Ludwig Thoma
Der Wittiber
Ludwig Thoma

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel

»Dei Vata is schö' vo da Hozet hoamkemma«, sagte Christl, der neue Knecht vom Schormayer, ein rothaariger, aufgeschossener Bursche, in dessen sommersprossigem Gesicht ein paar freche Augen saßen. »I hon eahm im Wagl drin aufwecka müass'n.«

Lenz gab keine Antwort; er putzte an einem Roßgeschirr herum, bloß um irgend etwas zu tun; es hätte Arbeit auf dem Feld draußen gegeben aber es hielt ihn etwas daheim, und er schickten nun den Knecht hinaus und war erst recht mißmutig, daß er im Hof die Zeit vertragen sollte. – Aber hatte er überhaupt noch etwas zu arbeiten?

»Wos is?« fragte er nun den Knecht, der fortgeredet hatte.

»Lacha hon i müass'n, wie'r i an Bauern g'fund'n ho. I hon an Gaul g'hört und mach 's Tor auf, do steht 's Wagl drauß'n, und da Bräunl scharrt mit 'n Huaf, und na hör' i schnarcha, und wia'r i nachschaug, flackt dei Vata im Wagl und schlaft. Der waar jetza no it aufg'wacht.«

»Schleun di a weng, daß d' mit n' Dunga außi fahrst!«

»I spann glei ei. Woaßt, na hon i dein Vata aufg'weckt und hon eahm ins Haus umig'führt, und na hon i an Schlüss'l g'sucht, aba dawei is scho enka Hauserin kemma und hot an Bauern einizarrt.«

»Wos für a Hauserin?«

»De Zenzi halt.«

»Is de vielleicht insa Hauserin?«

»Vo mir aus is s', wos mog. I vazähl bloß, daß s' aufg'macht hot, und sie bringt 'n scho in d' Stub'n, hat s' g'sagt, und hoffentli hot eahm de Kält'n it g'schadt. Sie werd' eahm nacha scho aufg'warmt hamm.«

Christl hatte ein schmutziges Lachen in den Mundwinkeln, wie er das sagte.

»Mach amal, daß d' weita kimmscht mit 'n Fuhrwerk!« befahl der Lenz barsch und ließ den Knecht stehen.

Er war müde und abgeschlagen und wurde nicht fertig mit dem, was ihm gestern geschehen war. Vor allen bekannten und fremden Leuten hatte ihm der Vater Feindschaft angesagt, und aus jedem Wort war es nicht bloß für ihn deutlich zu hören gewesen, daß es aus sei zwischen ihnen; und die Hoffnungen, die schon so gewiß waren, daß er sie mit Händen hätte greifen können, hatten keinen Boden mehr. In einem kurzen halben Jahr war alles verändert. Warum? Das konnte ihm doch niemand weismachen, daß es von dem selbigen Streit herkam! Ein paar heftige Worte, wie sie anderswo genug fallen, die hatten das nicht gemacht. Aber er hatte es ja deutlich genug sehen müssen, wie der Vater von einem Tag zum andern gehässiger auf ihn wurde; und da war jemand dahinter; ja, ganz gewiß war eines dahinter und hetzte und schürte. Und niemand anders wie das verfluchte Weibsbild, das sich an den Alten hingemacht hatte, schon den allerersten Tag, nachdem die Mutter aus dem Haus war.

Die verstand es! Ganz fein fing sie es an und schob sich heimlich auf den Ehrenplatz im Hause. Daß es die Ursula nicht wahr haben wollte und das nicht sah, was doch so deutlich war! Die hatte halt mit Ruhe wegkommen wollen, weil sei es doch nicht ändern konnte; und jetzt war vielleicht an ihm die Reihe, zu gehen, aber anders: in Feindschaft und Haß.

Lenz wischte sich über die Stirn; der Schweiß stand ihm darauf. Herrgott! Wenn er 's überdachte – das konnte ja gar nicht sein, daß ihn der Vater wegen der hinausjagte, und alle Leute müßten auf seiner Seite stehen und es dem Alten sagen, was es für ein Unrecht sei.

