Christoph Martin Wieland
Araspes und Panthea
Christoph Martin Wieland

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Erste Abteilung

1

Cyrus. Araspes

Cyrus. Ich bin deines freundschaftlichen Dienstes benötigt, Araspes. Kennst du die junge Königin von Susiane, die der Sieg über die Assyrer in unsere Gewalt gebracht hat? Eine wichtige Beute, wenn das Gerücht ihre Vorzüge nicht vergrößert.

Araspes. O Cyrus, von Panthea kann selbst das Gerücht nicht lügen. Sie sehen und bewundern, ist unzertrennlich. Aber es scheint, mein Prinz, die höhern Sorgen, die deine ganze Aufmerksamkeit beschäftigen, haben dir noch nicht erlaubt, dich mit eignen Augen hiervon zu überzeugen.

Cyrus. Ich habe sie nicht gesehen, aber ich liebe schöne Gemälde; und du wurdest von deinen Freunden allezeit für einen Meister in der Kunst zu malen gehalten.

Araspes. Wenn ich es auch wäre, so würde doch hier meine Kunst weit zurück bleiben. Urteile nach dem Schatten, wie schön das Urbild sein muß. Ich kam zuerst in ihr Gezelt, da das assyrische Lager von den Deinigen erobert wurde. Ein klägliches Getön von weinenden Stimmen, mit lautem Wehklagen vermischt, rief meine irrenden Schritte dahin. Welch eine rührende Szene fiel mir ins Auge, als ich hinein trat! Ich fand sie auf einem verbreiteten Teppich am Boden liegen; denn ihre hervor glänzende Gestalt und die sanfte Majestät ihrer Gebärden ließ mich keinen Augenblick zweifeln, welche unter der weiblichen Menge, die das Zelt erfüllte, die Gebieterin sei. Ihr schönes Haupt hing, gleich einer geknickten Rose, auf den Busen einer ältlichen Frau, die, nach der bekümmerten Zärtlichkeit ihrer Blicke und Worte zu urteilen, ihre Pflegemutter zu sein schien. Sanfte Tränen gleiteten über die blassen Wangen der jungen Königin herab; ihr Schmerz konnte nur weinen und seufzen, und mich deuchte, selbst in ihrem Seufzen sei Harmonie. Ihre Sklavinnen schwebten, einige sprachlos, andere laut jammernd, um sie her, in gedankenloser Traurigkeit vergeblich beschäftigt; einige rauften sich ungeduldig die Haare aus, andere zerritzten ihre Wangen und gossen Ströme von Klagen aus, indem sie öfters einen Abradates nannten, dessen Schicksal sie am meisten zu beklagen schienen. Langsam eilte ich hinzu, und drängte mich sanft durch die furchtsam Schar. Du leidende Unschuld, sagte ich (denn nur die echte Hoheit des Gemüts kann so wie Du im Unglück ihre Würde erhalten), stille den Kummer, der diese Augen in Tränen verhüllt, welche gewohnt scheinen, nur Freude und Wonne um sich her zu lächeln. Traure nicht, du Ebenbild der himmlischen Milde! Die Götter haben dich dem Schutz eines großmütigen Fürsten anvertraut. Wir hören zwar, du seiest die Gemahlin eines schönen und tugendhaften Prinzen gewesen; aber derjenige, dem dich dein gütiges Schicksal zuerkannt hat, wird dir nichts unersetzt lassen, was du an jenem liebtest. Glaub es dem allgemeinen Gerüchte: in allen Morgenländern ist niemand, der an Schönheit des Leibes und Gemütes und an jeder friedsamen und kriegerischen Tugend mit Cyrus zu vergleichen wäre. So sagte ich; aber meine Rede, anstatt sie zu beruhigen, vermehrte die allgemeine Traurigkeit. Die königliche Schöne, die bisher den sprachlosen Kummer großmütig in ihrer Brust verschlossen hatte, raffte sich mit einer heftigen Bewegung vom Boden auf, zerriß ihren Schleier und brach in wehmütige Klagen aus, die aber durch das Geschrei ihrer Aufwärterinnen unhörbar wurden. Die Bewegung, die sie machte, indem sie ihren Schleier zerriß, entdeckte die schöne Bildung und blendende Weiße ihres Halses und ihrer Arme; selbst die zürnende Ungeduld, deren wilde Zuckungen sonst den Menschen entstellen, wurde in ihrem anmutigen Gesichte holdselig, und gab allen ihren Bewegungen einen lebhaften Reiz. Ich versichre dich, Cyrus, es deuchte mich damals, ich hätte in ganz Asien keine Frau gesehen, die an Schönheit und Lieblichkeit mit dieser Susianerin streiten könnte. Du selbst würdest sie bewundern, wenn du sie sehen solltest.

Cyrus. Behüte mich der Himmel, daß ich sie zu sehen verlange!

Araspes. Welch ein seltsamer Wunsch, mein Gebieter! Warum wolltest du dir das Vergnügen versagen, eine Sklavin zu sehen, welche zu besitzen das einmütige Urteil des Heers niemand würdig fand als dich? Dein Herz ist zu menschlich, zu freigebig mit Gefühl und feinem Geschmack am Schönen von der Natur begabt, als daß du einen Gegenstand deines Anblicks unwürdig achten solltest, der auch den Flug eines Unsterblichen zurück hielte, sich an seinem Anschauen zu ergetzen.

