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Abhandlung über Erziehung, vorgelesen von der Bürgerin Tallien vor der Versammlung im »Tempel der Vernunft« zu Bordeaux am 1. Décadi des Monat Nivôse gelegentlich der Nationaldenkfeier für die Eroberung von Toulon. Gedruckt auf Verlangen der Versammelten.
Ich maße mir nicht an, der schwierigen Aufgabe, welche ich mir gestellt habe, zu meinem Ruhme entsprechen zu können, ich rechne vielmehr auf die Nachsicht meiner Zuhörer; ich trete mit dem Versuch eines flüchtig skizzirten Planes über die Erziehung der Jugend vor Sie hin. Ich will nur hier und dort einen Gedanken hinwerfen und werde glücklich sein, wenn ich durch das Opfer meiner Eigenliebe den Beistand empfänglicher Seelen, die Unterstützung guter Mitbürger finde.
Viele Schriftsteller haben das schwierige Thema behandelt; berühmte Philosophen sich damit befaßt, ihre Zöglinge durch weisen Unterricht zur Tugend anzuhalten – Keiner von ihnen aber stand auf der Höhe der Ereignisse, wie sie heute Schlag auf Schlag aufeinander folgen. Fast Alle, eingezwängt in die Vorurtheile der alten Zeit und von denselben beeinflußt, konnten ihren Gedanken nicht jenen Schwung aufwärts zur Wahrheit geben, durch den Sie selber allein Helden heranzubilden, ich sage mehr: Männer, die eine Republik bewohnen können, heranzubilden im Stande sind. Das erhabene Fanal, genannt Vernunft, warf nur erst einen matten Schein; das Genie war gefesselt, war vom Despotismus in Ketten gelegt, die Tugenden, welche die Menschen groß machen, waren in ihrem Entstehen erstickt, das Laster aber triumphirte. Für wen hätten sie schreiben sollen? Und wie hätten sie schreiben können!
»Die Kinder«, sagte der weise Locke, »müssen zur Erziehung geeignet sein, ehe man daran gehen kann, sie zu erziehen.«
Die Vorbereitung, das Geeignetmachen muß in physischer Richtung erfolgen, nur in diesem Sinne dem jungen Dasein gewidmet sein; wenn das Gehirn des Kindes durch seine Weichheit geeignet erscheint, Eindrücke zu empfangen, wozu soll man dann seine Einbildung mit Dingen belasten, die außerhalb seiner Sphäre liegen? Wozu es in Gedanken begraben, in einer Unmasse von Wörtern, die es nicht versteht? Warum im Widerspruch zur Natur den jungen Aesten fremde Reiser oculiren, deren Säfte die Vernichtung eines neuen Versuches, der der Menschheit schädlichen Gewohnheiten bedingen.
Mütter! Habt Acht! Haltet den Stand hoch, welchen die Natur Euch gab. Erfüllt mit peinlicher Genauigkeit die Pflichten, welche sie Euch Euren Kindern gegenüber auferlegte. Denkt stets daran, daß eine sorglose, pflichtvergessene Mutter ein die Allgemeinheit treffender Schaden ist, daß die Gesellschaft sie mit entschiedener Verachtung strafen und sie wie ein Ungeheuer von sich schleudern soll. Werdet Euch klar darüber, daß die geringfügigste Verrichtung der Pflege werthvoll für ein Alter ist, bei dem Alles, selbst das Dasein Arbeit ist. Verschärft nicht die traurige und öde Kindheit mit dem Lärm eines von der Philosophie verworfenen Systems, an dem die Zeit eine gerechte Rache nahm. Ernährt die jungen Schädel mit allen für den Zustand der Menschen wichtigen Gedanken, damit alle, die ihnen einst zum Grundpfeiler eines vorwurfsfreien Wandels werden können, ihnen in glühenden Lettern eingeprägt sind, und Ihr werdet ihnen ein Thermometer des Wohlergehens für ein Alter geschaffen haben, in welchem Ihr gezwungen seid, sie aus Eurem schützenden Asyl zu entlassen.
Dann sollte die Erziehung nach zielbewußtem Plane beginnen. Möge das Kind weit entfernt sein vom Vaterhause, mögen nicht Unwürdige betraut sein mit der Unterweisung und Pflege dieser zahlreichen, zarten Sprößlinge. Es soll eine Ehrensache sein. Mögen im Zeitalter der philosophischen Regeneration diejenigen tugendhaften Männer, die mit der öffentlichen Erziehung betraut sind, geehrt und geachtet werden als die Träger von Principien, welche die Gesellschaft beschirmen und verschönern können.
O! Ihr edelmüthigen Eifrer, deren Lebenspfad mit Dornen besät ist, möge Euch Nichts zurückschrecken. Möchtet Ihr, nachdem Eure Mitbürger Euren erleuchteten Geist, Eure Talente und Eure Tugenden erkannt haben, den geduldigen Muth finden, der so nothwendig ist für den glorreichen Beruf, dem Ihr Euch widmetet. Mögen Eure Zöglinge wie Eure Kinder sein. Seid ihnen liebende Väter. Zieht die Neigungen ihrer Herzen in Erwägung, die noch von keiner Verstellung überdeckt sind, und wenn Ihr erst einmal die Irrgänge gewahr geworden seid, in welche die Weisheit selbst zuweilen geräth durch verspätete Untersuchungen, so leitet Eure Lehren auf den Punkt, von dem aus Ihr die richtigen Dispositionen treffen werdet. Möge das Kind in Euch seinen Richter, zugleich aber auch einen Freund erkennen. Möge es das Bedürfniß empfinden, Euch seine Fehler zu bekennen, um sich einer Last zu entledigen, welche es von der Tugend fortzerrt; mögen Eure weisen Rathschläge es zu ihr zurückführen, möge es sich erleichtert fühlen und Milde allein es leiten. Mögen alle Strafen, die das Kind verthieren, die es schimpflich erniedrigen und es zu einer Heuchelei zwingen, die ja erklärlich ist, weil es einer Züchtigung entgehen möchte, vor der das Bekennen seiner Schuld es nicht retten würde, unterbleiben.
Aus diesem neuen System entfernt zum Frommen der Kinder alle scholastischen Formen, alle Pedanterie. Möge die lateinische, diese allerdings erhabene Sprache nicht zu einem unbedingten Erforderniß in der Erziehung der Schüler werden. Mögen sie zunächst die Sprache ihres Heimathlandes correct erlernen, auf eine richtige Aussprache muß besonders geachtet werden. Sie müssen lernen, sich vor der Oeffentlichkeit leicht und wohlgefällig auszudrücken; ohne Bombast und Pomp ihre Ideen wiederzugeben: Einfachheit und Klarheit gelten als ein Zeichen des Freimuths! Körperliche Uebungen sollen besonders gefördert werden. Gewandtheit, Muth, Tugend sollen in dem neuen System eine besondere Auszeichnung erfahren, sollen belohnt werden, alle Kinder ohne Ausnahme die öffentlichen Schulen besuchen: die Kinder gehören, ehe sie den Eltern gehören, dem Staat. Mögen talentvolle Anlagen Beifall finden und geschätzt werden, falls sie nicht beleidigend für Diejenigen sind, welche die Natur weniger bevorzugt hat.
Alle körperlichen Uebungen, militärischen Bewegungen, ein Kampf sogar, unter der Aufsicht kundiger Unterweiser, Alles, was geschmeidig, kräftig macht – das sind Dinge, welche Soldaten, Republikaner, Vertheidiger der Freiheit, welche Männer schaffen.
Nehmt Theil, Lehrer, an den Spielen Eurer Zöglinge, wie Ihr deren Arbeiten überwacht; ein sanfter Friede blicke aus Euren Augen; seid ihnen Vorbilder, stellt aber ihren schlichten Zerstreuungen keine Hindernisse in den Weg. Nach den Freuden dieses glücklichen Alters kommen die ernsteren Studien des Jünglingsalters: sie sollen ein würdiges, majestätisches Gepräge haben, sollen den Mann gemahnen, daß er diese Bezeichnung verdienen muß, um nicht zu den Usurpatoren eines stolzen Titels zu zählen.
