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Der Röckle

Der Röckle bewohnte mit seiner alten Mutter und jüngeren Schwester Jakobine, genannt Bienle, einer wahren Waldkatze, eine Stube und Kammer über uns. Ein kleines Männle, doch unerschöpflich an Witz. Schade: Sein Humor, in weiteren Kreisen, etwa auf der Bühne angebracht, hätte ihm einen berühmten Namen eingebracht; so kam er nur der kleinen Umgebung zugute. Es war Ende der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre, als hier in Warmbronn, angesichts der billigen Arbeitskräfte, zahlreiche Steindruckereien, nebenbei Kolorieranstalten, entstanden. Wie Pilze schossen sie aus dem Boden. Gottlob, nun war doch einmal eine Verdienstgelegenheit da, denn namentlich von dem nur drei Stunden entfernten Stuttgart kam Bestellung über Bestellung, So hatte auch unser Röckle eine solche Anstalt, wobei er beständig drei oder vier Lehrbuben beschäftigte. Die kosteten nicht viel, und es bedurfte nur wenige Wochen, um sie einzulernen. Nebenbei trillte er sie für Ulk und allerhand Schelmenstreiche.

Zum Beispiel: Es war ein etwas konfuser Mann hier, von Beruf Wagner, und man hieß ihn den Wägnerotter. Der hatte die absonderliche Schrulle, daß er das Pfeifen nicht leiden konnte, sondern, sobald er einen Pfiff hörte, in die unbändigste Wut geriet. Hier war nun Gelegenheit geboten, einen richtigen Ulk anzubringen. Wenn der Wägnerotter, der ein himmellanger Kerl war, sich in der Schmiede vorn am Hof oder in der Feierstunde des Mittags und Abends auf der Straße sehen ließ, da ging plötzlich ein Pfeifen los. Das hielt der Wägnerotter nicht aus, und polternd und fluchend raste er den Buben nach. Da nun der hintere Teil des Hofes durch ein ziemlich niederes Törlein abgeschlossen war, flüchteten die Buben sich dort hinaus und entwischten, während er, in blindwütiger Gier, sie zu erhaschen, mit der Stirn an den dem Törlein vorgelegten Balken anrannte. Diesen Moment hatte der Röckle oben am Fenster abgewartet und kam nun herunter:«Um Gottes willen! Ihr blutet ja schrecklich! Was hat's gegeben, daß Ihr Euch also gestoßen habt?«

Der Wägnerotter brach unter greulichen Flüchen los, daß seine, das heißt des Röckles, Buben es gewesen seien, die ihn ausgepfiffen hätten. »Diese Lausbuben schlage ich noch tot.« – »Beruhigt Euch nur; doch so, wie Ihr ausseht, so mit Blut überschmiert, kann ich Euch nicht gehen lassen!« Dann rief er zu den Fenstern hinauf. »Bringt eine volle Waschschüssel und einen Schwamm!« Einer der Buben brachte das Verlangte, und ein anderer drückte sich, als ob er zum Geschäft ginge, hinter den beiden herum. Der Röckle wischte und tupfte, wischte und tupfte wieder. »Ruhig, daß ich's abwischen kann, Ihr blutet so schrecklich; wird Euch doch nichts getan haben, da Ihr der einzige richtige Wagner hier seid. Das wäre ja ein unbezahlbarer Verlust für die ganze Gemeinde. Haltet noch eine Weile, Ihr blutet immer noch!« Mit solchen und ähnlichen Reden wischte und pinselte er fort, und der Wägnerotter hatte nicht gemerkt, daß er ihn angemalt hatte. Knallrot, indigoblau und dazwischen schön gelb, daß er aussah wie ein Indianer auf dem Kriegspfad. So ließ er ihn ziehen, nachdem er ihm noch die Hand darauf gegeben, daß er die, so ihn ausgepfiffen, heute noch totschlagen wolle.

Ein anderer Ulk war der: Wöchentlich zweimal auf dem Gang nach Stuttgart kam der Schmalzkarle hier durch mit Eiern und Butter, Gänsen, Enten und Hühnern; er hatte alles beieinander in einer großmächtigen Zaine, die er wie ein Weib auf dem Kopf trug. Er war aus Malmsheim, anderthalb Stunden von Warmbronn, und pflegte stets auf der Sitzbank unserem Hause gegenüber seine Zaine abzustellen und auszuruhen. Doch kaum sah ihn der Röckle, als er schon herbeikam und sich angelegentlich erkundigte, was er dieses Mal an Geflügel in seiner Zaine habe. »Enten hab' ich, drei schöne Enten, legen großmächtige Eier. Willst sie kaufen?« »Wohl, doch noch lieber gegen Hühner umtauschen.« Das sagte er, um den Schmalzkarle in seinen Viehstall, der zugleich Hühnerstall war, hineinzulocken. Röckle zeigte ihm nun die Hühner und erzählte, wieviel Eier sie schon gelegt hätten, während der Schmalzkarle dagegen seine Enten rühmte; so feilschten sie miteinander und konnten sich über das Draufgeld absolut nicht einigen, und der Karle merkte in seinem Eifer, einen guten Handel zu machen, nicht, daß die Lehrbuben des Röckle, die fürwitzig herumstanden, in die Taschen seiner schmierigen Lederhose ganz leise einige Eier gleiten ließen.

Auf einmal sagte der Röckle, indem er in ein Nest hineinsah: »Hier fehlen ja Eier. Wo sind sie hingekommen?« – »Die wird der Schmalzkarle eingeschoben haben«, antwortete da sofort einer der Buben. »Sucht ihn aus und holt den Polizeidiener«, rief der Röckle, und ehe sich der Karle versah, war er emporgehoben und kreuz und quer im Kuhmist herumgewälzt. Schimpfend und wetternd nahm er hierauf seine Zaine wieder auf, in die inzwischen die Buben einen großen Stein hineingeschmuggelt hatten, den er nach Stuttgart trug; wo erst eine mitleidige Köchin ihn davon erlöste.


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