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Fünftes Kapitel. Das umgestaltete Weltenburg.

Das ehemalige Besitzthum derer von Weltenburg hatte eine ganz andere Gestalt angenommen. Mit Ausnahme des alten Schlosses mit seinen malerischen, hohen Giebeln und steilen Dächern, mit dem schwerfälligen, stumpfen, von allerhand Schlinggewächsen übersponnenen Thurme war Alles anders geworden. Das mächtige Thal, an dessen hügeliger Senkung das Schloß sich erhob, belebte jetzt eine ganze Colonie rühriger Arbeiter. Den Fluß bändigten, selbst bei schwer niedergehenden Wolkenbrüchen in den Gebirgen, feste und hohe Dämme. Zu beiden Seiten desselben, durch hohe Brückensteige mit einander verbunden, sah man jetzt eine Reihe wohnlicher, aber kleiner Häuser, vor deren jedem sich ein Blumengarten befand. Unterhalb des sogenannten Schloßberges, da, wo der gebahnte und gut erhaltene Fahrweg zum Schlosse hinaufführte, lag ein langgestrecktes Gebäude, die Garnspinnerei, die nach englischem Muster erbaut, ganz englisch eingerichtet war, und einen geborenen Engländer zum Werkführer hatte. In einem andern Gebäude befand sich die von sechs Pferden in Bewegung gesetzte Mangel, ein drittes schloß die Glättwerke in sich, deren man sich bei gewissen Stoffen bedienen mußte, um denselben die von den Käufern gewünschte spiegelglatte Appretur zu geben. Eine Wasser- und Walkmühle und einige andere Einrichtungen, wie sie großartig betriebene Anlagen solcher Art erfordern, gruppirten sich um die genannten Gebäude. Das Ganze gewährte ein recht erquickendes Bild, nicht bloß, weil sich eine schöpferische Kraft, ein rastloses Streben in dieser rasch aufblühenden Schöpfung verrieth, sondern auch, weil alle dabei Beschäftigten mit Liebe und Hingebung arbeiteten und dadurch den Segen der Arbeit verdoppelten.

Das Etablissement der Gebrüder Ammer zu Weltenburg verschaffte sich bald einen bedeutenden Ruf in der Nähe und Ferne. Die geringe Entfernung von der einflußreichen Handelsstadt, die Anlegung einer guten Straße dahin, zu deren Erhaltung die gegenwärtigen Besitzer von Weltenburg jährlich eine bestimmte Summe ausgesetzt hatten, die malerische Umgebung des Schlosses mit seinem jetzt ebenfalls in besseren Stand gesetzten Park, verleiteten nicht selten Fremde, dem großartigen Etablissement einen Besuch abzustatten. Wie gewöhnlich war die Zahl derer, die aus weiterer Entfernung kamen, bedeutender, als die ganz in der Nähe wohnender Besucher. Namentlich verirrten sich Städter nur höchst selten nach Weltenburg, sei es, daß es ihnen nicht behagte, eine altadelige Besitzung in eine Fabrik verwandelt zu sehen, sei es, weil der wachsende Reichthum des früher kaum beachteten Webers die weniger glücklichen Bürger mit Neid erfüllte und sie deßhalb abhielt, die neue Schöpfung in Weltenburg zu besichtigen. Christlieb Ammer, der, wie bereits erwähnt wurde, schon seit Monaten seinen bleibenden Aufenthalt in Weltenburg genommen hatte, war deßhalb nicht wenig erstaunt, als er eines Tages, da er gerade vom Schlosse zur Spinnerei hinabsteigen wollte, ein paar ihm wohlgesinnte Persönlichkeiten Arm in Arm die gewundene Straße zum Schlosse hinaufsteigen sah. Anfangs glaubte er seinen Augen nicht trauen zu dürfen, bald aber konnte er nicht mehr zweifeln. Sie waren es, die Glücklichen, die so wenig Wünsche und doch so vielen Aerger hatten, weil es ihnen an Arbeit fehlte. Der gelehrte Candidat der Gottesgelahrtheit, Herr Still, und seine sehr wirthliche und herrschsüchtige Frau Sempiterna schritten wirklich selbander auf das Thor Weltenburgs zu.