Fremdländische Sybariten! Möge Eure unheilvolle Weichlichkeit nie wieder innerhalb der Grenzen meines wiedergeborenen Vaterlandes auftauchen! Eine einfache, bescheidene Kleidung möge die Jugend gewöhnen, den Luxus als den Feind der Sitten und der republikanischen Würde zu fliehen. Möge Frankreich ihren Ansprüchen genügen, Arme, für alle Arbeit tauglich, mögen seine Unabhängigkeit, seine Cultur, die Zunahme seiner Produkte und Reichthümer sichern. Wir werden alsdann das Zeitalter der Philosophie, der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit wieder erstehen sehen und das erstaunte Europa, wenn auch seine Völker den Muth nicht haben werden, uns nachzuahmen, wird uns Beifall zollen. Die Ehre allein wird Gebieterin sein.
Diese Tugend, meist die Maske von Fehlern, Verirrungen, ich hätte beinahe gesagt von allen Lastern, wird in ihrem vollen Glanze strahlen.
Ihr, weise Vorsteher unserer Gymnasien, schont des zarten Gewebes aus Feinfühligkeit und Stolz. Wißt, dies sind die führenden Zügel durch das Leben, Feinfühligkeit und Stolz sind die Stützen der jungen Zweige, deren Blüthen ohne sie welken würden. Beide Tugenden vereint sind ein Zeichen, daß Der, der sie besitzt, den Namen Mann zu führen berechtigt ist; tritt die eine allein auf, so kann sie ein Ungeheuer, einen Tyrannen schaffen. Wer diese beiden Tugenden besitzt, ist dem feurigen Renner gleich, der der erste beim Ziel ist.
Feinfühligkeit sei hochgepriesen! Du giebst dem Leben Reiz, Du machst die Wunden, die es uns schlägt, vergessen. Komm, beseelige die Herzen unserer athletischen Jugend, und wenn der Stolz ihre Schritte dem Ruhme zuführt, halte zuweilen ihren Siegeslauf auf, damit sie erkennen, daß es ohne Dich keinen wahren Ruhm, kein wahres Glück giebt!
Heilige Freiheit! Erwärme der Jugend Herzen, möge auf beiden Hemisphären Dein Name erschallen, möge Deine Statue allerorten die der Tyrannen und ihrer Helfer, die Dich stets ihren Leidenschaften, ihren verbrecherischen Unternehmungen preisgaben, ersetzen; möge Dein strahlendes Licht bis in die rauheste Zone dringen und ihm die Wohlthat Deines göttlichen Einflusses werden! Schon beugen die Völker ihre Knie vor dem auftauchenden Gestirn. Seht an einem schönen Morgen auf unsern gesegneten Fluren die emporsteigende Sonne mit den Nebeln der Nacht kämpfen, seht wie diese dahinschwinden – vor dem erstaunten Auge vollzieht sich der Triumph des Lichtes.
Fern sei uns jedes religiöse Vorurtheil, erfunden vom Despotismus, verbreitet von Priester-Charlatanen, die sich selber des Lachens nicht erwehren können. Ihr, die Leiter der Jugend, führt Eure Schüler hinaus ins Frühroth, laßt sie den Aufgang der Sonne sehen, und ihr Herz wird von Bewunderung über das erhabene Schauspiel erbeben, sie werden von selbst ihre Knie beugen vor dem Schöpfer der Natur. Kein Enthusiasmus, kein viel verschlagener Sektirer soll ihnen die Köpfe verdrehen – sie werden Thränen der Freude vergießen, ihre begeisterten Herzen werden ohne jede Formel die Huldigungen ihres Dankes, ihrer Bewunderung zum Himmel, zur Gottheit hinaufschicken. Solche Huldigungen allein sind es, die dem »höchsten Wesen« willkommen sind.
Tritt erst die Einbildung aus dem Schlummer der Kindheit hervor, so ahnt der Schüler etwas von seiner glorreichen Bestimmung, er verlangt nach Ruhm, das Herz reißt ihn hin auf den Flügeln seines Genies.
Alles, ach, geht dahin! Die Frische der Jugend, die Frische der Schönheit, sie prangen wie Rosen und welken. Die fliehenden Generationen der schwachen Sterblichen gleichen den Blättern, die in den Wäldern fallen, wenn es Herbst ist. Für diese Jahreszeit muß man Tröstungen bei der Hand haben und sie der Jugend beibringen. Stark in ihrem Selbstgefühl, sehen diese Jugendlichen oft geringschätzig auf Die, welche ihnen das Leben gaben; sie sehen es nicht, daß sie selbst zu der Klasse zählen, die das ehrfurchtgebietende Alter erreichen kann, sie denken nicht daran, daß sie ihres Gleichen bedürfen werden, wenn sie dort ankommen, wo der Mensch im Vergehen seine Bedürfnisse vermehrt.
Lehrer! Ich habe nur noch ein Wort an Euch. Ihr erreicht das Alter vor Euren Schülern; lehrt sie, das Alter zu achten. Haare, gebleicht in der Ehrfurcht vor dem Gesetz, sind ihrer Verehrung werth. Mögen die Alten bei den öffentlichen Festen einen Ehrenplatz einnehmen, mögen sie dort umringt sein von den schützenden Armen unserer jungen Spartaner. Diese ruhmreichen Vertheidiger der Freiheit werden noch Beispiele ihres Muthes geben – solch' ein Nestor des wiedergeborenen Vaterlandes wird unsern Kriegern die ehrenvollen Wunden zeigen, mit denen er bedeckt ist. Er wird ihnen die Liebe zum Vaterlande, den Haß gegen die Tyrannei, gegen die Sklaverei beibringen. Nachdem die Alten ihre Laufbahn mit Ehren vollendet, werden sie ohne Murren und Grauen die Stunde erwarten, welche sie von ihren Nachkommen trennt, deren Achtung und Abschiedsschmerz sie mitnehmen.
Eine Petition der Bürgerin Theresia Cabarrus-Fontenay, gerichtet an den Convent, vorgelesen in der Sitzung desselben am 5. Floreal des Jahres II (24. April 1794.)
Bürger Repräsentanten! Da die Moral mehr denn je auf der Tagesordnung Eurer bedeutungsvollen Berathungen steht – da jede der Parteien, welche Ihr bändigt, Euch mit erneuter Gewalt auf die fruchtbringende Wahrheit hinweist, daß Tugend gleichbedeutend ist mit dem Dasein der Republiken, und daß gute Sitten aufrecht erhalten sollen, was die staatlichen Einrichtungen schufen – hat man da nicht ein Recht, zu glauben, daß Eure Aufmerksamkeit sich mit Interesse dem Theil der Menschenspecies zuwenden wird, welcher einen gar großen Einfluß ausübt?
Wehe den Frauen, welche die schöne Bestimmung, die ihnen wird, mißverstehen, die, um von ihren Pflichten loszukommen, sich von dem lächerlichen Ehrgeiz hinreißen ließen, sich die Pflichten der Männer anzumaßen, sie würden nur die Tugenden ihres Geschlechtes einbüßen, die des Eurigen aber nicht eintauschen.
Wäre es nicht ein Unglück, wenn sie, von Seiten der Natur der Ausübung jener politischen Rechte beraubt, von denen starke Entschlüsse, sociale Entwürfe ausgehen, sich für berechtigt hielten, Dem fernzubleiben, was den Fortbestand, das Dasein sichert?