Cyrus. Wenn ich ja vorher einige Lust gehabt hätte sie zu sehen, so hätte deine Erzählung mich genötigt, diese Begierde zu unterdrücken.

Araspes. Du sagst mir ein Rätsel –

Cyrus. Dessen Auflösung leicht ist. Wenn ich jetzt meinem neugierigen Wunsch erlaubte, mich zu dieser Schönen zu locken, zu einer Zeit, da jede meiner Stunden eignen Geschäften zugezählt ist, was meinst du daß daraus entstehen würde? Könnte ich anders von ihr scheiden, als mit dem Verlangen sie wieder zu sehen? Und würde mich nicht ihre Schönheit und die Annehmlichkeit ihres Umgangs in kurzer Zeit so sehr fesseln, daß ich sie auch alsdann besuchen würde, wenn ich noch weniger Muße hätte; bis mir zuletzt das Anschauen der schönen Panthea gar keine Muße übrig ließe, mich demjenigen zu widmen, was der wohltätige Geist, der die Welten beherrschet, mir zur Pflicht gemacht hat?

Araspes. Verzeih es, mein Prinz, dem Gespielen deines jugendlichen Alters, daß ich über deine Furcht lachen muß. Hältst du denn die Liebe (denn diese scheinst du zu scheuen) für eine so mächtige Gottheit, daß sie vermögend wäre, eine freie Seele wider ihren Willen zu besiegen, sie mitten in ihrem mutigen Lauf von einer schönen Tat zur andern aufzuhalten, zu fesseln, und zahm und girrend, gleich den Tauben der Venus, vor ihren Wagen zu spannen? Nein, Cyrus! Sie liebt zwar jede ihr verwandte Vollkommenheit: aber wie sollte es möglich sein, daß der, dessen weit ausgebreitete Liebe ganze Völker, ja das ganze Geschlecht der Menschen umfaßt, einer einzelnen Schönheit die Macht über sich geben könnte, ihn seinen heiligsten Verbindungen, seinen süßesten Pflichten zu entreißen?

Cyrus. Du glaubest also, Araspes, die Liebe hange gänzlich von unserm Willen ab, und sei so gelehrig, jedem Winke der gebietenden Vernunft zu folgen, daß es nur an uns liege, sie einzuschränken oder zu unterdrücken, wie es uns gefällt?

Araspes. Und warum das nicht? wofern nicht unsere Gedanken und Neigungen, die doch im Schoß unserer Seele unter der Aufsicht der Vernunft geboren werden, weniger in unsrer Gewalt sind, als dieser uns fremde, von der Erde geborgte Leib; als unsere Augen oder Hände, die wir nach unserm Wohlgefallen öffnen oder schließen, ausstrecken oder zurück ziehen. Aber die Liebe, die sich am bloßen Anschauen der Vollkommenheit begnügt, kann nie von der Weisheit verdammt werden. Sie ergetzt sich an Tugend und innrer Güte, an Schönheit, dem Leibe der Tugend, und an Anmut, ihrer sichtbaren Ausstrahlung, ohne daß dieses Wohlgefallen eine andere Wirkung haben sollte, als den angebornen Trieb der Seele nach Vollkommenheit auf sich selbst zu richten, damit sie sich bestrebe, die Schönheit, die sie außer sich bewundert, auch in sich hervorzubringen.

Cyrus. Du redest von einer sehr geistigen Liebe, mein Freund; aber ich befürchte, es sei noch eine andre von nicht so edler Art, die zuweilen die Gestalt ihrer schönen Schwester entlehnt, um sich in unverwahrte Herzen einzustehlen. Und diese wird es wohl sein, über die sich so viele Liebende beklagten, daß sie von ihr zu den niedrigsten Taten und der unmännlichsten Sklaverei genötiget werden. Eine Leidenschaft, die den Unglücklichen, welche sie einmal bezaubert hat, so wenig Macht über sich selbst läßt, daß sie, des Gegenstands ihrer Liebe beraubt, wie blutlose Schatten umher schweben, und an weinenden Quellen oder in einöden Wüsten den Überrest von Leben, der noch in ihren Adern schleicht, in Seufzer aushauchen. Meinst du, Araspes, diese Elenden, denen (nach ihrem eignen Geständnis) das Leben und die Empfindlichkeit, die süße Quelle aller Wonne, Marter ist, meinst du, sie würden einen Augenblick säumen, sich in einen bessern Zustand zu versetzen, wenn es in ihrer Gewalt stände, zu lieben oder nicht zu lieben? Gibt es nicht solche, die ihre unedle Schwachheit verwünschen, ja mit zusammen gerafften Kräften ihre unrühmlichen Fesseln schon abgeschüttelt haben; aber durch einen einzigen Blick, eine einzige wahre oder falsche Träne überwältiget, sich sofort als willige Sklaven in die gewohnten Bande zurück schmiegen? Und was anders als die tyrannische Gewalt der Liebe zwingt den Greis, zu den Füßen eines buhlerischen Mädchens ein geheucheltes Lächeln zu erbetteln? Was anders zwingt den wilden Krieger, wollüstige Klagen zu girren, und den ruhmdürstenden Jüngling, die gelegene Zeit zu ehrenvollen Versuchen an ihrem Busen zu verschlummern?

