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Die Furcht

Vor den Toren der Stadt Genf vereinigt die Arve, ein reißender Bach, der von den Gletschern Savoyens herabkommt, seine kotigen Wellen mit den klaren Wassern der Rhone. Die beiden Flüsse laufen eine ganze Strecke, ohne ihr Wasser miteinander zu vermischen: so ist es für die, welche noch nicht daran gewöhnt sind, ein ganz eigenartiger Anblick, in dem gleichen Bett parallel zueinander eine schlammige Welle und azurblaue Wogen rinnen zu sehen.

Die Landzunge, welche die beiden Flüsse, nahe bei der Brücke, wo sie sich vereinigen, trennt, bildet ein kleines Delta, dessen Grundlinie in einer Breite von nur wenigen hundert Schritten von dem städtischen Kirchhof eingenommen wird. Dahinter liegen Gemüsegärten, die mittels großer Räder bewässert werden, die das Wasser aus der Rhone heben und es in eine Unzahl kleiner Rinnen verteilen, die das Land durchkreuzen. Nur einige Landleute bewohnen diese kleine Ebene, die von einem Erlengehölz und weiterhin von einem öden Sandstreifen begrenzt wird. Am äußersten Ende dieses flachen Sandstreifens vereinigen sich die beiden Flüsse, um dann, eingezwängt zwischen unterwaschene Felsen, die den Horizont abschließen, weiterzuströmen.

Ungeachtet der Nähe einer volkreichen Stadt macht die Örtlichkeit einen melancholischen Eindruck, welcher die große Menge fernhält. Manchmal freilich tobt eine fröhliche Schar von Schülern die Flußufer entlang. Der Reiz der Ungebundenheit, den diese verlassene Stelle bietet, verführt sie dann wohl, sich an der sandigen Uferstelle, von der ich eben sprach, niederzulassen; meist aber trifft man dort nur vereinzelte Spaziergänger, und mehr von der Sorte, die es lieben, sich den Blicken ihrer Mitmenschen zu entziehen und für sich zu träumen. Oft auch haben unglückliche Leute an dieser Stelle den Tod in den Fluten gesucht.


Ich war ungefähr sieben Jahre alt, als ich diese kleine Landschaft zum erstenmal, und zwar an der Hand meines Großvaters, durchmaß. Wir gingen unter dem Schatten großer Buchen, an deren Zweigen er mir mit der Spitze seines Spazierstocks kleine Vögel zeigte, die von Zweig zu Zweig hüpften.

»Sie spielen,« sagte ich.

»Nein, mein Kind, sie suchen in der Umgegend hier herum nach Nahrung für ihre Kleinen; die bringen sie ihnen und dann fliegen sie wieder fort, um von neuem anzufangen.«

»Wo sind sie, die kleinen Vögel?«

»Sie sind in ihren Nestern, die wir nicht sehen.«

»Warum sehen wir sie nicht...?«

Während ich diese kindlichen Fragen tat, waren wir am Ende der Baumallee vor ein großes steinernes Portal gelangt. Durch eine Öffnung des Tors bemerkte man im Innern einige Zypressen und Trauerweiden; auf dem Giebel des Portals war in weißem Marmor mit großen schwarzen Buchstaben eine Inschrift eingemeißelt. Dieser, für ein Kind auffällige Gegenstand erregte meine Aufmerksamkeit. »Was ist das?« sagte ich zu meinem Großvater.

»Lies selbst,« sagte er.

»Nein,« versetzte ich, »lies du, Großvater,« denn der empfangene Eindruck hatte etwas in sich, das mich furchtsam machte.

»Das ist hier das Kirchhofstor,« sagte er, »der Ort, wo man die Toten hinbringt. Die Inschrift ist eine Stelle aus der Bibel: ›Selig, die im Herrn sterben; sie ruhen von ihrer Arbeit aus und ihre Werke folgen ihnen nach.‹ Das will heißen, mein Kind ...«

»Aber wohin bringt man sie denn?« unterbrach ich ihn.

»Man legt sie in die Erde.«

»Warum, Großvater? Tut man ihnen ein Leid an?«

»Nein, mein Kind, die Toten fühlen nichts mehr auf dieser Erde.«

Wir gingen an dem Tor vorbei und ich tat keine Fragen mehr. Von Zeit zu Zeit drehte ich den Kopf nach dem weißen Stein um; dabei knüpfte ich an diesen Gegenstand alle möglichen, finsteren Gedanken über Tote, über Gräber und über Männer in schwarzen Mänteln, die ich oft in den Straßen bemerkt hatte, und die Tragbahren trugen, die mit großen Tüchern verdeckt waren.

Aber die Sonne schien, und ich hielt die Hand meines Großvaters. Diese Eindrücke verblaßten vor anderen; und als wir die Ufer der Rhone erreichten, zogen der Anblick des Wassers und zumal der eines Mannes, der fischte, meine ganze Aufmerksamkeit auf sich.