Vielleicht, wenn er selber mit ihm reden würde, ganz ruhig, und würde es ihm vor Augen stellen, daß es die Jahre her nie etwas gebraucht hätte zwischen ihnen, und daß die Mutter verstorben sei im festen Glauben, daß ihr Sohn einmal das Sach in Händen haben werde, und daß jetzt eine fremde Person ihm Lügen erzähle, damit sie ihren Vorteil davon habe, dann müßte doch der Vater auf das Rechte kommen.

Und das sollte nun gleich sein und nicht aufgeschoben werden, denn der Zustand war nicht mehr zum Aushalten. Wie ein Knecht herumstehen, dem man das Davonjagen angetragen hat, und der nicht weiß, ob es noch der Mühe wert tut, eine neue Arbeit anzufangen, das war das allerschlechteste.

Dem Lenz war sonderbar zumut, wie er sich auf den schweren Weg machte. Es war ihm, als sei er über Nacht fremd geworden daheim, als gingen ihm die altvertrauten Dinge, die er um sich herum sah, nichts mehr an, oder als müßte er von neuem ein Recht darauf suchen.

Zögernd trat er ins Haus. Im Flötz stand Zenzi vor einem offenen Schrank und kramte in der Wäsche herum. Oft hatte Lenz seiner Mutter zugeschaut, wenn sie die sauber gewickelten Leinwandrollen umschichtete oder ein weißes Linnen zusammenlegte und mit der Hand sorgsam glättete; und von klein auf hatte er Respekt gehabt vor diesem bunt bemalten Kasten, über den die Mutter eifersüchtig wachte.

Jetzt langte das Weibsbild mit frechen Händen hinein und warf die alte Ordnung über den Haufen.

Er gab ihm seinen Gruß nicht zurück, und wie es fragte, ob er zum Vater hinein wolle, hörte er nicht und ging ohne Antwort in die Stube.

Dann setzte er sich an den Tisch und überlegte sich, wie er am besten seine Rede anfangen könne.

Wenn der Alte im Stuhl sitzen würde, ihm gegenüber, und er würde dann sagen: »Schau, Vata, des sell hat jetzt koan Werth gar it, daß mir da aufanand häßlich san. Also, net wahr? Jetz hamm ma so lang mitanand g'haust, und z'weg'n wos soll'n denn nacha mir auf oamal z'kriagt sei? I thua mei Sach', und du werscht g'wiß it sag'n kinna, daß i net gern arbet, und du muaßt it sag'n daß mir d' Zung außahängt vo lauta Gier nach 'n Sach. Daß i gern auf 'n Hof kam, dös sell is amal g'wiß, und weil mi aa gar nia was andersts g'wißt hot, und weil dös aa da Brauch is, daß mi 's Sach' vo de Eltern kriagt, und hot mi aa seine bescht'n Johr' dahoam zuag'setzt, durch dös, daß ma 's gar it anderst g'moant hot, aba desweg'n is durchaus it da Fall, daß i di mit G'walt weg hamm möcht', oda daß i dir dei G'sundheit it vagunn, und bal's du wos sogscht, nacha muaß dir dös wer anderna ei'g'red't hamm, und dös is amal frech g'log'n von dera Herrgottsaggerament . . .«

Lenz redete immer lauter in seiner Erregung und schlug mit der Hand auf den Tisch.

Da hörte er in der Nebenkammer husten und räuspern und gleich darauf den Vater rufen:

»Wer red't denn da draußd?«

»I bin 's, Vata.«

»Mit wem streit'st denn?«

»I ho g'rad a so für mi hi'g'redt.«

»So? Sag' der andern, sie soll an Kaffee in d' Stub'n bringa.«

»I hätt' nacha aa mit dir wos z' red'n.«

»Wos denn?«

»Z'weg'n da Arbet, und a so halt.«

»Do bin i gar it aufg'legt dazua; dös sogscht d' ma spata.«

»Wann nacha?«

»Dös wer'n ma scho sehg'n; aber jetz laß mir mei Ruah!«

»Sollt' i in a Stund wiedakemma?«

»Na, sog i. Du werst scho wart'n kinna!«

Mit der Rede war es vorläufig nichts, und Lenz ging verdrossen aus der Stube.

