Christoph Martin Wieland
Araspes und Panthea
Christoph Martin Wieland

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Vierte Abteilung

1

Araspes allein

Wie frisch und lieblich ist dieser Morgen! Wie reizend die nachlässige Schönheit der halb verhüllten Natur! Dank sei dem heilenden Schlummer, der so lange meine Nächte verlassen hat! ich fühle das munterste Leben wieder in meinen Adern hüpfen. Alle meine Sorgen sind in lachende Hoffnungen verwandelt. – Ich erstaune über meine Trägheit. – Wie lange hab ich mich umsonst gequält! In Wahrheit, der verdient unglücklich zu sein, der sich selbst verloren gibt. – Wer peinigte dich so, Araspes? – Die Liebe? – Die Liebe kann nur einen Toren peinigen. – War es die strenge Panthea? – O sie ist ja lauter einladende Güte, lauter reizende Holdseligkeit. Kam sie nicht selbst, mit tröstenden Reden meinen eiteln Kummer zu besänftigen! Wie undankbar wäre ich, sie der Strenge zu beschuldigen! – Aber sie liebt mich nicht? – Dies ist noch ungewiß! Vielleicht ist meine Schüchternheit, nicht ihr Kaltsinn, die Ursache, daß ich noch zweifeln muß. Warum soll ich nicht hoffen? Könnte ein so sanftes Geschöpf, so ganz gemacht Liebe einzuhauchen, unfähig sein, die Begierden selbst zu fühlen die es erweckt? Wie lange soll mir denn meine eigene Feigheit schaden? Nur den kühnen Liebhaber belohnt Amor mit seinen Freuden, und bestraft den mit verdienten Schmerzen, der nur Seufzer wagt. – Hab ich sie denn schon auf die Probe gesetzt? Hab ich ihr zärtliches Ohr angewöhnt, die freien Erklärungen meiner Liebe zu dulden? Hab ich etwann einen der gewogenen Augenblicke gehascht, da die Seele in einer süßen Vergessenheit ihrer selbst einschläft, und die erhitzte Sinnlichkeit sich nach bekannten Freuden sehnt? Was verzage ich denn? Nein, eine so blühende Jugend, eine so belebte, gefühlvolle, liebatmende Schönheit kann nicht unbezwingbar sein! O was für Entzückungen verspricht sie dem Glücklichen, dem sie mit glühenden, sich selbst bewußten Wangen, mit halb geschlossenen Blicken und klopfendem Busen, wollüstig seufzend einen Sieg bekennen wird! – O daß in diesem Augenblick ein der Liebe günstiger Genius sie herbei lockte, daß der junge rosenbekränzte Tag sie zum Morgengesange der Vögel in diese Schatten lockte! – Aber was hoffst du, Unbesonnener? Ihre Unschuld – o laß sie so unschuldig sein als der erste Seufzer eines halb aufgeblühten Mädchens, so keusch als Diana, ehe sie ihren silbernen Wagen zu Endymion herab lenkte: was schadet das meinen Hoffnungen? Ihre Unschuld wird durch den sanft sträubenden Widerstand meinen Sieg nur angenehmer machen. – Stille! – Was rauscht durch jenes Gebüsche? – Ist es, oder täuscht mich das verlangende Herz – ist es nicht die Gestalt der Panthea, oder ist es eine Waldnymphe, die ihre Schwestern sucht? – Ich will ihr, so leise wie ein Schatten, nachschlüpfen – vielleicht hat die Liebe meinen Wunsch erhört.

2

Zwei Sklavinnen der Panthea

Erste Sklavin. Hier, Scheristany, werden wir genug Blumen finden. Die Morgenröte hat hier ihren ganzen Vorrat verschüttet.

Zweite Sklavin. Siehe dort jene volle stolz aufgeblühte Rose, wie schön sie aus dem dunklen Busche hervor lacht! Noch reizender soll sie aus den braunen Locken der schönen Panthea hervor lachen, und, von ihren Wangen übertroffen, noch mehr erröten. – Oder meinst du, Zelis, sie würde lieber an meinem Busen glänzen?

Erste Sklavin lachend. Warum nicht? Sie wird stolz auf einen so schönen Platz sein. Laß sie mich anheften. Wir wollen für Panthea bald eine andre finden. – Hier habe ich schon einen ganzen Frühling in meinem Korbe. Laß uns auf diese Veilchenbank nieder sitzen und den schönsten Kranz flechten.

Zweite Sklavin. Du willst die Königin heute recht reizend ausschmücken. Weiß auch Scheristany, wer ihr am meisten dafür danken wird?

Erste Sklavin. O ich errate was du sagen willst. Es ist kein Geheimnis mehr, daß Araspes für die Königin seufzet.

Zweite Sklavin. Und vielleicht nicht lange mehr seufzen wird? Was meinst du, Zelis? Hast du nicht –

Erste Sklavin. Die Blicke gesehen, die zärtlichen Blicke, die man über den glücklichen Jüngling ausgießt, die vertrauten Gespräche, die Spaziergänge im Myrtenwäldchen, die großmütige Besorgnis für seine Gesundheit! Alles, alles verkündigt das Glück des neuen Günstlings. Was für seltsame Geschöpfe sind wir doch!

Zweite Sklavin. So? Findest du etwann einige kleine Unrichtigkeiten in dir selbst, daß du so fertig bist über das ganze Geschlecht zu schmähen?

Erste Sklavin. Höre, Scheristany, wenn wir aufrichtig sind und uns selbst kennen so wird sich keine für unüberwindlich halten. Aber doch könnte ich es der Königin nicht vergeben, wenn sie –

Zweite Sklavin. Ei wie streng, Zelis! Was, denkst du, sollte eine Frau, der alle Morgen ihr Spiegel und die weit offnen Augen eines jeden, der sie siehet, ihre Schönheit vormalen; der die ganze Natur sagt, daß sie zum Vergnügen erschaffen sei; der es ihr inneres Gefühl noch lauter sagt; – soll sie sich selbst im Frühling ihres Lebens zu einer ewigen Witwenschaft verdammen? Und warum? Um des albernen Ruhms willen, von irgend einem zukünftigen Dichter mit der Turteltaube verglichen zu werden, die ewig trostlos, auf einem verdorrten Aste sitzend, den Verlust ihres Gatten beweint? O gewiß, eine Schönheit, wie Panthea, ist nicht gemacht, ungeliebt und ungenossen, von Seufzern und hartnäckiger Schwermut zu verwelken. Was ist hierin tadelnswert? Wenn auch Abradates noch lebt, so hat er ihrer vergessen; und ihre Gefangenschaft, die alle vorigen Verbindungen auflöst, gibt ihr das Recht, ihn hinwieder zu vergessen.

Erste Sklavin. Du sprichst, als ob du niemals eines getreuen Liebhabers wert sein werdest. Ist es denn gewiß, daß Abradates sie vergessen hat? Vielleicht ist er schon auf dem Wege sie zu befreien. Welch ein Schmerz würde dem seinigen gleichen, wenn er seine geliebte und treu geglaubte Panthea in eines andern Armen fände!

Zweite Sklavin. Er fände dann, meine gute Zelis, daß er nicht der einzige sei, der das Geheimnis besitze der schönen Panthea zu gefallen. – Aber im Ernste, dünkt dich nicht auch, die Männer seien unbillig, uns wie ihr Eigentum zu behandeln? Gleich als ob wir nur da wären, ihre Leidenschaften und nicht die unsrigen zu vergnügen! Sollten wir nicht eben so wohl ein Recht haben, für unsre kleinen Bedürfnisse zu sorgen, als sie für die ihrigen? Was meinst du, Mädchen?

Erste Sklavin. Daß du eine leichtsinnige Törin bist. Aber stille! ich höre Mandane rufen. – Siehe, unter deinem Geplauder ist mein Kranz fertig geworden. Laß uns gehen.