Bei dem niedrigen Wasserstande hatte sich der Mann, welcher große lederne Stiefel anhatte, in die Mitte der Strömung gestellt.

»Sieh mal, Großvater, er steht im Wasser!«

»Der Mann fängt Fische. Wir wollen ein Weilchen warten, du wirst sehen, wie er zuckt, wenn er etwas am Ende seiner Angel fühlt.«

Wir sahen ihm zu, aber der Mann zuckte nicht. Allmählich drängte ich mich näher an meinen Großvater und drückte seine Hand kräftiger, denn die Unbeweglichkeit des Fischers begann mir seltsam zu erscheinen. Seine starr auf das Ende der Angel gerichteten Augen, die Angel selbst, die geheimnisvoll unter der Oberfläche des Wassers ruhte, das Schweigen, das über der ganzen Szene lagerte, alles das wirkte mächtig auf meine zarte Einbildungskraft, die bereits durch den Anblick der Inschrift mit den schwarzen Buchstaben erschüttert war. Als schließlich gar, infolge einer häufig vorkommenden, für mich aber neuen Einbildung, der Fischer sich stromabwärts, das gegenüberliegende Ufer aber sich stromaufwärts zu bewegen schien, da zog ich meinen Großvater bei der Hand weiter und wir setzten unsern Spaziergang fort.

Wir gingen am Ufer unter den Weiden entlang, die den Fußsteig beschatten; sie sind wurmstichig, von Moder zerfressen; grünes Moos wächst an ihrem Fuß, während sich aus ihren altersschwachen Kronen biegsame Zweige herausstehlen, die sich zum Flusse niederbeugen. Wir hatten zu unserer Rechten die Rhone, zur Linken die Gärten, von denen ich vorhin sprach. Das Rad, welches das Wasser in kleine Tröge hebt, aus denen es in die Rinnen zurückfällt, interessierte mich sehr; gleichwohl in der Stimmung, in der ich mich befand, war es mir lieber, diese große, sich um sich selbst drehende Maschine nicht allein betrachten zu müssen; auch stand der Fischer noch immer da unten, allein und unbeweglich. Endlich verloren wir ihn aus den Augen und kamen an die flache sandige Stelle, welche die Landzunge abschließt. Mein Großvater zeigte mir in dem Kies eine Menge flacher und runder Steine und lehrte mich, sie über die Oberfläche des Wasser zu schnellen, so daß ich völlig den Torweg, den Fischer und das Rad darüber vergaß.

Am Ufer war eine kleine Bucht, voll klaren Wassers und gar nicht tief. Mein Großvater forderte mich auf, mich darin zu baden, zog mir meine Kleider aus und ließ mich ins Wasser gehen. Er selbst setzte sich ans Ufer, stützte sein Kinn auf den goldenen Knopf seines alten Spazierstocks und sah mir zu, wie ich spielte. Ich blickte lange auf seine ehrwürdige Gestalt und ich weiß nicht recht, warum sich mir die Erinnerung an ihn seitdem in diesem Bilde eingeprägt hat.

Wir gingen um die Spitze der Halbinsel herum und am Ufer der Arve entlang zurück. Ich hatte meine Munterkeit wiedergefunden, das Bad hatte mich in Gang gebracht. Ich spielte mit meinem Großvater und zog ihn an den Rockschößen, bis er sich plötzlich umdrehte, tat, als ob er mich verfolgte und dabei seine Stimme erhob. Als wir das Weidengehölz erreichten, versteckte er sich hinter den Bäumen und ich suchte ihn, ganz aufgeregt vor Vergnügen, und gab mich einer lärmenden Freude hin, wenn ich sein Versteck fand oder wenn er sich auch nur durch das Ende seines Stocks oder durch seinen Hut verriet.

Einen Augenblick verlor ich seine Spur. Während ich ihn von Baum zu Baum suchte, drang ich immer tiefer in das Gehölz, ohne ihn zu finden. Ich rief ihn, er antwortete nicht. Nun beschleunigte ich meinen Lauf und lenkte meine Schritte nach der Seite des Dickichts, die mir weniger düster zu sein schien; dabei kam ich von dem Fußweg ab und befand mich plötzlich am Ufer, einem Gegenstand gegenüber, der mich mit Schrecken erfüllte.

Es war ein Pferdegerippe, das auf dem Sande lag. Die tiefen Augenhöhlen, die Nasenlöcher, der fleischlose Kiefer, der wie in einem teuflischen Gähnen weit offen stand und das scheußliche Gebiß sehen ließ, machten mir einen so jähen und so starken Eindruck, daß ich mit aller Kraft meiner Lungen schrie: »Großvater, o Großvater!« Mein Großvater kam zum Vorschein, ich warf mich in seine Arme und zog ihn schnell von dem Orte des Schreckens fort.

