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Turnus zieht in Äneas Abwesenheit gegen das trojanische Lager; als er die Schiffe verbrennen will, werden sie in Meernymphen verwandelt. In der Nacht übernehmen es Nisus und Euryalus, dem Äneas die Gefahr zu melden, und kommen um. Am Morgen stürmt Turnus das Lager. Erste Kriegsthat des Ascanius. Pandarus und Bitias öffnen das Thor und morden die eindringenden Rutuler. Der heraneilende Turnus erlegt den Bitias, und, von Pandarus im Lager eingeschlossen, auch ihn; doch endlich, da die Menge ihn überwältigt, weicht er nach der Seite des Stroms und schwimmt zu den Seinigen.
Aber indem dies fern in entlegener Gegend vollführt wird, Sandte dich, Iris, vom Himmel herab die saturnische Juno, Zum kühnherzigen Turnus. Den Hain Pilumnus des Ahnen Hatt' jetzt Turnus besucht und weilt im geheiligten Thale. |
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5 | So mit rosigem Munde begann die thaumantische Jungfrau:
Was kein Gott, o Turnus, dem wünschenden je zu verheißen |
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10 | Und nicht genug; er drang zu Corythus äußersten Burgen, Lydiermacht zu bewaffnen, und aufgesammeltes Landvolk. Was denn gesäumt? Nun Rosse zum Kampf, nun Wagen gefordert! Brich den Verzug und sogleich das verwirrete Lager gestürmet! Sprach's und zum Himmel empor gleichschwebende Flügel erhebend, |
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15 | Rasch auf gewaltigem Bogen enteilte sie unter den Wolken. Jener erkennt, und beide die Händ' in die Lüfte der Jüngling Hebt er empor und verfolget die scheidende also mit Ausruf: Iris, wer hat im Gewölk dich schwebende, Zierde des Äthers, |
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20 | Heitre der Luft? Ganz seh' ich getrennt auseinander den Himmel, Und die Gestirn' umschweifen den Pol! ich folg' der Verheißung, Wer du zu Waffen auch rufst! – So redet' er; dann zum Gewässer Trat er vor und schöpfte vom oberen Wirbel die Welle, Viel zu den Ewigen flehend, und häufte Gelübd' in den Äther. |
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25 |
Schon das sämtliche Heer durchwandelte offenes Blachfeld, |
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30 | Wie mit des Ursprungs sieben geruhigen Bächen der tiefe Ganges die Stille durchfleußt, und mit fruchtbarem Strome der Nilus, Wann er die Ebnen verläßt und schon in das Bette sich einzwängt. Plötzlich nunmehr das Gewölk, von dunkelem Staube gewirbelt, Schaun die Teucrer von fern und die steigende Schwärze des Feldes. |
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35 | Und von der vorderen Zinne zuerst ruft also Caicus.
Welch ein Gedräng', o Bürger, das schwarz in Finsternis anrollt! |
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40 | Denn so hatt' im Scheiden, des Kampfs wohlkundig, Äneas Angemahnt: wenn irgend indes einträfe der Zufall, Nicht in die Schlacht zu ordnen das Heer, noch dem Felde zu trauen, Nein, nur das Lager zu schützen, und sicherer Wälle Verschanzung. Drum, obgleich mit dem Arme zu nahn Unwill' und Verdruß lehrt, |
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45 | Werfen sie Thor' entgegen jedoch und gehorchen dem Ausspruch, Und sie erwarten gewappnet den Feind in gehöhlten Basteien: Als schnell Turnus voran dem langsamen Zuge geeilt war, Zwanzig erlesene Reiter in seinem Gefolg' und der Festung Unvermutet sich naht; ihn trägt ein weißlich geschecktes |
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50 | Thracierroß, rot wehet von goldener Kuppel der Helmbusch.