Araspes. Setze noch hinzu, wenn du willst, was zwingt den Ruchlosen, das ehrwürdige Lager seines Freundes zu besteigen, oder die geheiligte Unschuld der Jungfrauen zu verletzen? Alles dies, und wenn noch etwas Schändlichers ist, ich gestehe es, Cyrus, wirkt die Liebe in feigen unmännlichen Seelen, die zu schwach sind ihren Begierden zu gebieten, zu tierisch eine andere als eine eigennützige Wollust zu schmecken. Aber warum soll der Name der Liebe, die diese ganze majestätische Schöpfung, ihr großes Werk, mit Leben und beseelenden Sympathien erhitzt, warum soll er gemißbraucht werden, die vorbei rauschende Raserei des Schwelgers zu entsündigen, der, von üppigen Hoffnungen berauscht, jede Pflicht abschüttelt, um ungezähmt in grenzenlose Torheit hinaus zu rennen? Oder soll das Liebe sein, wenn der müßige rosenbekränzte Weichling, in dessen enger Brust keine großmütige Gesinnung, kein edles Unternehmen Platz hat, sein unrühmliches Leben unter die wollustwinkende Buhlerin und den schwärmenden Bacchus verteilt? Sollte der lieben können, den diese göttliche alles beherrschende Ordnung des Weltbaues, den das Menschengeschlecht, dieser große Gegenstand der zärtlichsten Empfindungen und der nie still stehenden Bestrebung des Weisen, nicht zur Liebe reizen kann? Doch wir streiten nicht um Worte. – Laß es Liebe heißen, was diese Niederträchtigen leiden; aber erlaube ihnen nicht, die unschuldige Liebe anzuklagen, wenn ihre eigene Torheit sie zu Taten verdammt, welchen die Schande auf dem Fuße nachfolgt, oder die den gerechten Zorn der Gesetze entflammen. Zwar der Strafe zu entgehen, wünschen sie die Liebe zu ihrer Mitschuldigen zu machen, oder gar die ganze Last der Schande ihr allein aufzubürden. Sie muß dann eine Tyrannin der Herzen, eine Zaubrerin, ein feindseliger Dämon, eine unwiderstehliche Gottheit heißen. Aber umsonst! Die Gesetze würden keine Strafen auf die Verbrechen setzen, wenn es nicht in unsrer Macht stände zu sündigen oder recht zu handeln. Sie fordern unsern Gehorsam, weil sie voraussetzen, daß der Mensch ein frei gebornes Wesen sei, sein eigner Beherrscher, der durch keine äußere Macht gezwungen werden kann, etwas zu begehren oder zu verabscheuen, zu lieben oder zu hassen; und der also, gleich einem Fürsten, den seine Diener zu unbilligen Taten verleiten, über seine eigene Trägheit und das schändliche Vergessen seiner Rechte zürnen sollte, wenn er sich von diesen Begierden beherrschen läßt, welche die Natur zu Sklaven seiner Vernunft, und zu Triebfedern für erhabne und gemeinnützige Absichten bestimmt hat.

Cyrus. Es scheint also, Araspes halte es für unmöglich, daß die Liebe einer Schönen so viel Gewalt über eine edle Seele gewinne, sie wider ihren Willen, mit einer zugleich verhaßten und angenehmen Gewalttätigkeit, zu Begierden, ja sogar zu Handlungen anzutreiben, welche, so bald die eingewiegte Vernunft aus dem bezaubernden Traum erwacht, von ihr selbst gemißbilligt und verachtet werden! Du hältst es für unmöglich, daß die Liebe zu einer so vollkommnen Frau, wie du mir Panthea beschreibst, selbst in einer von Tugend beseelten Brust zu einer so heftigen Leidenschaft aufwalle, daß sie die ganze Seele in weiche Empfindungen und schmachtende Sehnsucht auflösen, jede Begierde nach Ruhm, jede großmütige Entschließung auslöschen, alle Nerven der Seele abspannen, und die vergeblich entgegen kämpfende Vernunft durch ein süßes Vergessen verhaßter Pflichten berauschen könnte? – O mein Freund, du scheinst weder die Schwäche des menschlichen Herzens, noch die Gewalt dieser allzu reizenden Leidenschaft zu kennen, welche, wie sanft und schmeichelnd sie auch anfangs ist, doch den ungezähmten Sturmwind und den schmetternden Blitz an wilder Heftigkeit übertrifft.

