Jules Verne
Reise durch die Sonnenwelt. Zweiter Band
Jules Verne

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Fünfzehntes Capitel.

Worin der ersten und letzten Beziehungen zwischen Palmyrin Rosette und Isaak Hakhabut Erwähnung geschieht.

Der Monat September kam heran. Noch immer war es unmöglich gewesen, die dunklen aber doch warmen Zufluchtsstätten im Untergrunde der Gallia zu verlassen, um die Wohnung im Nina-Bau wieder zu beziehen. Die Bienen wären ohne Zweifel in ihren alten Zellen erfroren.

Glücklicher oder unglücklicher Weise drohte der Vulkan nicht wieder in Thätigkeit zu treten.

Glücklicher Weise, denn eine plötzliche Eruption hätte die Bewohner der Gallia in dem Centralkamine, dem einzigen Abfluß für die Lava, überraschen können.

Unglücklicher Weise, weil Jedermann das verhältnißmäßig geordnete und fast comfortable Leben in dem höher gelegenen Nina-Bau gern wieder aufgenommen hätte.

»Da haben wir nun sieben abscheuliche Monate hier unten zugebracht, Herr Kapitän,« begann eines Tages Ben-Zouf. »Haben Sie unsere Nina während dieser Zeit beobachtet?«

»Gewiß, Ben-Zouf,« antwortete Kapitän Servadac, »das ist ein durchweg wunderbares kleines Wesen. Man möchte sagen, das ganze Leben der Gallia concentrire sich in ihrem Herzen.«

»Ganz recht, mein Kapitän, aber später? . . . .«

»Was willst Du damit sagen?«

»Ja, ich meine, wenn wir nach der Erde zurückgekehrt sind, können wir das Kind doch nicht verlassen!«

»Bewahre Gott, Ben-Zouf, wir werden es adoptiren!«

»Brav, mein Kapitän! Sie werden dessen Vater und ich werde, mit Ihrer Erlaubniß, seine Mutter sein.«

»Nun, dann wären wir Beide ja so gut wie verheirathet, Ben-Zouf.«

»O, mein Kapitän,« erwiderte der brave Soldat, »das sind wir in der That seit langem!«

Von den ersten Tagen des October ab wurde die Temperatur, bei dem Fehlen jeder Bewegung der Atmosphäre, selbst in der Nacht weit erträglicher. Die Entfernung der Gallia von der Sonne erreichte jetzt kaum das Dreifache des Abstandes der Erde von dem Centrum ihrer Attraction. Die Temperatur hielt sich im Mittel auf dreißig bis fünfunddreißig Grad unter Null. Dem Nina-Bau sowohl als auch der Außenwelt wurden schon häufige Besuche abgestattet. Die Kolonisten wagten sich ungestraft hinaus auf den Strand. Bei der prächtigglatten, einladenden Eisfläche des Meeres ergötzte man sich auch wieder am Schlittschuhlaufen. O, welche Freude war es für die Gefangenen, ihren Kerker einmal verlassen zu können! Tag für Tag traten auch Graf Timascheff, Kapitän Servadac und Lieutenant Prokop zusammen, um sich über die Lage der Dinge zu unterrichten und die große Frage der »Landung an der Erde« zu besprechen. Es war ja damit nicht abgemacht, an der Erdkugel anzulangen, sondern es galt auch, den verderblichen Folgen des Stoßes nach Möglichkeit zuvorzukommen.

Einer der fleißigsten Besucher des Nina-Baues war Palmyrin Rosette. Das Fernrohr hatte man wieder nach seinem Observatorium geschafft und hier beschäftigte er sich, so lange es die Kälte irgend erlaubte, mit astronomischen Beobachtungen.

