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Wir brachen, um die Vereinigung mit den Österreichern baldmöglichst auszuführen, am 3. Juni von Oschitz auf und rückten nach Böhmisch-Leipa, einer kleinen, freundlichen und gutgebauten Stadt. Den folgenden Tag, einen Ruhetag, versammelte hier der Herzog das Korps, machte dasselbe mit den näheren Einzelheiten des Überfalls von Zittau bekannt, rügte einige Versehen und Exzesse und empfahl die allerstrengste Mannszucht. Zugleich ernannte er den jungen Volontär Karl Berner zum Offizier, verlieh auch noch einigen anderen Unteroffizieren das Portepee. Berner hatte in Zittau die größte Unerschrockenheit gezeigt; er war in der Dunkelheit der Nacht durch zu kühnes Voraneilen zwischen einen ganzen Trupp sächsischer Kavallerie geraten, hatte sich gegen denselben eine gute Viertelstunde lang, den Rücken an eine Haustüre gelehnt, tapfer mit seinem Gewehr verteidigt, mehrere der ihn Umringenden verwundet, dabei aber selbst eine Menge glücklicherweise nicht gefährlicher Blessuren, besonders am Kopfe, erhalten und würde endlich der Übermacht erlegen sein, wenn ihn nicht mehrere seiner herbeieilenden Kameraden befreit hätten.

Den 5. Juni marschierte das Korps nach Kamnitz, woselbst es einige Tage rastete, welche Zeit auf die bessere Ausbildung der Rekruten und auf die Instandsetzung des Materials verwendet wurde. Den 8. Juni abends verließen wir Kamnitz; die Dunkelheit brach bald ein, in der schwärzesten Finsternis bewegten wir uns auf einem abscheulichen Wege, der durch Gebirgsschluchten in das Elbtal hinabführt, weiter, ein furchtbares Gewitter übergoß uns mit Strömen von Regen, und nur durch gegenseitiges Anfassen und öfteres Rufen vermochten wir uns zusammenzuhalten. So langten wir bis auf die Haut durchnäßt um Mitternacht in Tetschen an. Den 9. Juni morgens setzten wir den Marsch die Elbe entlang fort, deren Gestade die herrlichsten Aussichten darbieten. Unfern Außig setzten wir auf einer Fähre über den schönen Fluß und rückten dann in die Stadt ein. Hier fanden wir bereits den österreichischen General Am Ende, mit welchem vereint wir nun operieren sollten. Die Offiziere wurden demselben vorgestellt; seine Physiognomie, sein starker Bauch, kurz sein ganzes Äußere machten nicht den günstigsten Eindruck auf uns und stimmten unsere Erwartungen wohl etwas herab.

Den 10. Juni, nachdem durch mehrere Mißverhältnisse und Uneinigkeit in dem Stabe des Herzogs verschiedene Offiziere der Kavallerie aus unseren Reihen geschieden waren, betraten wir bei Zinnwald, erschöpft durch die Hitze des Tages, die sächsische Grenze. Die Einwohner flohen bei unserer Annäherung; nur mit vieler Mühe gelang es, die von ihnen verlassenen Häuser vor Plünderung zu schützen. Die Gegend war bergig, der Weg schlecht, die Hitze wurde immer drückender; auf das äußerste ermattet zogen wir weiter und passierten die ärmlichen Flecken Bärenstein und Glashütte; da ward gemeldet, es zeige sich feindliche Kavallerie vor uns, eine Nachricht, die unsere Müdigkeit schnell verschwinden ließ und mit neuer Kraft uns belebte. Ich ward mit den Schützen vorangesandt; der Feind ließ sich aber nicht blicken. Ungehindert rückten wir kurz nach Mittag in das Städtchen Dippoldiswalde ein und lagerten auf dem Marktplatze, auf welchem unsere ermüdeten Leute mit Speise und Trank von den Einwohnern erfrischt werden mußten, welches aber wegen der Ungeduld vieler, die ersten bei der Verteilung der Lebensmittel zu sein, nicht ohne Unordnung ablief. Unser zweites Bataillon nebst dem Rest der Kavallerie war uns mit den österreichischen Truppen auf einem anderen Wege gefolgt und traf gleichfalls hier ein. Um den Feind aber über die Richtung unseres Marsches irrezuführen, schickte der Herzog ein starkes Detachement über Peterswalde gegen Pirna.