Er sah Zenzi in der Küche arbeiten und sagte, so grob er s' herausbrachte, zur halbgeöffneten Tür hinein:

»An Kaffee sollscht d' eahm bringa!«

Das Frauenzimmer war in seiner wichtigen Stellung mitteilsam geworden und rumorte mit der ungewohnten Arbeit mehr im Hause herum, als gerade notwendig war. Und jetzt wollte es auch arglos sich vor dem Sohn ein wenig prahlen und geschäftig zeigen.

»Hoscht d' an Vata aufg'weckt? Dös hättst it thoa soll'n.«

»Hätt' i di frag'n müass'n?«

»Na, aba weil a halt so spat hoam kemma is, und i ho scho a weng Angst g'habt, daß a si wos tho hot, weil a no im Wagl draußd g'schlafa hot, und i hon an aa so lang it g'hört, bis da Christl nacha außi is . . .«

Lenz unterbrach die gesprächige Person, die er mit zugekniffenen Augen feindlich ansah.

»Du! Gel, du bild'st da wos ei? Aba dös 's no lang it da Fall! Vastehst d' mi?«

Nein, die Zenzi verstand ihn und seinen Haß wirklich nicht.

»Wos that i mir ei'bild'n?«

»Dös, was nia werd. Gar nia! Für dös steh da'r i guat, du Schlamp'n, du vadächtiga!«

Und da war er weg und ließ das Weibsbild in wirklicher Traurigkeit zurück; denn es schmerzt, mit einem friedfertigen Sinn und der allerbesten Meinung einen solchen Schlag auf den Kopf zu kriegen. Man grübelt darüber nach, und weil man keinen Grund zu dieser besonderen Roheit finden kann, glaubt man bald an die Schlechtigkeit der Welt oder daran, daß man sterbensverlassen der Gegenstand des allgemeinen Unwillens ist. Und hernach steht das hilflose Weibsbild mit tränenden Augen am Herd und wischt sich mit rußigen Fingern übers Maul und schaut aus wie ein Haufen Unglück.

»Wos feit denn dir?« fragte der Schormayer, wie ihm Zenzi mit stillem Schmerz den Kaffee hinstellte.

»Nix«, sagte sie.

»Weg'n nix werst d' na do it trenz'n?«

»Mi feit nix.«

»Vo mir aus! I brauch 's it z' wiss'n.«

Sie zog die Tür still hinter sich zu; und in dem Gefühl, das unschuldigste Opfer einer ganz abscheulichen Grobheit gewesen zu sein, tröstete sie sich nach und nach.

Der Schormayer löffelte im dumpfen Bewußtsein, daß hier wieder einmal eine Ursache zum Ärger vorhanden sein könnte, seinen Kaffee aus.

»Der werd all Tag bessa,« sagte er vor sich hin, »mit alle Leut is er saugrob, und mir schneid't er a G'sicht hi' wia neun Tag Reg'nwetta. An Hansgirgl hat a vatrieb'n, de ander trenzt im Haus umanand, und nacha wer i dro'kemma. Bal's d' di no it schneid'st, du Grobian, du haglbuachana!«

Wenn es einmal so weit ist, daß sich zwei Leute, die zueinander gehören nicht mehr verstehen, dann helfen die besten Meinungen nichts. Lenz hatte mit sich selber eine große Erbarmnis, daß ihm sein anerkennenswerter Versuch sogleich mißlungen war, und in der dummen Geschäftigkeit der Zenzi sah er nichts als wohlangelegte Boshaftigkeit.

Und da er seinen Charakter behaupten und keine Arbeit angreifen wollte vor der Unterredung mit dem Alten, ging er am frühen Vormittag ins Wirtshaus. Als einziger Gast an diesem föhnwarmen Werktag, der jeden Pflug auf den Acker rief, erregte er das gerechte Aufsahen der Wirtin, und sie setzte sich mit einem dicken Knäuel Wolle neben ihn und hub ein Stricken und Fragen an, daß es dem verdrossenen Menschen zu eng in seiner Haut ward. Er gab mürrische Antworten, und gab keine Antworten; aber das war für die kluge Frau erst der rechte Ansporn, von allen Seiten und hinten herum anzugreifen, denn das war doch einmal nicht natürlich, daß der Schormayer-Lenz nach der gestrigen Hochzeit mit einem solchen Gesicht herumging; und da war irgend etwas geschehen, was sich aus einer halben Antwort auf drei Fragen am Ende schon erraten ließ.

