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Viertes Kapitel.


Marecampus.

Die Wachskerzen waren tief heruntergebrannt und warfen ein flackerndes, ungewisses Licht auf einen Mann, der in ernstes Sinnen versunken noch in später, mitternächtlicher Stunde vor seinem Arbeitstische saß...

Seine schlaff herabhängende Linke hielt ein Zeitungsblatt, die Rechte stützte das Haupt, ein ausdrucksvolles, charakteristisches Haupt... Papiere und erbrochene Briefschaften bedeckten die Platte, eine aufgeschlagene Bibel, zu welcher zuweilen die Augen des sinnenden Mannes hinüberglitten, lag auf dem Rand des Tisches... Ein weiter, faltiger Hausrock, von dunkler Farbe, umschloß seine Gestalt wie ein Talar; dazu die baretartige Form der Hausmütze auf dem dunkellockigen Haare und die alterthümliche in einem Spitzbogen zusammenlaufende Wölbung des Gemachs – auch eine weniger rege Phantasie würde in dem Manne am Pulte eine Art Faustgestalt erblickt haben, die hier sitzt, verloren im Brüten über das Unendliche... Seine Züge, energisch und bedeutend, waren verdüstert; aus dem dunklen Auge sprühte, wenn sein Blick das Zeitungsblatt streifte, ein zorniges Feuer, das nur ein einziges Mal mit einem verächtlichen Lächeln abwechselte, welches das Bewußtsein einer sichern Ueberlegenheit verkündete...

Es war still im Gemache. Nur die tiefen Athemzüge, welche sich aus der Brust des Einsamen hervorrangen, unterbrachen das nächtige Schweigen...

Draußen stürmte der Nordwind und beugte die hohen Wipfel der Bäume des Gartens und trieb Schneegestöber und dürre, abgerissene Zweige gegen die Scheiben der Fenster...

Der einsame Denker erhob sich und trat an die Brüstung.

Vor ihm lag die große, volkreiche Stadt, aus deren Mitte ihm die Zinnen des königlichen Schlosses, von dem Licht des Mondes übergossen, entgegen glänzten...

Lange hafteten seine Blicke an den silbernschimmernden Kuppeln und Thürmen des Pallastes und stolzer erhob sich sein Haupt... Doch war diese Empfindung nur vorübergehend. Wieder sprühte jenes düstere Feuer aus seinen Augen und indem sich seine Blicke von dem Königsschlosse auf die aufgeschlagene Bibel richteten, wiederholte er mit gedämpfter Stimme die Mahnung des Propheten:

»Niemand glaube seinem Nächsten, niemand verlasse sich auf Fürsten; bewahre die Thüre deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft...«

Er hatte die letzten Worte dieser prophetischen Warnung mit murmelnder, fast unverständlicher Stimme gesprochen. Es war, als wären sie ihm unwillkürlich über die Lippen gekrochen... Er schrak zusammen, warf einen scheuen Blick um sich und streifte mit seinem Auge die Wände... Doch er war unbelauscht. Er zog die Falten seines Gewandes fester an sich und maaß mit lebhaften Schritten das Gemach... Es war offenbar: er wollte seinen Gedanken eine andere Richtung geben, wollte gewisse, durch jene Worte wachgerufene Erinnerungen verscheuchen... Aber es gelang ihm nicht...

Immer tiefer versenkte sich seine Seele in die Nebel der Vergangenheit, immer dichter umwoben sie sein Haupt und leises Selbstgespräch murmelte sein Mund... Es waren nur einzelne Glieder der verborgenen Gedankenkette...

»Die Macht des Wortes bestrickte sie... Warum lauschte sie so gierig meiner Rede? Warum hatte er ihrer Seele nicht mehr Energie eingeimpft?.. Sie war schön... ihre Schönheit berauschte mich... und er, dem sie einst angehören sollte, gehörte zu jenen Widersachern, die ich auf's Blut hasse... Der Schlag traf ihn in's, Herz... sie auch... Aber bin ich schuldig? Sollte ich eine ganze Zukunft voll Kampf und Sieg dieser Pflicht opfern?«..

