Ludwig Uhland
Walther von der Vogelweide
Ludwig Uhland

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Fünfter Abschnitt.

Walthers Minnesang.

Walther hat den König versichert, wenn er seines Wunsches gewährt, wenn ihm eine Heimat geschaffen würde, dann wollte er singen von Vögelein, von der Heide, von Blumen und von schönen Frauen. Er bezeichnet damit die Bestandteile des Minnesangs und giebt uns Anlaß, nunmehr seine eigentlichen Minnelieder zu betrachten.

Wir finden denn auch bei ihm jene bekannten Gattungen und Formen des Minneliedes: spielende Wonne und sehnendes Leid in Sommer und Winter, dienstliches Werben, Gespräch zwischen Ritter und Frau, Meldung des Boten, Trennung der Liebenden, wenn der Tag durch die Wolken scheint, Hilfruf an Frau Minne, Klage über die Merker, ein verhaßtes Geschlecht, das die Freuden der Liebe belauert und stört.

Gern jedoch würden wir selbst den Merker spielen, wenn wir hoffen könnten, auch hier etwas Geschichtliches aus dem Leben des Dichters zu erspähen. Aber er ist behutsam, er führt uns irre und verspottet uns.

Mancher fragt ihn, wer die Liebe sei, der er diene und bis daher gedient. Wenn ihn dieses verdrießt, so spricht er: »ihrer sind drei, denen ich diene, und nach der vierten habe ich Wunsch.« Doch weiß es sie alleine wohl, der er vor ihnen allen dienen soll (I, 110b).

Ein andermal fertigt er die Neugierigen so ab:

Sie fragen und fragen aber allzuviel
Von meiner Frauen, wer sie sei.
Das mühet mich so, daß ich sie ihnen nennen will,
So lassen sie mich doch darnach frei. 326
Genade und Ungenade, diese zweene Namen
Hat meine Fraue beide, die sind ungeleich:
Der eine ist arm, der andre reich.
Der mich des reichen irre, der müsse sich des armen schamen!   (I, 122a.)

Genade] Gnade, Liebesgunst, Erhörung. – ungeleich] ungleich. – irre] hinderlich sei. – schamen] zu schämen haben.

Dennoch scheinen die Merker auf eine Spur gekommen zu sein. Man wirft ihm vor, daß er seinen Sang so nieder wende. Er muß sich und die Geliebte verteidigen. Die, sagt er, traf die Minne nie, die nach dem Gute und nach der Schöne minnen. Doch du bist schön und hast genug. Was sie reden, ich bin dir hold und nähme dein gläsen FingerleinEin gläsen Fingerlein bezeichnet auch im Tristan (Grootes Ausgabe V. 16 883) eine Sache von sehr geringem Wert.Maßmanns Denkmäler I, 112, 220: ain glesein vingerlein. (Fingerring) lieber, als einer Königin Gold (I, 117a).

Auch ein NameI, 121b, 4: Der Name Guote? wird genannt:

Meines Herzens tiefe Wunde,
Die muß immer offen stehn,
Sie werde denn heil von HiltegundeWaltharius (ed. Grimm) 1408: veniens quae saucia quaeque ligavit.   (I, 136b.)

Von sich selbsten gesteht Walther, daß er nicht aller Männer schönster sei; sein Haupt sei nicht allzu wohlgethan. Es nimmt ihn wunder, was ein Weib an ihm ersehen. Sie hat doch Augen; hat ihr jemand von ihm gelogen, so beschaue sie ihn baß! Wo sie wohnt, da wohnen wohl tausend Männer, die viel schöner sind. Nur daß er auf Fuge (Sitte, auch Kunst) sich ein weniges versteht. Will sie aber Fuge für die Schönheit nehmen, so ist sie viel wohlgemut (I, 139a).

Im allgemeinen hat er von der Minne allerdings einen hohen Begriff. Der verlieret seine Tage, dem nie von rechter Liebe ward weder wohl noch weh. Minne ist ein Hort aller Tugenden, ohne Minne wird nimmer ein Herz recht froh. Ja, ohne Minne kann niemand Gottes Huld erwerben (I, 104a. 127a).