Außerdem war ja die Unterwirtin nicht gerade auf den Kopf gefallen, hatte auch schon einiges läuten hören und wußte deswegen, wo sie das Brett lupfen mußte, um auf den Boden zu sehen.

Nach einigen Stunden wußte sie ungefähr, wie der Lenz über die Verhältnisse daheim gesonnen war, und wußte gewiß, daß er acht Halbe abgestandenes Bier getrunken hatte.

Beim Schormayer daheim war die Stimmung auch nicht viel schöner. Als er sah, daß die Pferde müßig im Stall standen, wurde er verdrießlich; und wie der Christl heimkam und sagte, daß weiter nichts angeschafft sei für den Tag, merkte er gut, daß ihm der Lenz trotzen wolle. Beim Mittagessen wollte er ihn schon zur Rede stellen, ob das eine Manier sei, am schönsten Tag alles liegen- und stehenzulassen; aber der Lenz blieb aus, und der Schormayer mußte seinen Ärgere aufsparen.

Es kam auch gleich ein neuer hinzu, wie er seine Kommandogewalt ausübte und dem Christl befahl, noch diesen selbigen Nachmittag nach dem Scharrerwinkel auszurücken und frischweg draufloszuackern. Ja, das ginge nicht! Der eine Pflug sei noch beim Schmied, und bei dem andern müsse auch erst das Streichbrett gerichtet werden.

Kreuzteufel! Ob da keine Zeit dazu gewesen wäre den ganzen Winter? Und jetzt, wo jeder Nachbar auf dem Feld sei, dächte man erst daran, das Zeug herzurichten?

Es war gut, daß der Schormayer wieder einmal selber zum Rechten schaute, und er machte sich auch gleich auf den Weg in die Schmiede. Bei der ersten Straßenbiegung wäre er beinahe an seinen Sohn hingerumpelt, der im eifrigen Selbstgespräch um die Ecke kam.

Oha!

Der Lenz schaute seinem Vater, der an ihm vorbeiging, verblüfft nach und richtete erst einmal seine Gedanken auf, die ein wenig übers Kreuz stolperten. Dann lief er dem Alten nach und pfiff ihm.

»Halt a wengl! Vata!«

Der Schormayer blieb stehen.

»Dös is grad recht, daß i di siech,« sagte der Lenz, »und jetzt möcht i amal wiss'n, wann mir mit anand z' red'n kemman.«

»Vielleicht spata, wann's d' nimma b'suffa bischt.«

»Wo bin i b'suffa?«

»Na, gar it! Stinkst auf drei Schritt nach 'n Bier.«

»Dös is it wahr!«

»I streit vielleicht mit dir auf da Straß'n? Mach', daß d' hoam kimmscht, und schlaf dein Rausch aus! Dös is schö, beim bescht'n Wetta blitz'n und in Wirtshaus hocka, wia'r a Handswerksbursch!«

Lenz schaute den Vater mit aufgerissenen Augen an, und plötzlich liefen ihm die Tränen die Backen herunter.

»Du . . . du willscht mi ja it arbet'n lass'n, und hoscht ma 's vor alle Leut g'sagt, daß i a . . . a Lapp bi, hoscht g'sogt . . .«

»Geh jetz zua, und scham di! I red' da nix mehr.«

Der Schormayer ging weg und schaute sich um, ob niemand sie beobachtet habe.

Das war noch das allerschönste! Mit einem Rausch am hellichten Werktag durchs Dorf gehen und mitten am Weg einen Streit anfangen. Und doch tat ihm der Bursch wieder leid, daß er sich aufführte wie einer, der ganz aus dem Geleise geworfen war; und es war etwas in seiner Stimme, und auch, wie er so zu weinen anfing, was ihn unruhig machte.