In einer Republik soll gewiß Alles republikanisch sein, und kein vernunftbegabtes Wesen darf sich ohne Schande aus freiem Entschluß der ehrenvollen Verwendung im Dienst des Vaterlandes entziehen. Die Gefährtinnen des Mannes dürfen nicht als dessen Rivalinnen auftreten, denn sie sind deren Trösterinnen, oft deren Stützen; aber es giebt interessante Obliegenheiten, welche die Natur ihnen zugetheilt zu haben scheint, und welche, ich bin überzeugt, Euch nicht beleidigen würden, wenn es ihnen gefällt, sie auszuüben.
Verzeiht, Gesetzgeber, wenn sie durch mich zu Euch reden von ihrer Bestimmung, von ihren Pflichten, keine hat die lächerliche Anmaßung, sie Euch auseinandersetzen zu wollen. Allein es dürfte ihnen anstehen, Euch zu sagen, daß sie sich derselben lebhaft bewußt sind, daß sie vor Ungeduld brennen, dieselben durch Euch umgewandelt zu sehen in der Menschheit zu Gute kommende Erlasse, daß sie vorbereitet sind auf den Augenblick, da Ihr sie im Namen des Vaterlandes einbegreifen werdet in Eure herrlichen Einrichtungen.
Ihr werdet ihnen sicherlich gestatten zu hoffen, daß sie einen Platz finden werden im öffentlichen Unterricht. Sie können sich unmöglich entschließen, zu glauben, daß sie für Nichts gerechnet werden sollen, namentlich wo es sich um die Sorge für die Zeit der Kindheit handelt. Sollten sie etwa annehmen, daß Ihr ihnen die Erziehung ihrer jungen Geschlechtsgenossinnen, welche durch Unglück der mütterlichen Unterweisung beraubt sind, entziehen wolltet?
Nein! Euch wird man nicht eines Tages vorwerfen, daß Ihr die Schamhaftigkeit und ihr tugendhaftes Walten verkannt hättet. Wer könnte die Schamhaftigkeit besser lehren als die Frau? Wer leichter dazu überreden als die Frau durch ihr Beispiel?
Was ich heute vor allen Dingen fordern möchte im Namen der Frauen mit allem Nachdruck, ist der ehrenvolle Vorzug, daß sie in die geheiligten Stätten des Unglückes, der Leiden berufen werden, um zu pflegen, um zu trösten.
Dort, Bürger Repräsentanten, liegen die Lehrjahre für das Leben der Frauen. Mögen in diesen Schulen auch die Mädchen, ehe sie heirathen, ihre Empfindungen entwickeln, regeln, mögen sie sich üben im Wohlthun, sich unterrichten über alle Einzelheiten ihrer Pflichten, die sie bald ihren Kindern, ihren Gatten, ihren Verwandten gegenüber zu erfüllen haben werden. Dort möge ihr Empfinden, ohne an Zartheit einzubüßen, eine feste Form bekommen, sich läutern zur Erhabenheit. Dann wird das Mitleid, diese Wurzel so vieler Tugenden, keine vorübergehende innere Bewegung, sondern ein tiefes, zu muthiger That führendes Gefühl werden. Sie werden den verwerflichen Ekel vor den Gebrechen des Alters überwinden lernen. Dann wird ihr Zartgefühl, das oft einer Tugend hinderlich sein kann, an Nützlichkeit, Liebenswürdigkeit gewinnen.
Wer wüßte nicht, wie wohlthuend ihre Gegenwart auf die Unglücklichen wirkt? Einer Frau mag es gestattet sein zu sagen: die Männer sind bestimmt für thatkräftiges Handeln, für Ausübung der energischen Tugenden; bei den Kranken aber taugen sie Nichts, ihre Pflege, auch die rücksichtsvollste, hat stets etwas Hastiges, Drängendes, ihre Sprache hat, wenn sie auch sanft sein soll, etwas Rauhes; ihre Aufmerksamkeit leidet an Zerstreutheit, ihre Geduld hat ein peinliches Gepräge – es scheint, als möchten sie lieber den Unglücklichen aus dem Wege gehen, als ihnen helfen.
Die Frauen dagegen, wenn sie einen Kranken pflegen, scheinen nur für ihn da zu sein; Alles an ihnen drückt den Wunsch zu lindern, sich dem Unglück beizugesellen aus; sie finden es erklärlich, wenn Jemand klagt, sie sind da, um zu trösten: ihre Stimme allein schon wirkt wie ein Trost; ihr Blick, ihre Bewegungen bringen Linderung, ihre Hände achten auf den leisesten Schmerz, ihre Worte beleben die Hoffnung. Und wenn sie sich von dem Unglücklichen hinwegwenden, so ist er überzeugt, daß es zu seinem Besten geschieht, und daß sie sich beeilen werden, um seinetwillen baldigst zurückzukehren.
Wenn diese Betrachtungen auch wohl schon zum Theil den verkommenen Einrichtungen des ancien régime innewohnten, welche Macht wird ihnen werden, wenn auf Euer Wort die Frauen herbeieilen, um in diese Lebensbahn, gereinigt von der Freiheit und der heiligen Liebe zum Vaterlande, einzutreten. Wenn Ihr im Namen dieses Vaterlandes versprecht, daß Ihr Denen, welche mit heroischem Eifer ans Werk gehen, Eure Hochachtung darbringen, daß Ihr selbst diese Bewegung im Sinne der Humanität lenken wollt, so werdet Ihr der Jugend einschärfen, daß es nächst der höchsten Ehre, der Tugend zu dienen, eine zweite giebt, die Ehre nämlich, sich dem Dienst der Unglücklichen zu weihen! Wer wüßte nicht, daß die Pflege, die Sorge eines jungen Mädchens für das Unglück der Inbegriff alles Reinen, aller Religiosität ist.
Befehlt denn, Bürger Repräsentanten, unsere Herzen beschwören Euch, befehlt, daß alle jungen Mädchen, ehe sie heirathen, einige Zeit in den Zufluchtsstätten der Armuth, des Schmerzes zubringen, um dort den Unglücklichen beizustehen, und sich unter gewissen, von Euch erlassenen Gesetzen in allen den Tugenden zu üben, welche das Vaterland von ihnen zu erwarten ein Recht hat.
Welche unberechenbaren Vortheile wird nicht von derartigen Einrichtungen die gesammte Gesellschaft haben! Wer kann den Einfluß ermessen, welchen sie auf die Gewohnheiten, auf die Charaktere, die Sitten, mit einem Wort auf das Glück der Allgemeinheit ausüben werden. Die Hospitäler werden ihren abscheulichen Namen verlieren, nichts wird mehr an diese entsetzlichen Grabstätten erinnern, sie werden zu der Menschheit geheiligten Tempeln zählen, gleich den anderen, die der Gerechtigkeit, der Vernunft errichtet sind. Wenn man am Thore zu diesen Tempelhallen eine Inschrift anbringt, um die in ihnen gelehrten Tugenden aufzuzählen, wenn alle die abscheulichen Darstellungen beseitigt sind, mit denen man die letzten Augenblicke des Lebens ausstattet, und inmitten tröstender Symbole, zu Gedanken eingeladen wird, die erheben, dann werden die Bekümmerten vertrauensvoll sich einstellen, und nicht mehr befürchten, dort Grauen und Schrecken zu finden.
Aber – ich frage mich, ob es mir zusteht, vor Euch Gedanken zu entwickeln, die gewiß seit lange und in weiterem Horizonte Euch beschäftigen.
Ich halte inne. Bürger Repräsentanten, ich ziehe mich in respektvoller Erwartung in den Wunsch zurück, den ich mit ganzer Seele umfasse: daß mein Geschlecht die Gaben, welche die Natur ihm verliehen hat, zu verwerthen in die Lage gebracht werde zum Besten der Republik.
Der Gebrauch, so oft der Vorläufer Eurer Verfügungen, hat den Frauen den schönen Namen »Bürgerinnen« ertheilt. Möge es keine hohle Bezeichnung bleiben, mögen auch die Frauen mit Stolz und Vertrauen auf ihr Bürgerthum blicken können.