Häufige Bewegung in freier Luft und unausgesetzte Thätigkeit, die Christlieb Ammer sich selbst nach Gutdünken wählen konnte, hatten seinem früher etwas gedrückten oder abhängigen Wesen mehr Spannkraft gegeben. Er sah frisch und kräftig aus, das Gesicht war etwas gebräunt, das Auge blickte frei in die Welt. Nicht mehr ein wohlhabender Webergehilfe, sondern ein angehender Fabrikherr, der es bei gutem Glück noch weit in der Welt bringen konnte, stand der älteste Sohn des alten Ammer im Rohr vor der Eingangspforte des Schlosses.

Als Christlieb nicht mehr über die Persönlichkeiten der beiden Ankömmlinge in Zweifel sein konnte, ging er ihnen entgegen, um sie als alte Bekannte seines Vaters zu empfangen. Frau Sempiterna, von untersetzter Statur, dabei wohlgenährt und mit einem Uebermaß kostbarer Kleider behangen, war etwas warm geworden bei Ersteigung des Hügels. Indem sie jetzt, am Arme des stets gehorsamen Gatten, stehen blieb, um Athem zu schöpfen, rief sie schon aus der Ferne dem heranschreitenden Christlieb zu:

Guten Morgen, mein Lieber! Schön ist es hier, das muß man sagen, aber, wenn man doch einmal Geld besitzt wie Heu und es mit Gewalt hinauswerfen will, so wäre es zweckmäßig gewesen, einen etwas bequemern Weg zu dem alten Krähennest anzulegen.

Seien Sie bestens gegrüßt und willkommen geheißen auf Weltenburg! versetzte Christlieb in der heitersten Stimmung. Hätte ich ahnen können, daß mir von Ihnen, meinen Verehrten, ein Besuch bevorstände, so würde ich für die Frau Candidatin einen Tragsessel an den Fuß des Schloßhügels beordert haben.

Da nimm dir ein Beispiel daran, Candidat Still, sprach Frau Sempiterna zu ihrem Gatten, ihre Worte mit unsanftem Händedruck begleitend. Der junge Mensch ist gegen dich ein wahres Kind, aber Lebensart hat er, das muß ich sagen, und galant gegen Frauen ist er, das ist die volle Wahrheit, während es dir gelehrten Unmenschen doch in deinem ganzen Leben, in unserer dreißigjährigen musterhaften Ehe auch noch nicht einmal in deinen benebelten Sinn gekommen ist, auch nur daran zu denken, daß deine Frau, die vom Grauen des Tages bis tief in die Nacht hinein nur für dich sorgt, schafft und sich abmüht, einmal eines Trag- oder Lehnsessels bedürftig sein könnte.

Bei der langen Satzbildung, durch welche Frau Sempiterna sich auszeichnete, verließ sie am Schluß dieser vorwurfsvollen Rede der Athem auf's Neue, während ihr Gesicht hochroth ward. Herr Still suchte sie zu beschwichtigen, indem er kleinlaut sagte:

Nun, nun, mein Kind, habe nur Geduld!

Ach ja, Geduld! das kenne ich schon, das ist dein Lieblingswort, wenn du keinen Entschuldigungsgrund für deine Nachlässigkeit hast, fiel Frau Sempiterna ein. Dann zu Christlieb gewandt, fuhr sie fort:

Herr Ammer, Sie müssen entschuldigen, daß wir ohne vorherige Anmeldung, so zu sagen, Ihnen in's Haus fallen. Aber es hielt mich nicht mehr, nach Allem, was die Leute mir von Weltenburg erzählten. Gibt es doch nichts, wovon man mehr und täglich sprechen hört in der Stadt, als von den Kunstspinnereien des Herrn Ammer. Da sagte ich zu meinem Candidaten: Candidat Still, sagte ich, wenn du nicht ganz der Welt abgestorben bist und deine rechtschaffene Frau nur ein ganz klein wenig noch achtest; so thust du mir die Freude, am ersten, besten schönen Tage mit mir nach Weltenburg zu fahren. Fuhrlohn für die Kalesche kannst du von deinem Taschengelde nehmen. Wenn du täglich nur zwei Pfeifen Tabak weniger rauchst, so hast du es in vier Wochen reichlich wieder erspart. Wirklich, Herr Ammer, er raucht zu viel, mein Candidat, er raucht geradezu sündlich. Aber ich muß mich fügen, ich arme schwache Frau! Denn einen Eigensinn hat er, mein Candidat, einen Eigensinn, der kann beim verbohrtesten altlausitzer Bauer nicht schlimmer gefunden werden.

