Ludwig Tieck
Der Geheimnisvolle
Ludwig Tieck

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Er sah sich um und rief:

              Fortsetzung folgt.


Ha!

              Fortsetzung folgt.


Denn er hatte einen Blick gethan –

              Fortsetzung folgt.


In die Ewigkeit.

              Fortsetzung folgt.


Bis ihn eine Schwalbe wieder zum wirklichen Leben erweckte.

              Schluß nächstens.


Worauf er zurück in sein Haus ging.

              Beschluß.


»Bei einer solchen Behandlung könnte der Scharfsinn der Leser doch noch in Thätigkeit kommen; aber bei der jetzigen Anstalt ist es unmöglich, daß sie nicht bald alles erraten und sich zu sehr dem Strome der Empfindungen hingeben, was unsre Landsleute eben gar zu nervenschwach und gefühlvoll macht.«

Ein Wagen fuhr vor, und der neugierige Wehlen lief hinab, zu sehn, wer angelangt sei. Er kam schnell zurück und rief: »Freuen Sie sich! der Herr ist nun endlich da, den Sie schon so lange erwartet haben, um die Verhandlungen über die Güter zu beschließen.« Da man ihm aber niemals glaubte, so antworteten ihm alle nur mit lautem Gelächter. Es währte aber nicht lange, so trat ein schöner junger Mann herein, dem die Familie mit einem Ausruf der Verwundrung entgegenschritt und ihn dann herzlich begrüßte. In diesem plötzlichen Getümmel vergaß man seinen Namen zu nennen oder ihm die Fremden vorzustellen. »Ich habe«, sagte der Eingetretene, als die Ruhe wiederhergestellt war, »eine Reise durch mein Vaterland gemacht, und das hat mich abgehalten, früher zu Ihnen zu kommen, wie ich wohl unsern Verabredungen gemäß thun mußte. Zuletzt habe ich mich länger, als ich sollte, im Hause des Grafen Burchheim aufgehalten.«

Kronenberg ward aufmerksam. »Die älteste Tochter, Cäcilie«, fuhr jener fort, »hatte ein sonderbares Schicksal erlebt, wenn der Ausdruck hier erlaubt ist; ihr schönes Gemüt mußte diese Begebenheit überwinden, und ich war etwas behülflich, sie zu zerstreuen.«

»Ich weiß«, sagte Kronenberg, »ihr Geliebter hat sie plötzlich verlassen und sein Wort zurückgenommen, weil er eine andere Leidenschaft in ihrem Herzen entdeckte.«

»Nein, mein Herr«, antwortete der Fremde mit einem scharfen Ton und glänzendem Auge; »man hat Sie ganz falsch berichtet. Ein junger Mensch von Familie, den der Vater mit zuvorkommender Güte behandelt, macht sich nach und nach im Hause notwendig; er schmeichelt allen, er ist gegen die Tochter zärtlich. Mit dem Vater patriotisch, mit dem Sohn kosmopolitisch phantasierend, die Mutter mit Hofgeschichten unterhaltend, mit den Kindern spielend, wird er allen alles. Dem Vater weiß er große Reichtümer vorzubilden, und dieser wünscht seine geliebte Tochter gut versorgt zu sehn. Cäcilie fühlt keine Neigung zu ihrem Liebhaber; indessen ist sie dem Vater nicht entgegen, dessen Glück und Liebe sie über alles schätzt, und – wie junge unschuldige Gemüter oft den Versuch machen – sie bestrebt sich, den Widerwillen, den sie im geheim gegen diese Verbindung fühlt, zu überwinden. Indessen vernimmt man nicht ohne Verwunderung, daß der Liebende, so oft er abwesend ist, eine reiche Familie, eine halbe Tagereise von dort, fleißig besucht; man murmelt, daß er auch dort der Tochter den Hof mache. Dies bestätigt sich, und zugleich läuft die Kunde ein, daß er statt der angegebenen Schätze nur große Schulden habe, daß Wechsel ihn verfolgen. Die Tochter ist gekränkt – der verletzte Vater sucht ihn zum Geständnis der Wahrheit zu bringen – er leugnet standhaft. Da nimmt sich der empörte Sohn vor, ihn auf ernstere Weise zur Rede zu stellen, und der zärtliche Liebhaber ist plötzlich aus der Gegend verschwunden.«

»Sollte es einen solchen Charakter geben?« fragte der Baron.

»O, dieser Mensch«, fügte der Erzählende hinzu, »ist im stande, den Bauern zu erzählen, er habe mit vor Troja gefochten, und einem Dorfschulmeister, er sei der Verfasser von allen Werken des Voltaire.«

Gleich darauf entstand ein eifriges Gespräch über Güterkauf und Geschäft- und Geldverhältnisse. Kronenberg nahm noch einmal Abschied, weil er morgen mit dem frühesten seine Reise fortsetzen müsse; für diesen Abend entschuldigte er sich, indem er noch einige höchst dringende Briefe zu schreiben habe. So wurde er nicht sonderlich bemerkt und bald darauf bei den wichtigen Verhandlungen, welche alle Gemüter zu spannen schienen, vergessen; nur der junge Wehlen schlich ihm nach, um draußen etwas feierlicher und mit mehr Rührung von ihm Abschied zu nehmen und ihm das beste Glück zu wünschen.



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