Jünglinge, wagt sich einer mit mir, der zuerst in den Feind dort – |
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55 | Folgen sie. Alles erstaunt ob den zagenden Herzen der Teucrer, Daß nicht gleichem Gefilde sie traun, nicht männliche Waffen Tragen zum Streit, nein lauern verschanzt. Hier stürmend und dorthin Späht er die Mauern zu Roß und forscht abwegigen Zugang. So wie der Wolf, nachstellend der wimmelnden Hürde des Schäfers, |
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60 | Tückisch die Latten umtobt, da er Wind' und Regen geduldet, Über die Mitte der Nacht; dort harmlos unter den Müttern Heben die Lämmer Geblök; er, schnaubend vor Zorn und verwildert, Ras't die gesonderten an; hart peiniget ihn des Verschlingens Lange gesammelte Wut und sein blutlechzender Rachen: |
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65 | So dem Rutuler jetzt, da er Wäll' und Lager umschauet, Steigt in Flamme der Zorn; und Mark und Gebeine durchglüht Schmerz: Welcher Versuch ihm öffne den Gang, welch Mittel die Teucrer Aus dem Verschloß aufstör' und hervor in die Ebene treibe. Jetzt, wo die Flotte geheim an den Rand sich drängte des Lagers, |
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70 | Fest mit Dämmen verwahrt ringsum und fließenden Wässern, Sprengt er hinan und ermahnt die jauchzende Schar zur Entflammung, Selber die Hand eilfertig mit brennender Fichte bewaffnend. Nun strebt alles, getrennt von dem mitarbeitenden Turnus: Schon ist die sämtliche Jugend mit qnalmenden Bränden gewaffnet; |
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75 | Schon sind die Herde beraubt; pechschwarz aufdampfende Leuchtung Hebet der Kien, da mit Glut Flockasch' in den Äther emporstrahlt. Welcher Gott hat, o Musen, so grausame Flammen den Teucrern |
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80 |
Während der Zeit, da Äneas zuerst auf dem phrygischen Ida |
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85 | Sieh ein Fichtengehölz, mir wert seit Jahren der Vorzeit, War mein Hain auf der Höhe des Bergs, wo man Opfer emportrug, Von schwarznadliger Kiefer und Ahornbalken gedunkelt. Die, da der Flott' er bedurft', hab' ich dem dardanischen Jüngling Gerne geschenkt. Doch jetzo beklemmt mich bange Besorgnis. |
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90 | Löse die Furcht und laß durch Flehn dies können die Mutter, Daß kein schütternder Lauf in der Flut, kein wirbelnder Sturm sie Trümmere. Fromm' es ihnen, daß Heimat unser Gebirg' ist! Ihr antwortet der Sohn, der die Stern' umdrehet des Weltalls: |
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95 | Sollen von sterblicher Hand erbauete Barken unsterblich Haben das Los? Soll sicher die Bahn unsichrer Gefahren Gehen der Held? Wann freuet ein Gott so großer Gewalt sich? Nein, wann jen' ausduldend ihr Ziel, die ausonischen Hafen, Künftig erreicht; wie manche sodann sich gerettet aus Brandung, |
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100 | Und den dardanischen Held hinfuhr zum Laurentergefilde, Sterblichen Baues enthüll' ich sie all' und heiße sie großer Meerflut Göttinnen sein: gleichwie die nereische Doto Und Galatea die Brust durch schäumende Wogen einherstürmt. Sprach's, und Bekräftigung des bei der Flut des stygischen Bruders, |
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105 | Beim schwarzwogigen Schlunde von Pech aufsiedender Ufer, Winket er; ganz von dem Wink erschaudert umher der Olympus. Jetzt war der Tag der Verheißung genaht, und den schuldigen Zeitlauf |
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110 | Erst nun strahlt' in die Augen befremdender Schimmer, und machtvoll Schien auch Aurora daher ein Gewölk zu durchlaufen den Himmel, Und der idäische Chor; dann sank graunhaft aus den Lüften Solch ein Laut, der die Heere der Troer und Rutuler einnahm: Nicht mir so ängstlich, o Troer, die Schiffe verteidiget; niemand |
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115 | Waffne die Hand! Zu verbrennen das Meer wird eher dem Turnus Als die heiligen Fichten, vergönnt! Ihr, geht mir gelöset, Geht, Göttinnen des Meers; die Erzeugerin will's! – Und auf einmal Reißen die Barken gesamt vom Steuerende das Strandseil, Und nach Art der Delphine mit niedertauchenden Schnäbeln |
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120 | Fahren sie unter die Flut. Dann, seltsames Wunder! wie Jungfraun [So viel eherne Schiffe zuvor am Gestade gelandet,] Heben sie, gleich an Zahl, sich empor und durchfliegen die Meerflut. Tief erstaunen im Geist die Rutuler; selber geschreckt auch |