Araspes. Nein, Cyrus, diese Liebe kenne ich nicht; und doch liebte ich von dem ersten Augenblick an, da ich den Unterschied des Guten und Bösen fühlte. Alles Schöne, alles Erhabne, alles was in seiner Art vollkommen ist, oder dem Urbild der Vollkommenheit, das in meiner Seele schwebt, sich nähert, ziehet meine Liebe an. Die ganze Schöpfung nährt die heilige Flamme. Von Schönheit zu Schönheit in ewig steigenden Graden fortgezogen, verliere ich mich oft in sprachloser Entzückung, die alle Gedanken verschlingt, und die Seele in süßes Erstaunen und wundervolle Ahnungen versenkt, die ich nicht zu enthüllen vermag. Aber wie könnte ich bei diesen Empfindungen still stehen, die sich auch der unbeträchtlichsten Geschöpfe bemeistern? Der bunte Schmetterling, der von Blume zu Blume flattert, ihre geistigen Düfte einzusaugen, selbst der kriechende Wurm schwimmt in Wollust, in süßer Betäubung, von den grenzenlosen Schönheiten der göttlichen Natur überströmt. Aber dem Menschen, dessen aufgerichtetes Antlitz den Himmel anschauet, dessen unermüdeter Gedanke, vom sinnlichen Schönen unaufgehalten, ins Innere der Wesen eindringt, und an Wahrheit, Ordnung und Vollkommenheit sich ergetzt, einem solchen Geschöpfe wäre es Frevel, nur zu empfinden. Ihm kommt es zu, die Regeln zu erforschen, aus welchen diese Schönheiten fließen, die Verhältnisse zu erspähen, wodurch diese endlose Reihe von Wesen und Geschlechtern der Wesen in einen harmonischen Plan verwebt ist, und alle seine Kräfte zu dem erhabnen Ziel anzustrengen, daß in der moralischen Welt eine eben so schöne Eintracht und Zusammenstimmung erhalten werde, wie diese ist, die in den harmonischen Bewegungen des Himmels, in der unveränderlichen Folge der Jahrszeiten, in der Anordnung und Ausschmückung der ganzen Körperwelt, den anschauenden Geist in Bewundrung setzt. Kann ich mich als einen Teil dieses wundervollen Ganzen ansehen, ohne an der Vollkommenheit desselben Anteil zu nehmen, und mich zu bestreben, daß es durch mich vielmehr einen Zuwachs an Schönheit erhalte, als verunstaltet werde? Kann ich mich als ein Glied des menschlichen Geschlechts betrachten, ohne einen mächtigen Zug von sympathetischer Liebe zu meinen Brüdern zu empfinden, ihren Wohlstand zu meinem eignen zu machen, und den süßen Pflichten entgegen zu eilen, welche mir die gemeinschaftliche Natur, gemeinschaftliche Bedürfnisse, gemeinschaftliche Vorteile und Erwartungen auflegen? So gesinnt, o Cyrus, übte ich mich bisher unter deinen Augen in edeln Versuchen. Sollte in einem Herzen, das einer so erhabnen Liebe voll ist, diese fanatische Leidenschaft Raum finden, die alle ihre demütigen Wünsche an einen einzigen Gegenstand heftet? Sollte die weibliche Schönheit mächtig genug sein, mich zu entwaffnen, und der süßen Freiheit zu berauben, die mir bisher erlaubt hat, jeder Aufforderung der Pflicht, jedem Winke der Tugend zu folgen? Ich kann mir dieses Zutrauen desto weniger versagen, da ich die Gefahr wirklich bestanden habe. Ich habe sie gesehen, vielleicht von der reizendsten Seite, womit die Schönheit unser Herz überraschen kann; ich bewundere sie; und doch hab ich seitdem immer entweder vor deinem Gezelt gewacht, oder deine Befehle vollzogen, oder andere mir zukommende Verrichtungen getan, eben so frei und munter, als eh ich diese zauberische Schöne gesehen habe.

Cyrus. Vielleicht hast du sie noch nicht lange und nahe genug gesehen, um deiner Stärke so gewiß zu sein. Die Schönheit wirft zuerst nur einen flüchtigen Schimmer auf das Herz; aber je näher du ihr kommen wirst, desto mehr wird sie erhitzen, bis du, von der angenehmen Wärme belebt, die Flügel begierig entfaltest, und, in immer nähernden Kreisen um die schöne Flamme flatternd, zuletzt mit versengten Schwingen zu Boden taumelst.

Araspes. Sei unbesorgt, mein königlicher Freund! Und wenn ich sie auch unaufhörlich anschauen müßte, so soll mich doch ihre Schönheit nie bereden, etwas zu tun, was dem Freunde der Tugend und des Cyrus nicht geziemt.

Cyrus. Deine Gesinnungen, Araspes, und selbst diese edle Kühnheit, die dir das Bewußtsein eines großmütigen Herzens eingibt, gefallen mir. Wem könnte ich das Amt, die schöne Panthea zu bewachen, sicherer anvertrauen als dir? Ich befehle dir also, immer bei ihr zu bleiben, und dafür zu sorgen, daß ihr nichts mangle, was ihrem Rang und ihren eigentümlichen Vorzügen gebührt. Du kannst sie versichern, daß ich mich des Rechts nicht bedienen werde, das mir die Gewalt über sie geben könnte, und daß ich vielleicht Mittel finde, sie wieder mit ihrem Gemahle zu vereinigen.

2

Mandane. Panthea

Mandane. Seufzer und Tränen, o Königin, vermehren wohl deinen Kummer und den meinigen; aber sie können weder die Freiheit noch deinen Gemahl zurück weinen. Dein Unglück ist nicht so groß, daß es dir nicht noch die Hoffnung übrig ließe, wieder glücklich zu werden. Gönne deinem Herzen diese Hoffnung, die nicht ungewisser ist als deine zärtlichen Besorgnisse. Abradates lebt, und die Vorsicht, die Beschützerin der Tugendhaften, wird ihn wieder in deine treuen Arme bringen, und in diesen entzückungsvollen Augenblicken wird das Andenken der vergangenen Schmerzen wie ein Traum vor dir hinschwinden.