Ueber das Resultat seiner neueren Beobachtungen stellte man keine Frage an den Professor. Er hätte eine solche wahrscheinlich auch nicht beantwortet. Nach Verlauf einiger Tage glaubten seine Gefährten an ihm zu bemerken, daß er gar nicht mehr zufrieden sei. In dem schiefen Tunnel des Centralkamines sah man ihn auf- und absteigen, kommen und wieder gehen. Er murmelte vor sich hin, er fluchte sogar manchmal und erschien unzugänglicher als je. Ein- oder zweimal versuchte es Ben-Zouf – wie bekannt, ein unerschrockener Held – sich dem schrecklichen Professor zu nahen. Die Aufnahme, welche er dabei fand, spottet jeder Beschreibung.

»Ich möchte wetten,« dachte er, »daß es da oben nicht ganz so geht, wie er es wünschte. Alle Wetter, wenn er nur nicht die ganze Himmelsmechanik und uns dabei mit ruinirt!«

Auch Kapitän Servadac, Graf Timascheff und Lieutenant Prokop fragten sich wiederholt, was Palmyrin Rosette wohl so sehr erregen möge. Hatte der Professor vielleicht seine Rechnung noch einmal geprüft und gefunden, daß sie mit den neueren Beobachtungen nicht übereinstimmte? Nahm der Komet etwa den ihm in den vorausberechneten Ephemeriden zugewiesenen Ort doch nicht ein und sollte er in Folge dessen nicht an der bezeichneten Stelle und in der richtigen Secunde bei der Erde anlangen?

Diese Fragen gingen Jedermann nahe, und da sich alle Hoffnungen nach dieser Seite nur auf Palmyrin Rosette's Versicherungen stützten, so war aller Grund vorhanden, zu fürchten, wenn man Jenen so seiner Sache ungewiß sah.

In der That ward der arme Professor allmälig der Unglücklichste aller Astronomen. Ohne Zweifel entsprachen seine Rechnungen nicht den jetzigen Beobachtungen, und ein Mann wie er, mußte darüber das lebhafteste Mißbehagen empfinden. Stets, wenn er nach einer lang fortgesetzten Beobachtung dreiviertel erfroren das Ocular seines Fernrohres verließ und nach seinem Zimmer herabkam, unterlag er einem wirklichen Wuthanfalle.

Hätte ihn einer seiner Gefährten in einem solchen Augenblicke angesprochen, so hätte er hören können, wie Jener immer für sich murmelnd wiederholte:

»Alle Teufel, was bedeutet das? Was macht sie da? Sie ist nicht an der Stelle, die meine Berechnungen ihr anweisen! Die Elende! Sie bleibt zurück! Entweder Newton ist ein Narr oder sie ist toll! Alles das widerspricht den Gesetzen der allgemeinen Gravitation. Was zum Teufel, ich habe mich nicht täuschen können. Meine Beobachtungen sind richtig, meine Rechnungen auch! Alle Wetter, ich werde auf den Grund kommen!«

Und Palmyrin Rosette preßte den Kopf zwischen beide Hände und raufte sich fast die Haare aus, an welchen sein Scheitel doch keinen Ueberfluß hatte. Und immer und immer erhielt er dasselbe Resultat: eine Differenz zwischen seinen Berechnungen und den nachträglichen Beobachtungen.

»Sollte in der Himmelsmechanik«, sagte er sich, »wirklich eine Störung eingetreten sein? Nein, das ist nicht möglich! Ich, nur ich bin es, der sich irrt! Und doch . . . dennoch . . .«

Wenn es bei Palmyrin Rosette noch angegangen wäre, weiter abzumagern, jetzt wäre die Gelegenheit dazu gewesen.

Fühlte er sich aber in seiner Erwartung getäuscht, so beunruhigten sich die Anderen in seiner Umgebung, was ihm freilich die geringste Sorge machte.

Dieser Zustand der Dinge sollte indeß auch ein Ende nehmen.

Eines Tages, es war am 12. October, hörte Ben-Zouf, der sich im Hauptsaale zu schaffen machte, den zufällig eben da anwesenden Professor laut und freudig aufschreien.