Er hielt inne und sprach nach einem kurzen Schweigen weiter:

»Fünf Jahre... eine Spanne Zeit im Weltenleben und eine Ewigkeit für dieses kurze Menschendasein... Welche Wandlungen im Geiste schaffen sie! Zwischen damals und heute ein einziges kurzes Lustrum... und was liegt Alles zwischen jetzt und damals?«

Seine Schritte lenkten sich gegen eine Truhe, im gothischen Styl kunstreich gearbeitet. Es war das Geschenk eines hohen, fürstlichen Gönners... Der Schlüssel zu dieser Truhe, welche eine Menge geheimer, sinnreich verborgener Fächer enthielt, kam nie von der Brust des Mannes, wo er an einer feinen, goldenen Schlangenkette befestigt war...

Er öffnete den äußern Deckel... Dann drückte er an einen kleinen silbernen Knopf und eine in ein zweites Fach kunstreich eingefügte Kapsel sprang hervor. Er hob den obern Theil der Kapsel ab und ein Medaillon mit einem Portrait, ein paar verwelkte Blumen und einige zerknitterte Briefe fielen ihm in die Hand... Gleichgültig legte er Blumen und Briefe bei Seite, zog die Wachskerze näher heran und betrachtete, sich in den Sessel zurücklehnend, das Bild mit einem leisen ironischen Lächeln...

»In fünf Jahren, behaupten die Naturforscher, soll sich des Menschen Körper vollständig abgenutzt und wieder erneuert haben... Ob auch das Herz diesen Proceß erduldet?... Sicher, sicher... Fünf Jahre... eine Spanne Zeit und auch eine Ewigkeit...

Er legte die Hand auf die Brust und neigte das Haupt ein wenig nach vorn, als wollte er die Schläge seines Herzens zählen...

»Wie das Blut ruhig und gleichmäßig durch seine Kammern zieht... Vor fünf Jahren freilich war es noch anders... Wenn ich damals diese Züge betrachtete, fluthete es, wie ein Lavastrom in meinen Adern, alle Fibern meines Leibes zitterten und dehnten sich und meine Seele, mein Leben lag in den Augen, wenn ich sie sah... Und jetzt? Es sind noch dieselben sanften, schönen schwärmerischen Augen, dieselben blonden Locken, dieselben reizenden, lieblichen Züge, derselbe schöne Mund mit den blühenden Lippen... und doch klopft das Herz so ruhig, als wäre das Bild nicht ihr Portrait, sondern das einer indischen Pagode...«

Sein Blick fiel von dem Bildniß auf die Briefe und Blumen...

Es waren schlichte Wiesenblumen, Veilchen, Maaßblümchen und Vergißmeinnicht... Ein verblaßtes rothseidnes Band, vielleicht im Augenblicke der Erregung von dem Sommerhute oder der Busenschleife getrennt, hielt die welken, dürren Blüthen und Blätter, die zum Theil schon in Staub zerfallen, locker zusammen...

»Sie hatte die alten, wie die modernen Heiden gut studirt. Sie kannte den Ovid, wie den Goethe; sie hatte die ars amandi, wie den Faust gelesen.. War das nicht die Sternblume, mit welcher sie jenes Spiel trieb, das seit Gretchen alle schwärmerischen Coquetten treiben... Und wie sie mir dann in die Arme flog... Ein munterer Sommervogel... Es war in der Laube des Parks, da wo die Bildsäule der Diana stand. Und hinter der Statue stand er, er, dem sie als Braut Treue gelobt... Die Treue eines Weibes!... Die Blüthen hatte er gezeitigt – die Frucht fiel in meine Hand.« Ein häßliches Lächeln verunstaltete bei diesen Worten seine Züge. »Aber er hatte an sie geglaubt, wie jeder verliebte Thor... Und wie er sie anblickte, stumm und starr und sie niederstürzte am Fuße des Steingebildes... er schleuderte mir seinen Handschuh in's Gesicht...« Eine dunkle Röthe färbte bei dieser peinlichen Erinnerung die Stirn des Mannes... Er klemmte die Lippen zusammen und in seinen Augen blitzte ein rachsüchtiges Feuer...