Panthea. O Mandane, ich erkenne deine mütterliche Sorgfalt. Ich fühle die heilende Kraft deiner Tröstungen. Aber ach! selbst diese reizenden Vorstellungen dienen nur die schwarze Farbe meines Schicksals zu erhöhen. Wie kann ich mich bereden, meine Besorgnisse für unzeitig zu halten? Ist nicht das assyrische Heer geschlagen? Hat nicht das Schwert die Blüte von Babylon gemäht? War nicht Abradates derselben Gefahr ausgesetzt? Oder meinst du, sein unerschrockenes Herz habe ihm beim Anblick der heraus fordernden Gefahr erlaubt, gleich diesen feigen, weichlichen Assyrern die Flucht zu nehmen? Es ist wahr, das Gerücht hätte uns den Tod schon gebracht, wenn er auf dem Schlachtfelde gefallen wäre. Aber vielleicht hat ihn, als er der unaufhaltbaren Macht weichen mußte, der nacheilende Feind eingeholt. Vielleicht hat er seinen allzu heroischen Mut, ungeduldig sich in Fesseln zu schmiegen, durch tausend edle Wunden ausgehaucht. Vielleicht liegt er in diesem Augenblicke, der blühende Held, dem meine liebevollen Augen so oft mit stillem Triumph nachsahen, wenn er in seiner goldenen Rüstung einher zog, vom tausendfachen Echo des lauten Beifalls begleitet – ach! der tapfre, anmutsvolle Jüngling! gebildet Liebe einzuflößen, der zärtliche Ehemann, der Vater seines Volks, seellos, unkennbar, von Blut und Wunden entstellt, liegt er vielleicht im Staube! Weder seine Jugend, noch seine Schönheit, noch sein Mut, noch die ohnmächtige Liebe seiner Panthea haben ihn retten können. Vielleicht rief noch sein letzter Laut ›Panthea‹. Aber ach! die Unglückselige hörte ihn nicht, war nicht da, seine Wunden zu waschen, seinen letzten Hauch aufzufassen, und auf seinem Grabe, ein wertes Totenopfer! zu sterben. – Wo irrest du, geliebter Schatten? Zeige mir, wo die teuern Überbleibsel meines Abradates liegen, daß ich sie der mütterlichen Erde anvertraue, und dir folge! – Wie schwärmt meine fiebrische Phantasie! – Verachte meine Schwachheit nicht, Mandane! Ermüde nicht, mich gegen mich selbst zu beschützen. Vielleicht sind, wie du sagst, meine Besorgnisse eitel! – Schwacher Schimmer von Hoffnung! du bist Wonne für meine leidende Brust. Vielleicht fliegt er schon mit einer racheschnaubenden Schar auf die unbesorgten Feinde zurück, seine Panthea zu befreien; ungeduldige Liebe blitzt aus seinen Augen, und beseelt seine Arme mit unüberwindlicher Stärke. – Oder irgend ein Friedensengel hat seinem großmütigen Herzen den Gedanken eingehaucht, lieber ein Freund des persischen Fürsten zu werden, als einen ungleichen Streit mit den Göttern und ihrem Liebling zugleich fortzusetzen. Allzu schmeichelnde Hoffnungen! wie leicht betrügt ihr das willige Herz! Aber, ach! wie flüchtig ist eure Linderung! Kann ich aufhören zu fürchten, so lange mir noch das Ärgste droht?

Mandane. Ich fühle dein ganzes Leiden, Panthea! Aber laß es nicht gesagt werden, dein großmütiges Herz sei kleiner als sein Unglück gewesen! Wie viel goldne selige Tage voll unvermischter Wonne, Tage der fröhlichen Jugend und der Liebe, hast du genossen, ehe dieser düstre Tag kam, der nur deine Geduld prüfet, nicht deine Glückseligkeit tötet! Wollten wir, überströmt von Erfahrungen einer wohltätigen Vorsehung, frage dein edles Herz, – wollten wir sogleich zagen, so bald das Glück seine Stirne runzelt, als ob der ewige Geist, der die Welt beseelt, nur alsdann gütig wäre, wenn wir lächeln? Wird es ihm nicht angenehm sein, wenn wir, seiner unbegrenzten Macht und unbegrenzten Güte sicher, desto mehr Mut beweisen, je härter wir geprüft werden? desto mehr hoffen, je zweifelhafter unser Schicksal scheint? Entweder muß der trostvolle Strahl, den der göttliche Urquell des Lichts in unsre Seele wirft, verlöschen, wir müssen vergessen, daß Gott ist, oder wir müssen nie aufhören zu hoffen, und alle unsere Besorgnisse sind Träume.