3

Araspes. Arasambes

Araspes noch allein. Wo bin ich? Bin ich Araspes? War es ein Traum? War es wirklich? O wie schwimmt mein ganzes Wesen in Entzückung! – Es war kein Traum! – Alles was die Natur Bezauberndes hat – nein, keine Worte sind vermögend zu beschreiben, was ich gesehen habe! – Wie schön stand sie da, in schamhafte Rosenfarbe gekleidet, wie holdselig in sich selbst geschmiegt! Wie glänzte das dunkle Gebüsch um sie her! – Mich deuchte, ich sahe ganze Schwärme von Zephyrn, um sie her gaukelnd, die lieblichsten Düfte des Morgens auf sie herab schütten. Wie leicht schien ich mir selbst! Ich glaubte in der Luft zu schweben; kaum hielt ich mich, daß ich nicht, selbst ein Zephyr, auf sie zuflatterte. – O ist denn niemand hier, über den ich meine Freude ausgießen kann? Möchte ich doch meinen Arasambes finden! – Diese Bäume sind so stumm, so unempfindlich; ich muß einen Zuhörer haben, der mein Entzücken mitempfinden kann.

Arasambes. Wohin Araspes? Siehest du mich nicht? Höre wenigstens, wenn du nicht mehr sehen kannst!

Araspes. Wer ruft mir? Woher? – Ha! dich sucht ich eben! Willkommen, Arasambes! Nie bist du mir erwünschter gekommen! Nie hast du mich so glücklich gesehen als ich jetzt bin!

Arasambes. Was kann vorgegangen sein, lieber Araspes, das dich so fröhlich macht? Welch ein Sprung von der gestrigen Schwermut zu diesem Übermaß der Freude! Die funkelnden Augen, die wallenden Muskeln, der hüpfende Gang, alles verkündigt Entzückung und Wonne. Was kann dir begegnet sein? Bist du eben jetzt aus einem süßen Morgentraum erwacht? Oder –

Araspes. Ich hätte große Lust, dich raten zu lassen, wenn ich nicht vor Ungeduld zitterte, dir mein glückliches Abenteuer zu erzählen. Aber ich sage dir, Arasambes, wenn du mein Freund bist, so heitre diese schläfrige Miene auf und lächle. Alles was Leben und Gefühl hat, die ganze Natur soll sich mit mir freuen! Verwünscht seien diese Bäume hier, weil sie nicht aufhüpfen, und jeder eine Dryade hervor läßt, durch gaukelnde Tänze und Freudengesänge diesen Hain zu beleben!

Arasambes. Ich würde vielleicht fröhlicher sein, wenn ich dich weniger liebte! – Aber sage mir nur erst, worüber ich mit dir frohlocken soll.

Araspes. So höre denn, du kalter unempfindlicher Mensch! Die Morgenröte weckte mich heute aus dem sanftesten Schlaf. Ich stand auf, so vergnügt, so froh, als ob ich ein andrer Mensch sei, als der, den du gestern wie einen Toren seufzen und winseln hörtest. Diese Verwandlung brachte die Unterredung mit Panthea hervor. Ihre sanften Tröstungen bezauberten die Wut meiner Schmerzen, ihre Blicke strahlten Hoffnung in meine Seele. So war ich eingeschlummert, und der Gott der Liebe, der meinen unbesonnenen Trotz und die Verachtung seiner Macht genug bestraft hatte, zeigte mir in reizenden Träumen was ich tun sollte. Der angenehmste von ihnen weckte mich. Ich stand auf, und ging in diesen Myrtenhain, von niemand bemerkt. Eine geheime Ahnung führte mich. Meine Sklaven schliefen noch alle. – Ohne Zweifel glaubte mich auch Panthea noch im Schlummer begraben: denn indem ich hier unter einer Rosenlaube den schmeichelndsten Hoffnungen nachhänge, höre ich durch die halb schlummernde Stille im nahen Gesträuch etwas vorüber rascheln. Ich stehe auf, und schleiche dem Rauschen nach, so leise wie wenn ein Lüftchen über die Spitzen des Grases hinschwebt. Zuletzt kam ich an den Ort; und o mit welchem Gemisch von Erstaunen und Freude – aber du siehest gar nicht munter aus, Arasambes?

Arasambes. Fahre nur fort, Araspes! Ich besorge, deine Erzählung werde mich nur zu sehr rechtfertigen.

Araspes. Und was meinst du wen ich sah? Es war Panthea, die schöne Panthea, die mit Mandane und zwei Sklavinnen gekommen war sich zu baden. Sie kam so früh, in der Meinung, desto gewisser allein zu sein. Es scheint, sie habe dies schon öfters getan, und darum war sie jetzt desto sichrer. Aber Amor hatte Lust, ihr einen Streich zu spielen.

Arasambes. Ich will doch nicht hoffen –

Araspes. Und was? daß ich zugesehen habe? O Bildsäule von einem Menschen! – Dann wäre ich gewesen was du und deine Brüder, die Felsen und Bäume dieser Gegend, sind! Ich sollte wie ein Tor die Augen zugeschlossen haben, wenn die Natur ihre größte Schönheit, ihr vollkommenstes Werk vor mir enthüllte?

Arasambes. Du errätst meine Gedanken sehr scharfsinnig. Aber antworte mir nur auf dies: War es nicht unedel, unzärtlich, daß du einen verstohlnen Zuschauer abgabest, wo du wußtest daß Panthea keinen Zuschauer verlangte?

Araspes. Wußt ich das? Meinst du, diese schönen Geschöpfe seien im Ernst erzürnt, wenn ein verräterischer Zufall ihrer angebornen Begierde zu gefallen zu Hülfe kommt? Meinst du, es sei ihre eigene Erfindung, daß sie sich so vor uns verbergen? – Aber ich habe jetzt keine Lust zu streiten; ich will erzählen. Kennst du die Grotte am Ende des Myrtenhains?

Arasambes. Ich erinnere mich nicht sie gesehen zu haben.

Araspes. Es ist eine hohe gewölbte Grotte, in einen Felsen von Porphyr gehauen, und von beiden Seiten mit Myrten und Balsamstauden dicht umkränzt. Aus hundert Spalten sprudelt, oder rieselt, oder tauet kristallnes Wasser hervor, und sammelt sich in einem weiten Becken von schwarzem Marmor, das mit einem Kränze der schönsten Blumen rund umher verbrämt ist. Hierher begab sich Panthea von der Alten begleitet. Die beiden Sklavinnen entwichen. Sie blieb allein mit Mandane, unwissend, daß ihr Liebhaber, von der günstigen Schwärze der Myrtenhecken und von der Dämmerung versteckt, so nahe war, und, selbst unsichtbar, mit geizigen Blicken zusah, wie ihre untadelige Schönheit sich nach und nach enthüllte, bis sie nur mit sich selbst geschmückt da stand; ein Anblick, der auch ein Steinbild, ja sogar dich, mit Leben erschüttert hätte. Denke nicht, daß ich sie durch eine Beschreibung entweihen werde. Niemals, niemals würde ich dir nur den kleinsten Teil aller dieser namenlosen Reizungen begreiflich machen, die meine schauende Seele bezauberten.

Arasambes. Aber wie konntest du dich, so feurig und entzückt als du warst, enthalten, aus deiner Dunkelheit, wie ein Faun, hervor zu rauschen und die reizende Nymphe zu haschen?

Araspes. Ach mein Freund! ich war lauter Auge oder vielmehr lauter Seele, die, in Bewunderung verloren, vergaß daß sie einen Körper habe. Vergeblich würde ich mich bemühen, dir auszudrücken was ich fühlte. Es war etwas Festliches in meiner Entzückung, wie wenn eine Göttin des Himmels in strahlender Glorie vor mein Auge herab gestiegen wäre.