Er ermahnt die Jugend, nach Herzeliebe zu werben (I, 108a). Wer Würde und Freude erwerben will, der diene um gutes Weibes Gruß (I, 109b)! Wer gutes Weibes Minne hat, der schämt sich aller Missethat. Was hat die Welt zu geben Lieberes, denn ein 327 Weib? (I, 108b). Den Fürsten hält er als Lohn ihrer Tugenden vor, von den reinen, süßen Frauen gelobt zu werden (I, 133a). Er verwahrt sich gegen die Anschuldigung, als hätte er in seinem Sange guter Frauen übel gedacht, und er ruft männiglich zu Zeugen auf, ob deutschen Weiben jemand je besser gesprochen. Daß er die Guten von den Bösen scheide, das nur erzeuge den Haß (I, 120b). Sein begeistertes Lob deutscher Frauen, worauf er sich hier beziehen mag, ist zuvor ausgehoben worden. Man soll alle Weiber ehren, aber doch die besten baß, behauptet er anderswo (I, 120b). Die Regeln der Weisheit und Ehre, die er in einem seiner Lieder giebt, schließt er mit den Worten: »Willt du das alles übergülden, so sprich wohl den Weiben!« (I, 133b). Von der Frau seines Herzens sagt er, sie entfremde ihm alle andre, nur daß er um ihretwillen alle ehren müsse (I, 124a). Der Gedanke an gute Frauen ist ihm ein Trost in böser Zeit:

Wer verhohlne Sorge trage,
Der gedenke an gute Weib, er wird erlost,
Und gedenke an lichte Tage!
Die Gedanken waren stets mein bester Trost.
Gegen den finstern Tagen hab' ich Not,
Nur daß ich mich richte nach der Heide,
Die sich schämt vor Leide,
So sie den Wald sieht grünen, so wird sie immer rot.   (I, 114b.)

erlost] erlöst. – gegen] vor. – hab' ich Not] banget mir.

Gleichwohl ist es nicht die tiefere und anhaltende Leidenschaft, die zärtliche Innigkeit, das Versinken in einem Gefühle, was Walthers Minnelieder auszeichnet, zumal wenn sie in dieser Beziehung mit den Liedern andrer vorzüglichen Minnesänger, z. B. Reinmars des Alten oder Heinrichs von Morunge, verglichen werden. Es ist sogar nicht zu leugnen, daß mehrere an einer gewissen Trockenheit leiden. Das Selbstbewußtsein, die Überlegung ist in manchen sehr vorherrschend. Einigemale giebt er der Geliebten zu verstehen, wenn sie ihm nicht hold sein wolle, so werde er sich anderwärts zu helfen wissen. Sie möge aber bedenken, daß nicht leicht jemand besser, denn er, sie loben könne (I, 123b). Doch drückt er dieses noch zärtlich genug aus, wenn er sagt: Ihr Leben hat meines Lebens Ehre; tötet sie mich, so ist sie tot (I, 124b). Er vermißt sich sogar, um die schönen Tage zu klagen, die er an ihr versäumt habe. Not und Ungemach um der Liebe willen zu leiden, würde ihn 328 nicht so sehr bekümmern, als verlorene Zeit (I, 118a). Ja er sagt einmal, Minne habe von ihm in der Woche je nur den siebenten Tag (I, 120a).

Hierbei darf nun aber nicht übersehen werden, daß er den Minnesang bis in ein sehr vorgerücktes Alter fortgesetzt. Auch in der Minne vermißt er eine verschwundene bessere Zeit; hierbevor, da man so recht minniglich warb, da waren meine Sprüche auch freudenreich; seit daß die minnigliche Minne also verdarb, seit sang auch ich ein Teil unminniglich (I, 116b). Er klagt, daß Falschheit überhandgenommen. Seit man falscher Minne mit so süßen Worten geehrt, kann ein Weib nicht wissen, wer sie meine. Der die Weiber allererst betrog, der hat an Männern und Weibern missefahren (I, 104a). Aber auch die Frauen erkennt der Dichter schuldig; daß die Männer so übel thun, das ist gar der Weiber Schuld. Hiervor stand der Frauen Mut auf Ehre; jetzt sieht man wohl, daß man ihre Minne mit Unfuge erwerben soll (I, 107b). Das thut uns Männern den meisten Schaden, daß wir den Weibern gleich lieb sind, wir seien übel oder gut. Unterschieden sie uns, wie vormals, und ließen auch sich unterscheiden, das frommte uns vieles mehr, Männern und Weibern beiden (I, 116b).

