Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Indien und die Indianer

Bereits in den Pfingsttagen hatte Pucki den Eltern davon erzählt, daß Carmen während der großen Ferien nicht zu ihrem Vater reisen könne, weil er noch immer auf dem großen Schiff fuhr. Pucki fühlte inniges Mitleid mit der Klassenkameradin und meinte, es wäre doch sehr schön, wenn Carmen auch einmal das Forsthaus Birkenhain und den schönen Wald kennenlernen würde. Ebenso wollte sie Hans Rogaten in das Forsthaus mitbringen. Er sollte ein schönes Bild von dem Garten und dem lieben Harras malen, denn er hatte von seinem Vater die schöne Gabe des Malens geerbt.

»Noch schöner wäre es«, sagte Pucki, »wenn auch der Vater von Hans Rogaten zu uns käme. Liebe Mutti, schreibe ihm doch, das würden dann sehr lustige Ferien werden.«

Aber Frau Sandler lehnte lachend ab. Rogaten war ein bekannter Kunstmaler, der ganz gewiß nicht nach Birkenhain kommen würde, und es bestand auch keine Veranlassung, den Primaner einzuladen. Anders stand es mit Carmen. Trotzdem zögerten Sandlers, eine Einladung abzusenden. Der Aufenthalt Puckis in Rotenburg kostete den Eltern viel Geld, und sie mußten sparen.

»Mutti, die Rose Scheele kommt doch in diesem Jahr nicht in den großen Ferien, bitte, bitte, lade die Carmen ein.«

»Das müssen wir uns erst überlegen, mein Kind.«

Trotzdem berichtete Pucki nach ihrer Rückkehr nach Rotenburg der neuen Freundin davon, daß sie vielleicht in den großen Ferien mit nach Birkenhain kommen dürfe.

»Ach, das wäre schön«, sagte Carmen, »aber ich bleibe auch gern bei Tante Grete. Vielleicht gehe ich auch in ein Kinderheim an der Ostsee. Der Vater schreibt gewiß noch darüber.«

»Bei uns ist es aber viel schöner.«

»Ich muß abwarten, was Tante Grete sagt.«

»Oh, dann sage ich Tante Grete, daß du zu uns kommen sollst!«

Pucki zögerte damit nicht länger. Sie berichtete, wie schön es in Birkenhain wäre und daß in diesem Sommer Rose Scheele, die sonst während der großen Ferien immer im Forsthaus geweilt hätte, nicht kommen könnte. Dafür sollte nun Carmen mitgenommen werden.

»Wir wollen abwarten, Pucki.«

Frau Perler hatte bereits mehrfach überlegt, wohin sie in den Sommerferien das mutterlose Kind geben sollte. Doktor Gumpert schrieb, daß Frau Perler ganz nach eigenem Ermessen handeln möge. Das nötige Geld für den Ferienaufenthalt seiner Tochter werde er bei einer Bank anweisen, da niemand sein Kind umsonst aufnehmen könne. So galt es nur noch ein Haus zu finden, in dem sich Carmen wohlfühlte. Das kleine, brave Mädchen würde sich in alle Verhältnisse fügen.

An einem Vormittag kam Oberförster Gregor unverhofft nach Rotenburg. Er hatte mit Absicht die frühe Stunde gewählt, um Pucki das Herz nicht schwer zu machen. In dem Kinde würde sofort das Heimweh erwachen, und das wollte er nicht.

Frau Perler, die Schwester des Oberförsters, zeigte den Brief von Doktor Gumpert.

»Habt ihr in eurer Gegend nicht eine Familie, zu der ich Carmen geben könnte? Der Aufenthalt wird gut bezahlt.«

»Kann sie nicht zu Puckis Eltern reisen? Die beiden Kinder haben sich doch recht gut angefreundet, und im Forsthaus Birkenhain ist genügend Platz.«

»Pucki hat bereits davon gesprochen. Da ich aber noch keine Aufforderung von Sandlers erhalten habe, nehme ich an, daß es Puckis Eltern nicht recht ist.«

»Ich glaube, ich kenne den Grund. Sandlers müssen sich ziemlich einschränken. Wenn ihnen auch manches zuwächst, so kostet ein Besuch immerhin Geld.«

»Doktor Gumpert hat eine ansehnliche Summe für den Sommeraufenthalt ausgesetzt.«

»Das ist etwas anderes! Ich glaube, nun können wir beide Teile erfreuen. Sandlers wird es ohne Zweifel lieb sein, einen Zuschuß zu erhalten, und Carmen würde sich im Forsthaus sehr wohl fühlen. Ich spreche gleich morgen mit Sandler und werde ihn veranlassen, an dich zu schreiben.«

Schon zwei Tage später bekam Frau Perler einen Brief. Frau Sandler schrieb, daß sie sehr gern bereit sei, Carmen während der Sommerferien aufzunehmen. Da rief Tante Grete die beiden Kinder zu sich.