Ben-Zouf lief auf ihn zu.

»Ist Ihnen etwas zugestoßen?« fragte er in ziemlich gleichgiltigem Tone.

»Heureka, sage ich Dir, Heureka!« erwiderte der Professor, der sich fast wie toll geberdete.

In seiner Antwort trat ebensoviel Befriedigung als Aufregung zu Tage.

»Heureka?« wiederholte Ben-Zouf verblüfft.

»Ja, Heureka! Weißt Du, was das sagen will?«

»Nein.«

»Nun, dann geh' zum Teufel!«

»Ei,« dachte die Ordonnanz wegen Mangels einer passenden Antwort, »es ist doch ein Glück, daß Herr Rosette sich immer in höflichen Formen bewegt!«

Er ging davon, und wenn auch nicht zum Teufel, so doch zu Hector Servadac.

»Herr Kapitän,« begann er, »es giebt etwas Neues.«

»Das wäre?«

»Unser gelehrter Herr . . . er hat . . . ja, er hat ›Heureka‹ . . . .«

»Er hat es gefunden! . . . .« rief Kapitän Servadac. »Aber was hat er denn gefunden?«

»Ja, das weiß ich nicht.«

»Eben das müssen wir jedoch vor Allem wissen!«

Kapitän Servadac ward unruhiger, als er je vorher gewesen.

Inzwischen verfügte sich Palmyrin Rosette wieder nach seinem Observatorium und murmelte immer für sich.

»Gewiß, so ist es . . . Es kann nicht anders sein! . . . . O, dieser Schurke! Wenn ich Recht habe, soll er's theuer zahlen! . . . Doch, würde er es zugestehen? Nimmermehr! . . . Er müßte ja wieder herausgeben! . . . . Wohlan, ich werde mich einer List bedienen . . . . den Erfolg werden wir ja sehen!«

Wenn das Alles auch nicht zu verstehen war, so zeigte sich doch offenbar, daß Palmyrin Rosette von diesem Tage ab sein Benehmen gegen den Juden Isaak Hakhabut auffallend veränderte. Bisher hatte er ihn stets vermieden oder wegwerfend behandelt. Jetzt wurde das ganz anders.

Wer erstaunte darüber am meisten? Natürlich Meister Isaak selbst, welcher ein solches Entgegenkommen niemals gewohnt gewesen war. Den Professor sah er nun häufig nach seiner dunklen Klause herunterkommen. Palmyrin Rosette interessirte sich für ihn, für seine Person und seine Angelegenheiten. Er fragte ihn, ob er seine Waaren gut verkauft habe, was er wohl dabei gewonnen, ob er nicht eine Gelegenheit ausgenutzt habe, wie sie vielleicht niemals wiederkehren werde u. s. w. u. s. w., und alles das mit der nur schwierig verhehlten Absicht, Jenen in die Enge zu treiben.

Isaak Hakhabut antwortete, mißtrauisch wie ein alter Fuchs, nur ausweichend. Diese Veränderung in dem Benehmen des Professors ihm gegenüber machte ihn stutzig. Er fragte sich, ob Palmyrin Rosette nicht etwa darauf ausgehe, von ihm Geld zu leihen.

Bekanntlich war Isaak Hakhabut im Principe gar nicht abgeneigt, solche Geschäfte zu machen, und berechnete dabei nur den bei ihm üblichen Zinsfuß. Er rechnete sogar auf solche Operationen, um sein Geld nie müßig liegen zu lassen. Er verlangte dabei aber stets eine sichere, solide Bürgschaft und hier – gestehen wir es nur – sah er nur den Grafen Timascheff, den reichen Russen, mit dem er etwas Aehnliches gewagt hätte. Kapitän Servadac erschien ihm selbstverständlich bettelarm wie ein Gascogner. Den Professor selbst betreffend, wer hätte jemals die Idee gehabt, an einen Professor Geld auszuleihen! Meister Isaak hielt sich also sehr zurück.