So schone doch deine Lunge, liebe Sempiterna, sprach Candidat Still sanft. Der junge Herr Ammer kennt ja schon unser Beider Leiden.

Beider? sagte gedehnt Frau Sempiterna. Nun du kannst wohl mitreden von beiden! Hat den ganzen langen, geschlagenen Tag nichts zu thun, als in seinen alten Scharteken zu wühlen, oder im Garten herumzugehen, um die Raupen abzulesen, wird gehegt wie ein Hühnchen, und will noch von Leiden sprechen! OUndank, Undank! Ich sage Ihnen, lieber junger Herr Ammer, es geht in der ganzen weiten Welt nichts über das Laster des schwarzen Undanks! Aber jetzt will ich mich nicht ärgern, sondern als ehrbare Frau mich rechtschaffen freuen an dem, was es Schönes auf Erden gibt. Führen Sie uns herum.

Candidat Still schwieg. Er wagte nicht einmal zu seufzen, nur ein bittender Blick auf Christlieb sagte diesem, was der mehr als zu viel regierte Mann der Wissenschaft von seiner ehrbaren Frau Gemahlin zu leiden habe.

Wollen Sie nicht zuvor etwas ausruhen, verehrte Frau Candidatin? fragte Christlieb, sich mit den unerwarteten Gästen dem alten Schloßgebäude zuwendend. Ich weiß nicht genau, ob alle Arbeiter in Thätigkeit sind, was ich leicht veranlassen kann, wenn Sie nur wenige Augenblicke verziehen wollen.

Larifari, mein lieber junger Herr! fiel Frau Sempiterna ein. – Das sind Flausen, von denen ich nichts hören mag. Ich habe zu meinem Candidaten gesagt: Candidat Still, sagte ich, gib Acht! Ueberraschen wollen wir den jungen Menschen, wie ein Dieb in der Nacht, damit man sehen kann, wie er's treibt. Und da will ich bald dahinter kommen, ob die ganze, neumodische Anlage mit Verstand oder mit Unverstand getrieben wird. Ja, ja, mein lieber junger Mann, das habe ich gesagt, und das darf ich sagen; denn ich verstehe 'was von ordentlicher Wirthschaft und Hausregiment. Und wenn Sie meinen Worten nicht glauben wollen, so fragen Sie den Herrn Advocaten Block, der wird's Ihnen wieder erzählen. Ein tüchtiger Mann, der Block, etwas hart, aber brav. Wenn mein Candidat nur eine Ader von ihm hätte! Aber ich will mich ja nicht ärgern, und darum vorwärts in die Fabrik.

Wie wäre es möglich gewesen, solchem Drängen zu widerstehen! Christlieb fügte sich lächelnd den Befehlen der Frau Sempiterna, und schritt an der Seite seiner Gäste der Spinnfabrik zu, dessen dröhnende Räume Candidat Still mit kaum zu verbergender Aengstlichkeit betrat. Denn allem geräuschvollen Leben außer der scheltenden Zunge seiner Ehehälfte entwöhnt, beunruhigten den nur in seinen Büchern lebenden Stubengelehrten diese ungewohnten Töne.

Wir unterlassen es, die innere Einrichtung einer Spinnfabrik zu beschreiben, da gegenwärtig wohl Jeder eine derartige Anstalt besichtigt hat. Ungeachtet des häufigen Räusperns und der Unruhe, die Candidat Still merken ließ, war Frau Sempiterna nicht eher befriedigt, bis sie Alles genau besichtigt hatte. Selbst um die Erlaubniß bat sie einen der Arbeiter, ihm beim Vorlegen des schimmernd weißen Flachses ein paar Secunden lang behülflich sein zu dürfen. Befriedigt und sehr erheitert verließ sie die dunstigen Räume, wo das Klirren und Schwirren so vieler Stahlräder einen Lärm verursachte, der fast die menschliche Stimme übertönte.

Candidat Still war bis zur Betäubung davon angegriffen und sah ganz blaß aus. Frau Sempiterna glühte dagegen. Ihr sehr robuster Körper hatte nie Anwandlungen von Schwäche gefühlt, obwohl sie nicht ganz frei gesprochen werden konnte von einigen fingirten Ohnmachten.

