Christoph Martin Wieland
Araspes und Panthea
Christoph Martin Wieland

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Dritte Abteilung

1

Panthea. Mandane

Panthea. Sage mir offenherzig, Mandane, was meinst du mit dieser geheimnisreichen Art, womit du von der Krankheit unsers Freundes Araspes redest? Was wollen diese bedeutenden Blicke? Was sagt die errötende Wange?

Mandane. Teure Königin, wenn mich nicht Zeichen und Anscheinungen täuschen, so ist Araspes weder des geheiligten Namens, den du ihm gibst, noch dieser zärtlichen mitleidigen Sorgfalt würdig, die du an seine vielleicht nur geheuchelte Krankheit verschwendest.

Panthea. Und was könnte ihn denn bewegen sich krank zu stellen?

Mandane. Meine teure Gebieterin, ich wundere mich nicht, daß Argwohn einem Herzen wie das deinige fremd ist – aber – ich habe Ursache zu glauben, Araspes sei der großmütige Freund nicht, der er zu sein vorgibt. Vielleicht ist es nur eine schöne Larve, in die er sich verhüllt, um sich unvermerkt in dein Herz einzustehlen.

Panthea. Halt ein, Mandane! Welch ein schwarzer Verdacht befleckt deine reine Seele! – Was kannst du an Araspes entdeckt haben, das die angeborne Tugend verleugne, die sein ganzes Betragen regiert? Er müßte ein Ungeheuer sein, und die Natur müßte mit ihm eins geworden sein uns zu betrügen, wenn unter seiner edeln kunstlosen Miene Verstellung, und unter seinen honigfließenden Worten irgend ein schlimmes Vorhaben lauern könnte.

Mandane. Es ist wahr, Araspes ist schön, nur zu schön, um die Augen eines gewöhnlichen Weibes zu blenden. Selbst die meinigen, obgleich das Alter mir jede Schönheit in matterm Lichte zeigt, verweilen mit Vergnügen auf ihm; mit unschädlichem Vergnügen; denn mein Herz hat lange die hüpfenden Schläge verlernt, womit ein jugendlicher Busen den Eindruck verrät, den die aufblühende Schönheit des Jünglings, von Stärke und feurigem Mut erhöht, auf ein unbesonnenes Mädchen macht. Aber Schönheit und Güte sind bei diesem arglistigen Geschlechte selten verschwistert.

Panthea. Meine liebe Mandane, wozu sollen mich alle diese Vorreden vorbereiten?

Mandane. Zu etwas, das deine Wangen mit zürnender Röte bedecken wird. Ich habe Ursachen zu vermuten, daß deine schuldlose Schönheit eine strafbare Flamme in dem Herzen dieses Jünglings angezündet habe.

Panthea. Und wie hast du diese Entdeckung gemacht, Mandane?

Mandane. Schon seit etlichen Tagen bemerkte ich eine übel zurück gehaltene Unruhe in seinen düsternen Blicken, die irgend ein böses Bewußtsein zu verraten schienen. Umsonst zwang er seine Miene in unwilliges Lächeln. Oft, wenn du es nicht gewahr wurdest, hing er mit so scharfen lüsternen Blicken an dir, als ob er etwas von dir abätzen wollte; und dann flüsterte ein halb unterdrückter Seufzer die geheimen Wünsche seiner Seele.

Panthea. Ich bemerkte wohl eine ungewohnte Dunkelheit in seinen Mienen. Aber wo lebt der Weise oder der Glückliche, der in allen Abwechslungen und Zufällen dieses Lebens immer ein unbewölktes Antlitz zeigen könnte? Sollte die Tugend keine Sorge haben? Sie hat die meisten! Denn sie macht uns empfindlicher für andere als für uns selbst; sie vermindert zwar unsre eigenen Übel, aber dafür belastet sie uns mit fremden Leiden und der allgemeinen Not des menschlichen Geschlechtes. Vielleicht sind es Leiden von einer edeln Art, die das Angesicht unseres Freundes verdunkeln.

Mandane. Wie ich sagte, meine Tochter, die Güte deines Herzens macht dich ungeneigt, von andern Böses zu vermuten. Aber glaube mir, es ist nicht allemal Mangel an Güte, wenn wir dem Menschen, dem fehlerhaftesten und unbeständigsten aller Geschöpfe, Böses zutrauen. Ein langer Umgang mit der Welt zwingt die redlichsten Gemüter zum Mißtrauen, wie fremd es auch ihrer Natur ist, und begabt uns mit einer Art von geheimer Auslegungskunst, welche die Herzen der Menschen vor uns entziffert, und aus gewissen Anscheinungen ihre verborgnen Bewegungen, ihre aufsteigenden Leidenschaften und den zukünftigen Sturm mit besserm Grunde vorher sagen lehrt, als die Magier aus der Ordnung der Gestirne, die auf unsere Geburtsstunde herab geleuchtet haben, die mannigfaltigen Szenen unsers Lebens weissagen. Aber was ich dir von Araspes sagte, ist mehr als Mutmaßung. Gestern in der mitternächtlichen Stunde hört ich ihn, da er sich allein glaubte, laute Gespräche mit sich selbst führen. Seine Seele schien in einem heftigen innerlichen Aufruhr, ungewiß auf welche Seite sie sich schlagen sollte. Ich war nicht nahe genug, alle Worte zu verstehen, die in ungestümer Verwirrung von seinen Lippen stürzten: ich hörte nur, daß er die Namen Panthea und Abradates zu wiederholten Malen ausrief, und über die Unmöglichkeit klagte, seine strafbare Leidenschaft, die er Liebe nannte, zu vergnügen. Hätte ich nicht von ungefähr diese Entdeckung gemacht, so würde ich wie du, meine Königin, der geheimen Schwermut, die schon etliche Tage um seine Stirne hängt, eine edlere, obgleich uns unbekannte Ursache geliehen haben. Allein er hat sich selbst verraten, und ich hätte die Liebe zu meiner Panthea und meine Pflicht verraten müssen, wenn ich dir etwas verhehlt hätte, das dich so nahe angeht, und die vorsichtige Klugheit deines eigenen Betragens verdoppeln wird.

Panthea. Ich danke deiner allezeit sorgfältigen Treue, meine mütterliche Freundin. Aber ich kann den Gedanken nicht unterdrücken, daß dich vielleicht ein Traum oder irgend ein übel gesinnter Dämon mit einem eiteln Geflüster verworrner Stimmen getäuscht habe, die der Stimme des Araspes nachäfften; wo nicht, so kann doch seine edel gesinnte Seele keiner niederträchtigen Bosheit schuldig sein. Die Liebe zur Tugend schützt nicht allemal vor der Gewalt der Leidenschaften. Auch heroische Seelen haben eine verletzliche Seite. Die Schwachheit eines Menschen, den ich meiner Freundschaft würdig gefunden, soll keine Änderung in meinem Herzen machen, als meine übrigen gerechten Empfindungen mit zärtlichem Mitleiden zu vermehren.

Mandane. Ich überlasse dich ohne Sorge deiner Klugheit. Aber vergib mir, meine teuerste Panthea, wenn ich einige Verwunderung über die Gleichgültigkeit bezeige, womit du die Nachricht von der schändlichen Leidenschaft eines unbesonnenen Jünglings aufnimmst, der in bessern Zeiten sich nicht hätte unterstehen dürfen, die Augen zu der Gemahlin des Abradates aufzuheben.