Arasambes. Ich bewundre dich, Araspes. Dein Herz verleugnet, selbst wenn es ausschweift, seine angeborne Größe nicht. Dieses bescheidne Betragen bei einem so gefährlichen Anlasse versichert mich, daß meinem Araspes keine Tugend unmöglich ist. Nun zweifle ich nicht mehr, du werdest dir selbst gleich bleiben, und die schöne Panthea niemals ohne diese heilige keusche Ehrfurcht anschauen, die einer Göttin gebührt.

Araspes. Du scherzest, Arasambes. Diese feierlichen Empfindungen, die Frucht der vergötternden Erstaunung, sind eben so vergänglich als hochfahrend. Wie, meinst du, ich sollte mir selbst verbergen können, daß Panthea eben so irdisch ist als die übrigen Weiber? Glaube mir, sie hat keine Ursache sich der Menschheit zu schämen; und da ich jetzt mehr als jemals empfinde wie schön es ist ein Mensch zu sein, so kommt es mir nicht zu, sie anders als nach menschlicher Weise zu lieben.

Arasambes. Ei, wie bald haben sich deine so geistigen Empfindungen verkörpert! Noch vor wenigen Tagen liebtest du nur ihre Seele, so rein, so begierdenfrei, wie ein Sylphe die junge Schöne liebt, deren gleitende Unschuld er bewachen soll. Schämst du dich nicht, deinem ersten Gegenstande so bald ungetreu zu werden? Und für wen? Ich erröte es zu sagen. Es ist als ob du Panthea um eine ihrer Sklavinnen vertauschtest.

Araspes. O schweige von diesen hochfliegenden Einbildungen! Die Erfahrung ist meine Lehrerin gewesen. Der Mensch ist nicht zur ätherischen Liebe gemacht. Meinst du, diese anmutigen Geschöpfe würden es zufrieden sein, wenn uns irgend eine himmlische Macht in Sylphen auflösen wollte? Oder kannst du glauben, eine Frau würde jemals einen Liebhaber haben, wenn ihr Geist, ihre Tugend, ihre Sitten, das einzige wären, was sie Reizendes hätte?

Arasambes. Ich erstaune über die neue Denkart, die dir dieser Morgen eingegeben hat. Und was sind nun deine Absichten? Was hat Panthea von einem so irdischen Liebhaber zu erwarten, als du zu sein dich rühmest?

Araspes. Alles was die schönste unter den Frauen von den Entzückungen des feurigsten Jünglings erwarten kann. Falte deine Stirne nicht zu vergeblichen Verweisen, Arasambes! Fürchte nicht, daß ich mich zu unedeln Mitteln herab lassen werde. Mein Herz verschmäht den wilden Zwang und die kriechende List. Wenn mich meine Hoffnung nicht betrügt, so werde ich von ihrer gefälligen Güte erhalten, was nur trunkne Faunen, die an einem Bacchusfest unter frechen Mänaden auf den thrazischen Bergen rasen, mit Gewalt zu nehmen fähig sind. Sie wird mich lieben, Arasambes! sie wird meiner überredenden Sehnsucht weichen, und – in ihren willigen Armen werde ich glücklich sein!

Arasambes. Hast du vergessen, mein Freund, wer diese Panthea ist, die du mit so frevelhaften Hoffnungen beleidigest? Du hoffest ihre Klugheit zu betören, ihre Tugend einzuschläfern? Aber Araspes! wie bedaur ich dich! Wo ist dein Verstand hingeflogen? Wahrlich, wenn du schöner wärest als Adonis, für den die Göttin der Schönheit in den syrischen Hainen seufzte, schöner als die Liebesgötter, die ihren Wagen durch die Rosen von Damaskus ziehen; wenn alle die Zauberkräfte, alle die anziehenden Liebreize und schmeichelnden Künste, die in ihren Gürtel gewebt sind, in deinen Augen funkelten und auf deinen Lippen lockten: – die Tugend einer Panthea würde deiner ohnmächtigen Versuchung spotten.

Araspes. Wenn Panthea mehr oder weniger wäre als eine Frau, so würdest du meiner Hoffnung mit besserm Grunde spotten. Aber glaube mir, diese anmutsvolle Schöne ist weder aus Marmor gehauen, noch aus Äther zusammen geronnen; sie ist ganz Gefühl, ganz dazu gemacht, die Liebe zu erwidern die sie einhaucht. Ich sah sie, gleich der badenden Diana, von aller Strenge, aller dieser angenommenen Feierlichkeit entwaffnet, womit die weibliche Kunst unentschloßne Liebhaber in Ehrfurcht hält; seit diesem Augenblicke bin ich lauter Hoffnung. Laß nur die günstige Stunde kommen, – In diesen beseelenden Tagen, da die ganze Natur, von der schwach fühlenden Pflanze bis zum königlichen Menschen, Liebe atmet – laß sie kommen die günstige Stunde, und die strenge geglaubte Göttin wird zu einer milden Sterblichen zerschmelzen. Mich dünkt, ich sehe sie unter jenen Schatten, dort wo die hohen Lauben häufige Blumen zum weichen Lager herab schütten; halb schlummernd seh ich sie ins junge Gras hingegossen. Lüsterne Mittagswinde spielen mit ihrem leicht schwebenden Gewande. Wie willig atmet sie den Geist des Frühlings ein! Das süße Gift wallet durch ihre Adern, sie staunt; tausend glänzende Träume von Entzückung und Wonne schwimmen um ihr Auge. – O laß mich eine dieser glücklichen Stunden haschen; und wenn ihre Tugend diese Probe bestanden hat, dann sage, daß sie unüberwindlich sei!

Arasambes. Halt ein, Araspes! Meine Geduld und dein Mutwille geht zu weit. Ich bedauerte dich, so lange nur dein Verstand angegriffen war; aber es ist unmöglich deiner Krankheit länger zu schonen. Das Übel hat sich zu deinem Herzen durchgefressen; deine Denkungsart, deine Sitten sind angesteckt. Unglückseliger! was für einen Entwurf hast du gemacht! Wie sehr muß deine Seele schon zerrüttet sein, daß sie ihn nur zu denken fähig war! Zittre vor dir selbst, Araspes! Es ist die Gemahlin des Abradates, die du von der glänzenden Höhe der unbefleckten Ehre zu den niedrigsten ihres Geschlechts herab stürzen willst. Panthea kann niemals, niemals die Deinige sein. Abradates allein hat ein Recht an den Besitz dieser Schönheiten, die deine unreine Leidenschaft entweihet.

Araspes. Und was meinst du also daß ich tun soll?

Arasambes. Was du tun würdest, wenn die Erfüllung aller deiner Wünsche die Hitze deiner Flamme abgekühlt hätte. Glaube mir, Araspes, dieser Taumel der berauschten Vernunft kann nicht lange dauern. Eine so sinnlich schwärmerische Liebe erstickt am Genuß. Sei zu rechter Zeit weise! Denke, wie du gewiß alsdann, aber zu spät denken würdest, wenn deinen entzauberten Begierden nichts mehr zu wünschen übrig wäre.

Araspes. Wie schändlich lästerst du meine Liebe! Ich sollte aufhören Panthea zu lieben? Sie, deren Reizungen alle anzuschauen und zu bewundern kaum die Unsterblichkeit zureichte? – Ich bitte dich, höre auf, mein Ohr mit deinem Unsinn zu beleidigen. Der müßte meine Seele versteinern können, der mir verbieten wollte für diese göttliche Schöne zu brennen. Überlaß mich mir selbst, wenn du nur gekommen bist meine Freuden zu stören.