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125 | Rauheren Tons, und es wendet vom Meere den Lauf Tiberinus. Doch nicht weicht das Vertraun dem unaufhaltsamen Turnus; Trotzig ermahnet er alle zu Mut und strafet sie trotzig: Trojas Volk gilt, Männer, die Schau! Selbst Juppiter hat ihm |
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130 | Braucht es von Rutulerhand! Pfadlos sind die Meere den Teucrern: Nirgend ist Hoffnung der Flucht, und die Welt zur Hälfte verloren. Aber das Land in unsrer Gewalt! Zu Tausenden stürmen Italervölker mit Wehr! Nichts schrecken mich wahrlich, worauf wohl Stolz die Phrygier pochen, die Schicksalsworte der Götter! |
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135 | Schon hat Schicksal und Venus genug, daß Troer die Fruchtaun Rührten der segensvollen Ausonia! Eigenes Schicksal Hab' ich für mich: mit dem Stahle das frevele Volk zu vertilgen, Das mir die Gattin entriß! Nicht rühret allein die Atriden Solch ein Schmerz! nicht darf auch allein sich bewaffnen Mycene! |
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140 | »Doch einmal zu vergehen genügt.« Ja genügte zu freveln Einmal auch, und erschienen sie nicht Allhasser des ganzen Weibergeschlechts! Ha, denen des trotzenden Walles Umpfählung Dort, und der Graben Verzug, die winzige Scheide des Todes, Höhet den Mut! Doch sahen sie nicht, wie die Mauern um Troja, |
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145 | Die Neptunus getürmt mit der Hand, hinsanken in Feuer? Wer, o Erkorene nun, wer wagt, mit dem Eisen die Pfählung Einzuhaun und stürmet mir nach in das zitternde Lager? Nicht vulkanische Wehr ist mir, nicht tausend der Segel Gegen die Teucrer Bedarf! Laß immer gesamt ihm vereinigt |
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150 | Sein die Etrusker im Bund! Nicht Dunkel und schleichenden Diebstahl Dürfen sie scheun; nie bergen wir uns in dem Bauche des Rosses: Offen bei Tag', ist beschlossen, mit Glut zu umringen die Mauer! Nicht mit dem Danaer sollen sie sich und pelasgischer Jugend, Dünken im Streit, die Hektor vordem zehn Jahre zurückschlug. |
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155 | Jetzo wohlan, da entflohn mit dem besseren Teile der Tag ist, fröhlichen Muts für den Rest, nach wohl vollendeten Thaten, Pflegt, o Männer, den Leib, und harrt des bereiteten Kampfes. Aber die Thor' indessen mit wachsamer Hut zu belagern, |
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160 | Vierzehn werden, die Wälle mit Rutulervolk zu bewachen, Auserwählt; und es folgen der Jünglinge jeglichem hundert, Wallend mit purpurnem Busch und hell im Schimmer des Goldes. Rundum geht's, man wechselt den Stand; und im Grase gelagert, Spendet man milder den Wein und kehrt Mischkrüge von Erz um. |
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165 | Ringsher strahlen die Feuer; der Nacht Schlaflosigkeit kürzet Froh die Wache mit Spiel. Hierauf schaun von dem Walle herab die Troer, mit Waffen |
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170 | Tragen sie. Mnestheus drängt das Geschäft und der rasche Serestus: Welche der Held Äneas, wenn ja Unfälle bedrohten, Ordner der Thaten zu sein und der Jünglinge Lenker bestellet. Mann für Mann auf den Mauern, Gefahr und Beschwerlichkeit teilend, Wacht und betreibt um einander sein Amt, wie jedem es oblag. |
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175 |
Nisus stand dem Thore zur Hut, der beherzteste Kämpfer, |
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180 | Knab' annoch, um die Wangen mit sprossender Jugend gezeichnet. Gleiches Streben beseelte das Paar und dieselbige Kampflust. Jetzt auch warteten beide des Thors in gemeinsamer Obhut. Nisus zuerst: Ob Götter die Glut in die Seele mir hauchen? |
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185 | Kampf nun, oder was irgend für Herrliches, gleich zu beginnen, Treibt mich der Geist, und kann die behagliche Ruhe nicht ausstehn. Schau doch, welches Vertrauen der Macht die Rutuler einnimmt. Sparsam leuchtet die Glut; in Schlaf und Weine bestattet Liegen sie; ringsum schweigen die Gegenden. Weiter vernimm jetzt, |
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190 | Was ich erwäg', und welcher Gedank' in der Seele mir aufsteigt. Daß man Äneas beruf', ist allen, dem Volk und den Vätern, Eifriger Wunsch; und daß Männer man send', um Sichres zu melden. Wenn man dir, was ich fordre, verheißt, denn mir ist die Handlung Ehre genug, so hoff' ich, an jenem Hügel entdecken |
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195 | Läßt sich der Weg zu den Mauern und Festungen Pallanteums.