Sie sind Ihres Vaters braver Sohn, sagte sie, wieder in's Freie tretend, indem sie Christlieb einen derben Schlag auf die Schulter gab. Das ist Alles nett und blank und die Leute müssen sich tüchtig rühren, wollen sie etwas Brauchbares auf die Spindeln bringen. Siehst du, Still, das nenn' ich arbeiten, wirken, schaffen. Das setzt in Respect und nützt in der Zeit. Aber dein Studiren und Kritzeln, das nützt Niemand. Das macht nur wirr und unpraktisch und füllt den Kopf mit Nebeln, die sich dergestalt vor die Augen legen, daß die Studirten zuletzt am hellen Tage selbst mit doppelter Brille nichts mehr sehen. Meine Hochzeitsrobe gäbe ich drum, wenn ich deinen gelehrten Krimskrams in ein so schönes Stück Fabrik verwandeln könnte.

Der arme Mann, obwohl schon längst an derartige Zurechtweisungen seiner zärtlichen Ehehälfte gewöhnt, fühlte sich durch diese letzte Aeußerung doch im Innersten verletzt.

Er würde aufgebraust sein, hätte dies sein friedliebendes Temperament zugelassen, allein weil er sich überhaupt nie zu einer Heftigkeit fortreißen ließ und mehr noch, weil er die allzubewegliche Zunge seiner praktischen Gattin fürchtete, brachte er es auch jetzt nur zu einem unverständlichen Brummen.

Und das steht Alles unter Ihrer Leitung und Aufsicht? fragte Frau Sempiterna, an der Seite ihres Gatten langsam dem alten Schlosse zuschreitend, und noch mehremal ihre Blicke nach dem lärmenden Gebäude zurückwendend, das sie so eben verlassen hatte. Christlieb Ammer, ich verehre Sie. Reichen Sie mir Ihre Hand, damit ich sie drücken kann.

Lächelnd willfahrte der angehende Fabrikherr den Wünschen der Candidatin, deren sonderbares Wesen ihm wie Allen, die öfter mit ihr zusammen kamen, hinlänglich bekannt war.

Aber nun sagen Sie mir, junger Herr, fuhr Frau Sempiterna fort, ihren linken Arm kräftig in die Seite stemmend, sagen Sie mir, was beginnt denn nun eigentlich der Alte? Sitzt er noch immer an seinem Rohr, sortirt Garn, gibt Werften aus, liest's Wochenblatt, rückt die Mütze und moquirt sich über die Welt und ihr freilich bisweilen verwunderliches Treiben? Und die Frau Mutter gerathen ihr die polnischen Karpfen noch immer so gut? Kommt sie gar nicht hierher in dies neue Paradies der Ammer? Und das feine Schwesterchen, die zierliche, gutherzige Flora, sie wiegt einen Buben, hab' ich gehört? Mein Gott, mein Gott, was kann doch rasch aus den Menschen werden! Hab' sie gekannt, die Flora, wie sie noch im Sand und Staub herumruschelte und nun ist sie schon Mutter und Hausbesitzerin obendrein! Aber nun gar der Herr Bruder! Nein, lieber Christlieb, das geht mir denn doch über die Spitzenhaube! Ein Seefahrer werden, über's Weltmeer segeln, unter die Wilden gehen, großmächtige Handelsverbindungen bei den Andernpopen

Antipoden, liebe Frau, Antipoden heißt es! corrigirte Candidat Still die gesprächige Frau.

Meinetwegen Popen oder Poden – mir ist's alleinerlei – genug dorthin in die unbekannte, weltweite Ferne fortziehen und nicht einmal seinen alten Bekannten Adieu sagen: nein, lieber Christlieb, das nehmen Sie mir nicht übel, das hätte ich von Ihrem Bruder wahrhaftig nicht vermuthet!

Dennoch müssen Sie meinen Bruder entschuldigen, verehrte Frau Candidatin, versetzte Christlieb, dem es schwer ward ernsthaft zu bleiben. Die Reise Fürchtegott's ward unter ganz eigenthümlichen Verhältnissen angetreten und überraschte uns Alle so plötzlich, daß mein Bruder das Abschiednehmen selbst im väterlichen Hause ganz und gar vergaß.

Was Sie sagen! Also auf holländische Manier ist er in die weite Welt gegangen? Nun warte, Musje! Wenn der Weltläufer einmal wiederkommt, da will ihm den Kopf tüchtig zurechtsetzen dieser Unarten wegen.