Arasambes. Ich werde dich in diesem Zustande nicht verlassen, Araspes. Wann bedürfen wir des freundschaftlichen Beistandes mehr, als wenn eine Leidenschaft uns unser selbst beraubt hat? – Meine Sinne sind nicht bezaubert; meine Einbildung ist nicht in Flammen; mein Verstand ist nicht geblendet. Ich sehe deinen Zustand wie er ist. Ich sehe dich mit trunkner Seele am Rand eines furchtbaren Abgrundes schwanken, und ich sollte dich nicht zurück ziehen?

Araspes. Laß mich, Arasambes, laß mich immer in diesen Abgrund stürzen, der dir so furchtbar scheint. In meinen Augen ist er eine See von Wonne und Freuden der Götter. O Panthea! ein einziger Augenblick in deinen Armen verdiente mit tausend Gefahren, mit dem Tode selbst erkauft zu werden! Aber diese Gefahren, diese Abgründe, mein Freund, sind nirgends als in deiner trübsinnigen Einbildung. Höre nur meinen Entwurf, und urteile dann, ob mein Verstand so benebelt sei als du wähnst. Wenn ich das Herz der schönen Panthea gewonnen habe, so ist nichts übrig, das sich meinen Wünschen widersetzen könnte. Abradates hat kein Recht an Panthea mehr; sie ist eine Gefangene, eine Sklavin des Cyrus. Alle ihre vorigen Verbindungen sind aufgelöst. Cyrus allein hat das Recht, das Schicksal seiner Sklavin zu bestimmen. Ich will ihn suchen, ich will seine Knie umfassen, ich will ihm flehen daß er meine Liebe billige. Er wird seinem Freunde diese einzige Bitte nicht versagen. O durch was für Taten will ich sie verdienen! Ich will ihn bis an den Ozean begleiten; ich will ihn in andre Welten begleiten; er mag die Beuten von Königen, ganze Provinzen, die goldne Atlantis selbst unter seine Gefährten austeilen; meine Belohnung soll Panthea sein!

Arasambes. Wie jammert mich deine Verblendung, mein unglücklicher Freund! Ist's möglich, daß du hoffest, Cyrus werde deine Leidenschaft billigen? Du hoffest, er werde die Königin von Susiane der Brunst eines schwärmenden Jünglings Preis geben; sie, durch die er den mächtigen Abradates zu seinem Freund und zu einem feurigen Verfechter seiner Sache zu machen gedenkt? Du kannst eine so törichte Gefälligkeit von Cyrus hoffen? Verachtung wird alles sein, was deine sinnlose Liebe von ihm zu erwarten hat!

Araspes. Ach Arasambes! was für eine Erinnerung rufst du in meine Seele! – Hinweg von mir, grausamer Feind meiner Freude! Verlaß mich! Überlaß mich meinem Schicksal! Aus was für einer süßen Bezauberung hat mich deine verhaßte Gegenwart erweckt!

Arasambes. Höre mich erst, Araspes! Du suchst mir umsonst zu entrinnen. Wie eine Plagegöttin will ich dich verfolgen. Du sollst die strafende Stimme der Tugend hören, die du beleidiget hast! Sie wird aus dem Munde eines Freundes nicht so furchtbar tönen, als sie, wenn du dein Verbrechen vollendet hättest, aus den Tiefen deiner Seele donnern würde. Laß es sein, daß Cyrus deine Leidenschaft billige. Noch mehr, Panthea selbst soll schwach genug sein, in deinen Entwurf einzuwilligen. Würdest du darum minder sträflich, minder des Abscheus aller menschlichen Wesen würdig sein? – Denke einen Augenblick nach, und sprich dann dein Urteil selbst. Würdest du es wagen dürfen, mit dieser von dir erniedrigten, entehrten Panthea vor die Augen der Tugend zu treten, wenn sie sichtbar würde über dich zu richten? – Ich weiß wohl, daß eine unsittliche Gewohnheit, die ihr Altertum befestigen aber nicht rechtfertigen kann, dem Sieger ein barbarisches Recht über seine Gefangenen gibt. Aber seit wann bedient sich der Großmütige der Vorteile, die ihm ungerechte Gesetze über die Unschuld geben? Seit wann handelt der Tugendhafte nach den Regeln der Gewohnheit einer verderbten Welt? Seit wann bildet er seine Aufführung nach dem Beispiel der Menge? – Sein eignes angebornes Gefühl von dem was recht und edel ist, das Bild der Schönheit und der Ordnung, das die Natur in seine Seele eingegraben hat, dies allein ist sein Gesetz. Er würde das Gute tun, wenn gleich eine ganze Welt sich zusammen verschworen hätte das Gute zu strafen; er verschmähte eine unedle Tat, wenn gleich alle Thronen Asiens ihre Belohnung, und Nationen von Sklaven schändlich genug wären, seine Übeltat durch marmorne Aufschriften der Nachwelt als eine Großtat anzupreisen. Du, Araspes, den die Natur zur Tugend bildete, der ihre göttliche Schönheit gesehen, ihre Freuden geschmeckt, ihre Hoffnungen vorempfunden hat, – kannst du schon so tief herab gestürzt sein, eine schändliche Tat zu tun, weil du sie ungestraft zu tun hoffest? – Doch vielleicht verbarg dir die angenehme Schwärmerei der Leidenschaft ihre ganze Häßlichkeit. Aber laß dich erinnern, daß die Bande, welche Panthea mit Abradates verknüpfen, so heilig sind, als die ewige Eintracht und Harmonie der Schöpfung. Was würde die Gesellschaft der Menschen werden, wenn diese Bande aufhörten unverletzlich zu sein? Ein schamloser viehischer Haufe, wild und gesetzlos, gleich denen, die die baktrischen Wälder durchbrüllen. Die keusche Liebe, die süße Quelle des häuslichen Glücks, würde zum tierischen Bedürfnis eines Augenblicks erniedriget; alle diese zärtlichen und huldreichen Empfindungen, die sie einflößt, würden verschwinden, und statt milder gefälliger Sitten würde eine zaumlose Wildheit den Menschen zum ungeheuersten der Tiere machen. Der Elende, der nach der geheiligten Schönheit einer Vermählten wiehert, ist ein Wütender, der die Bande zerreißen will, womit die Natur selbst, die oberste Gesetzgeberin der Wesen, die Menschen zu einem Brüdergeschlecht verweht hat. Seine schnöde Lust stiehlt einem rechtschaffnen Manne den süßen Trost, den er gewohnt war in den Armen einer zärtlichen Gattin zu finden, und beraubt das unschuldige Kind einer tugendhaften Mutter. Sollte sich Araspes einer solchen Tat schuldig machen können? Sollte er der Welt ein solches Beispiel geben, und auf eine so schändliche Art die Erwartung seiner Freunde betrügen?

Araspes. Ach Arasambes!