Aber Euryalus staunt, von begeisternder Liebe des Ruhmes Ich denn werd', als Genoß erhabener That dir zu wandeln, |
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200 | Nicht so hat mein Vater, der kundige Kriegsheld Opheltes, Unter argolischem Graun und Trojas harter Bedrängnis, Mich erzeugt und gelehrt; nicht führt' ich auch solches mit dir aus, Folgend dem Held Äneas zum äußersten Rande des Schicksals. Hier ist, hier auch ein Herz, das den Tod verachtet, und wohlfeil |
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205 | Glaubt mit dem Leben zu kaufen, wohin du trachtest, die Ehre!
Nisus darauf: Wohl hab' ich an dir nicht solches bezweifelt, |
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210 | Wenn zum Widrigen etwa der Zufall, oder ein Gott, führt; Bleib mir übrig du, dein Alter ist werter des Lebens! Einer doch sei, ob der Schlacht ich entrafft, ob mit Golde gelöst ward, Der mich vertraue der Gruft, wie Gebrauch, und versagt das Geschick dies, Der dem Entferneten Sühnung besorg' und Ehrenbegräbnis. |
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215 | Gern auch spar' ich der Mutter so trauriges Wehe, der Armen, Die dir einzig, o Knab', aus dem Schwarm der Mütter gewagt hat, Mitzugehn, nicht achtend die Stadt des erhabnen Acestes. Jener darauf: Du sträubst dich umsonst mit nichtigem Vorwand; |
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220 | Hurtig geeilt! – So ruft er, und weckt Mithütende; jene Nehmen den Ort und warten des Amts; nach verlassener Stellung Gehet er selbst mit Nisus vereint, und sie suchen den König. Alles umher in den Landen, was atmete, löset' im Schlummer |
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225 | Nur die Gebieter des Heers, die erlesene Dardanerjugend, Sannen in Ratsversammlung das Heil des gefährdeten Reiches; Was zu thun, wer jetzt dem Äneas bringe die Botschaft. Auf langschaftige Lanzen gelehnt und Schild' an den Armen, Standen sie mitten im Lager des Felds. Da naheten Nisus |
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230 | Und Euryalus schnell und sofort verlangten sie Zugang: Groß sei und wert des Verzuges der Antrag. Erst nun Iulus Nahm die hastigen auf und befahl zu reden dem Nisus. Dann so Hyrtacus Sohn: O vernehmt mit günstigem Herzen, |
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235 | Rings das Rutulervolk, in Schlaf und Weine bestattet, Schweigt; auch sahen wir selbst den Ort zu heimlichem Ausgang Frei, wo der Weg sich scheidet dem Thor, in der Nähe des Meeres. Dort ist Lücke der Feuer, und düsterer Rauch zu den Sternen Qualmet empor. Wofern des Glückes Gebrauch ihr verstattet, |
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240 | Sollt ihr Äneas, gesucht um die Festungen Pallanteums, Bald mit erobertem Raub, nach schrecklichen Mordes Vollendung, Annahn sehn. Nicht wird auch der Weg uns Wandelnde täuschen. Dort am dunkelen Thal erblickten wir vorne die Bergstadt Auf weitstreifender Jagd und späheten völlig den Strom aus. |
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245 |
Jetzo, von Jahren beschwert und gereifteren Sinnes, Aletes: |
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250 | Hielt er gefaßt und netzte mit strömender Thräne das Antlitz. – Was doch, Männer, o was kann Würdiges solcher Verdienste Euch zum Lohn ausdenken mein Herz! Den herrlichsten Lohn erst Giebt ein Gott und der Seele Gefühl; das andre vergilt dann Euch der fromme Äneas sogleich; und, der jugendlich aufblüht, |
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255 | Auch Ascanius wird euch nie vergessen die Wohlthat.