Panthea. Du wirst dich nicht betrogen finden, Mandane, wenn du mich hierin ohne Sorge meinem Herzen überlässest. Kennte ich nicht die Güte des deinigen, so würde mich die Verwunderung, von der du redest, befremden. Hast du jemals diese rauschende Tugend an mir gekannt, die mit ihren eigenen Taten, oder vielleicht nur mit dem, was sie sich einbildet tun zu können, wie mit einem Raube pranget, und jede Schwachheit anderer Menschen im Triumph aufführt? Wenn sich, wie du sagst, eine solche Leidenschaft der Seele dieses edeln Jünglings bemächtiget hat, so ist er gestraft genug! Es würde zu viel sein, wenn die Freundschaft ihm auch noch ihren heilenden Balsam entziehen wollte. Er hat um Erlaubnis bitten lassen mich zu sehen. Gehe, Mandane, sie ihm zu bringen. Er selbst soll mir die Ursache seiner Schwermut entdecken, und die Freundschaft soll ihre besten Versuche tun, sie zu heilen.

2

Mandane allein

O Panthea, bisher ist der reine Spiegel des saphirnen Himmels nicht unbefleckter gewesen als deine Tugend! Die niedrigste Bosheit durfte sich nicht erfrechen, deinen Ruhm nur mit dem Schatten eines Argwohns zu beflecken! – Ich sehe noch jetzt, so lebhaft als ob jede Szene vor mir stände, wie du dich von der zarten Knospe bis zu dieser vollen Blüte entfaltet hast. Ich sehe dich noch, in lächelnder Rosenfarbe glühend, meine mütterliche Brust umscherzen! Schon damals weissagte, wer dich sah, deinem Geschlechte das vollkommenste Weib. Wie frühzeitig kam jede deiner Seele angeborne Schönheit unserm pflegenden Fleiße zuvor! Deine Neigungen bildeten sich ohne Mühe in freiwillige Tugenden aus. Jede Gottheit schien sich gefallen zu haben, dich mit ihrer eigenen Gabe auszuschmücken. Untadelig war deine Unschuld, gefällig deine Tugend, und deine Zärtlichkeit keusch. Und sollte es möglich sein, daß eine solche Vortrefflichkeit – daß eine Panthea – ich zittre, den grausamen Gedanken fortzusetzen. Nein, es ist unmöglich! Mein allzu zärtlicher Eifer für ihren Ruhm wird ungerecht. Sie, die beste der Frauen, das Weib eines Abradates, kann nicht so schwach sein. – Aber wer rauscht dort gegen mich her? Mich dünkt, es ist der Freund des unbesonnenen Jünglings – ich will ihn anreden!

3

Arasambes. Mandane

Mandane. Irre ich mich, Arasambes, oder willst du deinen Freund besuchen?

Arasambes. Eben zu ihm wollte ich, ehrwürdige Mandane!

Mandane. Du wirst berichtet sein, daß er sich übel befinde?

Arasambes. So sagte mir einer seiner Sklaven, und mich deucht, ich wollte fast erraten, daß er sich besser befände, wenn deine Gebieterin weniger reizend –

Mandane. Oder weniger tugendhaft wäre. – Höre, Arasambes! Eine gleich zärtliche Freundschaft verbindet mich mit Panthea, dich mit Araspes. Dieses Verhältnis berechtigt mich deinen Beistand zu erbitten; denn wenn jemand vermögend ist, ihn auf den rechten Weg zurück zu lenken, so ist es Arasambes, von dessen Weisheit er die höchste Meinung hat, die ein Sterblicher verdienen kann. Gefällt es dir, so wollen wir unter jenem Gang von Palmen unsere Gedanken über diese Sache gegen einander auswechseln.

Arasambes. Wie es dir beliebt, Mandane! Es verlangt mich selbst, dir meine Gedanken über einen Zufall zu eröffnen, der mich für Panthea und Araspes gleich bekümmert macht. Ich verehre in Panthea die Tugend, die ich in Araspes bedaure. Die Gefahr war allzu groß, allzu reizend, und ganz allein auf seiner Seite. Wie leicht ist der Übergang von freundschaftlicher Liebe zur Leidenschaft, wenn der Gegenstand eine Panthea ist! Gewiß! er verdient unser Mitleiden und allen Beistand, den die Freundschaft seiner kranken Seele gewähren kann.

4

Araspes allein

O Cyrus, Cyrus! du kanntest mich besser als ich selbst. Meine törichte Vermessenheit verachtete deine Warnungen – Ach! nun bist du strenger gerochen, als mein bitterster Feind wünschen könnte. Umsonst streite ich wider eine Leidenschaft, an der die Vernunft selbst nur das Übermaß tadeln darf. Aber wer kann eine Panthea lieben ohne ihren Besitz zu wünschen? – Und ohne einen Strahl von Hoffnung zu lieben! – Ach! meine ganze Natur erschüttert unter dieser entsetzlichen Vorstellung. Alle Ruhe ist aus meinem Herzen gewichen; alle blühende Hoffnungen meines Lebens sind dahin! Was ist aus dir geworden, meine Seele? Ein Spiel fieberischer Träume; ein Ball, von streitenden Leidenschaften hin und her geschlagen; ein Nachen, den der brausende Orkan und die schäumende Wut der Wogen bald an die Wolken schleudert, bald in schwindlige Tiefen hinab stürzt! Wie bin ich unter mich selbst hinab gesunken! Wo ist mein Stolz? Wo ist der vermessene Geist, der seiner Stärke so gewiß war? Armer Phaethon! Die wilden flammenhauchenden Rosse schleppen dich unaufhaltbar fort durch Wildnisse von regellosen Träumen, von Begierde zu Begierde, von Unsinn zu Unsinn! – Allzu reizende Panthea! Ist es dazu gekommen, daß ich wünschen muß, dich nie gesehen zu haben? – Verflucht sei dieser Wunsch! Laß mich dich nur noch einmal sehen, und zu deinen Füßen meine Seele aushauchen! – O meine sterbende Tugend, raffe alle deine zerstreuten Kräfte zusammen, dies allzu schwache Herz vor der Tyrannei seiner Begierden zu schützen. Jetzt ist es noch Zeit den größten der Siege zu erstreiten. – Elender! wen rufest du zu Hülfe? Wo ist deine Tugend? Wo ist die Weisheit, die ehmals mitten in meiner Seele ihren strahlenden Thron aufgerichtet hatte? Ach! sie ist herab gestürzt; alles ist Aufruhr; die fieberische Wut meiner Lebensgeister ist ein schwaches Bild des gesetzlosen Sturms, der in meinem Innern tobt.

O wer bringt mich in den kühlen Hain, wo aromatische Myrten über den murmelnden Brunnquell sich wölben, und freundliche Zephyrn, über die Violenbank daher schwebend, meiner lechzenden Brust Erquickung zufächeln! – Ja, ich will diesen verhaßten Kerker fliehen; in deinen Schoß will ich fliehen, stille Natur! Ich will deinen Atem, die frische blumige Luft einziehen, und in deinen mitleidigen Schatten ungetadelt meine Tränen mit der weinenden Quelle vermischen. Dort klagt die zärtliche Nachtigall ihren Gatten, dort seufzen sympathetische Weste mit mir! Vielleicht daß dann die himmlische Tugend die Gestalt der Beherrscherin meines Herzens annimmt, mich mit schützenden Armen zu umfassen, und süße Ruhe in mein leidendes Herz zu gießen. – Eile, mein Fuß! – O gesegnet sei mir dieser heitre umwölbende Himmel, und du, balsamisches Sonnenlicht! Schon fühle ich deine heilende Kraft durch meine besänftigten Adern rinnen. –

Aber sehe ich nicht hier meinen Arasambes? Ja er ist es! – O mein Freund! eine geneigte Gottheit hat in dieser Stunde deine Tritte hierher geleitet!