Am Morgen des anderen Tages setzten wir uns mit den Österreichern gegen Dresden in Marsch. Das Bataillon, in welchem ich stand, das erste des Regiments, nebst einiger Kavallerie bildete die Avantgarde; jeden Augenblick erwarteten wir, auf den Feind zu stoßen. Je weiter wir vorrückten, desto mehr nahmen die Sicherheitsmaßregeln zu; aber ohne vom Feinde belästigt zu werden, erreichten wir die Barriere von Dresden. Der Oberst Thielmann hatte zwar ein Korps von beinahe 2200 Mann hier versammelt gehabt, es aber nicht ratsam erachtet, uns zu erwarten, sondern sich vielmehr bei unserer Annäherung auf dem Wege nach Wilsdruff zurückgezogen und somit die Absicht des Herzogs, ihn durch das gegen Pirna gesandte Detachement festzuhalten, während wir auf seiner Rückzugslinie marschierten, vereitelt.

Ungehindert besetzten wir die Pirnaer Vorstadt; hier machten wir halt und formierten nun eine Gasse, zwischen welcher die nachfolgenden Österreicher unter unaufhörlichem Hurrarufen in die bestürzte Stadt einzogen, die keine Ahnung von einem solchen Besuche hatte. Der König war von Dresden nach Leipzig geflüchtet. Mittlerweile war es Abend geworden; unserm Korps wurden die Quartiere in der Wilsdruffer Vorstadt angewiesen, während die Österreicher in der Stadt lagen. Mein Quartier war das Haus des Oberappellationsrats F. Seine Familie empfing mich mit großen Armleuchtern in den Händen an der Haustür und führte mich zu einem wohlservierten Tische. Die Unterhaltung, welche besonders unseren kühnen Herzog und sein Korps betraf, dauerte bis in die Nacht hinein. Man wies mir ein elegantes Zimmer mit einem vortrefflichen Bett an. Bald schloß ich auf der weichen Ruhestätte die müden Augen zu und mochte wohl zwei Stunden geschlafen haben, als ich durch ein lautes Getöse geweckt wurde. Ich horchte auf. Ich vernahm Gewehrschüsse und zwar ziemlich nahe, denn sie hallten stark an den Häusern wider. Schnell sprang ich aus dem Bette; da erscholl auch schon der weithin tönende Ruf des halben Mondes unserer Jäger durch die öden Straßen. In wenigen Minuten war ich angezogen, in noch kürzerer Zeit mein Mantelsack gepackt, und mühsam tappte ich jetzt durch die dunklen Gänge des Hauses. Glücklicherweise geriet ich an das Kämmerchen der Köchin, die verschämt trotz alles Widerstrebens in dem leichtesten Negligé mir die Haustür öffnen mußte. Die Kompagnien unseres Regiments hatten schon bei meiner Ankunft auf dem ihnen bezeichneten Platze sich zu sammeln angefangen, doch währte dieses eine geraume Zeit, denn teils war die Mannschaft in der Dunkelheit in die Quartiere der weitläufigen Vorstadt gekommen und konnten nun viele in den Straßen sich nicht zurechtfinden, teils waren manche, wie ich nachher erfuhr, in Hintergebäude quartiert worden und dadurch vielfältig außerstand gesetzt, den Ruf der Trommeln und Hörner auf den Gassen zu vernehmen. Nicht wenige mochten sich gütlich getan haben und konnten die Efeuranken des Weingottes nicht so leicht abstreifen. – Die Ursache dieser nächtlichen Alarmierung war folgende.