Panthea. Meine Vernunft erkennt die Stimme der Wahrheit, die von deinen Lippen widerhallt; mein Herz fühlt sie: aber ach! wie stark empört sich die leidende Natur gegen sie! Wer kann auf der Folter gefühllos sein? Wer kann sich die größten Güter des Lebens, Freiheit und eheliche Glückseligkeit, und das königliche Vermögen Gutes zu tun, ohne Schmerz entreißen lassen? Kann ich den Schreckbildern den Zugang versperren, die mit jedem Gedanken an Abradates sich haufenweise in meine Seele drängen? O Mandane, kein Schmerz, der die Quellen des Lebens auftrocknet, ist mit diesem zu vergleichen, wenn die zweifelhafte Seele, in einer furchtbaren Dämmerung von ängstlichen Sorgen und täuschenden Hoffnungen, zwischen Tod und Leben hin und her geschleudert wird. Ein entschiedenes Schicksal, selbst das entsetzlichste, ist viel erträglicher als diese Ungewißheit. Wir raffen dann alle unsere Stärke zusammen, und türmen sie der Last des Elends entgegen; und es bleibt uns zum wenigsten dieser Trost, daß wir nichts Schlimmers fürchten können. Aber diese langsam tötende Ungewißheit –

Mandane. Eben diese ist es, die deine herum geworfene Seele an die einzige Hoffnung antreibt, woran die bedrängte Unschuld sich halten kann. Fasse Mut, meine Panthea! Vielleicht arbeitet jetzt eine unsichtbare Hand an der freudigsten Entwicklung deines Schicksals. – Aber siehe! wer nähert sich dort? – Mich dünkt, es ist der medische Jüngling, der zuerst in unser Zelt kam, da das Lager erobert wurde. Sein Antlitz scheint eine freudige Nachricht vor sich her zu strahlen.

3

Araspes. Panthea. Mandane

Araspes. Königin von Susiane, als ich dir jüngst die Tugenden des erhabnen Prinzen anpries, dessen Gefangne du wurdest, wußte ich selbst noch nicht, zu was für einer Größe sich seine Heldenseele empor schwingen kann. Obgleich deine Schönheit auch Götter zu einem menschlichen Wunsch reizen möchte, so entsagt er doch dem Rechte, welches ihm der Sieg über dich gibt, und will daß du als seine Schwester gehalten werdest, bis ein günstigeres Geschick sich auftut, und ihm erlaubt dich wieder mit deinem Abradates zu vereinigen.

Panthea. So lebt denn Abradates noch? – Ja, er lebt; ich lese die frohe Bekräftigung in deinen Augen! – Entschuldigte die zärtliche Bekümmernis eines Weibes, das die bessere Hälfte seiner Seele vermisset. Wenn Abradates lebt, so hat mein Schicksal nichts Unerträgliches, da der großmütige Cyrus seine Gefangne in seinen Schutz zu nehmen würdigt.

Araspes. Abradates lebt, schöne Königin, und Cyrus hat mich der Ehre gewürdigt, in seiner Abwesenheit dein Beschützer zu sein, und dafür zu sorgen, daß dir so begegnet werde, wie dein eigner unerborgter Wert mit Recht forderte, wenn gleich eine unbemerkte Strohhütte seinen aufgehenden Glanz der Welt und dem Ruhm verhehlt hätte. Dieses reich geschmückte königliche Zelt bleibt dein, deine Sklavinnen und Aufwärter haben keinen Gebieter als dich, und ich selbst habe Befehl, deine leisesten Winke zu vollziehen. So sehr ehret Cyrus den Ruf deiner Tugend! – Und du, (zu Mandanen) deren Blicke mütterliche Zärtlichkeit auf deine Königin glänzen, ohne Zweifel die Pflegemutter ihrer kindlichen Jahre, dein eigenes Herz wird dir gebieten, meine Bemühung zu unterstützen, ihre Sorgen zu zerstreuen, und ihr Auge auf die schönern Aussichten zu lenken, die ihr entgegen sehen.

Panthea. Schon erfahre ich die Wahrheit deiner glückweissagenden Tröstungen, Mandane! Was konnte der Himmel in diesen Umständen, die ein unvermeidliches Verhängnis in mein Leben eingeflochten hat, mehr für mich tun, als mich die Gefangne eines so großmütigen Mannes werden zu lassen, der mich seine Gewalt nur durch Beweise seiner Huld empfinden läßt? Ob es gleich meiner unabhängigen Seele schmerzlich ist einen Gebieter zu haben, so ist doch einige Süßigkeit in diesem Schmerz; denn es ist angenehm, dem Menschenfreunde verpflichtet zu sein. Und, was mir noch angenehmer ist, vielleicht ist es, da Abradates noch lebt, künftig in meiner Gewalt, deinem Fürsten zu zeigen, daß Panthea kein unerkenntliches Herz hat.