»Nun, Carmen, möchtest du in diesen Ferien mit Pucki nach Birkenhain?«

Carmens Augen leuchteten auf, doch sagte sie nichts. Pucki hingegen rief stürmisch: »O ja, ich nehme sie mit, ich zeige ihr den schönen Wald, den lieben Harras, wir gehen zusammen zur Schmanz und zu Niepels! Au, das wird fein! Jetzt sagen wir gleich dem Hans, daß er mitkommen soll.«

»Nein, mein Kind, der Hans fährt nach Hause zu seinen Eltern.«

»Schade, das wäre so lustig gewesen!«

Von nun an bildete die Reise nach Birkenhain das ständige Gespräch der beiden Mädchen. Pucki schilderte Carmen die Schönheiten der Gegend in glühenden Farben. Sie gab so anschauliche Bilder, daß Carmen eines Tages sagte:

»Jetzt kenne ich jeden Weg und jedes Tier bei euch. – Ach, ich freue mich sehr!«

Die Tage bis zum Schulschluß wurden gezählt. Alle Schüler des Schiller-Gymnasiums erwarteten sehnsüchtig die großen Ferien, kaum eine andere Unterhaltung wurde geführt. Nur eines hatte neben den Ferien noch Platz in den Köpfen der Kinder: das war die Hundertjahrfeier des Gymnasiums, die im Herbst stattfinden sollte. Allerlei Beratungen hatten bereits stattgefunden.

So kamen die großen Ferien heran. Viele Schüler und Schülerinnen des Schiller-Gymnasiums rüsteten für eine Sommerreise. Oberförster Gregor hatte seinem Sohn mitgeteilt, daß er am späten Nachmittag mit dem Auto in Rotenburg eintreffen würde, um seinen Sohn und die beiden Mädchen abzuholen.

»Die Schule ist um ein Uhr zu Ende«, sagte Pucki. »Damals ist er gleich um zwei gekommen, heute kommt er so spät. Das ist nicht nett von ihm.«

»Schäme dich, Pucki«, ermahnte Tante Grete die kleine Ungeduld, »es ist eine große Gefälligkeit vom Onkel Oberförster, daß er dich und Carmen im Auto mit heimnimmt. Dafür mußt du ihm dankbar sein.«

Beschämt schwieg Pucki. Tante Grete hatte wieder recht. Trotzdem war sie voller Ungeduld, und ihre Laune besserte sich nicht, als gegen fünf Uhr nachmittags der Oberförster noch immer nicht angekommen war.

»Vielleicht kommt er heute gar nicht«, sagte sie ärgerlich.

Aus Carmens Augen strahlte die helle Freude. Auch sie lief schon längere Zeit fix und fertig angezogen im Zimmer umher. – Endlich war es so weit. Und während sich Carmen bei Oberförster Gregor artig dafür bedankte, daß er sie im Auto mitnehmen wollte, hob Pucki drohend den Finger und sagte:

»So lange hättest du uns auch nicht warten lassen müssen, Onkel Oberförster, ich war schon recht böse.«

»Wenn du böse bist«, erwiderte der Oberförster, »kann ich dich natürlich nicht mitnehmen. Dann bleibst du hier. Komm, Eberhard, komm Carmen, wir fahren ohne Pucki ab.«

»Ohne Pucki?« erwiderte Carmen erschrocken.

»Nun ja, Pucki ist böse mit mir. Mit einem Onkel, mit dem man böse ist, fährt man nicht im Wagen. – Kommt!«

»Onkel Oberförster«, rief Pucki erschreckt, »fahre nicht los, ich bin dir ja nicht böse! Ich habe dich doch sehr lieb.«

Doch Gregor schloß die Tür des Wagens, rollte mit den Augen und sagte mit tiefer Stimme:

»Wir sind böse miteinander!«

Pucki hielt sich am Auto fest. »Wenn du ohne mich losfährst, Onkel Oberförster, weine ich sehr! Ich bin dir wirklich nicht böse. Bitte, sei mir wieder gut, ich will dir auch nie wieder etwas Häßliches sagen.«

»Das klingt schon netter, Pucki. – Also wird der Onkel noch einmal gut sein und dich mitnehmen.«

Der Schreck war dem Kinde so in die Glieder gefahren, daß es während der fast zweistündigen Fahrt kaum ein Wort sagte. Von Zeit zu Zeit schauten die blauen Kinderaugen prüfend in das Gesicht des Oberförsters. Und als er seine kleine Freundin kurz vor dem Forsthaus freundlich anlachte, atmete Pucki tief auf.

»Jetzt weiß ich es, nun bist du wieder ganz gut.«

Carmen Gumpert wurde im Forsthause sehr freundlich aufgenommen. Man gewann das mutterlose Kind recht bald lieb. Es gefiel Carmen dort außerordentlich gut. Von Harras wurde sie zwar anfangs mißtrauisch beschnuppert, als aber Pucki sagte: »Sei ein guter Hund, lieber Harras, das ist meine liebe Freundin«, setzte sich der Hund hin und reichte Carmen eine Vorderpfote. So war die Freundschaft geschlossen. Auch mit Waltraut und Agnes gab sich Carmen viel ab. Sie war so glücklich, wenn die Kinder nach ihr riefen, denn sie hatte sich stets nach einer Schwester gesehnt, mit der sie spielen könnte.