»Ich hob den Handschuh nicht auf und er nannte mich einen Feigen... Feig? Weil ich mich nicht vor die Spitze seines Degens oder die Mündung seiner Pistole stellte... Beschränkter Kopf, der nur darin die Probe des Muthes findet... Der Muth jedes betrunkenen Rekruten... Vielleicht treffe ich ihn noch einmal auf meinem Lebenswege und dann...« Er hielt inne und sprang unmuthig sich schüttelnd auf, als wollte er eine widerwärtige Last abwerfen...

»Hinweg mit diesen Nebelbildern einer kleinlichen Vergangenheit! Große Ziele winken und fordern meine ganze Kraft; was zerarbeite ich mein Gehirn mit diesen abgeblaßten Erinnerungen, mit diesem welken Plunder...«

»Die einzige Sorge, die mich noch zuweilen drückte, die Erbschaft jener Vergangenheit, schwimmt in diesem Augenblicke auf den Wellen des Oceans – sie wird nimmer wiederkehren... Narr, der ich bin, mit solchen Nichtigkeiten mich abzuquälen... Ich glaube es ist der Moderduft und der Staub, der von den welken Dingen da aufsteigt und mir den Kopf umnebelt... Hinweg mit dem Staub, geh' zu dem Staube...« Und er warf die vertrockneten Blumen und das verblaßte Seidenband in das Kamin... Ein Aufzüngeln der Kohlenglut, ein paar dünne, leichte Rauchwölkchen, welche emporwirbelten – und verschwunden waren diese Pfänder einer verhängnißvollen Leidenschaft.

»Rauch ist alles ird'sche Wesen, nur die Götter bleiben stät,« murmelten die Lippen des Mannes, der noch einen Augenblick sinnend den Rauchwölkchen nachschaute... Einen Moment schien er unentschlossen, ob er die Briefe und das Medaillon demselben Auto-da-Fé weihen sollte, aber er besann sich und schloß Beides wieder in die Truhe, indem er dabei die Worte sprach:

» Scripta manent... Vielleicht können mir diese Briefe einst nützlich sein... Man darf keine Waffe aus der Hand geben...«

Die Gedanken des Mannes kehrten zu dem früheren Gegenstand seines Nachdenkens zurück, zu einem Artikel der Zeitung, die er in der Hand hielt.

Das Blatt führte den Titel »die Tribune« und war eines jener im großen Styl gehaltenen deutschen Journale, wie wir sie in unserm Vaterlande seit 1848 haben entstehen sehen...

Ein einziger kleiner Artikel war es, welcher jenen Zorn wachgerufen, der aus den Augen des Mannes sprühte, als wir ihn dort an seinem Schreibtische erblickten... Dieser, am Rande mit Rothstift angestrichene Artikel enthielt auch folgenden Satz: »Wir leben nicht mehr in jenen Zeiten, wo Einzelne die Geschichte machten, in jenen Epochen der Völkerentwicklung, wo wenige Männer die Träger großer Ideen waren, wo die Masse im dumpfen Instinkte dem Führer blindlings folgte, mochte er nun Moses, Mahomet, Gregor oder Huß, Lykurg, Solon, Cäsar oder Karl der Große heißen. Seit in Wittenberg ein Mann erstanden, welcher die Fackel der Vernunft an dem Scheiterhaufen anzündete, auf welchem die Dokumente hierarchischer Anmaaßung aufloderten – seit diesem Tage hat der blinde Autoritätsglaube, der Glaube, der auf den Einzelnen schwört, auf jenen Einzelnen, der als geistiger Saul um viele Kopfeslängen über allem Volke emporzuragen glaubt, keine Stätte in Deutschland mehr. Die Zeiten, wo der Einzelne für die Masse dachte, die Völker für sich denken ließen, sind vorüber, für immer vorüber... Diese Wahrheiten mag sich der Verfasser des Aufsatzes: »Die neue Rotte Korah« im »Glaubenswächter« in's Gedächtniß zurückrufen.« Der einsame Mann las den Satz zu wiederholten Malen durch, und warf dann das Blatt mit einer zornigen Geberde von sich.

»Das ist die Weisheit, die sie jetzt feil bieten auf dem Markte. Mit der sie den Pöbel füttern und ihm schmeicheln. Tropfenweise flößen sie ihm so das Gift der Empörung ein... Aber ich will ihnen beweisen, daß sie gelogen haben...«

Er preßte die Hände gegen seine heiße Stirn.