Traun ich, welchem das Heil ganz ruht auf dem kehrenden Vater, |
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260 | Leg' ich in eueren Schoß! Ruft, ruft mir zurück den Erzeuger! Laßt mich wieder ihn schaun! Nichts schreckt, wenn jener nur da ist! Zwei aus Silber geformte, von Bildungen starrende Becher Geb' ich, welche der Vater gewann als Sieger Arisbas; Zwei Dreifüße dazu, zwei große Talente des Goldes, |
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265 | Auch den altenden Krug, den geschenkt die Sidonerin Dido. Doch wenn Italerland zu empfahn und das Scepter der Herrschaft Einst dem Sieger gelingt, und das Los um Beute zu werfen, Siehe du sahst, wie Turnus zu Roß, wie in goldener Rüstung Prangete: selber das Roß, samt Schild' und rötlichem Helmbusch, |
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270 | Nehm' ich dem Lose zuvor, schon jetzt dir, Nisus, zum Lohne. Außerdem wird zwölf der erlesensten Frauen der Vater Und der gefangenen Männer verleihn, und zu jedem die Rüstung; Auch was er selbst an Gefilden besitzt, der König Latinus. Aber o dich, dem näher an Raum mein eigenes Alter |
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275 | Folgt, ehrwürdiger Knabe, sogleich mit innigem Herzen Nehm' ich dich zum Genossen und Freund für jeglichen Zufall. Ohne dich soll nimmer ein Ruhm mir in Thaten gesucht sein, Steht nun Krieg, steht Friede bevor, dir eignet der höchsten Thaten und Worte Vertraun. – Und der Knab' Euryalus redet |
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280 | Solches darauf: Mich soll kein Tag so kühnem Bestreben Ungleich zeihen hinfort; nur falle zu glücklichem Ausgang Nicht abwendig das Los! Doch dich, vor allen Geschenken, Bitt' ich um eins. Die Mutter aus Priamus altendem Urstamm Ist mir gesellt, die Arme, die nicht das Ilierland hielt |
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285 | Auszuwandern mit mir, noch die Stadt des erhabnen Acestes. Dieser, die gar nichts ahnet, was hier vielleicht für Gefahr ist, Scheid' ohn' Abschiedsgruß ich hinweg. O die Nacht und dein Handschlag Zeuge mir, nicht ja vermag ich die Mutterthrän' zu ertragen. Tröst' ihr du, ich flehe, den Gram, und hilf der Verlassnen! |
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290 | Gieb mir mit die Hoffnung von dir! Dann kühneren Mutes Geh' ich in alles, was fällt! – Den erschütterten Dardanionen Stand in Thränen der Blick; und zumeist dem schönen Iulus, Und ihm brannt' in der Seele der Vaterliebe Gedächtnis. Hierauf redet er so: |
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295 |
Alles verheiße dir selbst, was edeler Mut dir verdienet! |
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300 | Was ich dir selber gelobt, wenn du kehrst und glücklich hinausführst, Ebendasselb' ist der Mutter bestimmt und deinem Geschlechte. Also spricht er bethränt und hebt von der Schulter das Schwert sich, |
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305 | Mnestheus reicht dem Nisus ein zottiges Vließ, des erlegten Bergleun Raub; und den Helm vertauscht der biedre Aletes. Stracks nun gehn sie gewaffnet einher; da die Wandelnden aller Fürsten Gedräng' an das Thor, der Jünglinge wie der Greise, Weit mit Wünschen verfolgt. Auch du, o schöner Iulus, |
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310 | Hoch an Mut vor den Jahren erhöht und an Sorge des Mannes, Gabst dem Vater zu bringen noch viel Aufträge. Doch Lüfte Raffen sie all' auseinander und streun in Gewölk sie vereitelt. Vor nun gehn sie die Graben hindurch und im nächtlichen Dunkel Nahn sie dem Lager des Feinds; erst sollten sie wenigstens manchem |
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315 | Bringen Verderb. Ringsum voll Schlafs und Weins in die Grasau Sehn sie die Leiber gestreckt, und am Strand die gerichteten Wagen, Räder umher und Geriem, und Männer und Rüstungen liegend, Weine zugleich. Da beginnt der Sohn des Hyrtacus also: Frisch, Euryalus, wage der Arm! Nun rufet die That selbst! |
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320 | Hier ist der Weg! Du sorge, daß uns nicht etwa vom Rücken Eine Hand sich erheb', und schau in die Ferne mit Vorsicht. Hier will ich aufräumen und weit dir öffnen den Durchgang. Sprach's und dämpfte den Laut; zugleich mit dem Schwerte den stolzen |
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325 | Hingestreckt aus den Tiefen der Brust aufhauchte den Schlummer: König zugleich, und als Seher geliebt vom Könige Turnus. Doch nicht konnt' abwenden der sehende Geist das Verderben. Drei ihm zunächst durch Waffen gelagerte Diener entrafft er, Remus den Waffenträger darauf, und den Lenker des Wagens |
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330 | Unterm Gespann, mit dem Stahl ihm den hangenden Nacken enthauend. Dann dem Könige nimmt er das Haupt; der verlassene Rumpf dort Schluchzet mit strahlendem Blut, daß feucht von dunkelm Morde Teppiche triefen und Land. Auch Lamyrus schlägt er und Lamus, Auch den Jüngling Sarranus, der viel in dem nächtlichen Taumel |
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335 | Hatte gehüpft, preishaft an Gestalt, und vom Safte des Gottes Lag, die Glieder gelähmt: der Glückliche, hätt' er die Nacht durch Jenen hüpfenden Tanz in die Morgenhelle gedehnet! So wie der hungrige Leu die gehürdeten Schafe durchtummelt, Denn ihn erregt wutvolle Begier; nun schlingt er und schleppt er |
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340 | Schwaches vermummendes Vieh und knirscht mit blutigem Rachen.