Der Herzog hatte wegen des auf der Straße nach Wilsdruff noch lagernden Feindes nicht unterlassen, die erforderlichen Sicherheitsmaßregeln anzuordnen. Zu diesem Zwecke war von ihm nicht nur die Barriere der Wilsdruffer Vorstadt mit Infanteriepiketts besetzt, sondern auch eine Husarenfeldwache auf dem Anger jenseits der Barriere so aufgestellt worden, daß deren äußerste Vedetten vor der Brücke, welche über die Weiseritz führt, zu stehen kamen. Außerdem hatte er noch spät in der Nacht eine Husarenpatrouille unter Anführung des Leutnants von Förster nach der Gegend entsandt, wo man Lagerfeuer der Sachsen zu erblicken wähnte, um sich von der Wahrheit dieser Angabe Überzeugung zu verschaffen. Leutnant von Förster kehrte gegen 3 Uhr morgens eilends mit der Meldung zurück, daß der Feind, wie es schiene, mit einer starken Kavallerieabteilung gegen die Stadt im Anzuge sei. Als der Herzog diese Nachricht vernommen, ließ er sogleich dem General Am Ende davon Mitteilung machen; er selbst aber setzte sich zu Pferde und begab sich in die Wilsdruffer Vorstadt, dort den Befehl erteilend, zum Ausrücken seines Korps zu blasen. Doch beinahe gleichzeitig wurde auch schon unsere Husarenfeldwache vor der Barriere von Kavallerie angegriffen, welches jene laut in der Vorstadt widerhallenden Pistolenschüsse kundtaten. Die Feldwache sah sich jetzt, ihrer Schwäche wegen, genötigt, bis an die Barriere unter dem Schutze des dort aufgestellten Infanteriepiketts sich zurückzuziehen. Indes wurde dieselbe vom Feinde nur bis hierher gedrängt, da der weithintönende Alarmruf unseres halben Mondes ihm zur Genüge bewiesen haben mochte, daß er uns wachsam und seiner gewärtig gefunden. Er kehrte hierauf zurück. Wir verloren einen Mann, der, unfern der Barriere auf Posten stehend, von einer Pistolenkugel getroffen wurde. Der Herzog war inzwischen mit dem Sammeln seines Korps beschäftigt gewesen, um einem etwa erneuten Angriffe des Feindes zu begegnen oder ihm nachzusetzen. Doch letzteres mit Erfolg auszuführen, war es notwendig, den General Am Ende zur Teilnahme hierzu aufzufordern. Aber leider erreichte der Herzog dieses nur insoweit, daß ihm jener zwei Eskadrons Ulanen, eine Kompagnie Tiroler Schützen und eine Abteilung der kurfürstlich hessischen Truppen zur Verfügung stellte. Denn der seines Landes beraubte Kurfürst von Hessen-Cassel hatte gleichfalls in Prag bei dem Ausbruche des Krieges ein Korps zu errichten angefangen. Seine Sparsamkeit aber ließ ihn die Werbung und Ausrüstung nicht mit dem Kostenaufwande betreiben, als es bei dem Herzoge der Fall war. Die Absicht des Kurfürsten ging nur dahin, nach Befreiung seines Landes sogleich einige Kaders verschiedener Truppengattungen in seine Residenz mitbringen zu können. Er hatte zu diesem Zwecke von jeder Waffengattung nur eine geringe Anzahl. Da gab es dunkelblaue Grenadiere mit Bärenmützen, apfelgrüne Jäger, weiße Kürassiere, hellblaue Dragoner, gelbe Husaren und andere mehrere, welche zusammen ein Korps von einigen hundert Mann bildeten. Alle waren nach dem alten preußischen Schnitt oder vielmehr nach des Kurfürsten eigenem Geschmacke gekleidet: gepudertes Haar, dicke Locken und lange Zöpfe sah ich bei ihnen wieder. –

Es mochte wohl fünf Uhr morgens geworden sein, als der Herzog mit seinem Korps, zwei Eskadrons Ulanen und eine gleiche Anzahl Husaren an der Spitze, hinter ihnen zur Rechten der Straße eine Abteilung Infanterie, zur Linken die Tiroler Schützen, aus der Wilsdrufffer Vorstadt aufbrach. Wir rückten anfangs nur langsam vor, um die Nachrichten des Leutnants Grafen von Wedel, welcher mit einigen Husaren zum Erkunden des Feindes vorangeschickt worden war, entgegenzunehmen. Demselben hatte sich auch der Rittmeister von Steinwehr mit einem Detachement hessischer Husaren angeschlossen. Die Mannigfaltigkeit unserer Uniformen gab hier zu einem höchst traurigen Vorfall Veranlassung. Ich hatte mit mehreren Schützen und einer Abteilung Tiroler Schützen einen Seitenweg durch ein Getreidefeld einschlagen müssen, als auf uns plötzlich ein Trupp Kavallerie zugesprengt kam. Ich erkannte sie für Hessen; aber ohne daß ich es ahnte, gaben die Tiroler Schützen, welche sie für Sachsen hielten, auf die Herannahenden Feuer, und ihr Anführer sank tödlich verwundet vom Pferde. Es war dieses der Rittmeister von Steinwehr, welcher, zu uns zurückkehrend, nicht die Chaussee, sondern jenen Seitenweg eingeschlagen hatte. Er starb einige Tage nachher in Dresden. Während dieser so unglückliche Vorfall sich ereignete, kehrte Leutnant Wedel mit der Meldung zum Herzoge zurück, daß Thielmann auf Wilsdruff seinen Marsch genommen und noch nicht weit dahin vorgerückt sein könne, indem sein Korps in nicht großer Entfernung von Dresden auf der Chaussee die Nacht biwakiert habe.