Zeichnung Kirchbach

Alles lernte Carmen kennen: Die Schmanz mit den guten Bauersleuten, die Oberförsterei, das Niepelsche Gut mit den Drillingen. Die drei Knaben betrachteten das schwarzhaarige Mädchen anfangs voller Mißtrauen.

»Sie ist meine liebe Freundin«, sagte Pucki, »sie ist von einer Mutter aus Spanien und von einem Vater aus Indien.«

»Also eine Indianerin?« sagte Paul.

»Nein, eine Indianerin ist sie wohl nicht.«

»Doch«, rief Paul vorlaut, »wenn ihr Vater aus Indien kommt, ist er ein Indianer, und sein Kind ist also eine Indianerin.«

»Das ist ja Quatsch«, schrie Walter den Bruder an.

»Du weißt gar nichts! Herr Hupfer sagte, in Afrika leben die Afrikaner, in Italien die Italiener, also leben in Indien die Indianer.«

Walter schwieg. So ganz sicher war er seiner Sache doch nicht. Herrn Hupfer konnte er nicht fragen, weil der Hauslehrer vor wenigen Tagen ebenfalls in die Ferien gereist war.

Daß Carmen eine Indianerin sein sollte, wurde den Knaben dadurch bestätigt, daß eines Tages ein Brief ihres Vaters aus Kalkutta kam. Fritz fragte den Vater, ob Kalkutta in Indien läge. Das wurde ihm bestätigt: Kalkutta sei eine große Hafenstadt, in der die großen Schiffe anlegten, die aus allen Erdteilen kämen.

»Carmen hat viele schöne Bilder bekommen«, sagte Pucki, »ihr Vater hat ihr so komische Bilder geschickt. Da könnt ihr sehen, wie es in Indien aussieht. Kommt mal mit, sie zeigt euch die Bilder. Elefanten gehen auf den Straßen. Auf den Elefanten sitzen Leute in schönen Türmen.«

»Was du wieder redest!«

»Kommt nur mit, Carmen liest euch was aus dem Briefe vor.«

»Vielleicht hat ihr ihr Indianervater was vorgeredet.«

»Wer?« fragte Pucki.

»Nu, der alte Indianer, Carmens Vater. Sie ist doch 'ne Indianerin.«

»Wir wollen den Brief lesen«, rief Walter, »und dann spielen wir, wenn ihr wieder zu uns kommt, auch Indianer. Ich habe noch einen Bogen und Pfeile.«

»Und ich habe einen Kopfputz aus bunten Federn. Das wird fein! Carmen muß die Häuptlingstochter sein, ich bin der Weiße Adler, und Paul ist unser Feind, der Schwarzfußindianer.«

»Und ich bin Lederstrumpf«, schrie Fritz, »ich rette die Häuptlingstochter und heirate sie!«

Gemeinsam gingen die Kinder in die Laube des Forsthauses, in der Carmen mit Waltraut und Agnes spielte. Sie steckte aus Blättern Puppenhüte zusammen, an denen sie breite Grashalme befestigte, so daß die Hüte auch Bindebänder bekamen. Waltraut und Agnes jubelten hellauf, wenn wieder solch ein Hütchen fertiggestellt war.

»Wir möchten gern die Bilder sehen«, rief Pucki beim Eintreten in die Laube, »und den Brief deines Vaters mußt du uns auch vorlesen. Aber zuerst zeigst du uns die Bilder mit den Elefanten.«

»Ich habe viele Bilder vom Vater bekommen. Er ist jetzt mit dem Schiff nach Kalkutta gekommen, dann ist er weiter ins Land hineingefahren.«

»Da werden ihn die Indianer mit ihren vergifteten Pfeilen totschießen«, sagte Fritz.

»Dort gibt es keine Indianer«, erwiderte Carmen, »dort leben die Inder und die Hindus.«

»Quatsch«, sagte Paul, »in Indien leben die Indianer. Doch nun zeige uns die Bilder.«

Die Kinder ließen mit Bitten nicht nach, und obwohl Waltraut und Agnes über die Störung recht böse waren, mußte Carmen hinauf in ihr Zimmer gehen, um den Brief und die Bilder, die ihr der Vater geschickt hatte, zu holen. So saßen die Kinder auf der Veranda des Forsthauses zusammen und hörten interessiert zu, was Carmen vorlas. Von Zeit zu Zeit rief Paul dazwischen:

»Ach, das glaube ich nicht!«

Unbeirrt las Carmen weiter: »Auf unserer Überfahrt war es mitunter so stürmisch, daß die Wellen über das Verdeck schlugen. Keiner konnte sich dort aufhalten, sonst wäre er in den Ozean geworfen worden.«

»Ich hätte mich fest angebunden und mir das angesehen«, sagte Paul.