Alle Männer, Greise mit eingeschlossen, erfreuen sich des ehrenwerthen Vorzuges, die aufmerksamen Schildwachen vor den friedlichen Heimstätten der Bürger zu sein. Alle ziehen innerhalb unserer Mauern auf Wache, um den Gefahren vorzubeugen, von denen die Brüder bedroht sind. Die Frauen verlangen von Euch, auch Wachen zu stellen, und zwar vor den Unglücklichen, um diese zu trösten und eifrig für sie zu sorgen, damit ihnen die trüben Gedanken, die Beunruhigungen, die das Nahen des Todes verkünden und oft grausamer sind als dieser, verscheucht werden.
Bürger Repräsentanten! Diejenige, die Euch in diesem Augenblick die Huldigungen ihrer Gedanken darbringt, die Euch ihre geheimsten Empfindungen offenbart, ist jung, zwanzig Jahre alt, sie ist Mutter, ist nicht mehr Ehefrau; ihr ganzer Ehrgeiz, ihr ganzes Glück wäre es, sich dieser lieben, dieser entzückenden Berufsthätigkeit hinzugeben. Nehmt mit Theilnahme ihren sehnlichsten Wunsch entgegen – möge ihr Wunsch der von ganz Frankreich werden!
Erlaß des Wohlfahrtsausschusses, der die sofortige Verhaftung der Theresia Cabarrus anordnet.
Der Wohlfahrtsausschuß verfügt, daß die pp. Cabarrus, Tochter eines spanischen Bankiers und Frau des pp. Fontenay, Exrathes am Pariser Parlament, sofort in Haft gesetzt wird und zwar in Isolirhaft. Ihre Papiere sollen versiegelt werden. Der junge Mann, welcher mit ihr zusammenwohnt, und diejenigen Personen, welche in ihrer Gesellschaft angetroffen werden, sollen desgleichen verhaftet werden. Der Bürger Boulanger ist beauftragt, den gegenwärtigen Haftbefehl auszuführen. Paris, 3. Prairial des Jahres II der Republik.
Robespierre,
Billaud-Varenne,
B. Barère,
Collot d'Herbois.
Bericht des Bürgers Boulanger, betreffend die Ausführung der ihm aufgegebenen Verhaftung der Bürgerin Cabarrus-Fontenay an den Convent.
Am 13. Prairial des Jahres II der einen und untheilbaren Republik. Nachdem ich alle Vorsichtsmaßregeln getroffen und mich von Allem unterrichtet hatte, was die Bürgerin Fontenay that und nachdem ich ihr in allen ihren Wohnungsveränderungen gefolgt war, sowohl in Paris als in der Nachbarschaft, entschloß ich mich, ihr Dienstmädchen in Fontaine-aux-Roses, welches die Sachen der Frau fortschaffen sollte, zu verhaften. Auch den Diener habe ich im Hause des Bürgers Desmousseau in der Rue Union (Champs Elysées) verhaftet. Dort fand ich die Sachen der Bürgerin Fontenay, welche ihr nach Versailles geschickt werden sollten. Endlich habe ich auch die Bürgerin Fontenay und den jungen Mann in ihrer Begleitung verhaftet und zwar in Versailles in der Nacht vom 11. auf den 12. Prairial. Die Bürgerin, auf das Bureau der Champs Elysées geführt, wurde dort verhört; ebenso der Bürger Guéry, welcher sie begleitete.
In Ausführung des Erlasses wurde die Bürgerin Fontenay nach der Petite Force geführt und allein eingesperrt, der Bürger Guéry nach dem Luxembourg, der Diener und das Dienstmädchen, der eine nach dem Luxembourg, das andere nach der Petite Force geschafft. Es ist später der Sicherheit wegen, nachdem man die Effecten und das Zimmer der Bürgerin Fontenay im Hause des Desmousseau versiegelt hatte, für gut befunden, den Bürger Desmousseau und seine Frau in ihrem Hause zu detiniren, bis der Ausschuß, nachdem derselbe Kenntniß von unserem Bericht genommen, sich entschieden hat.
Unsere Nachforschungen haben ergeben, daß die Bürgerin Fontenay, Tochter von Cabarrus, spanischem Bankier, welcher an der Bank des heiligen Carl, an dem Canal von Murcia, an der Speculation mit den Piastern und an den Operationen Calonnes' beteiligt ist, sich vor mehr als 15 Monaten hat scheiden lassen, Es ist richtig. Die Scheidung ist am 5. April 1793 vollzogen worden. d. h. zu einer Zeit, als alle Diejenigen, die sich mit dem Gedanken der Auswanderung trugen, diesen Schritt thaten. Wir haben ermittelt, daß seit diesen 15 Monaten sie in Boulogne-sur-Mer, in Paris, in Bordeaux, in den Bädern an der spanischen Grenze Die Reise nach Bagnères in Gesellschaft der Herren Eduard de Colbert und de Lamotte bestätigt dies. und wiederum in Bordeaux war, wo ihr Mann zu ihr kam, um über die Scheidung endgültige Vereinbarung zu treffen, die sich schon über 15 Monate hinzieht. Ein Irrthum. Er schiffte sich ein und ist seitdem verschwunden. Während der Unruhen in Calvados befand er sich dort auf seiner Besitzung. In den Angaben, welche die Bürgerin über die verschiedenen Orte, an denen sie sich aufhielt, macht, ist mir über zehn Monate Aufschluß gegeben, über drei Monate fehlen ihre Angaben.
Die Bürgerin Fontenay stand in Bordeaux mit dem Repräsentanten Tallien in naher Beziehung. Dort gründete sie mit einem vierzehnjährigen Kinde, dessen Vater sie kaum kannte, eine Salpetergesellschaft. Sie wird von Ysabeau, dem Volksrepräsentanten, genöthigt, Bordeaux zu verlassen, sie geht nach Orleans und läßt sich dort einen Paß nach Fontenay-aux-Roses, einer Besitzung ihres Mannes, geben, wo sie häufig von Tallien Besuche erhielt. In ihren Salpetergeschäften kommt sie häufig nach Paris und ist immer mit Tallien zusammen, besonders bei Méot, dem Restaurateur im Palais Royal. Sie nächtigte bei dem Notar Gibert in der Rue Honoré, auch zu verschiedenen Malen bei dem Bürger Desmousseau, Haus Duplex ( sic) in den Champs Elysées; sie miethete ein Haus in Chaillot, ließ Arbeiter dorthin kommen und entließ sie wieder. Sie veranlaßte ihr Dienstmädchen, einen Paß, den dasselbe aus Bordeaux hatte, visiren zu lassen. Das Signalement stimmt mit dem ihrigen beinah überein. Alles ist zu einer Abreise vorbereitet, die Leute und Sachen sind nach Versailles dirigirt: man will nach Bordeaux zurück. Desmousseau bekennt, daß er selbst dazu gerathen hätte, in der Hoffnung, die alten Beziehungen zwischen Lepelletier und der Bürgerin Fontenay würden sich erneuern und der unpassenden Verbindung mit Tallien ein Ende bereiten. Die Bürgerin Fontenay ist im Besitz eines Certificates, unterzeichnet von den Repräsentanten Brival, Monestier, Ysabeau und Anderen, worin gesagt wird, daß sie, obwohl in Madrid geboren, nicht als Fremde anzusehen wäre. Sie erklärt endlich, daß sie in Correspondenz mit Tallien und Monestier, dem Repräsentanten, mit Frescheville, Frégeville, der General, ist gemeint, bekannt wegen seines Verhältnisses mit der Krüdner. dem früheren Repräsentanten, mit Sagon, Sanitätsbeamten der Nordarmee, mit Felix Lepelletier u. A. gestanden habe. Sie hat ihren Sohn und zwar in dem Augenblick, als sie hierher zurückkehrte, nach Bordeaux geschickt, wo er unter Aufsicht zweier Bedienter in einem Hotel garni wohnt.