Diese Nachricht bewog den Herzog, die an der Spitze befindliche Kavallerie sogleich dem Feinde nachzuschicken. Rasch folgte er derselben mit der Infanterie, nachdem er zuvor dem Major von Reichmeister den Auftrag erteilt hatte, mit dem zweiten Bataillon, so schnell es sich ausführen lasse, die linke feindliche Flanke zu umgehen. Unsere Husaren und die österreichischen Ulanen holten noch vor dem Dorfe Bennerich des Feindes Nachhut, welche aus Reiterei bestand, ein. Sie griffen dieselbe sogleich an, warfen sie in das Dorf hinein, sahen sich aber genötigt, hier von weiterem Verfolgen abzustehen, da sie den Ort mit Infanterie besetzt fanden. Rittmeister von Steinemann, ein Unteroffizier und mehrere Husaren und Ulanen wurden durch das wohlangebrachte Feuer derselben verwundet. Indeß sie noch im Zurückweichen begriffen sind, langt der Herzog an; sogleich läßt er zwei Geschütze auffahren und sie gegen die auf dem Kirchhofe des Dorfes postierte feindliche Infanterie, welche in ihrer Stellung die durch den Ort gehende Heerstraße beherrschte, richten. Eine Abteilung unserer Jäger mit den Tiroler Schützen muß zugleich das Dorf angreifen, und es gelingt ihnen, die Sachsen aus demselben zu vertreiben. Jetzt dringt der Herzog durch das Dorf gegen den sich zurückziehenden Feind vor. Bald entspinnt sich zwischen allen beiderseitigen Waffengattungen ein hitziges Gefecht, welches sich bis nach dem zunächst liegenden Dorfe Steinbach ununterbrochen hinzieht.

Während also gefochten wird, ist Thielmann auf das eifrigste bemüht, seine Truppen dem Kampfe zu entziehen, welchen aber der Herzog so lange als möglich zu unterhalten sucht, um dem Major von Reichmeister zur Umgehung der linken Flanke des Feindes Zeit zu verschaffen. Und wäre dieser gerade jetzt eingetroffen, so hätte für Thielmann das Gefecht eine äußerst ungünstige Wendung nehmen können. Aber Reichmeister erschien nicht; dem Herzoge fehlte es an Infanterie, mit welcher er, ohne sein Zentrum zu schwächen, gegen die linke Flanke der Sachsen mit Erfolg hätte operieren können. Er vermochte in dieser Lage daher nicht lange zu verhindern, daß der Feind seinen Rückmarsch schnell weiter fortsetze. Nur noch von unserer Kavallerie am Eingange des Dorfes Steinbach hart gedrängt, erlitt derselbe mehrfachen Verlust. Thielmann aber, auf einen schnellen und ehrenvollen Rückzug stets bedacht, ließ das Dorf nicht länger verteidigen, als erforderlich war, um alle seine gegen uns detachierten einzelnen Abteilungen aufzunehmen, welches ihm auch vollkommen gelang. Hierauf konzentrierte er seine Truppen hinter dem Dorfe und zog sich auf Wilsdruff zurück, wo eine die Höhen jenseits dieser Stadt besetzt haltende Reserve zu seiner Aufnahme bereitstand. Tiraillierend und plänkelnd folgten wir ihm. Der Herzog indes, vor Wilsdruff angekommen, beabsichtigte durch einen Hauptangriff dem schon so lange dauernden Gefechte Entscheidung und Ende zu geben. Während er zu diesem Zwecke das Korps sammelt, läßt er den Feind mit Granaten bewerfen. Thielmann jedoch, des Fürsten Absicht erratend, zieht sich abermals zurück, seinen Abzug durch Tirailleure deckend, auf welche wir stießen, als wir die hinter der Stadt liegenden Höhen erreicht hatten.

Das wiederholte Zurückweichen Thielmanns überzeugte den Herzog, daß jener ein entscheidendes Gefecht sorgfältig zu vermeiden bemüht sei. Er ließ daher von seinem Vorhaben ab, noch mehr durch den Umstand bewogen, daß unsere Mannschaft, welche zehn Stunden hindurch gegen den Feind agiert hatte, äußerst ermüdet und erschöpft war. So endete ein Gefecht, das in seinen Resultaten zwar weder belohnend noch genügend für die Anstrengungen sich darstellte, welches aber einen sehr glorreichen Ausgang hätte nehmen können, wenn der Herzog von dem General Am Ende kräftig unterstützt worden wäre. Es verschaffte uns keinen weiteren Vorteil, als daß unser ganzes Korps endlich einmal Gelegenheit gefunden hatte, sich mit einem Feinde zu messen, von welchem uns schon zu verschiedenen Malen nicht unempfindliche Nachteile zugefügt waren. Die für den General Am Ende im Korps dadurch hervorgebrachte Stimmung fing schon jetzt an, ungünstig zu werden; wir ließen unserem Verdruß freien Lauf und sprachen uns über ihn gegen die österreichischen Offiziere laut aus, welche unsere Meinung gleichfalls teilten.