Als man mich abends zu Bett brachte, war ich noch sehr unruhig und aufgeregt und fürchtete mich vor dem Augenblick, wo ich allein bleiben würde. Auf mein Bitten wurde gestattet, daß die Tür zu dem Zimmer, in dem meine Eltern zu Abend speisten, angelehnt blieb, und bald darauf befreite mich der Schlaf von meiner Furcht.

 

Im folgenden Jahre starb mein Großvater. Sein Verschwinden rief bei mir kein Gefühl der Leere hervor; weit mehr rührte mich der Schmerz meines Vaters, dessen Niedergeschlagenheit und Traurigkeit mir Tränen erpreßten. Man zog mir schwarze Kleider an, umwickelte meinen Hut mit einem Trauerflor, und als der Tag des Begräbnisses kam, mußte ich dem Leichenzug mit meinen Angehörigen folgen, die alle, wie ich, lange schwarze Mäntel anhatten.

Als wir das Haus verließen, wagte ich nicht, meinen Vater zu fragen, wohin wir gingen; abgesehen davon, daß mein Kummer mich schüchtern machte, stand ich mit ihm, wie das bei Kindern gewöhnlich der Fall ist, nicht so vertraut wie mit meinem Großvater. Was mein Großvater mir von den Toten und der Erde, in die man sie legt, erzählt hatte, war meinem Gedächtnis wieder entschwunden, so daß ich auf dem Wege mehr neugierig als unruhig war. Als ich vollends hörte, wie meine erwachsenen Verwandten hinter mir sich von gleichgültigen Dingen unterhielten und die Vorübergehenden grüßten, kam mir die Feierlichkeit gar nicht mehr traurig vor.

Am Stadttor präsentierte der Posten, und die Soldaten der Wache stellten sich in Reih und Glied, um das gleiche zu tun. Ich wußte nicht, daß es unsertwegen geschah, aber ich erblickte darin eine sehr angenehme Abwechslung. Einer der Soldaten, den ich wegen seines martialischen Aussehens besonders aufmerksam betrachtete, lächelte, als er mich erblickte; ich glaubte, daß er wegen meiner Ausstaffierung lache und errötete, und so oft die Blicke der Vorübergehenden auf mir ruhten, errötete ich von neuem.

Während ich mich durch diese Eindrücke und durch tausend andere Nichtigkeiten, die meine Augen trafen, zerstreuen ließ, hatte ich nicht gemerkt, welche Richtung der Zug nahm. Plötzlich fand ich mich in der Buchenallee wieder, dem großen Portal gegenüber; die Eindrücke vom Jahre vorher stellten sich in meinem Geiste wieder ein, und ich zweifelte nun nicht länger, daß ich Teilnehmer an einer Toten- und Begräbnisfeier sein sollte, deren finsteres Geheimnis mich schon so oft aufgeregt und verwirrt hatte.

Nun kehrten meine Gedanken zu meinem Großvater zurück, der, wie ich wußte, in dem Sarge lag. Ich begriff, daß man ihn nach den Gebräuchen, von denen er mir erzählt, in die Erde versenken wollte; da ich noch unfähig war, mir einen Toten zu denken, so stellte ich mir vor, daß er ganz lebendig in den engen Kasten gebettet wäre, und ich wartete voller Angst, was weiter mit ihm geschehen würde. Obgleich zu der Furcht, die ich empfand, auch etwas Neugierde hinzukam, so hoffte ich doch, daß sich alles in einer gewissen Entfernung abspielen, und daß wir durch das Tor nicht hindurchgehen würden. Aber es kam anders.

Ich hatte noch nie einen Kirchhof gesehen und mir von diesem traurigen Ort eine schreckliche Vorstellung gemacht; ich war deshalb ziemlich beruhigt, als ich beim Eintritt Bäume, Blumen und Sonnenstrahlen bemerkte, welche die Oberfläche einer weiten Wiese vergoldeten. Alsbald erfüllte sich meine Phantasie wieder mit sanfteren Bildern; so sah ich meinen Großvater wieder vor mir, wie er mir im Jahre vorher am Ufer der kleinen Bucht erschienen war. Ich stellte mir vor, daß er diese Wiese bewohnen und sich an der Sonne ausruhen würde, wie es seine Gewohnheit an schönen August- oder Julitagen gewesen war. So sehr beschäftigte mich dieser Gedanke, daß in einer ganz natürlichen Rückwirkung, Ruhe und Frieden alsbald in mein Herz zurückkehrten.

Immerhin verursachten mir verschiedene Dinge noch einige Unruhe. Von Zeit zu Zeit kamen wir an Steinen mit Inschriften und kleinen Gehegen vorbei, die mit schwarzen Geländern eingefaßt waren. Neben einem derselben hatte ich von fern eine Frau in andachtsvoller Stellung bemerkt; ich nahm an, daß sie sich umdrehen würde, um uns beim Vorbeigehen sehen zu können. Aber sie wandte keinen Blick von dem kleinen umschlossenen Raum, über den sie sich geneigt hatte, und ein unterdrückter Seufzer, der mir von da zu kommen schien, wo sie kniete, versetzte mich in die äußerste Aufregung. Wie ich sie so unbeweglich sah, stellte ich mir vor, daß der Seufzer unter dem Grase hervorkam, das in dem Gehege wuchs, und das Bild des Toten, der unter der Last der Erde auf ihm ächzte, machte mich starr vor Schrecken.