»Lies doch weiter, Carmen, und du, Paul, halte den Mund«, rief Pucki.

»In Kalkutta gingen wir alle vom Schiff. Es ist eine sehr große Stadt mit hohen Häusern. Man könnte fast glauben, in einer deutschen Hafenstadt zu sein, nur die Menschen sehen anders aus. Sie haben braune Hautfarbe und schwarze Haare. Es herrscht in den Straßen ein buntes Leben und Treiben, denn aus allen Erdteilen kommen dort die Menschen zusammen, um ihre Waren zu verkaufen. Herrliche Tempel haben die Inder erbaut, um darin ihren Götzen zu huldigen. Der größte Götze, der in Indien verehrt wird, heißt Buddha. Ihm sind viele kostbare Tempel errichtet worden. Einige Abbildungen füge ich bei. Da mein Schiff erst in vierzehn Tagen wieder die Heimreise antritt, habe ich die Zeit ausgenutzt, um ins Innere des Landes zu fahren. Ich wurde zu einer Tigerjagd eingeladen. Man reitet dabei auf Elefanten, die auf ihrem Rücken ein Türmchen tragen, in dem die Jäger sitzen. Eine Tigerjagd ist sehr gefährlich, denn du weißt ja, welch böses Raubtier solch eine große Katze ist.«

»Ach ja, Tiger habe ich auch schon gesehen«, rief Walter. »Im Zirkus, der im vorigen Jahr in Rahnsdorf war, waren auch zwei Tiger.«

»Die Elefanten werden aber auch zum Arbeiten gebraucht. Sie müssen beim Bau von Eisenbahnstrecken die Schwellen tragen. Das machen sie mit dem Rüssel. Auch Eisenbahnwagen schieben sie hin und her. Sie stemmen dabei den Kopf an den Wagen und gehen so, als wäre das gar nichts. Elefanten sind so starke Tiere, daß sie ganze Bäume tragen können, ohne sich sonderlich dabei anzustrengen. Sehr hübsch ist es, wenn man dem Baden der Elefanten zusieht. Man muß sich natürlich verborgen halten, damit die Tiere die Beschauer nicht sehen. Dann gehen die alten und jungen Tiere in den Fluß, saugen den Rüssel voll Wasser und bespritzen sich gegenseitig. Das ist eine Freude! Es steht fast so aus, als spritzten wir daheim den Garten.«

»Au, da möchte ich mitmachen«, rief Pucki begeistert aus.

»Die Eingeborenen in Indien heißen Hindus. Sie essen niemals Fleisch, denn die Tiere sind ihnen heilig. Sie leben von Früchten und Reis.«

»Ach«, sagte Walter, »da mag ich nicht nach Indien. Immerzu Reis essen! Wenn es bei uns Reis gibt, den ich doch nicht mag, muß ich immer so lange am Tisch sitzen bleiben, bis ich aufgegessen habe. Da will ich lieber hierbleiben.«

»Milchreis mit Apfelmus«, rief Pucki, »essen das die Leute in Indien auch? Das schmeckt doch gut!«

»Das weiß ich nicht«, sagte Carmen, »die Inder werden schon wissen, was sie zum Reis essen. Aber niemals Fleisch, das könnte mir auch nicht gefallen.«

»Lies doch weiter«, drängte Pucki, »es ist so schön, mal so was zu hören.«

Und Carmen las weiter. Die Kinder lauschten den weiteren Berichten des Arztes, der von Klapperschlangen und Brillenschlangen erzählte, die in den Wäldern lebten. Auch bunte Papageien, Affen und andere bunte Vögel lebten auf den Bäumen.«

»Der Sohn vom Schmanzbauer war auch mal in Indien. Er ist jetzt zu Hause auf der Schmanz, er kann viel davon erzählen.«

»Und wir spielen Indianer, wenn ihr zu uns aufs Gut kommt. Wir machen auch eine Tigerjagd und genau so ein Bad wie die Elefanten. Wir gehen in den Teich und bespritzen uns gegenseitig. – Na, das wird schön sein!«

»Mein Vater schreibt«, sagte Carmen, »wir sollen uns eine Landkarte vornehmen und nachsehen, wo er überall mit dem Schiff gefahren ist. ›Von Hamburg ging es durch den Kanal an Frankreich und Spanien vorbei bis nach Gibraltar. Dort lief das Schiff ins Mittelländische Meer ein. Nach mehreren Tagen kamen wir an die Küste von Afrika und fuhren durch den Suezkanal ins Rote Meer‹.«

»Davon habe ich schon gehört«, rief Walter, »vom Roten Meer hat uns Herr Hupfer erzählt.«

»Weiter fuhr mein Vater durch den Indischen Ozean in den Golf von Bengalen. Dann war er in Kalkutta.«

»Im Golf von Bengalen gibt es bengalisches Feuer. Das kommt wahrscheinlich von dort.«