Der Verlust des Korps an diesem Tage bestand in einem Toten und neun Verwundeten; jener der Sachsen muß weit beträchtlicher gewesen sein, da uns eine bedeutende Anzahl von Verwundeten in die Hände fiel, unter welchen sich ein Offizier vom Kürassierregimente Zastrow befand. Die Nacht brachten wir mit den inzwischen nachgekommenen Österreichern vor Wilsdruff biwakierend zu.

Wilsdruff war bei der Verfolgung der Sachsen hart mitgenommen. Unsere Leute hatten viele Häuser aufgebrochen und geplündert, Türen und Fenster zerschlagen und den wildesten Unfug getrieben. In einem nahen Dorfe brach durch ihre Schuld sogar Feuer aus. Der Herzog war über diese Exzesse höchst aufgebracht. Er sah ein, daß es zur Aufrechterhaltung der strengsten Mannszucht durchaus notwendig sei, dem Korps ein Beispiel geben zu lassen, das für die Übertreter seines oft wiederholten Gebots nur warnend und abschreckend sein werde. Am anderen Morgen wurde ein Husar, welcher der Plünderung und arger Mißhandlungen der Einwohner auf das vollkommenste überwiesen war, nach abgehaltenem Kriegsgericht vom Leben zum Tode verurteilt und sofort vor der Front des Regiments füsiliert. Mehrere andere jener Plünderer wurden, nachdem man ihnen eine Anzahl Hiebe gegeben, sogleich aus den Reihen des Korps gestoßen.

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Von der größten Wichtigkeit wäre es jetzt für den Erfolg unserer Waffen gewesen, dem sich so rasch zurückziehenden Feinde zu folgen. Wäre dieses geschehen, so hätten wir ohne bedeutenden Widerstand die in Weißenfels angefangenen Rekrutierungen auseinandergesprengt und die Vereinigung Thielmanns alldort mit einem anrückenden westfälischen Korps, welche zu unserem Nachteile alsbald erfolgte, verhindert. Die Sachsen würden dadurch außerstand gesetzt worden sein, von neuem gegen uns zu operieren; der Eindruck, welchen solche von österreichisch-braunschweigischer Seite ausgeführte kühne Operation auf die jungen westfälischen Truppen hätte machen müssen, würde Niederlagen vorbereitet und auch herbeigeführt und uns vielleicht ganz Norddeutschland in die Hände gegeben haben. Aber der General Am Ende blieb gegen die dringendsten Vorstellungen des Herzogs, dem Feinde nachzusetzen, taub und schien mit seinen Dispositionen auch am Ende zu sein. Unter dem Befehle des Generalgouverneurs von Böhmen, Graf Reisch, stehend, welcher gleich dem Hofkriegsrate zu Wien im Siebenjährigen Kriege von Prag aus die Operationen der entsandten Heeresabteilungen leiten wollte, war es ihm zur Pflicht gemacht, die Grenzen Böhmens zu verteidigen und dafür Sorge zu tragen, daß die Festungen dieses Landes mit Truppen hinlänglich versehen blieben, aus welchem Grunde er nur bedingungsweise das weitere Vorrücken in Sachsen unterstützen konnte. Am Ende weigerte sich deshalb, eher weiterzugehen, bevor er nicht neue Instruktionen vom Grafen Reisch eingeholt habe, und marschierte nach Dresden zurück. Der Herzog aber, leider noch zu schwach, um sich allein mit seinem noch nicht 1000 Mann starken Korps bis an die Saale wagen zu können, sah sich genötigt, ihm zu folgen und bei Meißen Kantonierungen zu beziehen, um dort das weitere abzuwarten.

