamm bespritzt, durch den Graben watete, machte gerade einen Fang. Mit zwei oder drei lässigen Flügelschlägen schwang er sich empor, den Schnabel mit dem zappelnden Frosch darin weit vorgestreckt, die langen Beine schlaff herabhängend. In schrägem Flug stieg er auf. In dem einen Augenblick einem breitgeblähten weißen Segel, im nächsten einem blitzenden Zickzackstreifen gleich, lavierte er, am blauen Himmel hell aufleuchtend, gen Süden.

»Er hat sein Nest auf Hartestein«, sagte Tymen, »es sind fünf Junge drin.«

Und er nickte in die Richtung einer kuppelförmigen Reihe von Baumwipfeln, zwischen denen eine Wetterfahne blinkte.

Vor kurzem hatten neue Bewohner das Landgut bezogen und es in eine Musterwirtschaft umgewandelt. In der Gegend sprach man viel von Herrn van Walsum, der »die Landwirtschaft studiert habe«, von seinem dänischen Inspektor, von seinen Ställen und seiner Molkerei, die ein Ingenieur eingerichtet, und von den auf allen Märkten ausgesuchten Kühen, deren Milch er um das Dreifache des üblichen Preises in der Stadt verkaufte.

»Die Kühe stehen in einem Prunkzimmer mit einem Teppich unter den Hufen, dadurch ist die Milch so besonders gut«, sagte Tymen.

Marretje blickte ihn zweifelnd an, bis er zu lachen begann.

»Dich kann man doch gar zu leicht foppen!« meinte er, noch lauter lachend.

Sie schaute in seine lustigen Augen und antwortete zaudernd:

»Der Vater spricht auch niemals so.«

Er sagte plötzlich:

»Willst du mit mir zur Kirmes gehen, diesmal?«

Sie wurde feuerrot.

»Nein, jetzt ist es keine Fopperei, 's ist mein Ernst.«

»Ich bin noch nie zur Kirmes gewesen.«

»Einmal muß es eben das erstemal sein.«

Sie dachte an die Abende, da sie von weitem sich die Buden angeschaut, die tanzenden Paare hinter den offenen Fenstern des Wirtshauses »Zum Grauschimmel«. und vor allem das Karussel, das ganz aus Musik und Lichtchen gemacht schien, und in dem die Burschen und die Mädchen, nebeneinander in den schaukelnden Schifflein, immerfort um und um kreisten.

Allein mit einem Kopfschütteln sagte sie, daß der Vater es wohl nicht erlauben würde.

»Warum nicht?«

»Er will es nicht.«

»Deine Schwestern gehen doch auch.«

»Das ist was anderes, ihre Freier holen sie ab.«

Sie errötete plötzlich und sagte hastig:

»Ich meine, sie sind nun einmal mehr auf sich gestellt, und ich bin immer nur daheim gewesen.«

Tymen blickte in das stets tiefer errötende Gesicht.

»Nun eben darum, du mußt doch auch mal wissen, daß du jung bist. Am ersten Kirmestage hole ich dich ab.«

Sie lächelte zaghaft, wie ein Kind, das noch nicht recht weiß, ob es sich wohl freuen soll über ein ihm außerhalb seines Bereiches vorgehaltenes Spielzeug, während sie von Tymens frischem Gesicht auf das runzelige, bekümmerte ihres Vaters blickte, der soeben erwacht war.

Mit einem Seufzer, der beinah wie ein Stöhnen klang, richtete er sich auf, schwerfällig, des einen steifen Beines wegen.

Die Heuwagen fuhren ins Feld hinein. – Ein jeder griff nach seinem Gerät.

Während er davonging mit seiner Sense in der Hand, sprang eine kleine Feldmaus vor Tymens Füßen auf. Er schlug nach ihr, im Scherz nur.

»Ach!« sagte Marretje, der das blaue Tierchen leid tat, das da jetzt so still lag.

Der alte Kettingmakers schaute hin, über seine Schulter hinweg:

»Die hat's jetzt besser als wir.«

Tymen lachte.

»Ich will schon noch ein wenig leben. Und du, Marretje?«

Ihre leuchtenden Augen antworteten für sie.