Arasambes. Dies ist noch nicht alles! Denke was für ein Anschlag das ist, den du auf die schöne Panthea gemacht hast. Du liebst sie, sagst du, und du willst auf ewig den Ruhm, den Frieden, die Glückseligkeit derjenigen zerstören, die du liebst? Welch ein glorreiches Geschöpf war Panthea, ehe du sie kanntest! Die Natur kann nichts Vollkommneres erfinden als ihre Gestalt, die Tugend nichts Schöneres bilden als ihre Seele. Selbst die Farben der Entzückung, womit du mir sie maltest, eh ich sie selbst gesehen hatte, haben ihr nicht schmeicheln können. Und diese preiswürdige Schöne willst du des Glanzes berauben, ohne den die Schönheit eine welke Blume ist? des Schatzes, den alle Reichtümer des Ganges und Indus nicht ersetzen können? dieser innerlichen Ruhe, dieses tröstenden Bewußtseins eines untadeligen Wertes, das den Verlust aller irdischen Güter zu bezahlen und jedes Ungemach des Lebens zu besänftigen vermag; der schönen Unschuld, die, wenn sie von einem Throne verstoßen in einer strohbedeckten Hütte wohnen müßte, die strohbedeckte Hütte zu einem Tempel des Friedens und zum Augenmerk herab schauender Götter machte? Sie, deren reine Seele sich in allen ihren Zügen malte, die gewohnt war, mit dem edeln ruhigen Stolze, den die sich selbst bewußte Unschuld gibt, in jedem Auge den Ausdruck der bewunderten Ehrfurcht zu lesen, – sie soll, von dir entweiht, von dir zur Mitschuldigen deines Verbrechens gemacht, gezwungen sein, die Augen niederzuschlagen und vor dem Blick eines Sterblichen zu beben? Ihre keuschen Wangen sollen von einer verbrecherischen Röte glühen? Ihr schüchterner Blick soll in jedem Gesicht das Urteil lesen, das ihre Seele über sich selber fällt? Oder bist du, Unglückseliger, bist du fähig zu wünschen, daß sie mit der Unschuld sogar die Scham, die letzte Spur der ehmals gegenwärtigen Tugend, verlieren sollte? Umsonst würdest du es wünschen! So ist das unveränderliche Gesetz der Natur: Scham und Reue und zitternde Furcht zeichnen den Verbrecher aus, und verfolgen ihn bis in die Finsternis, wohin er den Augen der Menschen, aber nicht sich selbst entfliehen kann; von immer währender Angst erschüttert, fürchtet er die ganze Natur; sein Schatten wird ein Gespenst für eine schreckenvolle Seele, und der Bäume rauschende Blätter murmeln ihm seine Verbrechen vor. Ist dieser Zustand entsetzlich? Es ist noch nicht das Ärgste, was du der unglücklichen Panthea zubereitest. Die Elenden, die niemals den Reiz der Tugend gekannt haben, die, in unsittlicher Wildheit aufgewachsen, zum Laster gewöhnt und zur Schande abgehärtet sind, mögen vielleicht endlich zu der unseligen Ruhe gelangen, die denjenigen betäubt, für den das Böse durch eine lange Übung zum Gut geworden ist. Aber hoffe nicht, eine Panthea im Schoße des Lasters einzuschläfern. Ihre Seele ist zur Tugend gemacht. Vielleicht kann sie eingeschläfert werden; aber sie wird bald erwachen, und das Andenken dessen, was sie war, wird ihr die Vorwürfe dessen, was sie ist, unerträglich machen. Eine Seele, die sich selbst verachten, sich selbst verdammen muß, ist das elendeste aller Wesen. Und o mit welchem Haß, mit welchem schauervollen Abscheu würde sie denjenigen ansehen, der sie dahin gebracht hätte, sich selbst verachten zu müssen! Siehe, Araspes, dies sind die Folgen von dem was deine Seele brütet! So liebst du die schöne Panthea!

Araspes. Höre auf, Arasambes, verschone mich! Höre auf meine Seele zu zerreißen! Grausamer Freund! was für ein fürchterliches Heer von Schreckgespenstern hast du gegen mich aufgeführt! – Verflucht sei der bloße Gedanke des Frevels, dessen du mich fähig hältst! Kannst du, der Zeuge meines vergangenen Lebens, mich für einen so verworfenen Elenden halten, als ich sein müßte, um deine unglückweissagenden Besorgnisse zu rechtfertigen?

Arasambes. Ich kenne dein Herz, Araspes, und ich kann, ohne ungerecht oder vergeßlich zu sein, glauben, daß die Trunkenheit der Leidenschaft dich fähig machen könne zu tun, was nur geübte und gefühllose Vertraute des Lasters bei kaltem Blute zu tun im Stande sind. Der Abgrund, an dessen Rande du wankest, ist mit Freuden und Entzückungen umnebelt. Die Vernunft hat für edle Augenblicke den magischen Nebel zerstreut. Es sind kostbare Augenblicke, Araspes! säume nicht sie anzuwenden. Fliehe, mein Freund, fliehe vor Panthea und vor dir selbst. Eine zweite Gefahr könnte die Versuchung unwiderstehlich machen.

Araspes. Ich bedarf der Einsamkeit, Arasambes. Verlaß mich! Ich will mich von diesem Ort entfernen, auf dem die Bilder der Freuden schweben, die du aus meiner Seele verscheucht hast. Ich will mein Herz erforschen, und wenn ich es so niedrig, so hassenswürdig finde, als du voraussetzest daß es sein könne, so soll diese rächende Hand es aus meiner Brust reißen!

Arasambes. Ich bin genötiget dich zu verlassen. Ein Befehl, den ich gestern von Tigranes erhalten habe, trägt mir ein Geschäft auf, das keinen Verzug leidet. Ich kam nur, dich zu umarmen; der Zustand, worin ich dich fand, hielt mich länger bei dir auf als die Zeit mir erlaubte. Nun wirst du dir selbst überlassen sein. Ich muß eilen. Wollte der Himmel, daß du mich begleiten dürftest!

4

Araspes allein

Arasambes verachtet mich – ja, er verachtet mich, und ich selbst gab ihm die Ursache dazu! Ich Unvorsichtiger! warum mußte ich mich ihm in einem Augenblick zeigen, worin nur leblose Zuhörer unnachteilig sind? Warum konnte ich mich nicht ohne Zeugen freuen? – Aber es war mir unmöglich zu schweigen. Eine Entzückung, wie die meinige war, hätte die Lippen eines Stummen aufgesprengt. Mich dünkt, ich bin viel ruhiger, seitdem ich das Übermaß meiner Freude ausgesprudelt habe. – Es ist wahr, Arasambes hatte recht, mir Verweise zu geben. Das erste Feuer des Affekts verblendete mich. Ich sah die Folgen des Entwurfs nicht, womit das verlangende Herz mich betrog. Arasambes hat mich an mich selbst erinnert. Nein, Panthea, mein Glück soll dir nicht die Tugend und die Ruhe deines Lebens kosten. Aber soll ich darum aufhören dich zu lieben? Wie könnte ich? Es ist unmöglich! Dein bezauberndes Bild erfüllt meine ganze Seele! – Und warum sollte ich dem Vergnügen entsagen, dich zu lieben? Ich fühl es, daß ich unfähig bin, eine unedle schändliche Tat zu tun. Ich kenne mein Herz. Feigere Seelen mögen sich durch Fliehen retten! Habe ich nicht die reizende Gefahr bestanden? und welch eine Gefahr! Ein Unsterblicher hätte ohne zu erröten unterliegen können. Welche Tugend hätte an meinem Platz untadeliger gehandelt? – Wie ungütig war Arasambes, die ersten Aufwallungen einer überströmenden ungewohnten Freude so streng zu beurteilen, als ob es die Entwürfe der kalten Überlegung wären! Mein Anschlag war das Werk der Entzückung, die unreife Geburt eines Augenblicks. Bei gelaßnerem Blute würd ich ihn selbst verworfen haben. – O Panthea, erst jetzt fühl ich, wie sehr ich dich liebe! Preiswürdige Schöne! über alles erhaben, was die Natur und die zaubernden Kräfte der Phantasie Reizendes erfinden können! du verdienest das Opfer, das ich dir bringen will. Ohne Hoffnung, ohne Belohnung will ich dich lieben. Ist nicht das Anschauen des Geliebten schon Genuß? – Wo bist du, anmutsvolle Königin meiner Seele? Ich will dich suchen; ich will dich unverwandt anschauen, und an deinem Anblick gesättigt jeden andren Wunsch vergessen!

5

Drei Sklavinnen der Panthea

Scheristany. Hier ist ein bequemer Ort uns zu setzen, meine Schwestern; hier am Rande der silbernen Quelle, die über den gelben Sand durch Blumen rieselt. Hier wird die Arbeit unvermerkt unter unsern Fingern wachsen, indem frische Kühlung und liebliche Düfte von diesen Rosenbüschen auf uns herab triefen.