Andererseits sollte der Jude in die Lage kommen, von seinem Gelde Gebrauch zu machen, wobei er sich natürlich möglichst beschränkte, worauf er aber doch nicht im mindesten gerechnet haben mochte.

Zu jener Zeit hatte er nämlich an die Gallia-Bewohner fast seine ganze Ladung derjenigen Güter verkauft, welche als Nahrungs- und Genußmittel dienten, und dabei die Vorsicht außer Acht gelassen, sich für seinen eigenen Bedarf das Nöthige zurückzubehalten. Unter Anderem fehlte ihm nun der Kaffee. Und wenn man vom Kaffee auch einen noch so sparsamen Gebrauch macht, »wenn keiner mehr vorhanden ist, dann ist eben keiner mehr da«, wie Ben-Zouf gesagt hatte.

So kam es also, daß Isaak sich plötzlich eines Lieblingsgetränkes beraubt sah, das er gar nicht entbehren konnte, und daß er dadurch in die Lage kam, es aus den Vorräthen des allgemeinen Magazines zu beanspruchen.

Nach langem Zögern und reiflicher Ueberlegung sagte er sich dann, daß, da jene Vorräthe für alle Gallia-Bewohner ohne Unterschied bestimmt waren, auch er dieselben Rechte darauf habe wie jeder Andere. Er suchte zuerst Ben-Zouf zu treffen.

»Herr Ben-Zouf,« sagte er im freundlichsten Tone, »ich hätte zu stellen eine kleine Frage an Sie.«

»So rede, Josua,« antwortete Ben-Zouf.

»Ich werde aus dem Vorrathe ein Pfund Kaffee zu meinem persönlichen Gebrauch entnehmen müssen.«

»Ein Pfund Kaffee!« rief Ben-Zouf verwundert, »wie! Du verlangst ein Pfund Kaffee?«

»Ja, Herr Ben-Zouf.«

»O, o, das ist eine ernsthafte Sache.«

»Ist vielleicht keiner mehr da?«

»Gewiß, wohl noch hundert Kilo.«

»Nun also?«

»Nun, Alter,« erwiderte Ben-Zouf mit beunruhigendem Kopfschütteln, »ich weiß es nicht, ob ich Dir das geben kann.«

»Geben Sie's mir, Herr Ben-Zouf,« sagte Isaak Hakhabut, »geben Sie, ich werde immer sein erkenntlich dafür!«

»Deine Erkenntlichkeit ist mir wahrlich höchst gleichgiltig.«

»Sie würden's aber nicht abschlagen, wenn ein Anderer als ich . . .«

»Ja, siehst Du, Du bist aber eben kein Anderer.«

»Was werden Sie thun, Herr Ben-Zouf?«

»Na, ich will mit Seiner Excellenz dem Herrn General-Gouverneur sprechen.«

»O, Herr Ben-Zouf, ich zweifle gar nicht, daß er bei seiner Gerechtigkeit . . .«

»Im Gegentheil, Alter, seine Gerechtigkeitsliebe läßt mich für Dich fürchten.«

Die Ordonnanz ließ Isaak Hakhabut mit dieser wenig tröstlichen Aussicht stehen.

Palmyrin Rosette, der dem Juden gegenüber immer auf der Lauer stand, kam gerade hinzu, als diese Worte zwischen Jenem und Ben-Zouf gewechselt wurden. Die Angelegenheit schien ihm günstig, seine längst vorbereitete Absicht zur Ausführung zu bringen.

»He, Meister Isaak,« sagte er, »Ihr braucht ja wohl Kaffee?«

»Ja, Herr Professor,« antwortete Isaak Hakhabut.