Dies ist Alles, was die verschiedenen Nachforschungen ergeben haben – der Wohlfahrts-Ausschuß wird Alles prüfen.
Zu bemerken ist, daß alle Papiere, Brieftasche u. s. w. sich versiegelt im Hause des Desmousseau befinden.
Boulanger,
Brigade-General.
Tallien überwacht. Guérin, Guérin hat Herrn Hamel ( Histoire de Robespierre II) gegenüber erklärt, er wäre nicht Agent Robespierre's, sondern des Wohlfahrtsausschusses gewesen. Der Ausschuß ließ 5 oder 6 Conventsmitglieder überwachen. Tallien war darunter. Der Bericht Courtois' bezeichnet den Genannten fälschlich als Agenten Robespierre's. Agent Robespierre's, berichtet:
Der Bürger Tallien ist am 6. Messidor (24. Juni) am Abend im Jacobinerklub gewesen und bis zum Ende der Sitzung geblieben. Er hat sammt dem »Mann mit dem dicken Stock« in der Rue Honoré vor einem Thorwege gewartet; wir haben bemerkt, daß es sich um etwas Wichtiges handelte. Endlich ist der Mann gekommen. Sie sind Beide die Rue Honoré, die Rue de la Loi entlang gegangen und haben sich bei der » Maison Egalité« in den Garten gesetzt, sind dann, in ein leises, ernstes Gespräch vertieft, Arm in Arm mehrere Male auf und ab gegangen. Um 11 Uhr sind sie über den Hof des Palais nach der Place Egalité gegangen, dort hat Tallien's Wächter und Beschützer einen Fiacre gerufen, hat Tallien gegrüßt und dieser ihm gesagt: »Auf morgen, Freund.« Wir haben uns dem Wagen genähert und hörten, daß Tallien dem Kutscher sagte: Rue de la Perle. Der Andere ging zu Fuß die Rue de Chartres hinunter. Wir sind ihm nachgelaufen, haben ihn jedoch aus den Augen verloren. Wir vermuthen, daß er in eine Seitengasse eingebogen ist oder in der Nähe der Tuilerien wohnt. Wir haben ihn gestern gesehen in einer breit gestreiften roth und weißen Weste, schwarzen Hose und rundem Hut; er hat blonde Haare und ungefähr Tallien's Größe.
Am 14. Messidor (2. Juli). Der Bürger Tallien hat gestern von 9 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags seine Wohnung Rue de la Perle Nr. 60 nicht verlassen. Wir haben uns überzeugt, daß er während der Zeit zu Hause war. Um ½11 Uhr hat der pp. Rambouillet, früherer Polizeibeamter, unseren Agenten gesehen, der ihn frug, wohin er ginge. Rambouillet erwiderte, er ginge zum Bürger Tallien; unser Beamter bemerkte ihm, es wäre auffällig, daß dieser Deputirte gar nichts mehr von sich reden machte. Jener antwortete darauf, daß Tallien beinahe gar nichts mehr thue seit der Sicherheitsausschuß ihm vorgeworfen habe, er hätte nicht genug Leute in Bordeaux guillotiniren lassen. Er fügte noch hinzu, daß der Bürger Tallien seinen Secretär im Wohlfahrtsausschuß untergebracht habe, derselbe jedoch am 1. Messidor zurückgeschickt wäre.
Wir würden uns nicht wundern, wenn dieser Sieur Rambouillet, den Tallien bei der Polizei unterbrachte und der soeben seines Amtes enthoben wurde, Einer von Denen wäre, welche dieser Deputirte zum Schutz seiner Person verwendet, um zu wissen, ob man ihn überwacht. Rambouillet sagte auch, daß stets vier Privatpersonen dem Repräsentanten folgten. In den letzten Tagen, als Tallien dies bemerkte, blieb er stehen und sagte ihnen, daß er ein Volksvertreter wäre; viele Menschen liefen zusammen und die Straßenwachen führten die vier nach der Station des Sicherheitsausschusses.
Es ist unmöglich, besagten Deputirten in seiner Straße überwachen zu können, dieselbe ist sehr kurz. Es giebt keinen Unterschlupf, nur einige Steinbänke sind neben den Thorwegen vorhanden, um sich niederzusetzen. Schon werden die Bewohner der Straße gewahr, daß Jemand häufig vorübergeht, sie treten vor die Fenster oder schicken ihre Dienstboten vor die Hausthür, sodaß es für einen Ueberwachenden unmöglich wird, Schildwache zu stehen.
Am 15. Messidor (3. Juli) … Gestern, am 14. ds. Mts., ist der Bürger Tallien um 1½ Uhr Nachmittags ausgegangen, ist durch die Rue des Quatre Fils, Rue du Temple, Rue de la Réunion, Rue Martin, Rue Grenétat, Rue du Renard sauveur, Rue Beaurepaire, Rue Montorgueil, Passage Saumon, Rue des Fossés Montmartre gegangen, hat sich über eine Stunde damit unterhalten, Bücher anzusehen und hat dann den Egalité-Garten betreten, indem er sich fortwährend in scheuer Weise rechts und links umsah. Um ¾ auf 3 hat er sich in die Conventssitzung verfügt und den Bericht des Bürgers Barère angehört, hat mit diesem und jenem Deputirten gesprochen und ist dann die Treppe, an der die Kapelle lag, hinabgestiegen, that, als wolle er über die Höfe gehen, hat sich aber nach dem National-Garten verfügt, ist an der Terasse des Feuillants wieder umgedreht und die Treppe vor dem Café Hotto hinaufgegangen, hat sich wiederum eine viertel Stunde lang mit dem Feilschen um Bücher unterhalten und ist schließlich bei Vénua an der Porte du Manège eingetreten; wir haben ihn um 6 Uhr aus den Augen verloren und wissen nicht, wohin er gegangen ist.
Brief der Bürgerin Theresia Cabarrus an eine Freundin in Bordeaux. Dieser Brief ist im Besitz des Herrn Marcellin Pellet, früheren Deputirten, der ihn in » La République française« und in seinen » Variétés révolutionnaires« veröffentlicht hat.
Paris, den 2. Fructidor des Jahres II der Republik. Ich zweifle nicht, meine Constanze, Anna Johanna Constanze Lavaud, eine Cousine des Girondisten Ducos, gestorben Ende April 1839, Gemahlin von Laurentius Paul Nairac, Vertreter von Bordeaux in der Constituante, gestorben zu Paris Rue St. Denis 317, im April 1817. Er war Zeuge bei der ersten Heirath von Emil de Girardin. an Deiner Freundschaft, und glaube nicht, daß sie durch Mißgeschick gelitten hat: das hieße Dich beleidigen, ich lasse Dir Gerechtigkeit widerfahren, indem ich Dein Herz nach dem meinigen beurtheile. Ich habe nie befürchtet, mich zu compromittiren, wenn ich für die bedrängte Unschuld eintrat. Dein Mann ist deß Zeuge und gewiß hat in ihm Theresia eine Stütze gefunden. Ich bin Dir sehr verbunden für die Mühe, die Du Dir mit meinen Sachen gabst. Ich glaube wie Du, man muß davon soviel wie möglich verkaufen, meine Guitarre, mein Bücherschränkchen von Mahagoni, meine Orangenbäume, mein Pferd und mein Cabriolet. Ich nehme mit Dank das Anerbieten des Bürgers Louvet an; sage ihm, daß ich von seiner Güte gerührt bin und ihm mit der nächsten Post danken werde. Ich traure um meine Orangenbäume, meinen Balkon und den Deinigen. Deine Stadt wird mich sobald nicht wiedersehen. Verkaufe auch die Cassette aus Nußbaumholz. Es thut mir leid, daß ich nicht auch einen Theil meiner Kleider verkaufen kann, meine 2 Monate Gefängniß kommen mir erschrecklich hoch zu stehen; Joseph muß zwei Flaschen Oel haben, welche mir Guéry einige Tage vor meiner Abreise gab. Ich bitte Dich, schicke mir auf der Stelle Wein, Zucker, Kaffee, Thee und Lichter: ich habe diese Sachen so überaus nöthig. Gramont bringt 3200 Livres. Ich denke mir, daß aus dem Verkauf meiner Sachen Awson genug Geld haben wird. Uebrigens reist Guéry in einigen Tagen ab und bringt noch mehr. Ich möchte, daß Alles mit der Post ankäme, die Hauderer brauchen eine Ewigkeit. Der Bürger Ysabeau hat mir versprochen, Alles zu fördern; wende Dich also an ihn, liebe Freundin, wenn irgend eine Erlaubniß nöthig sein sollte. Was die kleinen Sachen betrifft, so könntest Du sie mir gelegentlich schicken, durch Bekannte, die nach Paris kommen. Man würde sich vielleicht dieser kleinen Packete annehmen und das gäbe Ersparnisse. Im übrigen vertraue ich Dir im Punkte der Sparsamkeit.