Gulindy. Höre, wie anmutig dieser Vogel singt – und jener im benachbarten Busch, er antwortet ihm. Wie zärtlich war dieser Ton! Gewiß, sie singen einander ihre Liebe zu.

Zelis. Wollen wir nicht mit ihnen in die Wette singen, ihr Mädchen? Ich werde ganz musikalisch, wenn ich diese kunstlosen Sänger höre. Mir fällt etwas ein: wir wollen den Wechselgesang der drei Schwestern singen, den der König so gern zu hören pflegte.

Scheristany. Ich bin's zufrieden. Aber wir müssen erst die Rollen austeilen. Mich dünkt, Zelis, du hast mehr Ursache über die Liebe zu klagen, als wir –

Zelis. Du betrügst dich, Kind. Die Untreue meines Liebhabers hat mich keine halbe Stunde schwermütig machen können. Warum soll ich mich kränken, wenn ein Sommervogel von mir weg zu einer andern Blume flattert? Das Übel ist nur, daß wir nicht auch umher flattern dürfen. Ach! den Blumen nur allzu ähnlich, müssen wir im Boden eingewurzelt stehen, und warten, bis es einem dieser gaukelnden Schmetterlinge gefällt –

Gulindy. Still mit deinen ungereimten Einfällen, Mädchen! Fange den Gesang an.

Zelis. Wohl denn! Ich schicke mich am besten, der Liebe zu spotten.

»Wie froh fließen meine Tage dahin! Durch schuldlose Freuden und sanfte Scherze fließen sie lauter und glänzend dahin, von keiner Sorge beschattet. Nie hat mein junges Herz Liebe geseufzt. Nie sank mein geblendeter Blick vom Anblick des Jünglings nieder. Ich lache ihrer Klagen. Ihr schmeichelndes Lob fährt wie das Sumsen gaukelnder Mücken vor meinen Ohren vorbei. Munter und frei hüpf ich im Chore der schönen Gespielen, wie ein sorgloses Reh auf blumigen Bergen hüpft.«

Gulindy. »Ach Schwester! so fröhlich wie du, so sorgenfrei hüpft ich umher, eh Amor mein Herz verwundete. Aber seitdem hat mich die Ruhe mit der lächelnden Freude verlassen! Nicht mehr für mich blüht der Frühling, und der Hain hört meine Seufzer nur. Mein Auge schwimmt in trübem Feuer, der Blumenkranz welkt um meine glühende Stirne; träge schleich ich zum geselligen Tanze; und kommt die schlummertauende Nacht, ach! dann wälz ich mich schlaflos auf dem einsamen Lager, und strecke meinen Arm nach fliehenden Schatten aus.«

Scheristany. »Gesegnet sei der goldne Tag, da Hymen mich dem besten Jüngling gab. Sei gesegnet, Hymen, du Geber der Freude, und du keusche geheiligte Liebe, holdes Band, das die befreundeten Menschen zu einem Geschlechte verknüpft, Quelle der süßesten Pflichten und der besten Freuden! O  Zemin, du Urheber meiner Glückseligkeit, die Stunde, da ich zuerst dich sah, da du die schlummernde Liebe in meinem Busen wecktest, war der Anfang meines Lebens. Lieblicher sind mir deine Blicke als die ersten Gerüche der Rosengärten von Susa. Deine Winke sind mein Gesetz, und dein Lächeln die Belohnung meiner zärtlichen Sorgen.«

Zelis. »Hinweg kriechende Schlange, schmeichelnder Betrüger, der mich zu lieben vorgibt, wenn er, nach meiner Schönheit lüstern, nur seine Befriedigung sucht! Ich bedarf deiner nicht. Dieser glatte umschattete Brunnen malt mir besser als du, wie reizend meine Lippen lächeln, wie lieblich um den Marmornacken die schwarzen Locken schweben. Sollt ich erst von dir hören, daß ich schlank bin wie eine Gespielin der Waldgöttin? Mein Schatten sagte mir's längst. Auch seufzen Zephyrn um mich, und kühlen, wo ich gehe, die glühende Luft mit ihrem Rosenfittich. Nicht ungeliebt, nur ohne Sorgen und frei, genieß ich so den Frühling meines Lebens.«

Gulindy. »Ihr, deren zärtliches Herz ein blühender Busen umwölbt, o hütet euch vor dem schmeichelnden Mann! Erstickt den verräterischen Seufzer, der bei den Klagen des Jünglings sich hebt. So wehklagt die tückische Hyäne, ihren Raub herbei zu locken. O könnt ich dich, allzu fehlendes Herz, aus meinem Busen reißen! Ich glaubte dem Verführer, da seine glatten Überredungen mir eine Liebe einflößten, die er nicht empfand. Ohne Mitleid hört er jetzt meine Seufzer, sieht die versengte Wange welken, und die Blume meiner Jugend verdorren. Ungerührt sieht er's, und spottet in andern Armen meiner leichtgläubigen Zärtlichkeit.«

Scheristany. »Wohltätiger Hymen! was ist das Mädchen ohne dich? Eine fruchtlose Blume! Sie welkt, und läßt dem künftigen Frühling keinen Sprößling zurück. In törichter Freiheit hüpft sie ungebändigt umher, und vertändelt ihr unbrauchbares Leben. Oder wenn sie sich unbesonnen im Netze der Liebe verstricken läßt, dann nagt ungestillte Sehnsucht ihr Herz, das verhaltne Feuer schleicht in ihren Adern, und verzehrt die blühende Pracht der Schönheit, ja, oft gibt sie, von der mächtigen Natur bezwungen, Tugend und Ehre um verbotne Freuden hin.«

Zelis. »Was für Freuden, o Amor, hast du mir anzubieten? Süße Pein, gefallende Schmerzen, wollüstige Seufzer, verliebte Tändelei, und was sonst die leichte Seele schwindliger Dirnen reizt. Sollt ich für diesen Schaum dich hingeben, holder Friede des jungfräulichen Herzens, und dich, edle Freiheit, du Seele des Lebens? Sollt ich meine frohen Tage dem trotzigen Manne verkaufen? Soll meine Zufriedenheit von seinem Lächeln abhangen? Soll ich den Sklaven, der sich jetzt zu meinen Füßen krümmt, zu meinem Gebieter erheben? Nein, Amor, so teuer kauf ich deine Freuden nicht!«

Gulindy. »So lange die Liebe mich berauschte, träumt ich unverwelkliche Seligkeit. Bezauberte Auen, Felsen von Ambra, und nektarne Seen schwammen um mein fanatisches Auge. Die betörte Seele flatterte in grenzenloser Wonne umher, und ahnete kein Übel, bis sie der entfliehende Traum aus der süßen Raserei erweckte. Jetzt ist Schmerz und bittrer Gram mein Anteil. Von Scham und Reue verfolgt flieh ich umsonst vor mir selbst, wie ein gejagtes Wild keichend vor wütenden Hunden flieht.«

Scheristany. »Süß ist, ihr Töchter, die keusche Umarmung der Liebenden, wenn Natur und harmonische Tugend das Band geknüpft haben, womit sie Hymen vereinigt. Entzückend ist der Anblick der lächelnden Jugend, die um uns her aufblüht, und ihr glückliches Dasein unsrer keuschen Liebe dankt. Süß ist die Arbeit, ihr weiches Herz zur Tugend zu bilden; süß die Sorge für ihr künftiges Glück. Jeder frohe Tag öffnet uns schönere Aussichten. Und wenn ich einst verwelkt bin, wenn ein künftiges Geschlecht, jetzt noch ungeboren, auf den Blumen tanzt, die aus meinem Staube sprossen: dann lebt noch ein werter Überrest von mir; dann blühen noch Enkel, die das Leben aus meiner Brust gesogen haben, und mein Andenken segnen. Sagt jetzt, sagt, ihr Schwestern, macht mich die Liebe nicht glücklich?«