5

Arasambes. Araspes

Arasambes. Wem sollt ich die ersten Augenblicke, die wieder mein eigen sind, widmen, als meinem Freunde? – Aber, mein liebster Araspes, wie sehr haben diese wenigen Tage dich verändert! Woher diese Blässe, mit plötzlich auflodernder Röte abgewechselt? diese verdunkelten Augen, dieser seufzende Ton der Stimme? – Ganz anders glänzte dein Gesicht, als wir neulich mit Panthea die Gegenden dieses Schlosses besahen, in welches die Sorgfalt des Cyrus sie zu bringen befahl. Der blumige Mai ist nicht fröhlicher, als ich dich damals sah. Ist Liebe die Quelle dieser schleunigen Veränderung, so grenzt ihre Lust allzu nahe an den Schmerz.

Araspes. O mein Arasambes! – Kannst du mit meiner Schwachheit Mitleiden haben? – Verachtest du mich nicht? Deine Verachtung würde mein Elend vollkommen machen. Ich erröte vor deinen Blicken; aber glaube mir, ich errötete schon zuvor vor mir selbst. Ach! ich bin überwältiget! So viel Schönheit, so viel Güte, so viel herzbezwingende Holdseligkeit, waren mehr als mein allzu zärtliches Herz ertragen konnte. Vielleicht verdient meine Schwachheit Verachtung. Ich hielt mich einst unfähig, in den Fesseln eines Weibes zu liegen, und wenn sie eine himmlische Göttin wäre; ich trotzte auf meine Stärke – dies rechtfertigt deinen Spott. Aber, o schone deines leidenden Freundes, Arasambes! Ich bin ganz verloren, wenn diese unselige Liebe, die mir meine Freiheit, meine Ruhe, den Beifall meines eigenen Herzens, und warum nicht auch dieses unwürdige schmachtende Leben? raubt, – wenn sie mir auch noch deine Freundschaft rauben würde!

Arasambes. Laß diese Tränen von der Zärtlichkeit zeugen, mit der ich dein Leiden empfinde. – Ich sollte dich verachten können? Verbanne einen so niedrigen Gedanken! Nein, du edler Jüngling! ich liebe dich, mehr als jemals liebe ich dich! – Fasse Mut, Araspes! Der Tugendhafte wird nicht eher über alle Leidenschaften erhaben, bis er auch über jene Wolken empor steigt, und seine angeborne Luft atmet. Große Seelen wallen auch in große Leidenschaften auf. – Aber nie soll es zur Schande der Tugend gesagt werden, daß sie sich ganz überwinden, und gefesselt hinter dem Triumphwagen des Lasters nachschleppen lassen!

Araspes. Ich liebe die Tugend, Arasambes! Ich fühl es in diesem Augenblicke daß ich sie liebe! Aber ach! sie ist unvermögend mich zu schützen! Meine Seele ist nicht mehr mein. Sie ist ein Sammelplatz schrecklicher Phantomen und stürmischer Begierden, unter deren grimmigem Streit meine Ruhe zertrümmert ist. – Glaube nicht, daß ich wehrlos meine Freiheit dahin gegeben habe. Aber es war zu spät als ich zu kämpfen anfing. Allzu lange hatte ich das süße Gift eingesogen; da ich seine Wirkung fühlte, hatte es schon mein ganzes Wesen durchdrungen. Alles was ich noch tun konnte, war, mich selbst zu beklagen; und eitle Entschließungen zu fassen, die ein einziger ihrer Blicke wieder zernichtete. Und doch weiß sie nichts von meiner Leidenschaft; nie haben meine Lippen das nagende Geheimnis meines Herzens verraten; dies ist alle Gewalt, die mir über mich selbst übrig geblieben ist. Aber ach! meine Blicke, meine Unruhe, meine übel verhaltnen Seufzer hätten mich längst verraten, wenn ihre eigne Unschuld nur die schwächste Vermutung meiner Torheit gestattete. – Die Fröhlichkeit, die du jüngst an mir sahest, war die wurmstichige Frucht einer eiteln Hoffnung, der eingebildeten Aussicht in glückliche Tage, die ich in dieser schönen Einsamkeit mit Panthea zu leben meinte. Wie bald welkte diese hinfällige Freude weg! Je öfter ich sie sah; je vertraulicher der Zutritt war, den sie mir erlaubte; je mehr die Güte ihres allezeit offnen Herzens, dessen sich selbst bewußte Unschuld alle Zurückhaltung verachtet, meiner Liebe mit der voreiligen Hoffnung, wieder geliebt zu werden, zu schmeicheln schien: – desto schneller wuchsen diese Begierden, die anfangs so verschämt, so leise ihre allzu kühnen Wünsche lispelten. Ich verbarg es mir nun selbst nicht mehr (wie konnt ich?), daß meine Liebe sich mit nichts wenigerm als dem völligen Genuß befriedigen könnte. Ich erschrak vor der Entdeckung; und doch zerfloß meine ganze Seele in Sehnsucht, und billigte ingeheim die Begierden, die vor der Tugend sich verbergen mußten. Ach! welch ein gewaltiger Kampf von Leidenschaft und Pflicht, Vernunft und Liebe, hat seitdem meine Brust zerrüttet! Was ist das Getümmel fallender Welten und das Brüllen des Chaos gegen den einheimischen Krieg einer Seele, die mit ihrer ganzen furchtbaren Macht auf sich selbst losstürmt! Eine brennende Seele – o Arasambes, wären ihre Kräfte nicht durch den Leib eingeschränkt, sie würde, wütender als ein zügelloser Komet, alle Elemente in ihren Streit verwickeln, und diesen göttlichen Bau harmonischer Sphären rings um sich her zu Staub zertrümmern!

Arasambes. Ich bedaure meinen Freund, ich beweine seine Schmerzen, und noch mehr seine Tugend, die am schwindligen Rande des tiefsten Falles schwankt. Aber ich wäre nicht dein Freund, wenn ich mich begnügte meine Klagen mit den deinigen zu vermischen. O laß mich dich bitten, laß mich dich beschwören, daß du dich nicht selbst verloren gebest, so lange der ruhmwürdige Sieg noch in deiner Gewalt ist. Liebst du wirklich die Tugend, wie ich weiß daß du sie liebst, so ist der Sieg unser! Fasse nur einen standhaften Entschluß. Keine Macht, kein Gott, selbst nicht der Unnennbare, dessen allmächtiger Finger die unermeßliche Schöpfung bewegt, ist vermögend den Willen eines denkenden Wesens zu zwingen. Aber wenn du selbst heimlich deine Niederlage wünschest, wenn du dein williges Ohr der Sirenenstimme entgegen reckest die dich zu einem wollüstigen Verderben einladet, so ist deine Tugend schon verraten. Und was wäre Araspes, wenn er seine Tugend überlebt hätte?