»Ihr habt also Euere ganzen Vorräthe verkauft?«

»Gott der Gerechte, ich habe gemacht diesen Fehler.«

»Teufel, ja, der ist Euch nothwendig . . . ja . . . ja, der erwärmt Euch das Blut.«

»So ist es . . . und in meinem schwarzen Loche da kann ich ihn gar nicht entbehren.«

»Nun wohlan, Meister Isaak, Ihr werdet eine für Euern Bedarf hinreichende Quantität Kaffee erhalten.«

»Nicht wahr, Herr Professor . . . . . und, wenn ich ihn auch erst verkauft habe, diesen Kaffee, so habe ich doch das Recht, zu meinem Gebrauche davon zu nehmen.«

»Gewiß . . . . Meister Isaak . . . . Gewiß! . . . Braucht Ihr denn eine große Menge?«

»Ach, nur ein einziges Pfund! . . . Ich werde ihn sparen, so viel ich kann! Ein Pfund wird für mich sehr lange reichen.«

»Doch womit soll man den Kaffee abwiegen?« fragte Palmyrin Rosette, der diese Worte wider Willen etwas stark betonte.

»Mit meiner Schnellwaage!« murmelte der Jude. Palmyrin Rosette glaubte wahrzunehmen, daß sich Meister Isaak's Brust ein leichter Seufzer entrang.

»Ja wohl,« versetzte er . . . »mit der Schnellwaage. – Eine Balkenwaage ist wohl nicht hier?«

»Nein,« erwiderte der Jude, der seinen Seufzer zu bedauern schien.

»Ei, Meister Isaak, . . . . . das wird ein vortheilhafter Handel, für ein Pfund Kaffee werdet Ihr da sieben erhalten.«

»Ja, sieben, nun das ist ja desto besser!«

Der Professor sah sich seinen Mann scharf an. Er wollte ihm eine Frage stellen . . . . . Er wagte es nicht, da er sich sagen mußte, daß Jener mit der Wahrheit hinter dem Berge halten werde, und die Wahrheit wollte er auf jeden Fall erfahren.

Schon vermochte er seine Ungeduld kaum noch zu zügeln, als Ben-Zouf wieder zurückkam.

»Nun, wie steht's,« fragte Isaak Hakhabut lebhaft.

»Der Gouverneur will nicht,« antwortete Ben-Zouf.

»Er will nicht, daß man mir Kaffee giebt! . . .« seufzte Isaak Hakhabut.

»Nein, er will nur, daß man Dir solchen verkauft.«

»Mir verkauft, Herr Gott Israel's!«

»Ja, und das ist nicht mehr als gerecht, da Du alles Geld der Kolonie zusammengerafft hast. Nun, beeile Dich, laß uns Deine Goldfüchse sehen!«

»Mich zum Kaufen zu zwingen, während ein Anderer . . . .«

»Ich habe Dir schon einmal gesagt, daß Du eben kein Anderer bist. Willst zu kaufen oder nicht?«

»Erbarmen, Erbarmen!«

»Antworte oder ich schließe den Laden!«

Der Jude wußte es aus Erfahrung, daß er mit Ben-Zouf nicht scherzen durfte.

»Nun gut, ich will kaufen . . . .« sagte er.

»Schön.«

»Aber zu welchem Preise?«

»Zu demselben, zu welchem Du verkauft hast. Man wird Dir das Fell nicht über die Ohren ziehen. Dein Pelz ist es nicht werth.«

Isaak Hakhabut hatte die Hand in die Tasche gesteckt und klapperte mit einigen Münzen.

Der Professor wurde immer aufmerksamer und schien jedes Wort aus dem Munde des Juden aufzufangen.

»Wie viel soll ich zahlen für ein Pfund Kaffee?« fragte dieser.