Die Arbeit begann von neuem, viel schwerer als am Morgen, mit dem Zusammentragen des verstreuten Heus und dem Hinaufreichen auf den Wagen. Die schwer befrachtete Gabel vor sich hingestreckt, kamen die Männer wankenden Schrittes von der äußersten Garbenreihe auf die Mitte des Feldes zu, wo der Heuwagen langsam weiter fuhr, von dem einen Heuhaufen zum nächsten. Die letzten Schwadenreihen wurden zu Haufen emporgestaut, und schwerfälligen Schrittes, wie ein Schiffer, der seinen Kahn stromaufwärts schiebt, drückte der Schnitter, den Stiel mit beiden Fäusten gegen den Leib gepreßt, seine Harke in die Schwaden, und die gelbe Welle wuchs in der Höhe und in der Breite zu einer Woge an, die er mit aller Macht emporstaute, bis dorthin, wo sie, sich überstürzend, auf den steilen Schober fiel. Dort standen die Männer mit ihren Gabeln, ergriffen das Heu, hoben die Last hoch empor, hielten sie eine Sekunde lang zitternd im Gleichgewicht und schleuderten sie dann mit einem Schwung hinauf auf den Wagen, wo der Auflader im Bücken danach griff.

Es wurde kein Wort gesprochen. Schwer atmend und triefend vor Schweiß, jede Muskel und jeden Nerv angespannt, arbeiteten die Männer und die Frauen einander in die Hand.

Marretje machte mit und nahm es mit den besten auf. In ihrem Herzen war eine Freudigkeit, die sie aufrecht erhielt, so wie die Luft einen Vogel in seinen hohlen Schwungfedern schwebend trägt.

Tymen war jetzt auf einem Stück Land an der Arbeit, das jenseits des Kanals lag. Sie sah ihn sich immer weiter fortbewegen, wie er sich von einem wogenden grünen Wall abhob. Zuletzt war er nicht mehr als ein blauer, aufblitzender Fleck.

Sie dachte bei sich, ob er wohl mit seiner Arbeit fertig sein würde, wenn sie heim müßte.

Während der vorletzte Wagen davonfuhr, zauderte sie so lange, bis der Vater und die beiden andern Frauen ohne sie gingen.

Aber als man endlich auf den letzten das letzte Heu aufgeladen und den Wiesbaum straffgezogen hatte, war Tymen nirgends mehr zu sehen.

Die Arbeiter, die nicht mitfahren durften, wegen der Gefahr, daß die schwankende Fuhre auf einem unebenen Wege sich überschlagen und auf Mann und Pferde stürzen könnte, gingen gekrümmt und langsam hinter dem behutsam gelenkten Wagen her. Sie folgte, während sie sich stets umschaute, dem letzten.

Der abendliche Nebel umfing sie feuchtkalt, mühsam schleppte sie ihre Füße, sie fühlte plötzlich den Schmerz der Übermüdung in allen Gliedern, und in der Kehle stieg ihr die Lust zum Weinen auf.

Am »Deichloch« machte der Wagen halt.

Von der Höhe aus kletterten die Arbeiter hinauf.

Eine Stimme rief sie an:

»So komm doch, Marretje!«

Es war Tymen! Wo war der, so plötzlich, hergekommen?

Er zog sie an beiden Händen hinauf und neben sich hin zwischen die leeren Kessel und Krüge und das bei der Arbeit stumpf gewordene Gerät.

Sie wollte etwas sagen, konnte nicht, wußte nicht recht mehr was, und schaute ihn nur hilflos an.

Der Ruck, mit dem sich der Wagen in Bewegung setzte, warf sie gegen einander. Sie fühlte seinen Arm um ihre Schultern. Leicht zitternd gab sie nach.

Vornüber hingestreckt im Heu, das Gesicht auf den Armen, lagen die beiden Arbeiter da.

Der kühle, feuchte Heuhügel bewegte sich hin und her, leise schaukelnd, wie eine Wiege. Es begann zu dämmern. Am Himmel, der bleich schimmerte zwischen den schwärzlichen Tannenkronen des Wymenesser Weges, hingen die ersten Sterne, klaren Tautropfen gleich.

Tymen zog Marretje noch fester an sich und küßte sie.

Sie legte ihr Gesicht an das seine mit der Bewegung eines Kindes, das die Mutter sucht. Von selbst gaben ihre Lippen den Kuß zurück.


 << zurück weiter >>