Unter diesem Gespräche hatte man das Eingangsthor von Weltenburg wieder erreicht. Christlieb Ammer lud Frau Sempiterna nochmals ein, das Innere des alten Schlosses in Augenschein zu nehmen, erhielt aber eine abschlägige Antwort.

Ich komme nächstens 'mal wieder, fügte sie hinzu, und dann will ich mich in dem alten Fuchsneste ebenfalls umsehen. Für heute habe ich genug und mag mir durch nichts den wohlthuenden Eindruck stören lassen, den mir die Arbeiter dort und die ganze Einrichtung des Etablissements gemacht haben. Ich weiß jetzt, daß Sie ein braver, junger Mann sind und daß der Herr Vater eigensinnigen Andenkens Ihrethalben den Kopf einen Zoll höher tragen darf. Möge es Ihnen wohl gehen und Sie viel Freude an der auf Ihnen lastenden Arbeit haben! Still, Still, wann werde ich beklagenswerthe Frau das von dir sagen können?

Der Candidat lächelte bittersüß, nahm den Arm seiner Frau und sagte mit aller ihm zu Gebote stehenden Freundlichkeit: Weiß ich doch zu schätzen, was ich an dir, mein Herz, besitze! Der Erfolg meiner Arbeit wird dir erst sichtbar werden, wenn ich nicht mehr bin.

Nun, das gebe Gott! erwiderte Frau Sempiterna heiter, indem sie einen tiefen Knicks vor dem jungen Ammer machte, sich noch einmal nach der Spinnerei umsah und dann am Arme ihres Gatten langsam den Schloßweg wieder hinabschritt.

Christlieb sah dem seltsamen Paare, das sich gegenseitig ohne Noth das Leben schwer machte, kopfschüttelnd nach. Dabei gewahrte er auf der am Flußufer sich nach dem Berggelände fortziehenden Straße eine Staubwolke, die rasch auf derselben fortrollte und somit Weltenburg immer näher kam. Bald erkannte er einen Reiter, der in mäßigem Trabe seinem Thiere Zeit ließ. Um Schloßhügel angekommen, bog der Reiter von der Fahrstraße ab, grüßte das herabkommende Paar, das ihm hier begegnete, und ließ nun das Pferd im Schritt den gewundenen Weg nach Weltenburg hinaufsteigen.

Der aufwirbelnde Staub hatte sich verzogen und Christlieb erkannte jetzt in dem näherkommenden Reiter Herrn Wimmer. Eine Minute später hielt der Herrnhuter schon vor der Eingangspforte, zog grüßend seinen breitkrempigen Hut, klopfte dem schnaubenden Rößlein den Hals, schwang sich aus dem Sattel und sagte, mit der Reitgerte an die Stulpenstiefeln schlagend:

Grüß' Gott, lieber Freund und Bruder! Habe lange nicht mehr das Vergnügen gehabt, dich oder Einen der Deinigen von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Sind doch alle wohlauf, die lieben Eltern und die junge Frau Schwester? Nun, will's hoffen siehst ja recht froh und keck in die schöne Gotteswelt hinein. Aber rufe doch einen Knecht heran, mein Lieber, daß er mein treues Thier abzäume und ihm etwas Labung gebe, sobald es sich verschnauft hat. Wir Beiden haben gar viel Wichtiges mit einander zu sprechen.

Christlieb winkte einem im Schloßhofe befindlichen Knechte, der sogleich herzutrat und, den Fremden kühl grüßend, dessen Pferd in Empfang nahm.

Gib dem Rößlein eine halbe Hand voll Brod, mein Freund! rief Wimmer dem Knechte nach, es ist daran gewöhnt nach scharfem Ritt. Auch wirst du wissen, daß ein rechtschaffener Christ sich zuerst seines Thieres erbarmen soll, will er selbst dereinst auf Erbarmen hoffen der vielen Thorheiten und Sünden wegen, die er wissentlich und unwissentlich begeht in einem Leben voll Wandel und Zerstreuung.

Wimmer schüttelte Christlieb Ammer die Hand und ergriff darauf seinen Arm.

Komm, komm, sprach er. Gott hat Großes an dir gethan, du magst also fröhlich sein in Demuth. Komm, damit ich erzähle und du hörest.

Mit diesen Worten zog er den jungen Fabrikherrn mit sich fort über den Schloßhof und verschwand mit ihm unter dem eigenthümlich gewölbten Portale des Thurmes von Weltenburg.


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