»Du bist ja dumm, Paul«, rief Pucki, »das bengalische Feuer macht der Drogist von Rahnsburg. Aber jetzt gehen wir in Vaters Zimmer; dort hängt eine große Karte von allen Ländern der Erde. Wir wollen mal nachsehen, wo dein Vater gefahren ist. Wenn ich groß bin, fahre ich auch dorthin. Ich möchte auch mal auf einem Elefanten reiten. Aber den armen Tiger schieße ich nicht tot. Nur ansehen möchte ich ihn.«

Während die Knaben auf der Veranda blieben und berieten, wie sie auch eine Tigerjagd veranstalten könnten, gingen die beiden Mädchen in Sandlers Arbeitszimmer, stellten sich vor die große Wandkarte und suchten die Fahrtroute auf. Es gefiel ihnen sehr, mit dem Finger den Weg zu verfolgen. Dann betrachteten sie die vielen Bilder, die Doktor Gumpert seiner Tochter gesandt hatte. Da waren kleine Hindumädchen, über und über mit Schmuck behängt, da war ein großes, stattliches Gebäude mit vielen Säulen. Darunter hatte der Vater geschrieben: »Das ist die ›Halle der Winde in Jaipur‹.« Dann war da ein Bild von einer Hochzeit. Auf der Rückseite stand: »Die Hindumädchen heiraten mitunter schon mit vier und fünf Jahren.«

Pucki lachte belustigt auf. »Ich bin schon zehn Jahre! Das sage ich dem großen Claus! Ich will doch den Claus mal heiraten.«

»Du bist aber in Deutschland; da heiratet man erst, wenn man groß geworden ist.«

Für die Bilder interessierten sich später auch die Niepelschen Knaben. Paul meinte zwar, daß hier alles ganz anders aussähe als in seinem Lederstrumpfbuch. Er wollte es nicht glauben, daß die Indianer in Amerika lebten, während Indien in Asien lag. Er schüttelte schließlich eigenwillig den Kopf, als selbst Förster Sandler diese Tatsache bestätigte.

»Er ist ja niemals aus dem Wald herausgekommen«, flüsterte Paul leise seinem Bruder zu. »Er war doch noch nicht in Indien. Er weiß eben nicht, daß dort doch die Indianer leben.«

Sandler bemerkte Pauls ungläubiges Gesicht. »Geht einmal zum Schmanzbauern, dort werdet ihr mancherlei an Waffen und Schmuckstücken sehen, die sein Sohn Michael sich von seinen vielen weiten Reisen mitgebracht hat. Da er gerade daheim ist, kann er euch allerlei erzählen.«

»Oh, wir gehen zum Michael!« rief Pucki.

Die Kinder ließen keine Ruhe mehr. Vor allem wollten die Niepelschen Knaben die Waffen der Indianer sehen, während Carmen nur von der Sehnsucht beherrscht war, noch mehr von dem Lande zu hören, in dem ihr Vater weilte. Pucki dagegen dachte an die schönen Backbirnen, die sie wieder von der Schmanzbäuerin bekommen würde. Vielleicht ließ man sie auch wieder einmal auf dem Pferd reiten. Indien und die Indianer waren ihr gleichgültig.

Schon am nächsten Tage wurde der gemeinsame Spaziergang nach der Schmanz ausgeführt. Der Bauer war nicht daheim, er hatte auf den Feldern zu tun. Sein Sohn Michael, der von einer großen Seereise heimgekommen war, half ihm. So wurden die Kinder nur von der Schmanzbäuerin begrüßt.

»Ach, Sie wollen wir gar nicht besuchen«, sagte Paul vorlaut, »wir wollen den Michael sprechen. Hat er viele Waffen von seiner Indianerreise mitgebracht?«

»Oben in seinem Zimmer hängt allerlei. Ihr wißt ja, Kinder, der Michael fährt schon sehr lange zur See. Jedesmal, wenn er heimkommt, bringt er neue Sachen mit.«

Pucki stieß Carmen an und wies auf das Schiff, das an der Zimmerdecke hing.

»Das hat er auch mitgebracht. Das hat er selber gemacht, als mal nichts zu tun war.«

»Wir möchten die Waffen sehen«, rief Paul wieder. »Wo ist der Michael?«

»Wenn ihr ein Weilchen wartet, kommt er.«

»Wir wollen mal hinauf in sein Zimmer gehen.«

»Nein, nein«, rief Pucki erschrocken, »Schmanzbäuerin, laß die Jungens ja nicht in das Zimmer, sie machen alles kaputt!«

»Ich weiß schon«, sagte die Bäuerin, »ich kenne die Bengels! Wenn ihr was sehen wollt, müßt ihr warten, bis der Michael vom Felde kommt.«

Die Drillinge beschlossen, sogleich hinaus aufs Feld zu gehen, um den Michael zu holen. Ihnen erschien das Einbringen der Feldfrüchte lange nicht so wichtig wie das Beschauen der seltsamen Sachen. Nur Fritz wagte einzuwenden:

»Wenn er Erntearbeiten macht, soll man ihn nicht stören!«

»Du Döskopp«, schrie ihn Paul an, »die Ernte läuft nicht weg! Ich will über Indien und die Indianer was hören.«