Während ich so erschüttert war, bemerkte ich vor dem Zuge zwei Männer, die auf uns zu warten schienen. Je mehr wir uns ihnen näherten, desto mehr machten mir ihre schwarze Erscheinung, ihre strengen Züge, ihr stilles Gebaren einen immer düsteren Eindruck. Als aber der Leichenwagen anhielt und ich Schaufeln und Hacken und ein großes Loch in der Erde erblickte, da fühlte ich, wie meine Beine zu zittern begannen. Diese schrecklichen Männer faßten den Sarg bei den Enden, setzten ihn in das Loch, ergriffen ihre Schaufeln und bedeckten ihn mit der zu beiden Seiten der Grube angehäuften Erde. Neben dem schallenden Geräusch der Steine und Erde, die auf das Holz fielen, ließ meine Einbildung mich ächzende Rufe und Seufzer hören, und als der Lärm dumpfer wurde, glaubte ich das unterdrückte Röcheln meines Großvaters zu vernehmen.

Kurze Zeit darauf waren wir wieder zu Hause. Mein Vater gab sich einem heftigen Schmerz hin, und ich teilte denselben, da ich überzeugt war, daß er über die Martern weinte, die mein armer Großvater unter der Last der auf ihm ruhenden Erde erdulden mußte.

Ich muß wohl von Natur sehr furchtsam sein. Diese Eindrücke sind für mich unauslöschlich geblieben; sie können immer wieder erwachen: in der Nacht, in der Einsamkeit und immer dann, wenn meine Seele weder durch Gedanken oder Empfindungen noch durch ein bestimmtes Ziel beschäftigt wird und ihnen freien Zutritt läßt.

Aber ich will die Erzählung der Ereignisse wieder aufnehmen, die mich wenige Jahre später die Beute noch weit heftigerer Gemütsbewegungen werden ließen.

Es war in den ersten Tagen meiner Jünglingszeit. Wie das in diesem Alter zuweilen vorkommt, hatte sich die Liebe mit der ganzen Heftigkeit eines ersten Angriffs meines jungen Herzens bemächtigt. Ganz eingenommen von meinen liebevollen Gedanken, fortwährend mit holden Wahngebilden beschäftigt, war ich ein Träumer geworden, dazu schweigsam und unfleißig. Mein Vater bekümmerte sich darüber, und mein Lehrer versicherte, daß ich für die toten Sprachen gar keine Begabung besäße.

Jünglingsliebe habe ich gesagt. In der Tat, ich war für ein junges Mädchen entbrannt, das zur Not meine Mutter hätte sein können; darum war ich auch eifrig bemüht, meine heimliche Flamme vor jedermann zu verbergen; das Geheimnis erhielt sie lebendig und rein, der Spott hätte sie ausgelöscht.

Die Herrin meiner Gedanken war ein schönes Wesen, das in demselben Hause wohnte wie wir. Sie kam oft zu meinen Eltern, und dank meinem Alter ging ich in ihrer Wohnung ungehindert ein und aus. Je mehr ich mich in sie verliebte, desto mehr Vorwände fand ich, um sie häufiger zu besuchen, um länger bei ihr zu verweilen; schließlich brachte ich ganze Tage bei ihr zu. Ich stand neben ihr, während sie mit einer Nadelarbeit beschäftigt war, und da ich es nicht wagen durfte, zu seufzen, so schwatzte ich, hielt ihre Wollsträhne oder lief ihrem Knäuel nach, wenn er auf den Fußboden gerollt war. Wenn eine häusliche Pflicht sie aus dem Zimmer rief, so benutzte ich diese Augenblicke, um mit Entzücken die Gegenstände zu küssen, die sie berührt hatte; oder ich fuhr mit meinen Händen in ihre Handschuhe, und damit der Hut, der auf ihren Haaren geruht, auch die meinigen berührte, so setzte ich mir plötzlich den ihrigen auf, wobei ich mich entsetzlich fürchtete, überrascht zu werden, und schließlich gar noch über mein eigenes Rotwerden errötete.