Er drehte sich um und sah, daß der Lenz noch immer auf dem gleichen Fleck stand und ihm nachstierte. Das ärgerte ihn wieder, und er brummte im Gehen: »De b'suffene Sau!«

Lenz ging mit zögernden Schritten heim; aber bevor er an den Hof kam, packte ihn die Scheu, geradeswegs hineinzugehen, und er schlich hinter den Stallungen vorbei in die Wagenremise. Hier setzte er sich auf eine alte Kiste und brütete lange vor sich hin.

Es war ihm zumute, als wenn er nicht mehr auf das Anwesen gehörte, und als wenn hier feindselige und fremde Menschen das Recht hätten, ihn fortzuweisen. Draußen rieselte in allen Furchen das Schneewasser, und starker Erdgeruch drang zu ihm herein. Er frischte ihn nicht auf, sondern machte ihn müde und schläfrig. Von der Dachrinne tropfte es in regelmäßigen Pausen, und es war wie eine eintönige Musik zu seinen wirren Gedanken.

Es fiel ihm nur immer wieder ein, daß ihn der Vater zum zweitenmal abgewiesen hatte.

»Er mag it red'n, sagt a. In der Fruah is eahm it recht g'wen, jetz is eahm it recht g'wen; i bi' neamd mehr dahoam.«

Der Kopf sank ihm tiefer, und er schlief ein.

Erst nach etlichen Stunden wachte er auf und fuhr fröstelnd zusammen; als die Sonne hinter den Hügeln verschwand, blies eine kalte Luft über die Felder.

Lenz mußte sich erst besinnen, wie er da in sein Versteck hereingekommen war; und alles, an was er sich erinnerte, machte ihn zornig gegen sich und die andern. Einen Tag so dumm verhockt und verfaulenzt, bloß weil er in der Frühe nicht hatte reden dürfen!

Aber jetzt wollte er's herunter haben, was ihn drückte; und, gern oder ungern, der Alte sollte ihn heute noch anhören. Er wollte sich nicht mehr abweisen lassen wie ein Bettelmann, dem man die Tür vor der Nase zuschlägt, und vielleicht morgen wieder ums Haus herumschleichen und warten aufs gnädige Gehör. Am End' hatte er doch auch ein Recht, das er behaupten konnte.

Er horchte. Im Hof klangen Schritte, und dann hörte er den Vater rufen: »Chrischtl! Woaßt du aa nix, wo da Lenz is?«

»Na; i hon an den ganz'n Tag it g'sehg'n.«

Lenz schlich zur Remise hinaus, ging um die Stallung herum und kam nun mit festen Schritten auf das Haus zu.

*

»Bischt du amal dahoam?« fragte ihn der Schormayer, als sie nun in der Stube einander gegenüberstanden. »Hoscht dein Rausch ausg'schlaffa?«

»I woaß nix von an Rausch.«

»No, da red'n ma'r it lang drüba. Aba dös sell sagst d' ma vielleicht, wos dir du ei'bild'st? Selm nix arbet'n, an Knecht nix o'schaff'n, 's Zeug net beinand hamm, daß mi zuaschaug'n muaß, wia d' Nachbarn aufs Feld außifahr'n – werd dös de neu Modi auf mein Hof?«

»Da bischt du schuld, Vata.«

»I?«

»Vielleicht woaßt du dös nimma, was d' ma du geschtan g'sogt hoscht vor alle Leut?«

»Und desweg'n saufst du heut umanand?«

»Wann du sogscht, daß i für nix bin!«

»I wer schon wiss'n, wos i sog'n derf; und di wer i no kaam frag'n müass'n. Und moanst du . . .«

»Du derfst aa it all's sag'n . . .«

»Laß mi ausred'n, gel! Muaß i no freundli sei, wann d' ma du an Knecht vatreibst, der neun Johr bei mir g'wen is?«

»I hab an Hansgirgl it vatrieb'n.«

»Na, du bischt ganz unschuldi. Dem is vo selm ei'g'fall'n, daß a ganga is.«

»Bal a g'sagt hot, daß 'n i vatrieb'n ho, na lüagt a. Soll a hergeh', und soll ma dös in 's G'sicht eini sag'n, bal a ko. Der Leutverhetza!«