Araspes. Ein Unglücklicher, dem nichts übrig gelassen ist, als zu sterben! Ach Arasambes! wie soll ich die Augen zu dir aufheben? Aber ich will dir nichts verhehlen. So unglücklich mich die Liebe macht, so ist es mir doch unmöglich nicht zu lieben. Ich fühle die ganze Schwere meiner Ketten, und doch wünsche ich nicht frei zu sein. Ich weiß selbst nicht was ich wünsche. Ich verdamme in jedem Augenblicke den Wunsch des vorigen. – Was redest du mir von standhaften Entschlüssen? Ach mein Freund, du hast vergessen, daß ich nicht mehr Araspes bin. Was vermag der Steuermann, wenn der unbändige Sturm mit tausend Donnern daher rauscht, und das mastlose Schiff durch stürzende Wassergebirge wälzt? – Ich finde keine Bilder stark genug, dir die Gestalt meines inwendigen Zustandes begreiflich zu machen! Glückseliger, daß du keine Erfahrung von dem, was ich leide, hast! Bald ist mein ganzes Wesen nur Liebe, von glühender Sehnsucht und reizenden Hoffnungen aufgeschwellt; bald, wenn die kurze Bezauberung verschwindet, entbrenne ich in ohnmächtigem Zorn wider mein Schicksal, und sinke vom Kampf mit dem Himmel zu winselnder Verzweiflung herab: bald ist meine ganze Seele in Panthea entzückt; bald verwünsche ich Panthea, die Welt und mich selbst. Umsonst hoffe ich vom mitternächtlichen Lager eine kurze Rast; umsonst rufe ich dem erquickenden Schlaf! oder wenn er mich zu erhören scheint, so ängstigt er mich durch fürchterliche Träume, oder spottet gar meines Elends mit reizenden Bildern einer Glückseligkeit, die mir niemals, ach niemals! nur zu wünschen erlaubt ist. Ich wandle dann in elysischen Auen, wo alle Gegenstände Liebe und Fröhlichkeit hauchen; dann steigt Amor auf einer Wolke von Seufzern der Verliebten herab, unsterbliche Rosen duften um seine gelben Locken, die ganze Natur hüpft bei seinem Anblick in Entzückung auf; schmeichelnd nimmt er meine Hand, und führt mich durch Myrtengänge in die Laube von Schasmin, wo Panthea gleich einer müden Waldnymphe schlummert. Indem ich mit stummer Entzückung sie betrachte, erwacht sie, und streckt mit süßem einladendem Lächeln ihre willigen Arme nach mir aus. – Plötzlich verwandelt sich der treulose Traum. Eine unsichtbare Gestalt reißt sie von mir weg; keuchend eil ich ihr nach; fürchterliche Wildnisse, schroffe Felsen und jähe Abgründe eröffnen sich vor mir; eine siebenfache Nacht umzieht den Himmel, mit feurigen Wolken durchkreuzt; sie flieht umsonst und ringt zurück schauend ihre um Hülfe bittenden Arme gegen mich; ein Regen von Flammen stürzt auf sie herab, und verzehrt sie vor meinen verzweifelnden Augen zu Asche! – Oder mich dünkt, ich sehe den Abradates von Cyrus geführt herbei kommen; ich stehe von fern, und sehe der sprachlosen Umarmung der Liebenden zu; tausend Furien zerreißen mein Herz bei diesem Anblick; meine Seele wälzt sich in wilden Gedanken, indem der ohnmächtige Zorn meinen Arm entnervt. – Dann dünkt mich, ich sehe den Wagen der Liebesgöttin auf rosenfarbnen Wolken herab steigen, das liebende Paar aufzunehmen; girrende Tauben ziehen ihn, und Schwanen, deren Gesang weit umher die ambrosische Luft bezaubert. Plötzlich schweben sie, von tausend Liebesgöttern umflattert, aus meinen Augen hinweg, indem ich einsam, gleich dem steinernen Bilde der Verzweiflung, am Boden angefesselt stehe, und dem schwachen Reste von Empfindung fluche, der noch in meinen Adern glimmt. So raubt mir die innerliche Zerrüttung meiner Seele selbst das schwache vorüber gehende Labsal, welches die Natur den Unglücklichsten erlaubt, das süße Vergessen unsers Elends, das wenigstens einen Teil unsers Lebens dem nagenden Kummer entreißt. – Ach! ich bin unglücklich, mein Freund! so unglücklich, daß alles, was ich dir gesagt habe, nur einen kleinen Teil meiner Leiden umfaßt. O diese fatale Leidenschaft hat mich betrogen! Rette mich, Arasambes, rette deinen Freund von der Liebe und von sich selbst!

Arasambes. Du allein kannst dich retten, Araspes! Ich sehe nur ein einziges Mittel, und das ist in deiner Gewalt. Eine Liebe, wie die deinige, kann nur durch Fliehen besiegt werden. Es ist vergeblich, mit einem Gegner zu kämpfen, dessen Wunden Vergnügen machen. Fliehe, fliehe, mein Freund! fliehe diese allzu reizende Schöne. So bald du von ihren Augen entfernt bist, wird die ungenährte Flamme sich selbst verzehren, die jetzt deine Seele ausdörrt, und die Blüte deines Lebens zu verzehren droht.

Araspes. Was verlangst du von mir, grausamer Freund? Ich soll von Panthea fliehen? soll mich selbst aus ihren Augen verbannen? gleich als ob der schwarze Tag nicht schnell genug daher rauschte, der sie mir auf ewig entreißen wird! O nenne dies entsetzliche Mittel nicht mehr, das viel ärger ist als das Übel, wovon du mich befreien willst. Ihr bloßer Anblick, ach! ihr bloßes Angedenken, ihr Schatten ist genug meine Schmerzen zu versüßen. Es ist Wonne, sie sogar hoffnungslos zu lieben. Lehre mich, wie meine Seele von sich selbst scheiden kann, so will ich deinem Rate folgen. O sie ist die Seele meiner Seele; ihr Blick, ihr Lächeln ist meinem Herzen was die Frühlingssonne den Blumen, was die tauende Morgenröte dem welken Grase, was die kühle Quelle dem lechzenden Wandrer. O Panthea, du bessere Hälfte meiner selbst, wie könnt ich von dir scheiden? Dich fliehen? Warum sollt ich dich fliehen? Du bist ja keine Schlange, die unter dem Glanze der goldgefleckten Haut tödliches Gift verbirgt. Du bist ganz Unschuld und Güte. Ach! was sind die Schmerzen, die du unwissend mir machst, gegen den Verlust deiner Gegenwart? In dem bloßen Gedanken dich zu verlieren ist etwas das an Vernichtung grenzt. Aber Wonne ist in dem süßen Gedanken, daß eben dieselben Mauern Panthea und mich einschließen; daß uns derselbe Himmel umfließt; daß sie vielleicht diese Luft geatmet hat, die ich in diesem Augenblick einziehe! Welche sanfte lindernde Kraft in der Hoffnung, daß ihr Herz nicht für Abradates allein zärtlich ist! daß ihr mildes Auge vielleicht auch für den unglücklichen Araspes eine stille Träne weint! – Keine so ungütigen Blicke, Arasambes! Verachte meine Schwachheit nicht, wenn es Schwachheit sein kann, diese unvergleichliche Schöne zu lieben. Überlaß mich lieber meinen Schmerzen, wenn du sie nur durch den Tod heilen kannst.