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Während dieser Zeit der Ruhe ward mir der Auftrag erteilt, mit einer Anzahl aus Böhmen angekommener Rekruten nach Dresden zu gehen, um dieselben dort einkleiden zu lassen. Ich ging mit ihnen dahin ab und setzte bei meiner Ankunft sogleich die österreichische Militärbehörde von dem mir gewordenen Befehle des Herzogs in Kenntnis. Aber die schwache Stimme eines nur subordinierten Leutnants verhallte ungehört neben den lauten, gewaltigen Requisitionen der Österreicher, und ich würde ungeachtet aller angewandten Bemühungen unverrichteter Sache zurückgekehrt sein, wenn nicht bald darauf der Kapitän von Herzberg mit dem Auftrage des Fürsten angelangt wäre, hier ein Werbedepot für das braunschweigische Korps zu bilden; zugleich war demselben die Errichtung einer Ulaneneskadron zu der Stärke von 300 Mann und einer Schützenkompagnie aufgetragen worden. Die Uniform der ersteren sollte die des österreichischen Ulanenregiments Schwarzenberg, die der Schützen ein grünes Kollett mit rotem Kragen und dergleichen Aufschlägen, grüne Beinkleider und Stutz- oder Tirolerhüte sein. Sofort wurden unter Autorisation des österreichischen Kommandanten Fürsten Lobkowitz, mit welchem der Herzog persönlich bekannt war, Montierungsstücke für 1000 Mann Infanterie und für eine gleiche Anzahl Kavallerie von der Stadt verlangt. Der Magistrat entgegnete auf solches Begehren, daß es ihm unmöglich sei, sowohl dieser als den von den Österreichern und Hessen zu gleicher Zeit ausgeschriebenen Requisitionen Genüge zu leisten, da die hierzu erforderlichen Geldmittel aufzubringen die Kräfte seiner städtischen Kommune nicht zuließen. Allein ungeachtet dieser nur vorgewandten Remonstrationen wurde er, obwohl die Österreicher weniger als die Hessen unsere Anforderung unterstützten und erstere durch Fortschaffung aller gefundenen Vorräte nach Theresienstadt nur für sich selbst angelegentlich sorgten, doch gezwungen, nach und nach eine bedeutende Anzahl fertiger Montierungsstücke an den Kapitän von Herzberg abzuliefern. Mit selbigen bekleideten wir die zahlreich ankommenden Rekruten, rüsteten sie mit den aus unserem Depot in Theresienstadt herbeigeschafften Armaturgegenständen aus, und gelang es uns, dem Korps verschiedene Abteilungen von mehreren 100 Mann (der einen wurde sogar eine Musikbande mitgegeben) zu senden. Auch an der von Seiten der Österreicher erhobenen Kontribution machte der Herzog seine Ansprüche geltend und empfing eine Summe von mindestens 12 000 Talern.

Während das Korps um Meißen kantonierte und der Herzog daselbst sein Hauptquartier hatte, kam der Leutnant Butze von der ihm an Schill übertragenen Mission zurück. Derselbe war nämlich gleich nach unserem Aufbruche von Nachod zu Schill, welcher, wie die eingegangenen Nachrichten lauteten, unterhalb Magdeburg für die Sache deutscher Freiheit kämpfe, mit dem Auftrage vom Herzoge gesandt worden, den kühnen Mann zu einer Vereinigung mit dem Korps aufzufordern, ihm aber auch zugleich anheimzugeben, seine Operationen so einzurichten, daß er im schlimmsten Falle als Rückzugspunkt Sachsen sich offen behalte, wo er dann leicht imstande sein würde, sich dem Herzoge anzuschließen. Unter einem anderen Namen war Butze über Zittau, Buckau nach Brandenburg geeilt, um von dort aus, das Königreich Westfalen fortwährend meidend, in die Gegend von Magdeburg zu kommen. Allein in Brandenburg erfuhr er, daß Schill, in seinen Erwartungen getäuscht, über die Elbe zurückgegangen sei und durch das Mecklenburgische sich nach Pommern gewandt habe. Obgleich Butze den Hauptzweck seiner Mission jetzt verfehlt sah, so trieb es ihn dennoch an, Schill zu folgen. Er eilte, Pommern zu erreichen; doch in dem mecklenburgischen Städtchen Waren traf er auf einen holländischen Offizier, der ihm die Bewältigung des Schillschen Korps in Stralsund erzählte und der auch der Überbringer des Hauptes des Tapferen war, welches man als eine Siegestrophäe nach Cassel sandte. In der Absicht jedoch, die Mannschaft der aufgelösten Schar für den Dienst des Herzogs zu gewinnen, begab sich Butze nach der Insel Usedom, wohin jene von Stralsund ihren Marsch gesetzt hatte. Er kam aber leider zu spät; der größte Teil der Schar hatte sich bereits auf Gnade oder Ungnade ihrem Herrn, dem Könige von Preußen, ergeben. Den Rittmeister von Tempsky und die Leutnants von Hertell und von Lysniewsky führte er nach Meißen dem Herzoge zu.