So liefen die drei Knaben davon und riefen dem Schmanzbauern schon von weitem zu:

»Wir wollen die Indianerwaffen sehen!«

Michael, der älteste Sohn des Bauern, war ein großer, stämmiger Mann mit wettergebräuntem Gesicht. Er war auf seinen Fahrten schon mehrere Male um die Erde gekommen. Nord- und Südamerika hatte er besucht, war um Kap Horn gefahren, hatte den Stillen Ozean durchquert, Australien besucht und war schließlich durch den Indischen Ozean gekommen. Er kannte auch die herrliche Insel Ceylon, wo, wie man sagte, das Paradies gestanden haben soll. Er war auf Borneo gewesen, wo die riesigen Menschenaffen zu Hause waren und konnte gar viel von Indien und dem Lande der Chinesen erzählen. Von überall hatte er Andenken mit heimgebracht. Auch Afrika, das Land der Schwarzen, war ihm nicht fremd geblieben. Den Tafelberg hatte er sogar bestiegen, der sich am Kap der Guten Hoffnung, der südlichsten Spitze Afrikas, stolz erhebt. Oh, der Michael konnte gar viel erzählen, das wußten die Niepelschen Knaben und Pucki ganz genau.

»Sie sollen uns von Indien erzählen. Sie waren doch dort?«

»Freilich, freilich«, lachte der Seefahrer, dem es den größten Spaß machte, den lebhaften Kindern von seinen Reisen zu berichten.

»Dann waren Sie auch bei den Indianern.«

»War ich auch!«

»Na also«, sagte Paul und warf den Kopf in den Nacken. »Ich habe es doch gewußt, daß die Indianer in Indien leben. Puckis Eltern wissen gar nichts!«

»Schäme dich, Paul«, sagte Michael, »ich glaube, du bist jetzt zwölf Jahre alt und weißt nicht einmal, wo Indien liegt und wo die Indianer leben?«

»Er ist ja auch noch nicht zur See gefahren«, sagte Walter, »er kann das alles doch nicht wissen. Doch nun kommen Sie mit nach Hause und zeigen Sie uns mal, was die Indier und Indianer für Waffen haben. Bei Sandlers ist doch eine kleine Indianerin. Der wollen wir was vorspielen.«

»Erst die Arbeit.«

»Schmanzbauer«, bat Fritz, »lassen Sie doch Ihren großen Jungen heimgehen. Wir möchten so gern in seine Stube, und die Bäuerin läßt uns nicht hinein.«

Der gutmütige Bauer riet seinem Sohne, mit den drei Knaben heimzugehen. Er wußte, wie sehr sich gerade Knaben für alles, was aus fernen Erdteilen kommt, interessieren. –

Bald saß der Michael in seiner Stube und holte bald dieses, bald jenes Stück von der Wand, um es den fünf Kindern zu zeigen. Er mußte freilich auf Paul gut achtgeben, weil dieser nach den verschiedensten Sachen griff.

»Wenn du noch ein Stück anrührst, Paul, werfe ich euch alle hinaus.«

»Oh, was ist denn das?« sagte Pucki und tippte auf einen großen goldenen Ring, der mit seltsamen Schrauben und Vögeln geschmückt war.

»Das ist ein Armband, und das hier sind Ohrgehänge, und hier siehst du sogar einen Nasenschmuck. Die indischen Frauen behängen sich mit vielen Ketten und Perlenschnüren. Auch die Männer tragen allerlei Schmuck.«

»Und was ist das?« klang es mehrstimmig.

»Das ist ein gezahnter Säbel, und hier seht ihr eine Luntenflinte.«

»So was müssen wir auch haben«, flüsterte Paul seinem Bruder zu, »wenn wir einen Angriff auf das Indianermädchen machen.«

Alles wurde reichlich bestaunt, was Michael von seinen großen Reisen mitgebracht hatte. Paul hätte gar zu gern den Köcher mit den vielen bunten Federn mit heimgenommen. Aus diesen Federn ließ sich ein prächtiger Kopfputz machen. Aber Michael verschloß alles wieder sorgfältig in einem großen Schrank. Walters Blicke hingen begehrlich an dem gezahnten Säbel, während Fritz ein seltsames Tier neugierig betrachtete. Hunderte von Fragen wurden gestellt, die Michael alle mit größter Geduld beantwortete.

»Und nun erzähle uns noch was von den Indianern. Wenn sie aus dem Dickicht hervorbrechen, schwingen sie ihre Äxte und Beile, stürzen sich auf jeden Vorübergehenden, springen auf die Autos und skalpieren alle.«

»Autos? Aber Paul! Außerdem sind die Indianer heute auch nicht mehr so, wie du sie in deinem Lederstrumpfbuch geschildert findest.«

»Ach, er weiß nichts«, sagte Paul leise.

Carmen fragte nach Spanien, nach dem Lande, aus dem die Mutter stammte. Auch davon mußte Michael mancherlei erzählen. So verging die Zeit gar schnell.