Ich beschränke mich darauf, Dir zu sagen, daß Fontenay tausenderlei Nichtswürdigkeiten begangen hat, Ländereien sind nicht bezahlt und von ihm gegen baar verkauft worden. Dadurch ist mein Vermögen bedeutend verringert. Ich habe auch keine Seife, schicke mir etwas.
Ich möchte für 500 Livres Zucker und Kaffee, für ebensoviel Oel, Thee und Seife. Ich lege, lieber Engel, meine Angelegenheiten in Deine Hände, sie sind darin gut aufgehoben. Ich glaube, Dir noch sagen zu sollen, daß die alte Guitarre 96 Livres gekostet hat. Adieu! Da man seinen Dank nie genügend ausdrückt, so schweige ich gegenüber von Deiner Mutter, Deinem Vater und Deinem Gemahl, überzeugt, daß meine Constanze an seiner Aufrichtigkeit nicht zweifelt, ebenso wenig wie an seiner Lebhaftigkeit und seiner Beständigkeit; er ist der Freundschaft gleich, die ich Dir für immer weihe.
Theresia Cabarrus.
P. S. Tallien liebt Dich und umarmt Dich herzlich – sage aber Deinem Manne als kluge Frau Nichts davon. Paris ist ruhig, zufrieden. Freude steht auf allen Gesichtern geschrieben. Es lebe, es lebe für immer die Republik! Mögen die Parteien untergehen und alle Ränkeschmiede – das ist der Wunsch von einem ihrer Opfer. Mein Geschreibsel ist schrecklich. Ich bin beim Umzuge und sehr beschäftigt. Adressire Deinen Brief nach der Rue St. Georges 9, Chaussée d'Antin.
Brief Tallien's an seine Frau. René Pincebourde: »Correspondance intime de l'Armée d'Egypte«.
Rosette, den 17. Thermidor, Jahr VI. Ich weiß nicht, meine Theure, ob Du alle meine Briefe erhalten hast. Seit meiner Abreise von Frankreich habe ich Dir einmal von Bastia, zweimal von Malta und einmal von Alexandria geschrieben. Seit fünf Tagen sind wir hier und warten auf eine Gelegenheit, nach Cairo zu gehen; es ist gefährlich, ohne Escorte den Nil hinauf zu fahren. Auf unserer Reise von Alexandria hierher hatten wir das Glück, den Engländern zu entwischen. Wenn dieser Brief in Deinen Händen ist, wird man in Frankreich schon wissen, daß die Engländer unser Geschwader vernichtet haben. Wir sind hier Alle in großer Bestürzung. Ich kann Dir Einzelheiten nicht mittheilen, weil wir sie noch nicht genau kennen. Das, was leider unumstößlich wahr ist, ist das, daß das prachtvolle Schiff L'Orient in die Luft geflogen ist. Auf einer Höhe am Meer waren wir Zeugen dieses schaurigen Anblicks. Der Kampf dauerte über 24 Stunden; die Engländer müssen schwer gelitten haben. Noch wissen wir nicht, wie viel Schiffe wir verloren haben. Ich hoffe, daß die trüben Nachrichten, die verbreitet werden, nicht wahr sind. Admiral Brucys ist gefallen, auch Ducheyla und eine Menge Anderer. Es ist unmöglich, im ersten Augenblick ein Urtheil über die Gründe der erschütternden Catastrophe zu fällen; man muß vor Allem die Schmähsucht abweisen, die weder das Unglück, noch die Asche der Todten respectirt.
Was mich betrifft, ich beobachte und glaube, daß es unklug ist, inmitten der tiefen Erregung einen Ausspruch zu thun. Morgen gehen wir nach Cairo. Wir werden die Ersten sein, die Bonaparte die bestürzende Nachricht überbringen; er wird, wie ich hoffe, seine Lage zu beurtheilen verstehen, und mit Muth diesen ersten Genickschlag des Schicksals ertragen. Ich muß sagen, weniger bin ich beruhigt über den Eindruck, den die Nachricht in Frankreich hervorrufen wird. Ich sehe schon, wie die Feinde Bonaparte's und seines Freundes Barras ist gemeint. aus ihren Schlupfwinkeln hervorkommen und die öffentliche Meinung gegen Beide in Bewegung setzen. Geleistete Dienste werden vergessen sein, Jeder wird sich das Verdienst beimessen, Das, was geschehen ist, vorausgesehen zu haben. Die kaum zur Ruhe gekommenen Parteiungen werden von neuem in Bewegung kommen und es wird in unserem unglücklichen Vaterlande zu neuen Spaltungen kommen. Was mich betrifft, meine Liebe, so bin ich ja, wie Du weißt, nicht gerne hier. Meine Stellung wird mit jedem Tage unangenehmer, da ich getrennt bin von meinem Lande, getrennt von Allem, was mir theuer ist, und den Augenblick nicht voraussehe, mich Euch wieder zu nähern, allein, es wird mich Nichts dahin bringen, Verrath an der Freundschaft, an der Pflicht zu üben. Bonaparte ist von einem Unglücksfall betroffen, für mich ein Grund um so mehr, daß ich mein Schicksal mit dem seinigen verbinde. Glaube darum jedoch nicht, daß ich mich jemals einer Partei anschließen werde. Die Vergangenheit hat mich in dieser Beziehung belehrt, und wenn – was mir zu glauben übrigens fern liegt – ein Ehrgeiziger sich fände, welcher das Vaterland in Ketten legen und die Waffen der Vaterlandsvertheidiger gegen die Freiheit kehren sollte, dann wird man mich in den Reihen Derer treffen, die wider ihn kämpfen. Seine edlen Entschließungen hat Tallien bald vergessen: kaum war das » Empire« da, so bat er Den um eine Anstellung, »der das Vaterland in Ketten gelegt, der die Waffen der Vaterlandsvertheidiger gegen die Freiheit gerichtet hatte.«
Du siehst, meine Liebe, ich weiß, was ich zu thun habe, aber ich gestehe es Dir offen, ich würde es tausendmal vorziehen, bei Dir und Deiner Tochter zu sein, zurückgezogen in einem Winkel der Welt, fern vom Gewirr der Leidenschaften, fern von allen Intriguen, und ich gebe Dir die Versicherung, daß, wenn ich das Glück haben sollte, die Heimath wiederzusehen, ich sie nie mehr verlassen würde. Unter den 40 000 Franzosen, die hier sind, giebt es keine vier, die anders denken. Es giebt nichts Traurigeres, als das Leben, welches wir hier führen. Es fehlt uns an Allem. Seit fünf Tagen habe ich die Augen nicht geschlossen, ich schlafe auf der bloßen Erde. Fliegen, Flöhe, Mücken, Ameisen, alle möglichen Insecten belästigen uns; wie unzählige Male gedenke ich unserer reizenden Chaumière. – Ich bitte Dich, liebe Freundin, gieb sie nicht auf. Adieu, meine gute Theresia, Thränen fallen auf mein Papier. Die süßesten Erinnerungen an Deine Güte, an unsere Liebe, die Hoffnung, Dich wiederzufinden so liebenswürdig wie früher und stets treu, stützen allein Deinen unglücklichen
Tallien.