Von Prag war endlich die Genehmigung erfolgt, in Sachsen weiter vorzudringen; diesem nach brach der Herzog in Vereinigung mit den Österreichern am 19. Juni von Meißen auf.

Das Korps, welches jetzt in Sachsen weiter vordrang, hatte eine Stärke von 6000 Mann. Dasselbe bestand aus dem Bataillon Erbach, dem Bataillon Mittrowsky, vier Landwehrbataillonen, aus unserem durch die in Dresden und Meißen errichteten Werbedepots jetzt wohl zu 1400 Mann herangewachsenen Korps, einer Kompagnie Tiroler Schützen, den wenigen hessischen Truppen, zwei Batterien und 600 Mann Kavallerie. Die übrigen Abteilungen des österreichischen Heerhaufens waren in Dresden zurückgeblieben. Den 20. Juni ging der Herzog nach Oschatz, den 21. setzte das Korps bei Grimma über die Mulde, und stieß die Avantgarde am 22. Juni bei Seistersheim auf feindliche Kavallerie. Es entspann sich ein lebhaftes Gefecht, in welchem wir durch zu hitziges Vordringen mehrere Leute verloren, welche gefangengenommen wurden. Die Sachsen zogen sich, der Übermacht weichend, auf Leipzig zurück. Als das Korps dieser Stadt sich nahte, räumten sie dieselbe und setzten den Rückzug auf der Straße nach Lützen fort, wo Thielmann seit dem 18. mit dem Gros seines Korps eine Stellung angenommen hatte. Vor dem Ranstädter Tore ward jedoch ihre Nachhut von uns eingeholt, ein Gefecht entstand, in welchem unsere Gegner geworfen und bis zwei Stunden hinter Lindenau verfolgt wurden. Der Herzog biwakierte vor diesem Dorfe, die Österreicher vor Leipzig.

Den eingezogenen Nachrichten zufolge hatte der Feind Lützen verlassen und sich zwischen diesem Orte und Weißenfels aufgestellt; es ward beschlossen, ihn dort anzugreifen. Diesem nach rückte das Korps am Morgen des 23. Juni bis Lützen. Oberst Thielmann war indes schon bis Weißenfels zurückgegangen, um sich hier mit den anrückenden westfälischen Truppen zu vereinigen. Die dort über die Saale führende Brücke war von ihm verbarrikadiert und stark besetzt worden. Der Herzog ließ das Korps bei Lützen halten, um die nachrückenden Österreicher zu erwarten und mit ihnen entweder sogleich einen Angriff auf Weißenfels zu unternehmen oder, bei Merseburg die feindliche Stellung umgehend, die Saale zu überschreiten. General Am Ende war aber auf keine Weise zu dem einen oder dem andern zu vermögen, er kehrte vielmehr mit seinen Truppen nach Leipzig zurück. Der Herzog, welcher ohne Unterstützung auf einen glücklichen Erfolg nicht rechnen durfte, mußte jetzt, so niederschlagend es für ihn auch war, gleichfalls bis nach Lindenau wieder zurückgehen.

In der Nacht vom 23. zum 24. Juni erhielt der Feind eine ansehnliche Verstärkung durch die Ankunft des westfälischen Generals d'Albignac, welcher mit einem Korps von 2700 Mann in Weißenfels eintraf. Den anderen Tag rückten die nun mit den Westfalen vereinigten Sachsen vor. Um eine Umgehung zu verhüten, nahm sogleich der Herzog eine Position hinter der Elster und ließ alle oberhalb des Flusses befindlichen Brücken abbrechen. Hierauf ging er mit vier Eskadrons des Husarenregiments dem Feinde entgegen, dessen Stärke und Absichten erforschend. Zugleich setzte er den General Am Ende von dem Anrücken der Westfalen und Sachsen in Kenntnis und forderte ihn auf, zur Unterstützung schleunigst herbeizueilen, da er der Meinung sei, daß man den Feind in der von uns jetzt eingenommenen so vorteilhaften Stellung erwarten und mit ihm sich schlagen müsse. Aber General Am Ende erwiderte am 24. Juni abends, daß er auf keine Unterstützung sich einlassen, vielmehr mit seinen Truppen aufbrechen und nach Dresden zurückgehen werde, da auch der König von Westfalen mit einem anderen Korps über Merseburg im Anzuge sei und er sich keinem Echec aussetzen dürfe. Der Herzog sah sich durch eine solche Weigerung abermals in dem Verwirklichen seiner kühnen Pläne gehemmt, er war gezwungen, sein Vorhaben aufzugeben und den Österreichern wiederum zu folgen. Abends 10 Uhr traten wir den Marsch nach Grimma an und erreichten den 25. nachmittags Hubertusburg. Von hier aus versuchte der Herzog auf die Gemüter der westfälischen Soldaten durch folgenden kräftigen Aufruf einzuwirken:

 

Westfälische Krieger!