»Ich komme noch einmal her«, sagte Carmen, »dann erzählen Sie mir noch mehr. Ach, ich möchte gern einmal nach Spanien oder nach Indien, wo mein Vater ist.«

Paul schmunzelte verstohlen. Die Freude, Indianer zu sehen, wollte er Carmen bald bereiten. Er ließ sich nun einmal nicht davon abbringen, daß die Indianer in Indien lebten.

An den folgenden Tagen ging es im Niepelschen Hause sehr unruhig zu. Köchin und Hausmädchen, Knechte und Mägde wurden bestürmt, um bunte Tücher, große Hühnerfedern und dergleichen herzugeben. Von der Köchin verlangten die Knaben ein Küchenbeil, das sie ihnen aber verweigerte. Einem Knecht, der gerade beim Holzspalten war, wollte Paul die Axt fortnehmen, doch der schloß das gefährliche Handwerkszeug nach Beendigung der Arbeit in den Holzstall ein. Er hatte bereits gehört, daß die Knaben Indianer spielen wollten.

Weder dem Vater noch der Mutter wurde etwas davon gesagt, daß man einen Indianerangriff auf das Forsthaus Birkenhain unternehmen wollte, um das Indianermädchen Carmen zu entführen.

»Ich bin der Trapper Lederstrumpf«, sagte Fritz, »ich schütze die weiße Blume der Prärie und stelle mich gegen euch. Ich versuche, euch zu umzingeln!«

»Wir gehen auf Schleichpfaden zum Forsthaus. Eigentlich müßte Pucki mit dabei sein und uns helfen.«

»Nein, Pucki nehmen wir gefangen.«

Die Drillinge ahnten wohl, daß die Eltern dieses gefährliche Spiel niemals gutgeheißen hätten. So wurde alles heimlich betrieben. Es galt, nur noch die nötige Ausrüstung fertigzustellen. Der Sohn des Inspektors hatte im vorigen Jahr einen Indianerkopfputz geschenkt bekommen. Paul hatte sich diesen Kopfputz bereits gesichert. Er borgte dem Jungen dafür seinen Stabil-Baukasten. Aus dem unbenutzten Fremdenzimmer war die bunte Tischdecke geholt worden, und eine Wäscheleine war längst erbeutet worden, denn ohne den Lasso begab sich kein Indianerhäuptling auf den Kriegspfad. Aus der Mutter Nähkasten waren bunte Bänder genommen worden, mit denen man die Beine umwickeln wollte. Aus dem Salon nahmen die Knaben die Gardinenschnüre mit den Quasten und schlangen sie als Schärpe um den Leib.

Jetzt galt es nur noch, die nötigen Waffen zu erbeuten. Paul hoffte noch immer auf die Holzaxt, denn nicht immer war der Stall verschlossen. Tagsüber konnte man an die Axt herankommen. – Ein Griff, und sie war sein. – Walter wußte, wo am Küchenrahmen das Küchenbeil hing. Wenn er sich dann noch den Feuerhaken sicherte, war seine Ausrüstung beendet. Der Trapper Fritz durchstöberte die Ställe. Die große Säge schien ihm nicht geeignet. So machte er sich eine Armbrust.

»Meine Pfeile sind vergiftet«, schrie er, »hütet euch! Jeder, der getroffen wird, sinkt tot zu Boden.« Seine Kopfbedeckung, ein großer Schlapphut, den ihm ein Knecht gegeben hatte, schien ihm ungeeignet. »Ein Schlag mit der Axt, und mein Schädel wäre gespalten. Ich muß etwas Festes haben.«

In der Küche fand er einen größeren Emailletopf. Er paßte ihm genau. Das war sein Stahlhelm! Nun konnte er die gefährlichsten Axtschläge dadurch aushalten.

Für heute nachmittag war der Angriff geplant. Im Forsthaus wußte niemand etwas. Die Knaben wollten durch den Wald schleichen, um dann mit lautem Geheul das Forsthaus zu überfallen.

»Wir müssen indianisch brüllen!«

»Das können wir erst im Walde machen, sonst hört es der Vater.«

Alles klappte herrlich. Die große Holzaxt stand im Hof. Die Köchin hatte eben die Küche verlassen, das Beil, der Feuerhaken und der Topf konnten ohne Schwierigkeiten entwendet werden. – –

Drei merkwürdige Gestalten schlichen hinter der Scheune auf einem kleinen Wege dahin, der rechts und links von Gebüsch umsäumt war und zum Walde führte. Sie mußten freilich die Landstraße überqueren, doch das Gebüsch würde genügend Deckung geben.

Am schönsten sah Paul aus. Die bunte Tischdecke aus dem Fremdenzimmer war geradezu herrlich, ebenso der Federkopfputz. Er schwang kriegerisch die Axt, während der Trapper Fritz seine Pfeile von der selbstgefertigten Armbrust abschoß.