P. S. Gieb meiner Mutter Nachrichten. Ich habe auf der Reise Bellavoine verloren. Am Tage unserer Abreise von Malta ist er in irgend einem Wirthshause wahrscheinlich eingeschlafen. Wir haben ihn nicht mehr gefunden. Ich habe Renault gebeten, ihn mir nachzuschicken, wenn er ihn findet. Minerva ist stets um mich und befindet sich sehr wohl.
Bonaparte, General en Chef, dem Bürger Tallien.
Hauptquartier zu Cairo, den 18. Fructidor des Jahres VI: Ich ersuche Sie, Bürger, den Divan zu benachrichtigen, daß wir den 1. Vendémiaire, als unsern Neujahrstag, festlich zu begehen pflegen und daß man aus diesem Grunde auf dem Elbekie-Platz einige Bauten errichten, daß es auch eine Tribüne für die Mitglieder geben wird. Sie werden Bedacht darauf nehmen, daß Niemand glaubt, es handle sich um ein religiöses Fest.
Ich grüße Sie
Bonaparte.
Brief der Frau Tallien an den Minister des Innern F. de Neufchâteau.
Bürger Minister, ich vereinige meine Bitten mit denen des Repräsentanten Le Coulteux de Cantelen zu Gunsten des Bürgers Vannier, eines armen Rentners, der aller Mittel, aller Hülfe beraubt ist. Ihre Güte kann ihn der Verzweiflung entreißen. Gestatten Sie mir, daß ich Sie inständig für den Greis bitte und die Gelegenheit benutze, Bürger Minister, Ihnen meine Hochachtung und Dankbarkeit auszusprechen.
Theresia Cabarrus-Tallien.
Brief der Frau Tallien an den Bürger Chaumont.
Der Bürger Chaumont kommt nach Paris, schreibt mit dem ganzen Laconismus und dem ganzen Leichtsinne eines Franzosen einen Brief, vergißt aber seine Adresse; er ärgert sich unzweifelhaft, daß man ihm nicht antwortet; er findet sich auch nicht ein, um sich zu entschuldigen, daß er es solange aufgeschoben hat, sich bekannt zu machen, was in Anbetracht seines Geistes ein an der Gesellschaft begangenes Unrecht ist. Die Strafe wider den Bürger Chaumont lautet: 1. Daß er sich so schnell wie möglich bei Der einfindet, die er beleidigt hat; 2. Daß er nie vergißt, daß in Paris Jemand ist, der sich glücklich schätzen würde, ihm in irgend einer Weise nützlich sein zu können. Wissen Sie, Monsieur, daß ich wirklich böse darüber bin, daß Sie vielleicht glauben, Sie hätten das Recht dazu, es zu sein. Wissen Sie wohl, daß ich es häßlich finde, daß Sie mir nicht mehr geschrieben haben, und daß es gar nicht schön ist, zu zeigen, daß man liebenswürdig ist, wenn man aufhören will, es zu sein. Ich weiß in Wahrheit nicht, weshalb ich Freundschaft für Sie empfinde, Sie, den ich nie gesehen habe; aber da sie nun einmal vorhanden ist, so will ich, daß Sie daran denken, verschwenderisch bin ich damit nicht.
Adieu, Bürger! Schreiben Sie mir. Wenn Sie nicht nach Paris kommen wollen, so geben Sie mir Ihre Adresse und sagen Sie mir vor Allem, worin ich Ihnen gefällig sein kann.
Gruß und Achtung!
Theresia Cabarrus-Fontenay.
Heirathsausweis der Madame de Caraman.
Am 15. Thermidor des Jahres XIII der Republik, um 4 Uhr Nachmittags. Heirathsurkunde für Franz Joseph Philipp Riquet-Caraman, 33 Jahre alt, geboren zu Paris am 20. November 1771, wohnhaft Rue Saint Dominique Nr. 1530, Eigenthümer; Sohn von Victor Maurice Riquet-Caraman, früher General-Lieutenant in der französischen Armee, in Paris wohnhaft in obengenannter Straße und der Marie Anne Gabrielle Josèphe Françoise d'Alsace d'Hénin Liétard Chimay, dessen verstorbener Ehefrau.
Und Jeanne Marie Ignace Thérèse Cabarrus, 32 Jahre alt, geboren im Kirchsprengel von Saint Pierre de Caravenchel de Arriba, Bezirk Madrid in Spanien, am 31. Juli 1773, geschiedene Frau des Jean Jacques Devin de Fontenay, ihres ersten Gatten, und des Jean Lambert Tallien, ihres zweiten Gatten, wie aus den Civilacten des 1. Arrondissements von Paris zu ersehen ist unter dem 18. Germinal des Jahres X der Republik, wohnhaft zu Paris Rue de Babylone, Tochter des Herrn Grafen Cabarrus, welcher laut Aussage des Herrn Etienne Didier Guéry, früheren Cavallerie-Offiziers, wohnhaft zu Paris Rue de la Sourdière Nr. 27, zu der wiederholten Heirath seine Zustimmung giebt, und zwar in einem Act vom 19. Messidor vor dem Notar Duhaldé zu Bayonne.
Es sind vorhergegangen öffentliche Bekanntmachungen vom 16. und 23. Nivôse. Die Geburtsscheine der Gatten, der Todesschein der Mutter des Gatten vom 7. Messidor des Jahres VIII, eine Erklärung des Gatten gegenüber seinem Vater vor dem Notar Dunays und Zeugen am 12. desselben Monats –, die Scheidungsurkunde. Alle diese Documente, auch das Capitel VI über die Rechte und gegenseitigen Pflichten der Gatten, Titel V des bürgerlichen Gesetzbuches, sind von mir, dem dazu bestellten Beamten, verlesen worden.
Die beiden Gatten haben erklärt, sich gegenseitig zu Ehegatten nehmen zu wollen, in Gegenwart von – es folgen die Namen der Zeugen.
Somit erkläre ich, Adjunct des Maires des zehnten Arrondissements – folgt der Name – im Namen des Gesetzes die beiden Genannten für ehelich verbunden.
Unterzeichnet: J. I. Th. de Cabarrus, Joseph Riquet de Caraman, Guéry, Leterrier, Javot, Saintin, Jourdheuil, Fabre.
Brief der Prinzessin Chimay an Herrn Lafitte. Herrn La Caille, Untersuchungsrichter, verdanken wir die Mittheilung des obigen Briefes.
Ich komme soeben von Ihnen, mein Herr, ganz voll von dem liebenswürdigen Empfange, den ich bei Ihnen fand; ich bin Ihnen aufrichtig verbunden für das Versprechen, sich mit meiner traurigen Lage beschäftigen zu wollen; Sie wissen ja aus Dem, was ich Ihrer Güte anvertraut habe, daß Sein und Scheinen zwei sehr verschiedene Dinge sind. Als ich bei Ihnen war, war ich bemüht, meine Mittheilungen so wenig langweilig für Sie wie nur möglich zu machen, ich habe versucht, Ihnen das Uebermaß meines Schmerzes zu verheimlichen, Ihr ausgezeichnetes Herz wird Alles errathen haben, und Sie wissen, was ich Ihnen nicht sagen konnte, nicht sagen durfte. Herr Malafait, der in erster Linie seit zehn Jahren mit der Leitung meiner Angelegenheiten betraut ist, wird die Ehre haben, sich Ihnen morgen vorzustellen, was Sie ja zu gestatten so gut waren. Er wird die Papiere, welche meine Anrechte, und Briefe des Herrn Tastet vorlegen, welche Objecte betreffen, an die ich Rechte geltend machen könnte. Herr Malafait wird Ihnen auch ein Verzeichniß derjenigen Personen vorlegen, welche Theil haben an diesen wenigen Trümmern, denn, indem ich Sie bat, mein Herr, mich aus dieser schrecklichen Verlegenheit zu befreien, in die ich durch Zahlung von Zinsen, durch Unterstützung eines eben gegründeten jungen Haushaltes gerieth, wünschte ich, daß Sie von der pünktlichen Rückzahlung überzeugt wären und daß ich von Ihnen nur einen Vorschuß zu erlangen hoffte. Dieser Dienst wird schon ein sehr großer sein, so daß ich mich für berechtigt halte, Ihnen meinen lebhaften und tiefgefühlten Dank darzubringen.