Ach! Und doch! Eine so schöne Leidenschaft sollte einen unglücklichen Verlauf nehmen. Aus Scherz, ich nahm es aber ernsthaft, nannte mich das Fräulein seinen »kleinen Mann«. Diese Bezeichnung war mein Vorrecht, das ich mit keinem andern teilte, was allein schon genügte, um es mir unendlich teuer zu machen. Eines schönen Abends stieg ich zu meiner Herrin hinauf, die mich selbst gebeten hatte, an diesem Tage zu einer Familienvereinigung zu ihr zu kommen. Strahlend trat ich in den Salon ein. Mit dem Recht, das ich mir nahm und das mich entzückte, während es mehrere erwachsene Verwandte schwer verletzte, hatte ich Grüße und Freundlichkeiten nur für meine schöne Nachbarin, der ich alle Liebenswürdigkeit weihte, über die ich zu verfügen vermochte; da trat ein großer junger Mann ins Zimmer, der mir sofort stark mißfiel, weil er die Aufmerksamkeit meiner Herrin von mir ablenkte: plötzlich sagte er zu mir: »Sieh da, Sie sind der kleine Mann; nun, ich werde der große sein... Ich hoffe, wir werden gut zusammen auskommen.«

Alle Welt begann zu lachen, zumal als man sah, wie ich meine Hand, die er ergriffen, verstimmt zurückzog und ihm einen Blick wie ein Tiger zuschleuderte. Bei diesem Lachen fühlte ich, wie der Ärger, die Beschämung, die Verwirrung mich übermannten, und ich stürzte hinaus.

Ich wagte es nicht, sofort zu meinem Vater zurückzukehren, und außerdem hatte ich nur den einen Wunsch, mich fern von allen Menschen meinem Schmerz hingeben zu können. Sobald ich allein und außerhalb der Stadt war, stürzten meine Tränen hervor.

Ich war lächerlich und doch sehr zu beklagen. Ohne Frage, meine Liebe war ziel- und hoffnungslos, selbst in meinen eigenen Augen. Aber wie sie unschuldig und verfrüht war, so war sie auch rein, aufrichtig, voll Frische und Saft, und seit einiger Zeit machte sie mein Leben aus. Ich wußte sehr gut, daß ich erst das Gymnasium zu absolvieren hatte, ehe ich ans Heiraten denken konnte: ich dachte auch noch gar nicht daran. Aber daß ein anderer sie heiraten sollte, sie, der ich voller Entzücken meine Dienste geweiht hatte, das war das verhängnisvollste Ereignis für mich bis zu diesem Zeitpunkt und mußte mein Glück zertrümmern.

Von Kummer und Ärger, von Eifersucht und Zorn verzehrt, hatte ich weder auf die vorgerückte Stunde, noch auf die Richtung geachtet, die meine Schritte nach einer Örtlichkeit genommen hatten, die ich sonst nicht für einen nächtlichen Spaziergang ausgesucht haben würde; aber plötzlich kam ich wie vom Blitz getroffen zu mir, als die Turmuhr zu schlagen begann und ich zwölf Schläge gezählt zu haben glaubte. Die Stadttore waren also für mich seit einer Stunde geschlossen.

Ich hoffte, mich getäuscht zu haben und lief mit aller Kraft vorwärts, als die entfernte Uhr eines Dorfes zu schlagen begann; ich zählte mit schrecklicher Angst neun, zehn, elf Schläge... der zwölfte vernichtete mich. Nichts ist so unerbittlich wie eine Kirchturmuhr.


Ich gestehe, daß ich in diesem Augenblick meine Liebe vergaß, aber ich fand darum meine Ruhe nicht wieder, denn der Gedanke an die Angst der Meinigen erfüllte mich mit der furchtbarsten Qual. Sie würden mich verloren, gestorben glauben; und in meiner Einfalt ging ich so weit, zu fürchten, daß sie mein Verschwinden mit der Erzählung meiner Nachbarn über meine Scham, meine Verzweiflung, mein plötzliches Fortlaufen in Verbindung bringen würden.

Aber wohin, glaubt man, hatten mich meine Füße getragen? Unter die Weiden; auf den Fußweg, an den Platz, wo ich vor sechs Jahren den Fischer beobachtet hatte. An dieser Stelle schluchzte ich nun heute, ohne zu wissen, wozu ich mich entschließen sollte. Gleichwohl waren meine Gedanken, mit denen ich mich ganz zu Hause, inmitten meiner Familie befand, noch nicht von Furcht beherrscht; auch sah ich durch meine Tränen hindurch am andern Ufer ein Licht schimmern, das mir, ohne daß ich es ahnte, Gesellschaft geleistet hatte.

Als dieses Licht bald danach erlosch, ergriff mich zum erstenmal das Bewußtsein meiner Einsamkeit. In dem Augenblick, da es verschwand, unterdrückte ich unwillkürlich mein Schluchzen und empfand nun die Stille der Nacht um mich. Ich suchte die Finsternis zu durchdringen; dabei sah ich Formen und Gestalten, die mich der bleiche Schimmer des kleinen Lichts hatte übersehen lassen, und während ich diese Prüfung anstellte, trockneten meine Tränen vollständig.