Zelis. »Fühlt ich nicht den Wert der jungfräulichen Freiheit, ja, Schwester, dann könnte dein Glück meinem Herzen einen Wunsch entlocken. Doch mag selbst die Freiheit ihren Reiz verlieren, wenn Hymen, mit der Glückseligkeit verschwistert, ihr Nebenbuhler wird.«

Gulindy. »Ach! warum ließ mich mein Schicksal keinen Zemin finden! Ach! daß ich den nicht fand, für den mein Herz so zärtlich gebildet war! Unbesonnen glaubt ich dem Rat meiner Augen, und dem süßen Betrug, der von purpurnen Lippen floß. Ach! zu spät lern ich jetzt, daß nur die weise Liebe glücklich macht!«

Alle drei. »Ihr Mädchen, verstopft das willige Ohr dem lockenden Amor. Wenn Weisheit und Tugend mit der zärtlichen Sympathie den holden Hymen herbei führen, dann möge euer Herz der süßen Beredung weichen, und von geheiligter Liebe wallen, der Quelle des Lebens und des häuslichen Glücks!«

Scheristany. Wir sind keine von den Sängern, von denen die Dichter erzählen, daß sie mit ihrem Gesange die Sterne in ihrem Laufe zurück halten. Indem wir singen, hat die Sonne schon den Gipfel des Himmels erreicht. Kommt, Schwestern, jetzt rufen uns andere Geschäfte.

6

Panthea allein

Der Niederträchtige! – O wie klopft mein Herz! – Dank sei den Göttern, daß ich ihm entgangen bin! – So belohnt er meine allzu willige Freundschaft! So liebt er die Tugend, mit der seine Lippen so vertraut sind! – Wie verschmäht ihn mein Herz! ( Sie erblickt Mandanen.) O Mandane! –

7

Mandane. Panthea

Mandane. Wie bestürzt, meine Königin? Woher diese zürnende Miene, die deinem sanften Gesichte so fremd ist? Ich erzittre dich zu fragen – woher kommt meine Panthea?

Panthea. Dieser Araspes –

Mandane. Himmel! hat er meine Besorgnisse gerechtfertiget? – Aber es sind Züge von innerer Ruhe und sich selbst bewußter Größe in deinem Gesichte! Dank sei den Göttern!

Panthea. Sei ruhig, meine Freundin! Ich bin ihm entgangen . Aber der Elende war fähig – ich bin noch zu atemlos zu reden. Was machte ihn glauben, daß ich eine solche Begegnung ertragen werde? – Doch mein Herz macht mir keine Vorwürfe. – Eile, Mandane, sende zu Cyrus; bitte ihn, daß er seinen Freund schleunig hinweg rufe. Der Unglückselige unterstand sich – ich sehe noch seine funkelnden Augen – mich mit Gewalt zu bedräuen, da sein kriechendes Schmeicheln vergeblich war.

Mandane. Weg mit dem Nichtswürdigen! Ich gehe – aber erlaube mir, Königin, daß ich ihn zuvor aufsuche. Er soll gestehen, daß er ein nichtswürdiger Elender ist! – O daß er mir doch in den Weg käme!

Panthea. Er fand mich unter den Myrten. Du wirst ihn vielleicht noch daselbst antreffen. Wenn du zurück kommst, werde ich geschickter sein, dir die schändliche Geschichte zu erzählen.

8

Araspes. Mandane

Araspes. Ich suchte dich, Mandane –

Mandane. Du suchtest mich, Elender? Du unterstehest dich noch mit deinem Verbrechen zu prahlen? – Wir sind hier in deiner Gewalt; aber wenn es mir auch das Leben kosten sollte, so könnte ich dir nicht verbergen, wie sehr ich dich verachte.

Araspes. Du kannst mich nicht mehr verachten, als ich selbst mich verachte – aber ich begreife nicht wie du wissen kannst, womit ich deinen Unwillen verdient habe. Panthea ist mir kaum entflohen; es ist unmöglich, daß sie dir schon erzählt habe, was zwischen uns vorgegangen ist.

Mandane. Der Zustand, worin ich sie antraf, sagte mir viel stärker als Worte tun können, wie unedel du gegen sie gehandelt haben mußtest. Die Veranlassung muß außerordentlich sein, wenn Zorn aus ihren gütigen Augen blitzen soll.

Araspes. Kannst du Geduld haben, Mandane, mich zu hören? Ich suchte dich, nicht (wie du sagtest) mit meiner Schande zu prahlen, nicht mich zu entschuldigen – ich verabscheue mich selbst zu sehr, um dies zu versuchen. – Ich wollte dir nur zeigen, daß, wenn gleich eine unbescheidene Entzückung mich fähig machen konnte, die Achtung zu vergessen die einer Panthea gebührt, mein Herz doch noch nicht verderbt genug ist, ihre Tugend weniger zu bewundern, weil sie meine kühnen Wünsche vereitelt hat. Höre mich! ich will dir die ganze Geschichte mit der getreuesten Wahrhaftigkeit erzählen. Niemals hat eine Schöne die Probe besser gehalten als Panthea.

Mandane. Es war sehr überflüssig, eine Tugend, die noch niemand in Zweifel gezogen hat, auf die Probe zu stellen. Die Ehre, die sie dadurch erhalten hat, ist deine Schande. Doch was sag ich? Welche armselige Ehre für die Gemahlin des Abradates, gegen einen jungen Unsinnigen wie du ausgehalten zu haben! Was für eine lächerliche Eitelkeit, daß du dir schmeichelst, man müsse eine Heldin sein, um dir zu widerstehen! – Aber erzähle nur, wenn du durch das Geständnis deiner Übeltat deine Schuld zu erleichtern glaubst.

Araspes. Ich ging diesen Morgen unter den Myrten, kühlere Luft zu schöpfen. Ich war ungewöhnlich zur Freude gestimmt. Panthea begegnete mir. Ich erzählte ihr die angenehme Veränderung, die ihr gestriger Besuch bei mir gemacht. Sie schien darüber vergnügt zu sein. Ich lenkte bald das Gespräch auf ihre Reizungen, aber mit einer so anständigen und kaltsinnigen Art, daß sie meine Lobpreisungen nur scherzend abwies. Allmählich ward ich belebter; ich fing an, mit Entzückung von der schönen Natur und der noch schönern Panthea zu reden. Sie bat mich, mit ihr zurück zu gehen. Ich fiel zu ihren Füßen, ich umfaßte ihre Knie. – Sie erschrak; ihre Augen blitzten Zorn mit Verachtung vermischt auf mich herab. Sie wollte sich los reißen; ich hielt sie fest, indem ich mit Blicken und mit einer Stimme voll Ehrfurcht sie beschwor, mich anzuhören. – O wie beredt machte mich da die Liebe!

Mandane. Verwünscht sei das, was du Liebe nennst, mit ihrer Beredsamkeit! – Aber fahre fort.