Walther bedauert ein schönes Weib, daß ihr die Schönheit nichts nütze, seit man nicht mehr gewohnt sei, inneren Wert bei Schönheit zu finden:

Ich will einer helfen klagen,
Der doch Freude ziemte wohl,
Daß in also falschen Tagen
Schönheit Tugend verlieren soll.
Hierbevor wär' ein Land erfreuet über ein so schönes Weib.
Was soll der nun schöner Leib?   (I, 140a.)

Aber nicht bloß in diesem Rückblick auf verlebte Zeiten zeigt sich uns der Dichter als einen bejahrten Mann. Er giebt es noch näher. Minne, sagt er, hat einen Brauch, damit sie manchen beschwert, den sie nicht beschweren sollte. Ihr sind vierundzwanzig Jahr viel lieber, denn ihr vierzig sind; sie stellet sich viel übel, sieht sie irgend graues Haar.»Die Weiber hassen graues Haar«, führt schon Heinrich von Veldecke (Man. I, 20a) als ein altes Sprichwort an. Minne war so ganz die Meine, daß ich wohl wußte all ihr Geheimnis. Nun ist mir so geschehen: kommt ein Junger jetzo her, so werde ich mit zwerchen Augen schielend angesehen. Armes Weib! wes mühet sie sich? Weiß Gott! ob sie auch Thoren trüget, sie ist doch älter viel, denn ich (I, 120a).

329 Noch mehr! Walther versichert, wohl vierzig Jahre und drüber habe er von Minne gesungen (I, 122b). Darum auch kein Wunder, wenn manche seiner Lieder nicht mehr die Frische jugendlichen Lebens atmen! Er sagt sich am Ende feierlich von der Minne los; sein Minnesang möge nun andern dienen und ihre Huld werde dafür sein Teil. Er segnet sich, daß er auf der Welt so manche frohVgl. Man. I, 170b, 5. gemacht, Mann und Weib. Aber von der vergänglichen Minne, die nichts weiter ist, als vom Fische der Grat,Gotfrids von Straßburg Werke II, 106, Str. 22: Du bist ein visch unz uf den grat. wendet er sich jetzt zu der steten, ewigenUlrichs von Turheim Tristan Z. 250. (I, 123a).

Wir müssen jedoch zurückkehren, um nun auch die Lichtseite seines Minnesanges darzulegen. Wenn dieser Dichter nicht in derjenigen Gattung von Minneliedern voransteht, deren Seele die innigste Empfindung ist, so ergreift er dagegen auch hier durch die sinnliche Kraft seiner Darstellung, durch die Anschaulichkeit und den Farbenglanz seiner Lebensbilder; Vorzüge, die er uns schon anderwärts bewährt hat. Es sind in dieser Beziehung einige etwas mutwillige Lieder nicht minder auszuheben, als andre von würdiger und hoher Art.

Zuerst eine Tanzweise, ein Reigen:

»Nehmet, Fraue, diesen Kranz!«
Also sprach ich zu einer wohlgethanen Magd.
»So zieret ihr den Tanz
Mit den schönen Blumen, so ihr's auf euch tragt.
Hätt' ich viel edel Gesteine,
Das müßt' auf euer Haupt,
Ob ihr mir es glaubt.
Seht meine Treue, daß ich es meine!«

»Fraue, ihr seid so wohlgethan,
Daß ich euch mein Schapel gerne geben will,
Das allerbeste, das ich kann.
Weißer und roter Blumen weiß ich viel;
Die stehn so ferne in jener Heide,
Da sie schön entsprangen
Und die kleinen Vögel sangen,
Da soll'n wir sie brechen beide.«

Sie nahm, das ich ihr bot,
Einem Kinde viel geleich, dem Ehr' geschieht. 330
Ihre Wangen wurden rot,
Wie die Rose, da man sie bei Lilien sieht;
Des mußten die lichten Augen sich schämen.
Da neigte sie mir viel schöne,
Das ward mir zu Lohne;
Wird mir noch mehr, das will ich schweigend nehmen.   (I, 125a.)

seht meine Treue] man denke sich hierbei die Bewegung des Schwörens oder des Handschlags! – meine] ernstlich meine. – Schapel] Kranz, Kopfschmuck. – geleich] gleich.