Bald dachte ich nicht mehr an meine Familie, obgleich ich alle Anstrengung machte, meine Gedanken, die bereits voller Angst sich mit den Nachtschatten um mich beschäftigten, gerade bei diesem Gegenstande festzuhalten. Da ich es kommen sah, daß jeder Augenblick die Schrecken, von denen ich mich bedroht fühlte, noch vergrößern würde, legte ich mich sanft unter der Hecke, die mich von den Gärten trennte, nieder und faßte den festen Entschluß, einzuschlafen.

Der Gedanke war gut, aber die Ausführung schwierig. Meine Augen blieben zwar geschlossen, aber mein Kopf wachte mehr als beim hellen Tageslicht, und meine weit geöffneten Ohren ließen mich in dem kleinsten Geräusch die furchtbarsten Gestalten vermuten, die den Schlaf immer mehr von meinen Lidern fernhielten. Ich gab deshalb meine Anstrengungen auf und sann auf einen anderen Ausweg, um meine Gedanken auf irgend etwas zu konzentrieren und mich dadurch von den Ausgeburten meiner Phantasie zu befreien. Ich stellte mir die Aufgabe, bis hundert, bis zweihundert, bis tausend zu zählen; aber nur meine Lippen verrichteten den Dienst und mein Gehirn ließ sie zunächst gewähren.


Ich war bei der Zahl zweihundertneunundneunzig angelangt, als ich zwei Schritt von mir im Laub ein Zischen vernahm; ich beeilte mich, mit meiner Arbeit schneller fertig zu werden, um dadurch besser über die Vorstellung von feuchten Schlangen und starr blickenden Kröten hinwegzukommen, die ich alsbald geneigt war, hinter dem Geräusch zu vermuten. Meine Aufregung wurde aber nur noch größer; bald verkörperte mir das Zischen so seltsame, so entsetzliche Gestalten, daß ich es doch vorzog, lieber die Anwesenheit von Schlangen vorauszusetzen. Schließlich, sagte ich zu mir selbst, haben Schlangen gar nicht so etwas Furchtbares an sich; Schlangen sind unschuldig, zumal ... (o, wie gelegen kam mir der Gedanke!) wenn es nur eine Eidechse ist. Da ertönte das Zischen von neuem, und diesmal noch näher; nun wähnte ich mich bereits erschnappt, verschlungen, zerkaut; ich sprang auf und durchquerte die Hecke, so voller Schrecken über das gehörte Geräusch und meine eigene Bewegung, daß ich kaum merkte, wie mir die Spitzen der Dornen die Haut zerrissen.


Als ich mich auf der anderen Seite befand, empfand ich eine große Erleichterung. Hier war ich nun zwischen Salat-, Kohlbeeten und kleinen Wasserrinnen, alles Dinge, die mich an Menschenarbeit mahnten und dadurch das Gefühl der Einsamkeit verminderten. Ich erinnere mich, daß ich das Wohlbehagen, welches ich darüber empfand, dadurch zu verlängern suchte, daß ich mir alle Einzelheiten der Bodenbearbeitung vor Augen führte, der ich ja so oft und gerade an dieser Stelle zugesehen hatte: den Männern, die im Sonnenbrand den Boden umgruben, den Frauen, die Gemüse pflückten, den Kindern, die Unkraut rupften, kurz, der ganzen ländlichen Idylle. Nur an die Bewässerung vermied ich es, zu denken, aus Furcht, dann auch gleichzeitig an das große Rad denken zu müssen, das in diesem Augenblick nicht sehr weit von mir sich bewegte.

Und dann war ich jetzt unter dem Gewölbe des Himmels, das allein des Nachts keinen Schrecken einjagt. Ich hatte einen weiten Raum und etwas Helligkeit um mich. Wenn er kommt, dachte ich, werde ich ihn kommen sehen.

Wenn er kommt! Erwartest du denn jemanden?

Ohne Zweifel!

Und wen?

Den, welchen man erwartet, wenn man Furcht hat.

Und hattest du nie Furcht, Leser? Nicht des Abends, an der Kirche, beim Widerhall deiner Tritte? Nicht des Nachts, wenn der Fußboden krachte? Nicht, wenn du schlafen gingst, und, das eine Bein bereits im Bett, nicht wagtest, das andere nachzuziehen, aus Angst, daß von unten eine Hand ...? Nimm das Licht, sieh ordentlich nach! Nichts, niemand. – Gut, stell das Licht hin, sieh nicht mehr hin. – Doch ... da ist es von neuem ...!

Das ist der Jemand von dem ich spreche.


Ich blieb also unbeweglich in der Mitte der Ebene stehen; aber nunmehr fing die Idee des Raumes um mich herum, die mir zuerst eine Erleichterung gewesen war, an, mich in der unerfreulichsten Weise zu beherrschen; nicht so sehr der Raum vor mir, wo mir ja nichts entgehen konnte, als der hinter mir und zu meinen Seiten, wo meine Blicke nicht hinzudringen vermochten. Denn wenn man fühlt, daß »er« kommt, ist es immer von der Seite, die man gerade nicht beobachtet. Ich drehte mich deshalb oft und plötzlich um, wie um »ihn« zu überraschen; dann wendete ich mich wieder schnell zurück, um »ihn« auf der andern Seite nicht ohne Überraschung zu lassen. Aber nun waren es diese seltsamen Bewegungen selbst, die mir Furcht machten; ich verschränkte deshalb die Arme und begann in gerader Linie auf und ab zu gehen, sehr zum Schaden der Kohl- und Salatköpfe, denn nicht um ein Kaiserreich wäre ich nach dem Gebüsch und den Fußsteigen zu abgewichen.