Arasambes. Ist es mein Araspes den ich höre? – Nein, so tief kann die Seele meines Araspes nicht herab sinken! – Angenehme Täuschung! warum kann ich dich nicht unterhalten? Aber ach! wie kann ich mir verbergen, daß es mein Freund, daß es Araspes ist, den alle seine Stärke, alle seine Tugend, alle die männliche Entschlossenheit, die ihn ehmals unter den Jünglingen erhob, so sehr verlassen hat, daß er zu den Füßen eines Weibes schmachtet, und die Pein, die sie ihm verursacht, noch für Glückseligkeit nimmt? Wo sind nun jene Aussichten in ehrenvolle Tage? Wo die Unternehmungen, die deine von jeder Tugend befruchtete Seele versprach, und die nur auf Gelegenheit warteten, um zu großen Taten empor zu wachsen? Ist Cyrus vergessen? der Gespiele, der Freund deiner Jugend, mit dem du die ersten Lorbeern gesammelt hast, die jetzt unter der Glut einer törichten Liebe welken? Ist das große Vorhaben vergessen, zu welchem ihn dein Geist und dein mutiger Arm begleiten wollte? Das glorreiche Vorhaben, eine barbarische Welt umzuschaffen, gesetzlose Horden zu Menschen zu adeln, oder üppige Völker, von der glühenden Sonne und von träger Wollust entnervt, mit neuen Gefühlen von Ehre zu begeistern, und in diesen morgenländischen Provinzen ein Reich aufzurichten, dessen majestätische Größe den Erdboden in Ehrfurcht halten, und dem Frieden mit den Künsten des Friedens eine bleibende Wohnung bei den Sterblichen verschaffen sollte? – Ich erröte für dich. – Es ist mir unerträglich, daß Araspes seine hoffnungslose Liebe den tauben Felsen vorgirren soll, indessen wir, von Cyrus geführt, das geheiligte Geschäft vollbringen, welches ihm ein Gott ins Herz gelegt hat. – O Schande! Was nennest du Liebe, Araspes? Hast du keine Liebe für deine Freunde? keine für den Helden, der dich selbst des königlichen Namens seines Freundes würdigte? keine Liebe für die Tugend und für deine Anverwandten, die Menschen, und für alles, was die vom Himmel entsprungene Seele der Zurückberufung in die lichtvollen Gegenden, woraus sie verbannt ist, würdig macht? – Oder soll diese feige unmännliche Sklaverei, die alle deine Gedanken an die Schönheit eines Weibes, alle deine Begierden an ihren Genuß heftet, alle deine großen Bestrebungen in Seufzer auflöst – soll das dich zu den Taten vorbereiten, von denen deine Seele schwellen sollte? –

Araspes. O schone, schone deines Freundes, Arasambes! Ich kann die furchtbare Wahrheit nicht ertragen, die von deinen Lippen donnert. Nein, ich will deine Verachtung nicht verdienen! Sie würde mich unglücklicher machen, als die bittersüße Qual der Liebe tun kann. Verwünscht sei der unwürdige Gedanke, daß ich, wie ein weinender schändlicher Sklave, von der Schönheit gefesselt den Staub lecken sollte, während ihr die erstaunte Welt mit Denkmälern eurer Tugend belastet! Nein, Arasambes, ich fühle meine ganze Seele wieder durch meine Nerven strömen. Ich will dahin, wohin mich die Ehre ruft, und mit noch stärkerer Stimme die Liebe! Du sollst sehen, jedes Auge soll sehen, daß Panthea mich mit siebenfachem Mut begeistern kann, und die Welt soll mich eines bessern Schicksals würdig erklären! – Wie dank ich dir, Arasambes, daß du mir diese Aussichten gezeigt hast! – Aber hüte dich, Freund, meine Liebe zu schmähen, oder deine Lippen zum Spott über die erhabne Raserei, den enthusiastischen Taumel zu öffnen, worin meine Seele aufbrauset, wenn sie, ganz vom Gott der Liebe voll, nicht ihre eignen Gefühle hervor treibt! Hüte dich, eine Liebe zu schmähen, die, von der göttlichen Panthea entzündet, eben so wenig Grenzen hat als die Vollkommenheit ihres Gegenstandes.

Arasambes. Welch ein Gemisch von Schwulst und Torheit! Ja, ich kenne eine Liebe, die keine Grenzen haben soll; aber eine weit andre als dieses lächerliche Ungetüm, die Tochter des Müßiggangs und der Wollust! diese buntscheckige Törin, die in gleichem Augenblick weint und lächelt, frohlocket und verzweifelt, zu Stein erstarrt und in leichten Schaum aufsprudelt. Weg mit ihr! Ehmals brannte eine andre Liebe in deiner Brust, Araspes! die Ernährerin der Tugend, von der Weisheit selbst entzündet, ohne welche noch keine schöne Tat vollbracht worden ist, noch kein Held mit den Unsterblichen in die Wette geeifert hat. Erwache doch einmal aus deinem Taumel, Freund! Erkenne dich selbst wieder! Tritt in deine eigne Gestalt zurück! – O! gibt es denn keine Zauberworte (weil doch die Vernunft in diesem Aufruhr der Sinne nichts vermag), keinen geheimnisvollen Talisman, der meinen Freund sich selbst wieder geben kann? Oder hat die Musik, die Bezwingerin der Herzen, keine magischen Töne, die Gewalt der Liebe einzuschläfern und die entflohene Weisheit zurück zu locken?

Ein Sklave zu Araspes. Herr, die Königin kommt mit Mandane aus dem Myrtenwäldchen – sie befahl mir, dir ihre Ankunft anzukündigen.

Araspes. Was hör ich? Ein Besuch von Panthea? Sie selbst, sagst du, befahl dir sie anzukündigen? – Was für eine neue Gestalt nimmt mein Schicksal an!

Arasambes. Ich verlasse dich voll froher Hoffnung, am nächsten Morgen meinen Araspes wieder zu finden. Von den Lippen der schönen Panthea werden die Zaubertöne fließen, die deine Seele wieder in Harmonie zu stimmen vermögen.

Araspes allein. Sie selbst sucht mich? Sie selbst? – Warum pochst du so zaghaft, mein törichtes Herz? Sonst pflegtest du ihr so fröhlich entgegen zu hüpfen! – Hat sie vielleicht die wahre Ursache meiner Krankheit entdeckt? – Aber würde sie denn selbst zu mir kommen, eine Leidenschaft durch ihren Anblick noch mehr zu erhitzen, welche sie nicht befriedigen will? – Oder soll ich – darf ich es hoffen, daß sie mir günstiger sei, als ich bisher zu glauben wagte? Eitle Einbildung! Hinweg Schmeichlerin! – Sie nähert sich. – Diese Stunde wird das Schicksal meiner Liebe entscheiden. Ich will Mut fassen. Warum sollt ich meine Leidenschaft der Einzigen verhehlen, die sie befriedigen, oder, wenn's möglich ist, heilen kann? – Sie kommt, von Mandane begleitet – o mein feiges Herz!

6

Panthea. Mandane. Araspes

Panthea. Wie befindet sich Araspes? Dein Anblick bekräftigt nur zu sehr, daß sich meine Freundschaft nicht umsonst für dich beunruhiget hat.

Araspes. O schöne Panthea, wie sehr rührt mich diese gütige Herablassung! Deine Gegenwart hat schon ihre heilende Kraft an mir bewährt. Dein Mitleiden – ach! wenn du wüßtest, was mein Herz gelitten hat, du könntest mir dein Mitleiden nicht versagen!

Mandane leise zu Panthea. Sind meine Besorgnisse vergeblich gewesen?

