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XVII.

Als sie das Zimmer betreten hatten, verneigte der Alte sich nochmals, fuhr mit dem Zipfel seines Rockes über die Bank in der vorderen Ecke und fragte lächelnd:

»Womit dürfen wir Ihnen aufwarten, Euer Durchlaucht?«

Die Stube war geweißt und geräumig, hatte einen Schornstein, mehrere Schlafstätten und Pritschen. Die frischen Balken aus Espenholz, zwischen denen kaum verwelktes Moos steckte, waren noch nicht schwarz geworden; die neuen Bänke und Schlafstellen glänzten noch nicht und der Fußboden war noch nicht glatt getreten. Eine junge, magere Bäuerin mit länglichem, ernstem Gesicht, Iljuschkas Frau, saß auf der Pritsche und schaukelte mit dem Fuß eine Wiege, die an langer Stange von der Decke herabhing. In der Wiege schlummerte mit geschlossenen Äuglein leise atmend ein Säugling, der die Decke fortgestrampelt hatte; eine andere, starke, rotbäckige Bäuerin, die Frau des Korpus, hatte die Ärmel bis über die Ellbogen der derben, sonngebräunten Arme aufgestreift, stand am Ofen und schnitt Zwiebeln in eine hölzerne Schale. Ein drittes, blatternarbiges Weib stand neben ihr und bedeckte die Augen mit ihrem Ärmel. Das Zimmer war nicht allein durch die Sonnenglut draußen, sondern auch durch die Ofenwärme erhitzt, und es duftete nach frischgebackenem Brot. Von der Ofenbank guckten die hellblonden Köpfchen zweier Knaben und eines Mädchens neugierig auf den Herrn herunter.

Nechljudow freute sich über den Wohlstand und die Ordnung, zugleich aber genierte er sich vor den Weibern und Kindern, die ihn alle anblickten. Errötend setzte er sich auf die Bank.

»Gib mir ein Stückchen warmes Brot, das esse ich gern,« sagte er und wurde noch röter.

Die Frau des Karpus schnitt ein großes Stück Brot ab und reichte es dem Herrn auf einem Teller. Nechljudow schwieg, da er nicht wußte, was er sagen sollte; die Weiber schwiegen auch, der Alte lächelte mild.

»Weshalb geniere ich mich denn, als hätte ich etwas auf dem Gewissen?« sagte sich Nechljudow, »warum soll ich nicht mit meinem Vorschlag herausrücken? Wie dumm von mir!« Und trotzdem blieb er stumm.

»Nun, Väterchen Dmitrij Nikolajewitsch, was befehlen Sie betreffs meiner Kinder?« fragte der Alte.

»Ich würde dir raten, sie nicht fortzulassen, sondern ihnen hier eine Arbeit zu suchen,« entgegnete Nechljudow, der plötzlich Mut gefaßt hatte. »Weißt du, was ich für dich erdacht habe: kaufe mit mir gemeinsam ein Stück des staatlichen Waldes und etwas Land –«

»Aber, Euer Durchlaucht, wo soll ich denn das Geld dazu hernehmen?« unterbrach ihn der Alte.

»Es braucht ja kein großer Wald zu sein, für zweihundert Rubel ungefähr,« bemerkte Nechljudow.

Der Alte lächelte ärgerlich.

»Gewiß, wenn ich sie hätte, warum sollte ich nicht kaufen?« sagte er.

»Hast du denn wirklich nicht so viel Geld?« fragte der Herr vorwurfsvoll.

»Ach, Väterchen Durchlaucht,« antwortete der Alte traurig und blickte nach der Tür, »ich bin froh, wenn ich die Meinigen satt machen kann, und denke nicht an den Waldkauf.«

»Aber du hast doch Geld, warum soll es ungenützt daliegen?« fragte Nechljudow eindringlich.

Der Alte geriet plötzlich in heftige Erregung. Seine Augen leuchteten, seine Schultern zuckten, und er begann mit bebender Stimme:

»Vielleicht haben böse Menschen so etwas über mich erzählt, aber so wahr Gott lebt –« er geriet immer mehr in Eifer und richtete seinen Blick auf das Heiligenbild – »meine Augen sollen erblinden, ich selbst soll in die Erde sinken, wie ich hier stehe, wenn ich mehr habe als die fünfzehn Rubel, die Iljuschka heimgebracht hat, und von denen ich die Kopfsteuer zahlen muß. Sie wissen doch selbst: wir haben das Haus gebaut –«

»Gut, gut,« sagte der Fürst und stand auf, »lebt wohl, Leute.«


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