Ihr Deutsche wolltet gegen Deutsche fechten? Ihr, deren Eltern, Schwestern und Brüder von den Franzosen gemißhandelt wurden, und deren Hab und Gut von diesen Fremdlingen verschwelgt wird, Ihr wollt eben diese Franzosen mit Eurem Blute schützen? Und gegen wen? Euere Brüder sind es, Soldaten, gegen die Ihr zieht, die gekommen sind, Euere Fesseln zu zerbrechen, und Deutschlands Freiheit erkämpfen wollen! Auf denn, Hessen, Preußen, Braunschweiger, Hannoveraner und Ihr alle, die Ihr den hohen Namen Deutsche führt, eilt herbei, um mit uns Deutschlands Schmach an seinen Unterdrückern zu rächen und unser unglückliches Vaterland von dem schnöden Joche zu befreien, unter dem es schon lange seufzet! Der Augenblick ist gekommen; kein günstigerer erscheint wieder. Bonapartes stolze Macht ist bei Aspern durch Deutschlands Retter, den Erzherzog Karl, zertrümmert, Schwaben und Franken sind im Aufstande, Österreicher dringen gegen Frankfurt vor, Engländer sind gelandet, und Preußen werden heranrücken! Wollt Ihr die letzten sein, die als echte Deutsche handeln? Kommt zu uns, Ihr findet nur Brüder, die Euch mit offenen Armen empfangen und in Euer Vaterland zurückführen werden. Doch wer von Euch Sklav genug ist, für Franzosen fechten zu wollen, der mag dann auch mit seinem Tyrannen über den Rhein entfliehen und dort zu spät beweinen, gegen Deutschland gekämpft zu haben.

Hauptquartier Hubertusburg, am 25. Juni 1809.

Wilhelm,
Herzog zu Braunschweig-Lüneburg.

 

Am 26. traf das Korps in Stauchitz ein. Der Feind zögerte indes, uns mit Nachdruck zu verfolgen; er begnügte sich hauptsächlich damit, durch besoldete Zeitungsschreiber ausposaunen zu lassen, daß er einen glorreichen Sieg errungen und die schwarze Räuberbande des Herzogs von Braunschweig-Öls, wie er uns zu nennen beliebte, gänzlich geschlagen und vernichtet habe.

 

Der Tagesbefehl, welchen der König von Westfalen infolge dieses Rückzuges der Österreicher an seine Soldaten ergehen ließ, möge hier einen Platz finden. Derselbe lautete:

Soldaten!

Die Schnelligkeit unserer Märsche und das glückliche Zusammentreffen unserer Bewegungen haben für den Feind dieselbe Wirkung gehabt, als hätte er eine Schlacht verloren.
Noch vorgestern trotzte er unseren Verbündeten und drohte mit nichts Geringerem als mit Brand und Zerstörung unserer Städte und Dörfer! – Heute flieht er erschrocken vor uns! – Kaum hat er den Anblick unserer Vorposten ausgehalten.
Ganzer acht Tage bedurfte er, um von Dresden bis Leipzig vorzurücken; dagegen hat er nun gefunden, daß es deren noch nicht zwei bedarf, um von Leipzig nach Dresden zu gelangen.
Er glaubte uns noch an den Ufern der Fulda, als wir bereits über die Saale gingen. Er wußte nicht, daß wir weder Beschwerden noch Gefahr kennen würden, wenn es darum zu tun sei, unserem redlichen Alliierten, dem Könige von Sachsen, zu Hilfe zu eilen.
Soldaten! Ihr habt Euch ein Recht auf die Achtung und Freundschaft der braven Sachsen erworben, und Ihr würdet im ähnlichen Falle ebenso gewiß auf sie rechnen können, als sie mit edlem Vertrauen auf Euch gerechnet haben.

Königlich westfälisches Hauptquartier zu Leipzig,
den 26. Juni 1809.

Hieronymus Napoleon.

 

Man sieht, Jérôme hatte den pomphaften Bulletinstil des großen Bruders sich gut angeeignet. Vereitelt waren nun die Hoffnungen, welche wir von dem Beistande der Österreicher, als sie in Dippoldiswalde sich mit uns vereinigten, gehegt hatten. Und so unterblieb eine Operation, deren glückliche, erfolgreiche Ausführung nicht zu bezweifeln gewesen war.


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