»Zehn Francs,« antwortete Ben-Zouf, »das ist der Marktpreis auf Warm-Land. Doch, was kann Dich das kümmern, da das Gold nach unserer Rückkehr zur Erde ohnehin keinen Werth mehr hat.«

»Das Gold soll keinen Werth mehr haben,« schrie der Jude. »Könnte das möglich sein, Herr Ben-Zouf?«

»Du wirst es ja sehen.«

»Helfe mir Gott der Gerechte! Ein Pfund Kaffee zehn Francs.«

»Zehn Francs. Nun, wird es endlich?«

Isaak Hakhabut zog ein Goldstück hervor, besah es genau bei dem Scheine der Lampe und drückte es beinahe zärtlich an die Lippen.

»Und Sie wollen wiegen mit meiner Schnellwaage?« fragte der Jude mit einem so kläglichen Tone, daß es fast verdächtig erschien.

»Womit soll ich denn wiegen?« erwiderte Ben-Zouf.

Er ergriff die Schnellwaage, befestigte eine Schaale an deren Haken und schüttete so viel Kaffee hinein, bis sie ein Pfund angab – in Wahrheit betrug diese Menge also sieben Pfund.

Isaak Hakhabut folgte mit den Augen jeder Bewegung.

»Hier nimm,« sagte Ben-Zouf.

»Steht der Zeiger richtig auf dem Striche?« fragte der Jude und neigte sich nach dem Gradbogen des Instrumentes.

»Ja doch, alter Jonas.«

»Stoßen Sie ein wenig mit dem Finger daran, Herr Ben-Zouf.«

»Und warum das?«

»Weil . . . weil . . .« murmelte Isaak Hakhabut, »weil meine Schnellwaage vielleicht nicht . . . nicht ganz vollständig . . . richtig sein könnte! . . .«

Kaum waren ihm diese Worte entflohen, als Palmyrin Rosette den Juden schon an der Gurgel hatte, ihn abschüttelte und würgte.

»Elender Wicht!« rief er zornig.

»Zu Hilfe! Zu Hilfe!« schrie Isaak Hakhabut. Es entspann sich eine regelrechte Prügelei. Ben-Zouf hütete sich wohl dazwischen zu treten. Er hetzte die beiden Gegner vielmehr noch auf einander und wollte schier vor Lachen platzen. Ihm lag, offen gestanden, an dem Einen so viel wie an dem Anderen.

Durch den Lärm wurden aber Kapitän Servadac, Graf Timascheff und Lieutenant Prokop herbeigezogen, welche sehen wollten, was es hier gäbe.

Man trennte den Juden und den Professor.

»Was zum Kuckuck ist hier los?« fragte Hector Servadac.

»Nun, dieser erbärmliche Kerl,« antwortete Palmyrin Rosette, »hat uns eine falsche Schnellwaage gegeben, eine Waage, welche ein zu großes Gewicht anzeigt!«

»Ist das wahr, Isaak?«

»Herr Gouverneur, ja . . . nein . . .« antwortete der Jude, ». . . ja!«

»Dieser Strauchdieb hat uns seine Waaren nach falschem Gewicht verkauft,« fuhr der Professor mit wachsendem Zorne fort, »und damals, als ich meinen Kometen mit seinem Instrumente wog, habe ich in Folge dessen ein größeres Gewicht erhalten als jener wirklich hat.«

»Verhält sich das so?«

»Das ist wohl möglich . . . ich weiß es nicht!« stammelte Isaak Hakhabut.

»Endlich habe ich diese falsche Masse meinen neuen Rechnungen zu Grunde gelegt und folglich stimmen diese nicht mit meinen Beobachtungen überein, so daß ich lange Zeit glaubte, sie sei nicht an ihrem richtigen Platze.«

»Welche Sie . . . . die Gallia?«

»Nein, zum Teufel, die Nerina, unser Mond.«

»Aber die Gallia?«

»O, die Gallia befindet sich immer da, wo sie sein soll,« erwiderte Palmyrin Rosette. »Sie geht geraden Weges auf die Erde zu und wir mit ihr . . . und auch dieser verdammte Jude, den Gott noch strafen möge!«

 


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