Panthea ohne auf Mandanen Acht zu geben. Und warum sollte ich das? Mein Herz ist empfindlicher für fremde Leiden als für meine eignen. Selbst die Schmerzen eines Tieres, die Krümmungen eines sterbenden Wurmes, rühren mich; wie sollte ich bei dem Leiden eines Freundes ungerührt bleiben? Aber entdecke mir, Araspes, wenn in meiner Freundschaft ein Trost für dich sein kann, entdecke mir die Ursache deiner Schmerzen.

Araspes. So feindselig, o Panthea, ist mein Schicksal, daß die süße Quelle der seligsten Freuden für mich unbeschreibliche Schmerzen quillt. – Die Liebe, Panthea – das fatale Wort ist von meinen Lippen entflohen – die Liebe macht mich elend.

Panthea. Die Liebe kann den Tugendhaften nicht elend machen. Sie hat ihre Schmerzen; aber es ist etwas Tröstendes darin, für diejenigen zu leiden, die wir lieben. Der Tod des Geliebten ist vielleicht das einzige, was uns elend machen könnte, wenn wir nicht in unsrer eigenen Sterblichkeit ein bewährtes Mittel hätten, unsrer Qual ein Ende zu machen.

Araspes. Es ist etwas, das noch entsetzlicher ist als der Tod des Geliebten. Was könnten die unerbittlichen Erynnien selbst, verdammte Sünder zu quälen, Schrecklichers erfinden, als die Pein, ungeliebt und ohne Hoffnung zu lieben?

Panthea. Eine Liebe ohne Hoffnung, ohne Gegenliebe, setzt, wie mich dünkt, einen übel gewählten Gegenstand voraus.

Araspes. Ach Panthea! es ist unmöglich, diejenige, die ich anbete, nicht zu lieben, oder weniger inbrünstig zu lieben, als ich tue. Sie ist die Schönste unter allen, die jemals unsterbliche Göttinnen eifersüchtig gemacht haben. Ihr erster Anblick würde eine schwache Seele überwältigen. Aber stille Bewunderung war alles, was ich für sie empfand, bis ein näherer Umgang die Schönheit ihres Geistes, tausend strahlende Vollkommenheiten, vor mir entfaltete. – Ganz in ihr Anschauen entzückt, vergaß ich anfangs meiner selbst; ich liebte ohne Wunsch, ich hoffte nichts, ich war glücklich. Aber diese süße Bezauberung konnte nicht lange dauern. Ich erwachte; ich sah daß ich geträumt hatte; ich fühlte, daß nur die Gegenliebe, nur der Besitz des Geliebten, glücklich machen kann. Auf einmal entdeckte ich das Entsetzliche meines Zustandes. Ich habe nichts zu hoffen! – Selbst der Trost, von ihr bedauert zu werden, nach welchem ich schmachte, ist mir versagt. Sie weiß nichts von meiner Liebe. Noch nie durft ich es wagen zu reden. Ach! die einzige Hoffnung, die mir übrig bleibt, ist, im Übermaß meiner Qual das Ende meines Daseins zu finden.

Panthea. Ich bedaure dich, Araspes.

Araspes. Du bedauerst mich, göttliche Panthea? O so bin ich nicht so elend, als ich fürchtete!

Panthea. Die Freundschaft hat nur einen einzigen Rat für dich. Entferne dich von dem Gegenstande deiner Leidenschaft. Nur die Entfernung kann dir die Vernunft und die verlorne Ruhe wieder geben. Lebe wohl, Araspes.

Araspes Er hält sie zurück, und wirft sich zu ihren Füßen. Du willst dich entfernen? – O bleibe, bleibe, entziehe mir den Anblick nicht, der mein fliehendes Leben noch zurück hält! – Du zürnest, Panthea – dein ernstliches Auge – doch zürne nur! vernichte mit strafenden Blicken den Verwegnen, der dich anbetet! – Hier zu deinen Füßen will ich sterben – glücklich genug, wenn dann eine zu spät mitleidige Träne, die ich nicht mehr fühle, auf meine Leiche von deinen Wangen sinkt.

Panthea. Steh auf, Araspes, und höre mich! Vielleicht verbieten mir die strengen Gesetze der Sittsamkeit, nach einer solchen Erklärung meinen Besuch zu verlängern. Aber du hast ehmals meine Freundschaft verdient, du hast dir meine Dankbarkeit verpflichtet, und der Zustand, worin du bist, verdient Mitleiden. Ich sehe dich als einen Kranken an; es wäre zu verhaßt, dich als einen Verbrecher anzusehen. Überzeuge mich, Araspes, daß ich mich nicht betrogen habe, da ich dich groß und edel glaubte. Stelle dich selbst wieder her; bezwing eine Leidenschaft, die dich der Ruhe und mich eines Freundes beraubt; die uns beide erröten macht, dich sie zu fühlen, mich sie erregt zu haben. Die Gemahlin des Abradates darf kein Gegenstand deiner Begierden sein. So sehr kann Araspes nicht sich selbst vergessen haben. Ich bin zwar eine Gefangene; aber nur gefühllose Barbaren können gereizt werden, die leidende Unschuld um dessentwillen zu höhnen, was sie gesitteten Menschen ehrwürdig macht.

Araspes. Denke nicht, göttliche Panthea, daß meine Liebe verwegen genug sei, die kleinste Hoffnung zu wagen. Wie lange hat die Ehrfurcht, die dein Stand, deine Tugend und dein Unglück mir einflößte, meinen Mund verschlossen? Wenn haben selbst meine Blicke sich erkühnt, die Ausleger meines Herzens zu sein? Wie oft habe ich sie, wenn sie in Tränen schwammen, von dir abgewandt? Wenn haben meine unbescheidenen Seufzer dein Ohr beleidigt? Ach! nur die nächtliche Stille einöder Schatten hat sie gehört; nur mein vom Schlaf verlassenes Lager ist von meinen Tränen befeuchtet worden. Aber verbiete mir nicht, schönste Panthea, in schweigender Stille um dich zu seufzen! Warum haben die Götter, in ihr eigenes Werk verliebt, dich so schön gebildet, wenn sie nicht wollten, daß dein Anschauen jedes Auge bezaubern, jede Seele in Liebe und Verlangen auflösen soll? Dulde meine Liebe! dies ist alles, was der unglückliche Araspes von dir zu flehen wagt. Verbanne mich nicht aus deinen Augen; laß mir den einzigen Trost, den auch die strengste Tugend erlauben kann, dich zu sehen, und von dir bedauert, das Opfer einer hoffnungslosen Liebe, meine Seele zu deinen Füßen auszuseufzen.

Panthea. Araspes, ich verstehe diese Sprache nicht. Wenn dein Zustand wirklich so ist, wie du ihn beschreibst, so bitte den Cyrus, dich von mir zu entfernen. Du wirst leicht einen Vorwand finden, der deinen Ruhm retten kann. Willst du mich aber nicht verlassen, so verbanne deine Leidenschaft. Alle meine Freundschaft könnte dich nicht gegen die Verachtung schützen, die ihre Fortdauer mir einflößen würde. – Bedenke dich, Araspes. Ist Pantheens Freundschaft so geringschätzig in deinen Augen, daß du sie nicht wert achtest, ihr einen eiteln Traum der Einbildung, einen blinden Trieb aufzuopfern?

Araspes. Wie tief muß ich in deinen Augen gefallen sein, schönste Panthea! Du zweifelst? – O tausendmal wollte ich, um Einen gütigen Blick von dir zu verdienen, mein Leben wagen! Aber wenn deine Freundschaft schon unschätzbar ist, was würde deine Liebe sein!