»Du hast dir eine große Aufgabe gestellt, Joseph Marecampus,« sprach er in leisem Selbstgespräch vor sich hin, »eine Aufgabe, vor welcher Tausende zurückschrecken würden... siehe zu, daß du nicht strauchelst. Ueber die Geschicke von Millionen zu gebieten... Der Erste zu sein, der Erste und der Einzige, an dessen Mund das Schicksal eines Reichs hängt...«

»Du! Und wer warst du? Wer bist du? Hervor gegangen aus dem, was sie den Staub nennen, die Niedrigkeit der Welt... Geworden, was du bist durch eigne Kraft...« Er ließ die Hände sinken und richtete sich stolz empor. Ein wildes, ehrgeiziges Feuer brach aus seinen Augen.

»Geworden durch mich selbst,« wiederholte er noch einmal und seine ganze Gestalt dehnte und streckte sich, »durch mich selbst, wie die dort.« Und seine Blicke hefteten sich auf zwei Portraits, die über seinem Arbeitstische hingen... Das eine dieser Bildnisse trug die Unterschrift: Felix Peretti, das andere: Armand Duplessis, Cardinal-Herzog von Richelieu.

Er streckte die Hand gegen die beiden Bildnisse aus, als wollte er die Schatten dieser Männer beschwören, ihm beizustehen in seinem Werke.

»Geworden durch dich selbst,« wiederholte er nach einer Weile tiefen Schweigens, »und die Gnade des Herrn,« setzte er dieses Mal hinzu...

»Aber noch ist das Ziel nicht erreicht. Du stehst noch auf der ersten Stufe, die zweite und dritte mußt du noch ersteigen... Darum Geduld, Beharrlichkeit und Vorsicht. Der Director der königlichen Museen darf es noch nicht wagen, seine Hand nach dem Siegel des Reichs auszustrecken, aber die Zeit wird kommen, sie muß kommen.«

Wieder versank er in tiefes Nachsinnen... Pläne, Entwürfe, Ideen in buntem Wechsel zogen an ihm vorüber...

»Ich muß in's Reine mit mir kommen,« sprach er gedankenvoll vor sich hinblickend weiter, während seine Hand mechanisch in den Briefschaften wühlte, welche in einem Fache seines Arbeitstisches lagen...

»Der Kampf darf nicht eher beginnen, als bis ich meinen Plan festgestellt... Ich hasse das Ungewisse, jenes Ding, das man Zufall nennt, dessen Discretion sich aber blos die Schwachköpfe anvertrauen...«

Da fiel sein Blick auf einen Brief, welchen seine Hand eben aus der Menge vieler anderer Papiere hervorzog...

Eine gewisse Betroffenheit, die aber bald einem ironischen Lächeln wich, zeigte sich in seinem Gesicht.

»Scheint es doch fast, als wollte mir der Zufall seine Macht in demselben Moment fühlen lassen.. Soll ich ihm folgen den Wink?« Und er heftete seine Augen auf das nur leicht beim Erbrechen verletzte Siegel des Briefes. Es war ein sauber und fein gearbeitetes Stück: eine Thiergruppe vorstellend. Ueber einem Lamm und einem Wolfe, welche harmlos und einträchtig neben einander standen, schwebte mit ausgebreiteten Flügeln ein Adler.

»Es sind gewaltige Kräfte, über die sie gebieten,« murmelte er, indem er die Thiergruppe betrachtete, »und ihr Arm streckt sich von einem Ende Europa's bis zum andern, über das Meer hinüber, nach China, wie nach Amerika. Ich kenne ihre Macht, die bis hinauf zu den Stufen der Throne, wie bis hinunter zu den Hütten der Bettler reicht... Aber wer bin ich ihnen, was sind sie mir, wenn ich den Vertrag eingehe? Sie die Herren, ich das Werkzeug. Ich, der willenlose Diener, welcher ihre Befehle unterwürfig ausführt. Nein, nein, ich will meine eigenen Wege gehen, durch eigene Kraft siegen, nicht als Werkzeug eines fremden Willens emporgetragen werden... Vor allem muß die Wünschelruthe, welcher sich die Welt beugt, in meiner Hand sein – das Andere kommt von selbst. Aber wo finde ich diese Zauberruthe?...«

Er ließ den Kopf sinnend auf die Brust sinken... Draußen rauschte der Nachtwind und trug die Klänge des ersten Frühgeläutes, das den Anbruch des zweiten Weihnachtsmorgens verkündete, über die große, weite Stadt herein in das stille Gemach.......