Noch weniger aber würde ich nach der anderen Seite der kleinen Ebene ausgewichen sein. Denn dort hatte ich ja in meinen Knabenjahren ausgestreckt auf dem Ufersande gesehen ... Wenn ich nun auch, wenigstens mit einem Auge, dieser Seite eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmete, so vermied ich es doch, gerade dorthin zu blicken, und vor allem, mir über die Gründe Rechenschaft zu geben, die mich davon abhielten.

Aber diese Anstrengung wandte sich gegen mich selbst. Während ich das Ungeheuer zurückzustoßen glaubte, gab ich mir eine Blöße; indem ich es von meinen Gedanken fernhalten wollte, führte ich sie erst darauf hin...; schon erzwang es sich den Eintritt! Eine scheußliche Vereinigung von Knochen und Zähnen, ein Auge ohne Ausdruck, ein Untier ganz aus Rippen und Wirbelbeinen, die sich krachend bewegten, so trottete es auf mich zu. Schon machte ich mich darauf gefaßt, den Kampf mit ihm aus der Nähe aufnehmen zu müssen, da tauchten plötzlich – ich hatte wohl nicht bemerkt, daß ich inzwischen weiter gegangen war – zwei Schritt von mir die riesigen Arme des großen Rades auf, die sich geheimnisvoll in der Finsternis umdrehten. Ich fühlte mit Schrecken, wie das Rad und das Untier sich einander nähern würden, nahm allen meinen Rest von Mut zusammen, ging langsam wieder zurück und begann eine flotte Melodie zu pfeifen. Wenn ein Mann, der Furcht hat, darauf verfällt, zu pfeifen, so kann man sicher annehmen, daß seine Stimmung auf dem Tiefpunkt angelangt ist. Kaum war ich umgekehrt, da vollzog sich die Annäherung des Ungeheuers mit den Wirbelbeinen an das große Rad. Ich hörte es galoppieren, ich fühlte seinen Atem, glaubte es schon in meinem Nacken. Gleichwohl wollte ich standhalten und verlangsamte meinen Gang, wie um ihm zu imponieren; aber diese Anstrengung ging über meine Kräfte; ich beschleunigte wieder meine Schritte, ich lief, ich flog bis zu dem Fuß einer Mauer, die mir den Weg versperrte. Dort stand ich atemlos still.

Eine Mauer, das ist etwas in solcher Lage. Zunächst einmal ist es eine Mauer: ein weißes, festes Ding ohne Geheimnisse, ein Ding, das aus dem unbestimmten, von Phantomen bevölkerten Raum eine greifbare Wirklichkeit macht. Sodann konnte ich mich dagegen anlehnen und von da aus Umschau halten. Letzteres tat ich denn auch.

Als ich mich umdrehte, sah ich nur leere Finsternis. Aber das Untier lebte darum nicht minder in meiner Einbildung; ich nahm an, daß es bereit sei, auf mich loszubrechen, von allen Punkten aus, deren Anblick mir durch die Nacht verhüllt wurde. Aus dem Grunde begann sich meine Angst bereits auf die andere Seite der Mauer, an die ich mich gelehnt hatte, zu übertragen, als ein Geräusch, das mir von dorther zu kommen schien, meine Aufmerksamkeit und meine Furcht ganz nach dieser Richtung fesselte.


Es war ein Geräusch, ähnlich dem, das die Nachteulen ertönen lassen. Kein Zweifel, es war das Untier ... Ich fühlte es; ich sah, wie es über die Mauer kletterte, wie es seine Knochenfinger zwischen die Ritzen der Steine schob. Die Augen stier auf den Mauergrat gerichtet, wartete ich von Sekunde zu Sekunde, daß das Tier seinen Kopf langsam vorschieben und die beiden Augenhöhlen ihren unbeweglichen, starren Blick auf mich richten würden.

Diese Situation wurde unerträglich, die Angst trieb mich ihm entgegen. Das war mir jetzt lieber, als es zitternd und wie verzaubert zu erwarten. Ich half mir also mit einigen Rudern, die die Fischer an die Mauer gestellt hatten, kletterte herauf und setzte mich rittlings auf sie hin.

Es war nichts zu sehen. Obgleich ich das eigentlich erwartete, genoß ich doch die volle Freude der Überraschung. Furchtsame Leute leihen ihr Ohr zwei inneren Stimmen, die einander widersprechen: der der Furcht und der des gesunden Menschenverstandes; da sie nun bald auf die eine, bald auf die andere, bald auf beide zugleich hören, so sind sie natürlich den seltsamsten Widersprüchen unterworfen.

