Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

»Die haben aber natürlich gespielt!«

Noch nie hatten Theaterbesucher so etwas erlebt. In der Singspielhalle im ehemaligen »Frankfurter Hof« in der Schillerstraße zu München war ich vor dem Krieg als Komiker engagiert. Ich forderte den Besitzer öfters auf, er möchte doch einmal eine neue Bühne bauen lassen, denn die gegenwärtige existierte schon seit 1870 und war nicht mehr der Zeit entsprechend. Nach vielem Zureden war er endlich dazu bereit, eine neue Bühne mit Vorhang, Dekoration, Podium und Beleuchtung anfertigen zu lassen.

Diese schöne neue Bühne stand schon in der Werkstatt des Bühnenbauers. Der Hauptpunkt der Sache war aber, daß deshalb keine Vorstellung am Abend ausfallen durste. Nach Schluß des Theaters, nachdem die Zuschauer das Lokal verlassen hatten, mußte sofort mit dem Abbruch der alten Bühne begonnen und die ganze Nacht durchgearbeitet werden, damit am anderen Abend die nächste Vorstellung schon auf der neuen Bühne vom Stapel laufen konnte.

Da kam mir eine Idee. Also, nach Schluß der Vorstellung sollte mit dem Abbruch begonnen werden! Ja, dachte ich, warum denn nicht schon vor dem Publikum?

Wir hatten als Schlußkomödie eine Bauernszene, bei der ein Bauer zu spät nach Hause kommt und von der Bäuerin eine Gardinenpredigt erhält. Der Bauer bekommt deshalb Streit mit seiner Frau, fängt an zu toben und schlägt mit den Fäusten auf den Tisch; sonst tat er nichts. Im Ernstfalle würde der Bauer vielleicht im Jähzorn die Möbeleinrichtung demolieren. Das könnte er doch eigentlich heute machen, dachte ich mir, denn die alte Bühne brauchen wir morgen sowieso nicht mehr.

Zeichnung: Karl Arnold

Gut, ich teilte meine Idee dem Bauern mit, sonst niemand, nicht einmal der Bäuerin, die am Abend die Szene spielen mußte.

Am Abend wurde das übliche Programm heruntergespielt, und dann kam die Schlußkomödie mit der letzten Szene. Als die Gardinenpredigt der Bäuerin zu Ende war, ergriff der Bauer nicht bloß das Wort, sondern auch ein Beil und schrie: »Jetzt wirds mir aber amol zu dumm, Himmisapprament«, und ein wuchtiger Hieb zertrümmerte gleich die Zimmertüre, die natürlich nur aus Kulissenplatten und Leinwand bestand. Dann schrie er zum Fenster hinaus: »Großknecht, da geh rei.« Ich erschien ebenfalls mit einem Beil – und nun ging es los.

Alle, der Besitzer des »Frankfurter Hofes«, die Besitzerin, die Stammgäste, das Publikum und die Bäuerin – alle sperrten Augen und Mund auf, als die ganze Bühne vor ihren Augen in Trümmer zerfiel. Sogar die Podiumfußbodenbretter rissen wir auf. Einige Gäste flohen aus dem Saal, weil sie glaubten, die Schauspieler wären wahnsinnig geworden.

Kopfschüttelnd verließen die Gäste die Singspielhalle und einige meinten: »Die haben aber natürlich gespielt. ...«

Und am nächsten Abend spielten wir auf den neuen Brettern, die die Welt bedeuten.

Zeichnung: Karl Arnold

*

 


 << zurück weiter >>