Bei diesem Klange hob der einsame Mann sein Haupt mit einer raschen, begeisterten Geberde. Ein dunkles Feuer, das Feuer des Fanatikers sprühte aus seinen Augen als er die Arme empor gegen den flimmernden Nachthimmel streckte und mit siegesgewissem Tone ausrief:

»Giebst du mir ein Zeichen, mein Herr und Gott, daß du mit mir bist und meine Schritte lenkst? Geschieht doch Alles um dein Reich wieder aufzubauen und neu zu gründen, in Mitten dieser Reiche Babylons... Ja, nun weiß ich's, ich werde sie finden und sollte ich hinunter in die Tiefen der Hölle steigen oder sie herunter von den Höhen des Himmels holen...

»Du aber, Jehovah,« fuhr er nach einem kurzen Schweigen im Tone eines Betenden fort: »Du Gott der Macht und der Stärke stehe mir bei in meinem Thun und meinem Werke, daß ich nicht scheitere und zum Gespötte des Pöbels werde.«

Seine Arme sanken wieder, der begeisterte, fanatische Ausdruck seiner Züge wich seiner gewöhnlichen, stolzen, selbstbewußten Miene...

Sah man ihn jetzt, so würde selbst der erfahrenste Menschenkenner, der die heimlichsten Gedanken aus der Brust herausliest, in diesem Manne keinen Schwärmer gesucht haben, der seine Willensstärke und seine Kraft zur That aus gewissen übersinnlichen Vorstellungen holte, welche im Vereine mit einer energischen Leidenschaft das Thun dieses Mannes bestimmten und ihn auf seiner Lebensbahn nach einem Ziele streben ließen, so hoch, daß tausend Andere bei dem bloßen Gedanken daran von einem betäubenden Schwindel befallen worden wären.

Die Extase war verschwunden, der Mann am Schreibtische wieder der berechnende Plänemacher...

Sein Blick traf auf's Neue die Zeitung, in deren Spalten jener Artikel stand, welcher ihn so leidenschaftlich aufgeregt hatte.

»Hardungen nennt er sich,« sprach er bei sich, »der Name ist mir nicht unbekannt... Schon ehe ich hierher kam, hörte ich von dem Einflusse, welchen er durch sein Blatt, die »Tribune« auf gewisse breite Volksschriften ausübt... Der Mann versteht jedenfalls sein Handwerk. Die breiten Schichten, die Massen sind es ja wie er sagt, die jetzt die Geschichte machen, Reiche gründen und umstürzen, sei es auch nur durch den friedlichen Act des Vote universel. Ein vortrefflicher Lehrmeister der Mann in den Tuilerien. Ein Lehrmeister für die Völker, wie für die Fürsten... Und auch er ward – Alles durch sich selbst... Freilich, freilich, ihm arbeitete der Ruhm eines großen Namens vor, während ich allein auf mich selbst, ganz auf mich selbst angewiesen bin...

Doch Muth, Muth, Joseph! Gab es nicht einen Mann, der Richelieu hieß und der herrschte, wie ein König, wenn er auch selbst keine Krone trug?..«

Lange noch beschäftigten ihn derartige glühende Phantasien und gewaltsam mußte er sich endlich aus diesen Träumen reißen.

»An die Arbeit, Joseph!« rief er sich zu, »an die Maulwurfsarbeit zuerst, an die stille, heimliche, welche den Boden untergräbt, auf welchem die Baalsgötzen stehen, an die Maulwurfsarbeit, welche uns den Schacht zeigen soll, in welchem die goldne Wünschelruthe, der erste Schlüssel zur Macht liegt...

Und er vertiefte sich in seine Papiere und Briefschaften. –

Als der erste Strahl des kalten, trüben Wintermorgens in sein Gemach fiel, saß er noch immer bei dem flackernden Schimmer der Kerzen. –



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