Panthea. Höre mein letztes Wort, Araspes. Ich bedaure die Ausschweifungen deiner Leidenschaft. Ich weiß, daß deine Seele zur Tugend gemacht ist. Ich beklage ihre Erniedrigung; und ich würde mich strafbar halten, wenn ich eine Strenge gegen dich gebrauchen wollte, die dir den Mut benehmen könnte, meine Achtung wieder zu verdienen. Es ist in deiner Gewalt! Der Sieg über eine Leidenschaft, die unser besseres Selbst entehrt, ist der schönste Sieg. Gib mir meinen Freund und dem erhabnen Cyrus seinen Nacheiferer wieder. Nur tugendhafte Triebe sind deines Herzens würdig! Liebe mich als eine Schwester! Liebe meinen Abradates! Komm, in unserer Freundschaft der Dritte zu sein! In wenigen Tagen hoffe ich ihn zu sehen, und ihn als einen Freund des Cyrus zu sehen. Gönne mir die Freude, meinem Abradates mit seiner wieder gefundenen Panthea ihren Beschützer seiner Freundschaft würdig vorzustellen! Dann will ich euch, wenn ihr, von edlem Wetteifer glühend, den persischen Helden zu unsterblichen Taten begleitet, mit frohlockenden Blicken nachsehen; durch wilde Feldlager und barbarische Provinzen will ich euch begleiten; und wenn ihr aus der Schlacht gegen die Unterdrücker der Menschen zurück kommt, will ich mit gleich freundschaftlicher Hand den edeln Schweiß von eurer Stirne wischen, und euere Schläfe mit friedsamen Rosen umkränzen.

Araspes. O du – mit welchem Namen soll ich dich nennen? – Die Weisheit hat deine Gestalt entlehnt, meiner kämpfenden Seele den Sieg über sich selbst zu geben! Mit welcher Entzückung fühle ich deine Gewalt über mich! – O Panthea, gesegnet sei der mitleidige Genius, der deinen Gang hierher leitete! Du allein konntest mir die Ruhe geben, die in diesem Augenblick mein lechzendes Herz erfrischet. Ich fühle mich selbst wieder. Ich will sie verdienen, die Freundschaft, die du mir mit einer so göttlich gütigen Großmut anbietest. Welch eine Würde gibt sie mir! Welch eine Einladung zu schönen Taten! Bald wird sich der weite Schauplatz vor uns auftun, wo ich allen diesen Überfluß von Liebe, der in meiner Brust zu enge verschlossen ist, in edle Bestrebungen ausströmen lassen kann. Aber, wohin uns auch der geflügelte Ungestüm der Ruhmbegierde führen mag, nie wird dein Bild aus meinen Augen kommen! Deine Liebe soll die begeisternde Seele, und dein Beifall die glorreiche Belohnung meiner Tugend sein!

Panthea. Ich erkenne wieder die Stimme meines Freundes. Aber hüte dich vor diesen brausenden Aufwallungen, die deinem Herzen so natürlich sind! Es bedarf der Ruhe. Lebe wohl, Araspes! Die kommende Nacht träufle ihren sanftesten Balsam auf dich herab, damit der Morgen deine geheilte Seele zu einem neuen Leben erwecke!

Araspes. Wie schnell eilest du weg, schöne Panthea! – Ach! schon ist sie wie eine Göttin meinen Augen entschwunden! Aber noch glänzt dieser Ort von ihren Blicken; noch schwebt die zerfloßne Musik ihrer Worte um die glatten Marmorwände. – Unwiderstehliche Schöne! wie schnell zauberst du mich aus einer Gestalt in die andre! – Aber Ruhe hast du mir nicht wieder gegeben! Welche Schwärme von streitenden Gedanken und Entschlüssen drängen sich in taumelnder Verwirrung durch mein Haupt! – Ich will gehen, und unter jenen einsamen Bäumen die liebliche Abendluft schöpfen, und in der schattigen Stille mich über alle diese Dinge mit mir selbst besprechen.

7

Panthea. Mandane

Panthea. Was denkst du, meine mütterliche Freundin, von diesem Auftritte, zu welchem ich deine Gegenwart verlangte, damit du eine Zeugin und Richterin meines Betragens sein möchtest? Bin ich zu gelinde gewesen? Und hat sich Araspes nicht zu schnell verwandelt?

Mandane. Deine Großmut, meine Königin, und der mütterliche Name, dessen du mich würdigest, befehlen mir, deine Frage freimütig zu beantworten. Obgleich dein Betragen bei diesem Auftritte der Würde einer Panthea gemäß war, so hättest du doch den Schritt nicht wagen sollen, einem so feurigen Liebhaber Gelegenheit zu einer Erklärung zu geben, welche vorher von der Ehrfurcht für deine Hoheit und Tugend, so oft sie hervor zu brechen bereit war, auf seinen bebenden Lippen erstickt wurde. Der längere Aufenthalt unter den Menschen hat mich ihre Leidenschaften kennen gelehrt. Glaube mir, Panthea, Araspes seufzte schon lange nach einem glücklichen Augenblick, dir sein Herz zu entdecken. Die erste Erklärung, hoffte er, würde ihm die Freiheit geben, sie so oft zu erneuern als er wollte; so würde er dich unvermerkt angewöhnen, seine Liebe zu dulden; er würde sich eine Art von Recht erwerben, sie zu verteidigen und deine Einwürfe zu beantworten; das Ungeheuer würde durch öfteres Anschauen seine Häßlichkeit verlieren, es würde vielleicht endlich gar gefallen, und eine günstige Stunde – kurz, ich fürchte du habest ihm, wider deine Absicht, zu Hoffnungen Anlaß gegeben, die er nicht wagen dürfte, wenn dich deine allzu große Güte nicht bereits in seinen Augen erniedriget hätte. Es ist unmöglich, behutsam genug gegen diese kühnen Männer zu sein, die immer geneigt sind uns mehr Schwäche zuzutrauen als wir wirklich haben, und die selbst aus den bittersten Vorwürfen und Abweisungen die süßesten Hoffnungen zu saugen wissen.

Panthea. Ich gestehe dir, Mandane, daß ich die Männer sehr wenig kenne. Ehe mich unser gemeinschaftliches Unglück diesem jungen Meder überlieferte, hatte ich außer meinen Brüdern und meinem Gemahl kaum einen Mann in der Nähe gesehen. Ohne Zweifel kommt es von meiner Unerfahrenheit her, daß ich nicht so schlimm von Araspes denken kann als du verlangst. Ich kann kein Verbrechen darin sehen daß er mich liebt. Es ist sein eigener Vorteil, seiner Liebe Grenzen zu setzen. Ich hielt es für meine Pflicht, ihn zu beruhigen, indem ich ihm offenherzig alles entdeckte was er von mir zu erwarten hat. Wenn ich ihm, dachte ich, meine Freundschaft so frei und willig anbiete, so müßte er das unedelste Herz haben, wenn er sie verachten könnte. Wenn er also gleich in der Hitze des schwärmenden Affekts seine Wünsche weiter getrieben hat, so wird er jetzt in sich selbst gehen, und den Genuß eines wirklichen Gutes einem größern, das ihm versagt ist, vorziehen. Setze nun voraus daß Araspes edelmütig sei, so hab ich nicht zu viel getan. Warum soll ich ihn aber niederträchtig glauben? einen Menschen, an dem du selbst die Größe seines Geistes oft bewundert hast; dessen Reden und Handlungen uns eine lange Zeit in der guten Meinung stärkten, die uns sein erster Anblick von ihm beibrachte; von dem wir unleugbare Proben eines guten Herzens gesehen haben, und, was mehr als dieses alles ist, einen Freund des Cyrus! – Entschuldige mich, Mandane! ich kann keine schlimme Folgen davon sehen, daß ich, dieser gerechten Meinung gemäß, als seine Freundin gehandelt habe. Denn setze auch das ärgste, daß er sich meiner nicht unbedingten Freundschaft unwürdig zeige: so würde meine Güte, anstatt einigen Vorwurf auf mich zu laden, nur die Schwärze seiner Niederträchtigkeit erhöhen. Aber laß uns nicht allzu mißtrauisch sein, Mandane! Araspes kann nicht unedel, nicht arglistig und undankbar handeln.