Wie es mit dem BlumenbrechenAnderswo singt Walther:
    Müßte ich noch erleben, daß ich die Rosen
    Mit der Minniglichen sollte lesen,
    So wollt' ich mich so mit ihr erkosen,
    Daß wir immer Freunde müßten wesen.   (I, 137b.)
Ein andrer Dichter wendet sich so an ihn:
    Hör' an, Walther, wie es mir staht,
    Mein traut Geselle von der Vogelweide!
    Hilfe suche ich und Rat,
    Die Wohlgethane thut mir viel zuleide.
    Könnten wir ersingen beide,
    Daß ich mit ihr müßte brechen Blumen an der lichten Heide!   (I, 140a.)
Vgl. Reinmar I, 81b.  Nithart II, 81a.  Hadloub II, 194b. 195b.  Schön sagt König Wenzel von Beheim, I, 2b:
    Ich brach der Rosen nicht und hatt' ihr doch Gewalt.
gemeint sei, verrät ein weiteres Lied, an dem der hörbare Wohllaut der Singweise zu bewundern ist:

Unter der Linden,     an der Heide,
Da unser Zweier Bette was,
Da möget ihr noch finden,     schöne beide,
Gebrochen Blumen unde Gras,
Vor dem Walde, in einem Thal,
Tandaradai!
Schöne sang die Nachtigall.

Ich kam gegangen     zu der Aue,
Da war mein Friedel kommen eh'.
Da ward ich empfangen,     hehre Fraue,
Daß ich bin selig immermeh.
Er küßte mich wohl tausendstund,
Tandaradai!
Seht, wie rot mir ist der Mund!

Da hatt' er gemachet,     also reiche,
Von Blumen eine Bettestatt. 331
Des wird noch gelachet,     innigliche,
Kommt jemand an denselben Pfad;
Bei den Rosen er wohl mag
Tandaradai!
Merken, wo das Haupt mir lag.

Daß wir da lagen,     wüßt' es jemand,
Das hüte Gott! so schämt' ich mich.
Wes wir da pflagen,     nimmer niemand
Befinde das, denn er und ich
Und ein kleines Vögelein!
Tandaradai!
Das mag wohl getreue sein.   ((I, 113b.)

was] war. – schöne beide] Beiwort des nachfolgenden: Blumen und Gras. – Friedel] Liebster. – hehre Fraue] wohl nicht Anrede an eine Vertraute, sondern Ausruf zu Marien. – immermeh] immermehr, immerfort. – tausendstund] tausendmal. – treue] verschwiegen.

Wir lassen noch einige der kleineren Liebeslieder folgen:

Mich deuchte, daß mir immer
Lieber würde, denne mir zu Mute was.
Die Blumen fielen immer
Von dem Baume bei uns nieder in das Gras.
Seht! da mußte ich vor Freuden lachen.
Da ich so innigliche
War im Traume reiche,
Da taget' es und mußt' ich wachen.   (I, 137a.)

Daß ich dich so selten grüße,
Das ist ohn' alle arge Missethat.
Ich will wohl, daß zürnen müsse
Lieb mit Liebe, wo es von Freundes Herzen gaht.
Trauren und werden froh,
Sanfte zürnen, sehre sühnen:Vgl. Man. I, 168b, 4.  Tristan 13047 ff.
Das ist der Minne Recht, die Herzeliebe will also.   (I, 123b.).

In einem zweifelichen Wahn
War ich gesessen und gedachte,
Ich wollte von ihrem Dienste gahn,
Nur daß ein Trost mich wiederbrachte. 332
Trost mag es doch nicht heißen, es
Ist viel kaum ein Tröstelein,Benekes Beiträge S. 246, 4: fröidelin.  Wiener Jahrbücher der Litteratur B. 64. 1833. Anzeigeblatt S. 23.  In einer testamentarischen Urkunde Friedrichs des Streitbaren: Simul cum Trostelino.
So kleine, wenn ich euch das sage, ihr spottet mein;
Doch freuet sich selten jemand, der nicht wisse, wes.

Mich hat ein Halm gemachet froh;
Er sagt, ich solle Gnade finden.
Ich maß dasselbe kleine Stroh,
Wie ich zuvor gesehn bei Kinden.
Höret und merket, ob sie's denne thu'!
Sie thut nicht, sie thut; sie thut nicht, sie thut; sie thut nicht, sie thut.Vgl. Alt Meister-Gesangbuch S. 43. DLXXXXVI.
Wie oft ich also maß, war stets das Ende gut.
Da gehört auch Glaube zu.   (I, 142.)