Anstatt des Untiers sah ich eine von Mauern umgebene Ebene, weiterhin Bäume und darüber hinweg die Stadt, die von dem dicken Turm von Saint-Pierre beherrscht wurde.

Der Anblick der Stadt machte mir Freude; aber in den Häusern brannte kein Licht und der Turm von Saint-Pierre hatte auch nichts recht Beruhigendes an sich... da ertönte das Glockenspiel der Turmuhr...

All meine Angst war plötzlich verschwunden. Dieser bekannte Ton entzückte mich wie am hellen Tage und der Gedanke, daß andere ihn mit mir hörten, ließ mich ganz und gar das Gefühl meiner Verlassenheit verlieren. Ich wurde wieder ruhig, tapfer, kühn ... aber leider nur für eine ganz kurze Spanne Zeit. Das Glockenspiel schwieg, die Uhr schlug zwei, und die ganze Natur, die scheinbar mit mir dem Glockenspiel gelauscht hatte, schien nun wieder ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich, der ich da oben auf der Mauer saß, zu konzentrieren. Ich machte mich klein, ich suchte mich unsichtbar zu machen, ich legte mich schließlich der Länge nach auf dem schmalen Grat hin: vergebliches Beginnen, den Blicken zu entgehen. Die Kohlköpfe, wirklich selbst die Kohlköpfe, die in langen Reihen gepflanzt waren, erschienen mir als in Reih und Glied gestellte Köpfe, mit grinsenden Mäulern und tausenden von Augen, die sie auf mich richteten. Da zog ich es doch vor, wieder herabzusteigen, aber wegen des großen Rades stieg ich an der anderen Seite der Mauer herunter.

Ich hatte glücklich einige Schritte zurückgelegt, als ich gegen einen Gegenstand stieß, den ich in dem schwarzen Schatten nicht hatte unterscheiden können. Bei dem plötzlichen Anprall stieß ich einen Schrei aus; ich glaubte nicht anders, als daß es das Untier wäre. Aber als ich von diesem ersten Eindruck zurückkam, fühlte ich, daß ich eine schwarze Einzäunung berührt hatte, und nun rieselte kalter Schweiß über meinen Körper... Ich war auf dem Kirchhof.

Als mir dies so plötzlich zum Bewußtsein kam, erhoben sich tausend schreckensvolle Gestalten vor mir; sie schossen auf, wie aus dem innersten Kern eines bläulichen Feuers, das sie mit Totenblässe umgab. Wurmstichige Gespenster waren es, Schädel, Knochen, eine schwarze Frau, scheußliche Totengräber... Aber das Furchtbarste von allen, das schließlich die andern verdrängte, war das Gespenst meines Großvaters, das zur Hälfte noch in der Erde ruhte. Seine entstellten Züge zeigten hohle Knochen, leere Augenhöhlen; sein zahnloser Mund schien eine Klage zu unterdrücken, und mit seinen fleischlosen Armen suchte er mit größter Anstrengung, die schmutzige Erde beiseite zu schieben. Völlig außer mir, ging ich rasch vorwärts, um mich von diesem Gedanken und gleichzeitig von den schwarzen Einzäunungen zu entfernen. Aber je weiter ich ging, je mehr stieg das Gespenst aus seiner Gruft heraus; es drehte seine Augenhöhlen nach der Ebene zu, es hatte mich erkannt; schon eilte sein dumpfer, geheimnisvoller Schritt mir nach, und gewaltig klopfte mein Herz, als ob es mich jeden Augenblick erreichen könnte. Da fällt plötzlich mein Hut zu Boden, und ich fühle, wie eine kalte, harte Hand sich schwer auf meinen Kopf senkt... »Großvater! o, nicht doch, Großvater!« schrie ich und floh mit aller Schnelligkeit, die mir der Wahn und der entsetzlichste Schrecken gestatteten.


Es waren die unteren Zweige einer Weide, an denen ich mich gestoßen hatte.

Bei der Bewegung meiner Flucht, bei dem Geräusch meiner Schritte standen tausend andere Gespenster auf, und ich fühlte mich von einer ganzen Armee verfolgt, als es mir endlich gelang, das Kirchhofstor zu passieren; nun lief ich, was ich konnte, bis zu den Toren der Stadt. »Wer da?« rief mich die Schildwache an.

Bei dem Klang dieser menschlichen Stimme: vorbei Trugbilder, Gespenster, Ungeheuer und Schlangen! – »Gut Freund,« antwortete ich mit beinahe leidenschaftlichem Ausdruck. Eine Stunde später war ich meiner Familie zurückgegeben.

Diese Krisis tat mir sehr gut. Ich vergaß meine Liebe und fand Meinen Hut wieder.

Ende.


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