»Der hot it g'hetzt und hot nix g'sagt. Aba gar so alt und so dumm, wia's d' mi du gern hätt'scht, bin i halt no net, und sehg'n thua'r i aa no, und durch dös woaß i, daß da Hansgirgl bloß weg'n deine ganga is.«

»Ander Leut sehg'n aa, Vata, und kinnan glaab'n, daß da Hansgirgl weg'n wos andern nimma bleib'n hot mög'n.«

»Weg'n wos?«

Lenz zuckte die Achseln.

»Allssammete paßt it an jed'n.«

Der Schormayer hatte in Erinnerung an den Nachmittag ruhiger geredet, aber jetzt fuhr er wieder zornig auf.

»Wann du wos zum sag'n hoscht, nacha kimm net vo hint' uma, und bring' dei Sach für! De vasteckt'n G'schicht'n hamm bei mir gar koan Werth.«

»Es is it leicht, vo so was red'n.«

»Na muaßt d' gar nix sag'n, aba so hoamli muaßt d' as it o'bringa woll'n.«

Lenz gab sich einen Ruck und sagte dann, indem er es vermied, den Vater anzuschauen: »Es is wohr! Amal muaß g'redt wer'n, und i bi ja desweg'n kemma.«

»No außi damit!«

Der Schormayer stellte sich ans Fenster mit dem Rücken gegen seinen Sohn, und so war der eher imstand, alles vorzubringen, was er sich die langen Tage her ausgedacht hatte.

»Siehgst d', Vata, a so geht 's nimma um. D' Leut veracht'n ins . . .«

»Wen?«

»Ins all mitanand, weil . . . weil . . .«

»Red no weita!«

»Weil 's amal a Schand is, und so dumm san d' Leut it, daß s' dös it mirka, z'weg'n was d' Zenzi üba Liachtmeß bleib'n hot derfa . . .«

»Wos is denn dei Meinung, z'weg'n wos de bleib'n hot derf'n?«

Lenz stockte und wandte den Kopf nach rechts und links und zog sich den Hemdkragen weiter und sagte dann:

»No ja! Z'weg'n dem halt . . .«

»Daß du gar so g'schamig bischt, und sagscht zu mir it dös nämli, wia zu de Leut?«

»I ho no nia wos g'redt üba dös.«

»Woher woaßt na du, daß a G'redt umgeht?«

»Dös sag'n oan' d' Leut, ohne daß mi fragt.«

»No also, wos sag'n s' denn?«

»Daß . . . daß du 's hoscht mit da Zenzi.«

»Und du glaabst dös aa?«

Lenz zuckte die Achseln.

»I muaß scho glaab'n. Du hoscht d' as ja it g'laugn't, wia dir 's d' Urschula fürg'hebt hot!«

»Na, i ho 's it g'laugn't.«

»Is dös na koa Schand it, daß du so oane im Haus haltst?«

»I halt s' net z'weg'n dem. Ja, da muaßt du it lacha! Dös steht dir gar it o, daß d' mi du o'bleckst!«

»Da soll ma'r it lacha. Oamal hoscht d' as, und 's andermal hoscht d' as it!«

»Bal mir mit anand red'n soll'n, thua mi net Lüag'n straffa. Sinscht hamm ma glei ausg'redt!«

»Ja no, na hör i halt nimma richti.«

»Wiss'n thuast d' nix, und ei'bild'n thuast da z' vui!«

»Wos is da no zu'n ei'bild'n?«

»I sag da jetz dös, und du ko'scht glaab'n oda it, dös is dei Sach: i ho oamal im Rausch a Dummheit g'macht, und es ko sei, daß 's mi danach net g'freut hot. Üba dös gib i dir koa Rech'nschaft; aba mit dem oanmal is 's aus g'wen.«

»Dös laßt si denga!«

»Du brauchst as net glaab'n, und brauchst net so zahna!«

»Für so dumm muaßt d' mi na do scho it o'schaug'n! Z'weg'n wos hättscht du nacha dös Mensch als Köchin her tho und hoscht d' as üba Liachtmeß g'halt'n?«