Obwohl auf dem kleinen Weg niemand kam, gab Paul immer wieder Warnungsrufe von sich, und im nächsten Augenblick krochen die drei Knaben hinter die Büsche.

»Das machen wir fabelhaft«, sagte Walter, »besser kann es kein Schwarzfuß-Indianer machen.«

»Wir müssen noch den Schlachtruf üben«, meinte Paul.

»Wie schreien denn die Indianer?« fragte Fritz.

»Uhu wabiti, uhu wabiti!«

»Los!« rief Fritz begeistert.

Axt, Beil und Feuerhaken wurden geschwungen! Lederstrumpf reckte drohend die Armbrust zum Himmel. Drei Knabenkehlen brüllten das »Uhu wabiti!«

»Der Feind kommt! – Deckung nehmen!«

Obwohl sie niemanden sahen, kauerten doch alle hinter dem Gebüsch, brachen aber nach einer Minute wieder mit dem wilden Kriegsruf hervor: »Uhu wabiti!«

Gutsbesitzer Niepel, der das Geschrei hörte und die Stimmen seiner Knaben sofort erkannte, blieb auf der Landstraße stehen. Auch er suchte hinter einem Baum Deckung; er wollte abwarten, was das Geschrei bedeutete. Daß etwas dahinter steckte, war ihm klar.

Währenddessen überquerten die drei Knaben in rasendem Lauf die Landstraße. Da alle mit ihren Waffen zu tun hatten, achteten sie nicht auf die drohende Gefahr, die hinter einem der Bäume auf sie wartete.

»Tod allen, die sich uns entgegenstellen!« schrie Paul.

Soeben kletterten die Knaben die Böschung der Straße hinab, um jenseits in den Wald zu gelangen, als Gutsbesitzer Niepel ein lautes: »Stehenbleiben!« ertönen ließ.

Die drei Jungen erkannten des Vaters Stimme sofort. Kurzes Überlegen, dann stürmten sie dem Walde zu.

»Stehenbleiben«, donnerte Herr Niepel noch einmal. Das klang so gebieterisch, daß den kriegerischen Indianern der Mut sank.

»Sofort herkommen!« schrie der Vater.

Fritz fühlte sich am unschuldigsten. Er war doch Lederstrumpf, der keinem etwas zu Leide tat.

»Vater, ich bin nur der Trapper«, rief er hinter einem Baum hervor.

»Sofort herkommen! Wie oft soll ich es noch sagen!«

Fritz zog den Kopf zwischen die Schultern. Feuerhaken und Küchenbeil sanken herab. Paul stellte die Holzaxt an einen Baum.

»Etwas rasch«, klang schon wieder des Vaters grollende Stimme. Da setzten sich die Knaben in schnellere Bewegung. Plötzlich ertönte ein schriller Schrei. Fritz war mit dem Kopf so heftig gegen einen Baum gelaufen, daß der Emailletopf über Augen und Ohren rutschte. Vergeblich bemühte er sich, den seltsamen Helm wieder hochzuschieben. Es gelang ihm nicht. Der Kopf war fest in den Topf eingekeilt.

»Ich krieg' ihn nicht mehr 'runter!« schrie er. »Ich kann nicht mehr sehen. – Vater, hilf mir!«

Paul begann an dem Topf zu ziehen; Fritz schrie jämmerlich dabei. Der Vater versuchte es vorsichtiger, aber auch ihm gelang es nicht.

»Das ist dir ganz recht«, sagte er ärgerlich. »Wartet nur, zwei Stunden Arrest sind euch sicher, und Abendbrot gibt es heute nicht.«

Es war unmöglich, den Topf vom Kopf des Knaben zu entfernen. So blieb Niepel nichts anderes übrig, als seinen Sohn, der nichts sehen konnte, an die Hand zu nehmen und nach Hause zu führen. Fritz weinte leise vor sich hin.

»Was wird nun werden«, flüsterte Walter, »wenn er immerzu mit dem Topf herumlaufen muß?«

Frau Niepel nahm sich Paul und Walter vor und verbot ihnen aufs strengste, sich jemals wieder derartig auszurüsten. Dann wurden die Knaben eingesperrt.

Mit Fritz wurden die sonderbarsten Experimente angestellt. Als es aber aussichtslos war, den Topf von seinem Kopf abzunehmen, telephonierte man nach Rahnsburg an einen Klempner, der herauskommen sollte, um den Topf aufzuschneiden. Fritz zitterte vor Angst. Was konnte ihm nicht alles passieren, wenn der Topf, unter dem sein Kopf saß, zerschnitten oder gar zerschlagen wurde.

»Die Angst schadet dir nichts«, sagte der Vater ärgerlich.

Der Klempner kam. Er brach in ein Gelächter aus, als er den Knaben sah. Das kränkte Fritz tief. Dann wurde der Emailletopf aufgeschnitten. Fritz war endlich befreit.

So war der Indianerangriff abgeschlagen, ehe er zur Ausführung kam. Fritz trug seit dem Tage den Spottnamen: »Fritz mit dem Blechkopf.«


 << zurück weiter >>