Mandane. Gewiß kann er es nicht, so lang er derselbe Araspes ist, der unsere Hochachtung verdiente. Aber, meine liebste Panthea, eine einzige Leidenschaft, wenn sie die Seele bezwungen hat, macht in kurzem den ganzen Menschen unkennbar. Diese inwendigen Tyrannen können Tugend und Vernunft nicht neben sich leiden. Daß er dich liebt, verdient keinen Tadel. Seine Liebe war vielleicht schön und lobenswürdig, ehe sie zu einer heftigen Leidenschaft wurde. Aber je vortrefflicher der Gegenstand unserer Neigung ist, desto gefährlicher ist ihr Übermaß. Ich erinnere mich einer Stelle aus einem unserer Dichter, der die wahre Natur dieser Krankheit, welche die Männer Liebe nennen, nach dem Leben abmalet: »Traue nicht, junge Schöne« (sagt das Lied), »der schmeichelnden Zunge des Jünglings! Erst wenn sie siegt, zeigt sie ihr wahres Antlitz. Müßten seine Gedanken laut ertönen, wie würde seine Zunge zum Lügner werden! Indem er dich vergöttert, spottet er heimlich deiner Erniedrigung. Wie sanft schlüpfen seine glatten Worte in dein leichtsinniges Herz! Du meinst, er liebe dich? Törichte! Wenn er im Sonnenschein deiner Blicke hüpft, wenn er die Röte deiner Lippen, die Weiße deines Halses, die runden wächsernen Arme, und die schlanke leicht schwebende Gestalt bewundert, so liebt er sich selbst. Begierde, lüsterne Begierde ist seine Liebe. Schmeichlerisch schmiegt sich die anfangs liebkosende Schlange unter deinen Füßen; aber bald wird sie sich unvermerkt an dem schönen Stamm hinauf winden, bis sie, fest um dich geschlungen, dein innerstes Mark mit tödlichem Biß vergiftet.«

Panthea. Ob mich gleich Abradates, der meinem Herzen immer gegenwärtig ist, versichert, daß ich nichts zu fürchten habe, so geziemt es doch meiner Jugend nicht, deine Warnungen zu verachten. Sage mir denn, Mandane, was soll ich tun?

Mandane. Es ist ein einziges unfehlbares Mittel, dich vor allen Folgen der ausschweifenden Liebe dieses Jünglings sicher zu stellen. Erlaube mir, dein Geheimnis dem Cyrus zu entdecken; er weiß viel zu wohl was für eine Achtung der fraulichen Würde gebührt, als daß er nur einen Augenblick anstehen sollte, ihn zurück zu berufen. – Aber ich sehe, daß du meinen Vorschlag allzu streng findest.

Panthea. Bedenke, Mandane, daß es unbillig sein würde, wenn wir den Araspes in Gefahr setzten, die Achtung des Cyrus zu verlieren. Wie leicht könnte ihm deine Anklage eine schlimmere Meinung von diesem Jüngling beibringen, als er verdient! Wie leicht könnte diesem eine harte Begegnung von einem Prinzen, der ihn bisher an die freundschaftlichste gewöhnt hatte, allen Mut niederschlagen! Er würde aufhören, ihm mit dem freudigen Eifer zu dienen den die Liebe einflößt; er würde sich jetzt vor den Blicken scheuen, die ehmals seine Belohnung waren. Wie könnte mein Herz den Vorwurf ertragen, eine so schöne Harmonie, wie ihre Freundschaft war, unterbrochen zu haben? Und warum? Aus einer vielleicht ganz eiteln Besorgnis. Araspes ist nicht unedelmütig, Mandane! Er hat einen früh erworbnen Ruhm zu behaupten, er hat große Aussichten, er lebt unter den aufgehenden Augen eines Cyrus. Was für mächtige Stützen, selbst eine sinkende Tugend aufzuhalten! – Aber, wenn er auch wieder in einen fieberischen Anstoß zurück fiele, was hab ich zu fürchten? In deiner Gesellschaft, Mandane, von meinen Weibern und Sklaven umgeben, und unter dem königlichen Schutze des Cyrus, was kann ich fürchten?

Mandane. Vielleicht machen mich diese grauen Haare geneigter, als recht ist, zu Besorgnissen, die manchmal eitel sein mögen. Jedes Alter hat seine eigenen Krankheiten. Leute, die lange gelebt haben, kennen die Gebrechlichkeiten der menschlichen Natur; sie wissen Beispiele von unangenehmen Folgen, die ein allzu großes Zutrauen oder allzu wenig Vorsicht bestraft haben; man hat sie gelehrt, ja gezwungen, furchtsam zu sein! Desto nötiger ist es, daß uns die Jugend etwas von ihrem Mute, von ihrer Geneigtheit zum Hoffen, als ein Gegengift wider unsre Zaghaftigkeit, einflöße. Der Ausgang möge meine Besorgnisse zu Träumen machen!

8

Araspes allein

O Hoffnung, holde Schmeichlerin, dürft ich deinen Eingebungen trauen! Dürft ich es glauben, daß meine Liebe, mein Flehen, meine Tränen einst sie rühren könnten! – Ach! umsonst, umsonst schmeichelst du dir, verlangendes Herz! Ein andrer herrscht in ihrer Brust. Meine Liebe beleidigt sie. Welch ein schreckender Ernst war in ihren Augen, da ich zu ihren Füßen lag! – Aber – wie? verlor er sich nicht bald wieder in mildere Majestät, und diese selbst in sanftes Mitleiden? Besorgte sie nicht, mich zu sehr erschreckt zu haben? Trug sie mir nicht freiwillig ihre Freundschaft an? »Liebe mich als eine Schwester.« – Der bezaubernde Ton, womit sie es sagte, erklingt noch in meiner Seele! – War nicht Zärtlichkeit in ihrem Blick, als sie mich verließ? Was verspricht mir dies? – O Panthea, ich will, ich will mich dieser entzückenden Hoffnung überlassen! Der gefährlichste Schritt ist getan. Sie kann sich nicht mehr weigern, die Erklärungen meiner Liebe anzuhören! Nach und nach wird ihr gewöhntes Ohr sich willig zu den gefallenden Tönen neigen, und sympathetische Triebe werden in ihrem erweichten Herzen erbeben. In Freundschaft verkleidet, wird die unverdächtige Liebe ihr Vertrauen gewinnen; sie wird die feurige Beredsamkeit meiner Lippen, sie wird das bedeutende Schmachten meiner Blicke, und selbst meine Liebkosungen dulden; das angenehm beschäftigte Herz wird des abwesenden Abradates vergessen, von Freuden und Scherzen herbei geführt, wird die günstige Stunde kommen, und – o Araspes, du wirst glücklich sein!


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