Auch nicht weniger mordet Euryalus. Selber entbrannt auch |
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345 | Aber schützte vor Angst sich hinter dem mächtigen Mischkrug. Grad' in die Brust ihm barg der Nahende, als er sich aufhub, Ganz bis zum Hefte das Schwert, und voll des Mordes entzog er's Purpurrot: der speiet die Seel', und mit Blute vermischten Wein verströmt er im Tod. Fort tobet der nächtliche Würger. |
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350 |
Schon Messapus Genossen erreicht' er jetzo, wo kaum noch |
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355 | Völlig der Strafen genug! ein Weg ist gebahnt durch die Feinde!
Vieles Gerät der Männer, aus lauterem Silber gebildet, |
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360 | Reich an köstlicher Hab', um entfernt zu verbinden das Gastrecht, Cädicus; der dann sterbend vermacht' ihn zu eigen dem Enkel; Doch nach dem Tode gewannen die Rutuler ihn in der Feldschlacht. Diesen raubt er, und fügt ihn umsonst um die tapferen Schultern. Auch den messapischen Helm, ihm gerecht und von Büschen umwallet, |
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365 | Setzet er auf. Und dem Lager enteilt in das Sichere gehn sie.
Doch aus der Stadt der Latiner vorangesendete Reiter, |
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370 | Und sie nahten dem Lager bereits und den troischen Mauern, Als sie jene von fern, die links Abbiegenden, sahen, Und Euryalus gleich mit dem Helm in dämmerndem Mondlicht Unachtsam sich verriet durch hell anstrahlende Schimmer. Nicht unbedeutend erschien's. Laut ruft aus den Wandelnden Volscens: |
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375 | Halt, was suchet ihr dort? wer seid ihr, bewaffnete Männer? Wohin trachtet der Gang? – Nichts strebeten jene dagegen, Sondern beschleunigten Flucht in den Wald und vertrauten dem Dunkel. Sprengende Reiter umziehn als Kundige, jeglichen Ausgang, Hier und dort, und besetzen die Ausgäng' alle mit Wache. |
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380 |
Rauh war der Wald, dichtstarrend von Strauch und dunkler Steineich' |
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385 | Nisus enteilt. Schon war, wie betäubt, er den Feinden entronnen, An dem Gefild, das später von Albas Namen Albaner- Ebene hieß, jetzt hohes Gehöft des Königs Latinus. So wie er stand, und umsonst nach dem fehlenden Freunde sich umsah: Wo, Euryalus, wo mir Unglückseligen bliebst du? |
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390 | Wo doch folg' ich, zurück in verworrenem Gange mich wendend, Ganz durch täuschenden Wald? – Zugleich nun sammelt er rückwärts Jede beachtete Spur und durchirrt die schweigenden Büsche. Trabende Ross' und Geräusch und Zeichen Verfolgender hört er. Und nicht lange noch daurt's, da Geschrei zu den Ohren herantönt, |
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395 | Und er Euryalus schaut: den die sämtliche Menge durch Täuschung Trügrischer Gegend und Nacht, und plötzlichen Schreck des Tumultes, Einschließt, und, wie er vieles umsonst noch trachtete, wegreißt. Was zu thun? Mit Gewalt und verwegenen Waffen den Jüngling Jenen entziehn? wie, oder zum Sterben gefaßt in die Schwerter |
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400 | Stürzen und rühmlichen Tod sich beschleunigen mitten in Wunden? |