Araspes. Das Glück, dir öfters nähern zu dürfen, wird es mir nicht an Gelegenheit mangeln lassen, dich mit dem Charakter des besten der Fürsten bekannt zu machen, und deine Erkenntlichkeit zur Bewunderung zu erhöhen. – Aber jetzt dünkt mich, ich sehe in diesem holdseligen Gesichte, dem getreuen Spiegel deiner Empfindungen, daß du mehr Nachrichten von dem Könige von Susiane zu hören verlangest. Ich sah ihn auf dem blutigen Felde, und mein jugendlicher Mut wünschte voll Ungeduld diesem Helden zu begegnen, den seine von unerschrocknem Geist erhöhte Schönheit aus Myriaden hervor glänzen machte. Erst jetzt danke ich dem Geschicke, welches mir den unbesonnenen Wunsch versagte. Das wilde Getümmel trennte uns; nur von fern sah ihn mein ungeduldiges Auge ruhmvolle Taten tun, und wie eine Donnerwolke auf die Perser daher stürmen. Hätte das assyrische Heer nur sieben gehabt, die mit ihm zu vergleichen wären, so würde der zweifelhafte Sieg gewankt haben. Aber die Susianer, obgleich von dem Beispiel ihres tapfern Anführers entzündet, waren zu schwach, die Gewalt der Perser allein aufzuhalten. Doch zogen sie sich rühmlich zurück, nicht als Flüchtlinge, sondern wie Männer, die sich auf eine bessere Gelegenheit sparen. Sie nahmen ihren Weg nach Babylon, von medischen Reitern verfolgt, die noch nicht wieder zurück gekommen sind.

Panthea. Noch sind nicht alle meine Besorgnisse gehoben. Aber der heitre Strahl, den Mithras heut auf mich fallen läßt, hat meine Seele zur Hoffnung aufgeklärt. – Wie süß tönte mir sein Lob von deinem Munde! Wisse, edler Jüngling, selbst die Nachricht, daß er umgekommen sei, würde in dem Augenblick, da sie mich tötete, meinen Schmerz mit Wonne versüßen, wenn ich hörte daß er wie ein Held gefallen sei. Ich würde dann gehen, den geliebten Leichnam aufzusuchen, bei ihm niedersinken, und mit dem lauen Dampf seiner rühmlichen Wunden meine nacheilende Seele vermischen. Aber Dank sei dem Himmel! noch lebt er, und lebt meiner Liebe würdig, ob er gleich seine Panthea in fremder Gewalt zurück lassen mußte. – Wie freue ich mich, daß das Glück eben den zu meinem Aufseher bestellte, der ihn gesehen hat, der ein Zeuge seiner ruhmwürdigen Taten war, und durch eignen Wert sein Lob beglaubigt! Wie angenehm werden uns die schnellen Stunden entschlüpfen, wenn wir uns wechselsweise mit Hören und Erzählen beschäftigen, du von deinem Prinzen, ich von einem Manne, der würdiger ist ein Freund als ein Gegner des Cyrus zu sein!

Araspes. Was für eine schmeichelnde Hoffnung gibst du mir, schöne Königin! Wie verlangt mich nach den goldnen Stunden! Eine Seele, die von Ruhmbegierde glühet, kann nichts Lieblichers hören als die Taten der Helden, die der Himmel den übrigen zu Vorbildern herab schickt. Obgleich meine Zunge im Lobe des Cyrus nie ermüdet, so werde ich doch lauter Gehör sein, wenn du von Abradates reden wirst. – Aber ich scheue mich, die Freiheit, um dich zu sein, unbescheiden zu gebrauchen. Dein Befehl wird mich allezeit in der Nähe finden, wofern du meine Dienste anzunehmen würdigst.

4

Araspes allein

Was für eine Göttin ist vom Himmel zu uns herab gestiegen? Oder kann die eine Tochter der Erde sein, die an Gestalt und Seele alle sterblichen Schönen so sehr übertrifft? Welch eine angeborne Majestät glänzt auf ihrer Stirne, mit Güte und diesem bezaubernden Lächeln gemildert, das der Kummer selbst nicht aus ihrem reizenden Gesichte vertreiben kann! Noch schwebt ihr Bild vor meinen Augen, noch säuselt ihre Stimme um mein Ohr; kaum etliche Augenblicke von ihr entfernt, verlangt mich schon wieder sie zu sehen. Wie lang scheinen mir diese Augenblicke! – Eine süße Unruhe –

Still, mein Herz! Schweiget einen Augenblick, ihr süßen Empfindungen, die sich aus der Schönheit in die schauende Seele ergießen! – Mir ist, als ob mir eine leise Stimme den Namen des Cyrus zulisple. – Wie, wenn er die Liebe besser kennte als ich? – Warum vermisse ich den Anblick der schönen Panthea? Warum ist meine erhitzte Phantasie so geschäftig mir ihre kleinsten Reize vorzumalen? Warum scheinen mir die Augenblicke langsamer als ehmals? Warum? – Wie wenn dieses der Anfang –