Einen höheren Schwung nimmt das nachfolgende Mailied:

So die Blumen aus dem Grase dringen,
Gleich als lachten sie gegen der spielnden Sonnen,
In einem Maien, an dem Morgen fruh,
Und die kleinen Vögelein wohl singen
In der besten Weise, die sie können,
Was Wonne kann sich da vergleichen zu?
Es ist wohl halb ein Himmelreiche;
Nun sprechet alle, was sich dem vergleiche!
So sage ich, was mir ofte baß
In meinen Augen hat gethan und thäte auch noch, ersähe ich das:

Wo eine edele Fraue, schöne, reine,
Wohl bekleid't und dazu wohl gebunden,
Um Kurzeweile zu viel Leuten geht,
Höfelichen, hochgemut, nicht eine,
Um sich sehend ein wenig unterstunden,
Gleich wie die Sonne gegen den Sternen steht.
Der Maie bringe uns all sein Wunder!
Was ist denn da so Wonnigliches unter,
Als ihr viel minniglicher Leib?
Wir lassen alle Blumen stehn und gaffen an das werte Weib.

Nun wohlauf! wollt ihr die Wahrheit schauen,
Gehn wir zu des Maien Hochgezeite! 333
Der ist mit aller seiner Wonne kommen.
Seht an ihn und seht an schöne Frauen!
Welches hie das andre überstreite?
Das bess're Spiel, ob ich das habe genommen?
Wer mich hie eines wählen hieße,
Daß ich das eine um das andre ließe,
Ahi! wie schnell ich danne köre!
Herr Mai, ihr müßtet Märze sein, eh' ich meine Fraue da verlöre.   (I, 116a.)

wohl gebunden] mit schönem Gebände, Kopfband. – zu viel Leuten] unter die Leute, zu einer festlichen Versammlung. – nicht eine] nicht allein, mit Begleitung. – unterstunden] zuweilen. – Hochgezeite] Fest. – köre] wählte.

Die Reihe der Minnelieder schließen wir mit zwei Gesätzen, welche, ganz ihrem Inhalt gemäß, in einer von jenen volltönenden Weisen gedichtet sind, womit sonst der Dichter die Könige zu begrüßen pflegt:

Durchsüßet und geblümet sind die reinen Frauen,
Es ward nie nichts so wonnigliches anzuschauen
In Lüften, auf Erden, noch in allen grünen Auen.
Lilien, Rosenblumen, wo die leuchten
Im Maientaue durch das Gras, und kleiner Vögelein Sang,
Das ist gegen solcher wonnereicher Freude krank.
Wo man ein' schöne Fraue sieht, das kann trüben Mut erfeuchten
Und löschet alles Trauren an derselben Stund'.
So lieblich lachet in Liebe ihr süßer roter Mund,
Und Strahle aus spielnden Augen schießen in Mannes Herzensgrund.   (I, 130a.)

krank] schwach. – erfeuchten] erfrischen. – Strahle] Pfeile.

Viel süße Fraue, hochgelobt mit reiner Güte,
Dein keuscher Leib giebt schwellend Hochgemüte.
Dein Mund ist röter, denn die lichte Rose in Taues Blüte.
Gott hat gehöhet und gehehret reine Frauen,
Daß man ihn'n wohl soll sprechen und dienen zu aller Zeit.
Der Welte Hort mit wonniglichen Freuden leit
An ihnen. Ihr Lob ist lauter und klar. Man soll sie schauen;
Für Trauren und für Ungemüte ist nichts so gut,
Als anzusehn ein' schöne Fraue, wohlgemut,
Wenn sie aus Herzensgrund ihrem Freunde ein lieblich Lachen thut.   (I, 130b.)

334 wohl sprechen] Gutes von ihnen sprechen. – leit] liegt. – Ungemüte] Unmut.

Ein Überblick über diese Minnelieder giebt uns den Eindruck, daß in denselben der Dichter nicht von seinem Gegenstande beherrscht sei, sondern diesen mit Freiheit außer sich stelle. Zumal in den ausgehobenen Gedichten höheren Stils betrachtet er die Schönheit und den Wert der Frauen, fast ohne eigenen Anspruch, als eine glänzende Erscheinung, die er in das Ganze seiner Weltanschauung aufnimmt.

 


 


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