»Dös hat an andern Grund.«

»Aha!«

»Gar nix aha! Weil 's mi g'freut hot, hab i s' g'halt'n; weil 's mi g'freut hot, is s' in da Kuch'l; und bal 's mi freut, nacha geht s'.«

»Und weil 's di g'freut hot, bischt d' mit ihr im Holz draußd z'sammkemma.«

»Bischt du dös inne wor'n? Do schaug her! Hon i an Schpion im Haus!«

»Dös hamm scho d' Holzknecht vazählt und hamm di brav dableckt.«

»Fremde Leut kon i 's net vabiat'n, aba du reißt 's Mäu it auf geg'n meina!«

»I sag da 's g'rad, daß d' siehgst, wia'r i all's woaß.«

»An Dreck woaßt!«

»Ja, dreckig is 's, do hoscht recht!«

»Ah! Bischt du a Pfarra dazua zu'n Schpion?«

»Du muaßt ma'r it all's sag'n, Vata! Mi geht 's a so durch 'n Kopf, daß i mi nimma auskenn!«

»Bischt d' vielleicht no bsuffa?«

»Na! Bsuffa bin i gar it! I woaß grad, daß dös nimma sei derf, daß du a Luadaleb'n führscht mit dem Schlamp'n, und i leid 's nimma!«

»Kimmscht wieda mit de Schandarm?«

»I brauch koan. I wer scho selm firti mit dem Hadern!«

»Trau da! Du Lausbua, du nixiga! Rühr g'rad an Finga, sag i, und du flackst draußd auf da Straß'n!«

»Dös sogscht du zu mir? Und thatst dir it Sünd'n fercht'n? Und thatst 's O'denk'n it fercht'n vo da Muatta?«

»De müaßt si z'erscht schama mit dir, du Tagdiab!«

»I kunnt dir aa Nama geb'n, Vata!«

»Gib s'! Scheuch di net lang! Und weil's d' ma so kimmscht, sag i dir wos! I mog di nimma! Scho lang mag i di nimma, weil i di kenna g'lernt hob! Du thatst oan' mit Füaß'n tret'n, wann's d' kunntst und an Herrn spiel'n derfast. Aba du! Du hoscht di g'schnitt'n! Da Herr bischt net und werst net! Du bischt grad da Hanswurscht do herin!«

Sinnlos vor Wut, die ihm die Augen verdunkelte, trat Lenz auf seinen Vater zu und packte ihn an der Brust.«

Der riß sich heftig los und wich einen Schritt zurück und schrie mit gellender Stimme:

»Oho! Bürschei! An Vata o'greif'n! San ma scho so weit? Du Hund!«

Lenz griff sich an den Kopf. Der Atem ging ihm schwer.

»Schimpf zua!« sagte er dumpf.

»I schimpf di nimma. Mit ins zwoa is 's aus. Suach da'r an Plotz und geh, je eh'nder, desto liaba! I will di nimma sehg'n.«

»So hat 's ausgeh' müass'n, daß ma sei eigen's Kind vajagt!«

»A sellas, dös sein Vata schlag'n möcht!«

»I hab nimma g'wißt, wos i thua.«

»Na b'sinn di bei fremde Leut; und weil's d' so guat predinga koscht, richt d' a'r amal dös z'samm, wos in viert'n Gebot steht!«

Lenz ging mit käsweißem Gesicht an die Tür; seine Lippen waren blaß, als wäre kein Tropfen Blut mehr in ihm.

Keuchend fragte er noch einmal:

»Is dös dei letzt's Wort, daß i koa Hoamath nimma hab?«

»Mei letzt's Wort!«

»Daß i Platz macha muaß für de? Für de da draußd?«

»Fangst d' wieda o?« schrie der Schormayer und ging mit schnellen Schritten in seine Kammer und schlug die Tür hinter sich zu.

Lenz blieb ein weniges stehen, als wartete er auf ein versöhnendes Wort.

Aber es blieb still.

Und da schlich er zum Hause hinaus.


 << zurück weiter >>