Götter! welch ein niedriger Gedanke! Ich verachte dieses kleinmütige Mißtrauen in mich selbst. Fordert denn die Weisheit Unempfindlichkeit? Oder soll ich sogleich an meiner Tugend zweifeln, wenn mein Herz der Vollkommenheit den Tribut bezahlt, der ihr gehört? Es ist in der Natur unsrer Seele, sich nach dem was das beste ist zu sehnen. – Gesegnet seist du, mütterliche Natur, die du mein Herz zu diesem zarten Gefühl, dem höchsten Vorzug der Menschheit vor der tierischen Welt, gebildet hast! Soll ich den glücklich nennen, der diesen hellblauen himmlischen Bogen ohne Lächeln anstarret? den die Morgenröte, wenn sie die Hügel und Täler mit Rosen bestreut, den die in Gold zerfließende Abendsonne nicht entzückt? dessen Blick eine einfarbige Feldblume nicht anzulocken vermag, oder den der Anblick eines unschuldsvollen Kindes ohne Zärtlichkeit läßt? Aber das schönste aller sichtbaren Geschöpfe ist das liebreizende Weib: was das Aug ergetzen und das Herz gewinnen kann, was die Natur Holdes und Liebliches hat, ist in ihr, wie in einem Auszug, vereinbart! Schöner ist ihr Auge als der entwölkte Himmel, schöner die keusche Röte ihrer Wangen als der junge Frühling, wenn er, vom Morgen angestrahlt, unter Rosen erwacht. Wo ist der Weise, wo ist der Held, der nicht die erweichende Gewalt der Schönheit fühle? Aber wenn ein himmlischer Geist die schöne Sphäre bewegt; wenn die glänzende Heiterkeit ihres Angesichts den innern Frieden, die Unschuld und Milde ihres Herzens verkündigt; wenn Weisheit von den Rosenlippen fließt, und Großmut und Dankbarkeit und Ehre und Zärtlichkeit den keuschen Busen beleben: o dann ist es billig, daß ein solcher Wert unsre ganze Seele erfülle! –

Soll ich dich denn nicht bewundern, Panthea? Soll ich nicht an dir lieben, was Götter ohne Schwachheit lieben müssen? Die entwölkte Luft ist nicht reiner als meine Liebe. Kein unedler Wunsch, keine Begierde, die sich vor der Tugend scheuen muß, beunruhiget meine Seele; gleich der befriedigten See, die im Sonnenglanz von säuselnden Zephyrn gestreichelt wird, wallt sie nur in sanften Empfindungen, die schnell zu Gedanken empor wachsen, und meiner Tugend neue Schwingen geben. Sollte nicht eine edle Eifersucht in mir entbrennen, da ich unter dieser zarten Schönheit eine Großmut, eine Stärke der Seele sehe, die mit der Schwäche ihres weicher gebildeten Leibes ringet? Nein, schöne Panthea, es soll nicht von Araspes gesagt werden, daß sein männliches Herz von einer kleinen Seele angefeuert werde, die zu schwach sei, ihren Leib zu beherrschen!

Ich begreife nicht, warum Cyrus mich erschrecken wollte. – Er liebt den freundschaftlichen Scherz. Aber warum trieb er ihn so weit, bis zu dem ungütigen Zweifel, ob ich auch Stärke genug habe, dem Anblick einer Schönen unversengt zu entrinnen? Wahrlich, auf dem Fechtplatze, wo unsre Jugend zu nerviger Stärke geübt wurde, oder im harten Lager, jeder Beleidigung der Jahrszeit und der Witterung ausgesetzt, und im Angesicht der blutigen Schlacht, um und um von Gefahren umgeben, in deren jeder der Tod dräuete, hat er mich nicht so feigherzig kennen gelernt, daß mich ein Weib zu Ihren Füßen sollte legen können! – Aber vielleicht ist es schwerer, diese süßen reizenden Gefahren zu besiegen. – Noch habe ich nichts davon empfunden! Die Liebesgötter, die auf ihren Augenbrauen lauern oder um ihren Nacken flattern, müssen ihre Pfeile nicht scharf genug gespitzt haben, daß sie so unschädlich an meinem Herzen abgleiten. – Oder soll vielleicht der nähere Umgang, der jede Vortrefflichkeit ihrer göttlichen Seele auf mich strahlen lassen wird, die sinnliche Glut anfachen? – Weg mit diesem Unsinn! Der bloße Schatten einer solchen Furcht beleidigt die erhabne Panthea und mich. Wenn Schönheit mit Weisheit vermählt ist; wenn Unschuld und keuscher Anstand ihre Sitten schmücken; wenn sie Tugenden hat, die uns zur Bewunderung reizen: so müßte der ein Insekt sein, oder doch würdig in einen Wurm zusammen geschrumpft auf der Erde zu kriechen, der, anstatt die Liebe ihrer Seele zu verdienen, mit schändlicher Demut sich begnügte an ihrer äußern Schale zu kleben! – O Cyrus, wie konntest du deinen Freund einer solchen Verwandlung fähig glauben? Wäre Panthea nur schön, so hättest du mir mit keiner größern Gefahr eine schöne Bildsäule zu bewahren geben mögen. Ist sie geistvoll, großmütig, tugendhaft, warum sollen diese Vollkommenheiten gefährlich werden, weil sie durch den Flor der Schönheit hervor scheinen? – Nein! von einer Panthea hat selbst das schwächste Herz nichts zu besorgen! Mutig sehe ich den holden Stunden entgegen, die mich zu ihr führen werden, um neben ihr zu sitzen, sie anzuschauen, die Musik ihrer Lippen zu hören, und die höhere geistige Harmonie ihrer beredten Worte; oder sie, mit weiblicher Arbeit beschäftigt, unter ihren Sklavinnen zu sehen, die, obgleich jede von der Liebe selbst gebildet scheint, in bleichem Schimmer um sie her sitzen, gleich den Sternen, die den vollen Mond umschweben.


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