Gestatten Sie mein Herr …
Ihre ergebene Dienerin
Mittwoch, 22. October.
C. Prinzessin de Chimay.
Brief von Marcus Antonius Jullien am 22. September 1823 an den Herausgeber der » Mémoires relatifs à la Révolution«. (Auch in den » Mémoires de Louvet«).
Seit dem 11. Thermidor, wie aus dem »Moniteur« zu ersehen ist, machten Carrier und sein College Tallien gemeinschaftliche Sache, um mich zu denunciren. Der Erstere wollte sich an dem kühnen jungen Mann rächen, der es gewagt hatte, des Herrn Abberufung zu veranlassen. Der Zweite wollte aus meinem vorübergehenden Aufenthalt in Bordeaux den Vortheil ziehen, auf das Haupt eines unbekannten treuergebenen jungen Mannes das Odium seiner abscheulichen Handlungen abzuwälzen. So wollte er sich die Wege ebnen, um sich mit den noch lebenden Deputirten der Gironde aussöhnen zu können, welche durch den Systemwechsel und den Zwang der Umstände in den Convent zurückkehrten.
Es ist hier von einer Voraussetzung keine Rede, es handelt sich um ein bewiesenes Factum, wie aus Nachfolgendem zu ersehen ist:
1. Eine Dame, welche ich in Bordeaux gekannt hatte und welche zu der schönen Madame Theresia Cabarrus-Fontenay, nachherigen Tallien, in Paris Beziehungen hatte, hat mir erzählt, daß nach einem Diner, an dem mehrere Thermidoristen theilnahmen, wie Fréron, Legendre, Bourdon von der Oise, Bertabole, Courtois u. A., Tallien, bei dem sie waren, etwa folgendermaßen zu ihnen gesprochen hat:
»Wir haben Alle in irgend einer Weise, entweder durch Aufträge für die Departements, oder durch unser Wirken in den Ausschüssen, oder durch unsere Reden im Convent theilgenommen an dem nunmehr beseitigten Regierungssystem. Wir müssen uns wohl verstehen, um uns gegenseitig zu stützen gegen die früher proscribirten Deputirten, die jetzt in den Convent zurückkehren und um einer heftigen reactionären Bewegung, der wir Alle zum Opfer fallen würden, zu begegnen. Ein schwerwiegendes Moment, welches den Haß der Girondisten am meisten gegen uns anfachen würde, ist die Todesstrafe, die über viele ihrer Collegen verhängt wurde. In Bordeaux, während meines dortigen Waltens in Gemeinschaft mit Ysabeau, ist ein Theil der Deputirten auf dem Schaffot umgekommen. Wenn es uns gelingt, das Gehässige dieser Vorgänge auf die Schultern untergeordneter Agenten abzuwälzen, die dem Convent fern stehen, so werden die Girondisten, welche noch am Leben sind und welche uns das beklagenswerthe Ende ihrer Freunde nicht mehr vorwerfen können, sich uns nähern. Diese Annäherung allein aber würde eine neue Revolution verhindern, die leicht noch blutiger sein könnte als die vorhergehenden.«
So kam man denn in aller Form zwischen diesen Volksvertretern dahin überein, einen jungen 19jährigen Mann, der zufällig während der letzten Monate der Terreur nach Bordeaux geschickt war, zum Sündenbock zu machen. Dieser junge Mann wurde in La Rochelle, als er die Zeitungen vom 11. Thermidor las, von den Angriffen unterrichtet, welche seine beiden Todfeinde Carrier und Tallien gegen ihn richteten. Er ist sofort nach Paris gegangen und hat sich dem Wohlfahrts-Ausschuß vorgestellt; dieser bewilligte ihm acht Tage, um den Bericht über seinen Auftrag abzufassen; Tallien aber beeilte sich, ihn am Tage seiner Ankunft in Paris verhaften zu lassen; der Haftbefehl war unterzeichnet von ihm und seinen Collegen Billaud-Varennes, Collot d'Herbois und Barère, obwohl nach den neueren Bestimmungen des Convents ein Haftbefehl sieben Unterschriften aufzuweisen haben sollte. Man sieht hieraus, welchen Werth es für Tallien hatte, daß der junge Jullien nicht gehört wurde.
2. Mehrere Broschüren – die eine führte den Titel »Geschichte der Stadt Bordeaux« – wurden von Tallien verbreitet, um die öffentliche Meinung, namentlich in der Stadt Bordeaux, irre zu führen, indem man deren Leiden dem jungen Jullien in die Schuhe schob. Der Autor dieser Schriften, B. de la C…, mit dem ich viel später, 1808 oder 9, zusammentraf, hat mir ein bemerkenswerthes Geständniß abgelegt. Er hatte nach dem 9. Thermidor eine Anstellung im Bureau des Repräsentanten Tallien, und, der ihm ertheilten Anweisung folgend, gegen Jullien, den er nicht kannte, eine Broschüre abgefaßt, in welcher die Ereignisse von Bordeaux so dargestellt waren, daß sie zu Gunsten Tallien's sprachen.
3. Mehrere Zeitungen, deren Redactionen einflußreichen Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses zur Verfügung standen, wie der » Orateur du Peuple« (Fréron), der » Ami des citoyens« und das » Journal de Perlet«, stellten einstimmig den jungen Jullien, dem man anscheinend große Wichtigkeit beilegte und den man, ohne ihn zu verhören, im Gefängniß trotz energischen Protestes beließ, als den Haupturheber an den Ereignissen von Bordeaux hin.
4. Der Deputirte Ysabeau, Mitglied des neuen »Ausschusses für allgemeine Sicherheit«, der wie Tallien auch Mitglied des Wohlfahrtsausschusses war, veranlaßte, daß auf Beschluß der beiden Ausschüsse Letzterer nach Bordeaux geschickt wurde, um die dortige öffentliche Meinung, welche anfing, mit lauter Stimme den jungen Jullien in Schutz zu nehmen, umzustimmen und Demonstrationen zu unterdrücken.
5. Einer der Collegen Tallien's, Fréron, der, wie erwähnt, den » Orateur du Peuple« redigirte, und ein früherer Sekretär Tallien's Méhée de la Touche. (aus der Zeit der Morde vom 2. September 1792), welcher unter dem Pseudonym Felhémési Anagram aus: Méhée fils. Artikel im » Ami des Citoyens« schrieb, brachten häufig Nachrichten, die mich für die in Bordeaux begangenen Verbrechen verantwortlich machen sollten. Die Leute kannten mich gar nicht und hatten persönlich gar kein Interesse daran, mir zu schaden, allein sie erwiesen dem Tallien einen großen Dienst, und Tallien war damals sehr einflußreich. Ich saß inzwischen immer noch gefangen, und erst viel später kam ich hinter diese nichtswürdigen Intriguen, hinter dieses eines Machiavelli würdige Beginnen, von infernalischer Bosheit ersonnen, um einen jungen, unbekannten Mann, der brustleidend und dem Tode nahe war, Jullien ist erst 1842 gestorben. der im Gefängniß saß ohne zu wissen weshalb, mit ihren eigenen in Bordeaux begangenen Verbrechen zu belasten, und sich dadurch rein zu waschen.