Araspes. Alles, was Entzückung und schmachtende Sehnsucht Zärtliches eingeben kann, strömte von meinen Lippen. Umsonst sträubte sie sich – ich erröte, dir meine ganze Torheit zu gestehen – aber ich verdiene diese Strafe! – Allmählich wurde ich so unbescheiden, daß sie einen stärkern Versuch machte, sich von mir los zu reißen. Aber Amor hatte meinen Armen siebenfältige Stärke gegeben. Mit sanfter Gewalt zog ich sie auf eine blumige Bank. Ich war außer mir selbst. Sie erhaschte diesen Augenblick meiner Schwachheit, sich von mir los zu machen. O wie flog sie davon! Aber das häufige Gesträuch hielt sie auf, ich holte sie ein, ich fiel von neuem zu ihren Füßen. Sie sah, daß Zorn oder Gewalt für einen entschlossenen Liebhaber nur Reizungen sind. Sie fing an zu flehen; noch tönen ihre melodischen Klagen in meinem Ohr! Wie unwiderstehlich baten ihre Augen, von Tränen schimmernd, die nur der Schrecken zurück hielt! Beinahe hätt ich, durch ihre erweichende Beredsamkeit besiegt, sie freiwillig entwischen lassen. Aber wie ich meine Augen aufhob, wie ich sie sah – o Mandane, sie hatte im Fliehen ihren Schleier verloren – wie schön war sie! Die Bewegungen, in die ich sie setzte, der Schmerz, die unschuldsvolle Angst, die flehende Miene, alles zusammen machte ihre Reizungen unwiderstehlich. Ich wußte nicht mehr, was ich tat. Ich schwor, daß sie die Meinige sein müßte; ich rang mit ihr, und mischte die zärtlichsten Liebesversicherungen mit Gewalt und Drohung. Aber in diesem Augenblick hättest du die Obermacht der Tugend sehen sollen. Mit der Stärke eines Engels riß sie sich los, und trat langsam zurück; ein feierlicher ernster Glanz breitete sich um ihr Gesicht; ihre Gestalt schien größer zu werden. Wie majestätisch stand sie da, mit dem Gefühl der Erhabenheit bewaffnet, die ihr die Tugend über mich gab! »Zurück, Elender!« sprach sie mit heiligem Zürnen; »hinweg aus meinen Augen! Hinweg aus den Augen des rächenden Gottes, der aus dieser umleuchtenden Sonne auf dich herab sieht! Hinweg! Dein Anblick ist mir unerträglich, schändlicher Heuchler! Wenn sich deine Hände in Tigerklauen verwandelt hätten, mich zu zerfleischen, so könnte ich dir vergeben haben! Aber die himmlischen Mächte lassen die Unschuld nicht den Raub des Lasters werden! Verbirg dich, wenn du kannst, vor ihrem zürnenden Blick!« – Indem sie so sprach, – wirst du es glauben, Mandane? – lag ich von Furcht und Scham betäubt am Boden, und zitterte wie ein nichtswürdiger Sklave, unfähig zu reden oder eine Nerve zu rühren; und so ging die Göttin mit langsamen feierlichen Schritten bei mir vorbei, und war schon aus meinen Augen, eh ich wieder meiner selbst mächtig war. O wie verfinsterte sich jetzt der Tag um mich her! In Verzweiflung warf ich mich auf den Rasen, dessen weiches Gras unter mir zu Dornen wurde. Ich lag etliche Augenblicke, wie vom Donner betäubt, am Boden, und als ich mich selbst wieder fand – Ha! was will dieser keuchende Sklave, der auf uns zueilt? – Ihr Götter, ich erkenne ihn! Er kommt von Arasambes!

Der Sklave. Herr, ich verkündige dir die Ankunft des Cyrus. Er ist kaum noch eine Parasange von hier entfernt. Arasambes, der ihm begegnete, schickte mich, dich zu benachrichtigen, damit du dem Prinzen entgegen eilest.

Araspes. Ich bin verloren! – Fliehe, Unglückseliger! – Cyrus kommt, ich bin verloren!

Mandane. Ich eile, meine Königin mit dieser Botschaft zu entzücken.

9

Araspes allein

Ich soll ihm entgegen eilen? – Ach! ihm zu entfliehen ist der einzige Wunsch, die einzige Hoffnung, die mir übrig ist! Wie könnt ich den Mut haben, die Schärfe seiner Blicke auszuhalten? – Aber er weiß mein Verbrechen nicht; er weiß nicht, wie sehr der übermütige Araspes seine Vorhersagung gerechtfertigt hat! – Ich Unglückseliger! Ehmals war es mein Stolz, jede meiner Taten dem hellesten Tage auszusetzen. Ich suchte deine Augen, o Cyrus! Ich forderte jedes andere Auge auf, und las in jedem das Zeugnis meines Wertes! – O marterndes Bewußtsein der Schande! Wie unerträglich bist du demjenigen, dessen Ohr an die süßeste aller Melodien, an verdientes Lob seiner Tugend, gewöhnt ist! – Und wie, wie sollt ich mein Verbrechen vor ihm verbergen? Warum sollten sie meiner schonen? Panthea, die mich verabscheut; Mandane, die ihre Königin rächen will; warum sollten sie meiner schonen? Ich bin ein Ungeheuer in ihren Augen! – Soll ich dich suchen, beleidigte Schöne? soll ich zu deinen Füßen fallen, und dir flehen, daß du mir vergebest? Ach! sie kann, sie wird mir nicht vergeben; sie ist zu sehr beleidigt! Die Zärtlichkeit, die sie einst für den tugendhaften Araspes fühlte, verdoppelt jetzt ihren Abscheu vor dem Elenden, der ihren Wert nicht zu schätzen wußte. – Soll ich Mandanen flehen? – Ihr Götter! wozu bin ich gebracht! Das Mitleiden einer Sklavin anzuflehen! nur diese Niederträchtigkeit fehlte noch, meine Schande zu vollenden! – Und wenn ich sie erbitten könnte, was hälf es mir? Mein furchtbarster Ankläger ist in meinem eigenen Busen! O Cyrus; ich kann dich nicht betrügen! Du wirst mein Verbrechen in meinen Augen lesen – ich bin verloren!

Welch ein plötzlicher fürchterlicher Wechsel! Vor wenigen Augenblicken war noch alles Entzückung um mich her! – O Liebe, verwünscht sei deine Zauberei! Unselige Leidenschaft, was gibst du mir für alles, was ich dir aufgeopfert habe! Mein Ruhm, der errungne Lohn meiner schönsten Jahre, meine Hoffnungen, meine Tugend, Cyrus, Panthea – welche Opfer! Was hast du mir übrig gelassen, als dies elende nackte Leben, von allem ausgezogen, was es begehrenswürdig macht, das kriechende Dasein eines Wurms, zu ewigem Gefühl der Schande verdammt! – Aber, wen klag ich an? – Unsinniger! Du selbst, du selbst hast dein Verderben beschleunigt! Von Panthea gewarnet, von Arasambes geschreckt, was für eine Entschuldigung bleibt mir übrig? Göttliche Schöne! auf ewig bist du für mich verloren! Nicht mehr wird mein Gesicht von deinem Lächeln wieder glänzen! Nicht mehr wird deine Zauberstimme mein Ohr umsäuseln! Nicht mehr wird uns in vertraulichen Gesprächen der Abendstern behorchen! – Ach! ich besaß ihre Freundschaft, ihr Zutrauen! – Vielleicht hätte sie mich geliebt, wenn die ungestüme Hitze meiner Leidenschaft der zärtlichen Empfindung Zeit gelassen hätte, sich in ihrer schönen Brust zu entwickeln. Vielleicht hätte sie mich geliebt! Vielleicht – entsetzlicher Gedanke, zurück! Aus welchem Paradiese von Hoffnungen und künftiger Wonne hat mich mein lasterhafter Taumel herab gestürzt!

Wo bin ich? – O verhaßte Gegend! ich erkenne dich. Was für Bilder schweben um dich her! – Unter dieser Laube lag ich zu ihren Füßen! Auf diesen zerknickten Blumen rang ich mit ihr! – O hinweg, allzu reizende Erinnerungen! Mischet nicht eure giftige Wollust in meine Qual! Zwinget mich nicht zu wünschen, daß ich noch mehr zu bereuen haben möchte! – Aber indes ich hier irre, naht sich derjenige, dessen Anblick mir furchtbarer ist als der versteinernde Blick der Gorgone. Nein, ich kann, ich will nicht wie ein schamloser Elender vor dem größten der Sterblichen stehen! Ich kann mein Verbrechen nicht vor ihm verbergen. Aber seinem strafenden Aug entfliehen – elender Trost! du bist alles, was mir übrig ist!


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