Ludwig Thoma
Der Wittiber
Ludwig Thoma

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Zehntes Kapitel

Am andern Tag klingelte sehr zeitig in der Früh ein sauberes Schlittengespann durch Kollbach; und wer gerade am Fenster stand, schaute ihm gerne nach. Die Pferde hatten blaue und rote Federbüsche aufgesteckt und ein hell tönendes Geläute umgehängt und gingen auch darum einen stolzen und vornehmen Trab.

Im Schlitten saß ein aufgeputztes Frauenzimmer, von dessen seidenem Kopftuche stattliche Zipfel in die Luft hineinflatterten; auch war es in einen feiertäglichen Schal gehüllt und so vermummt, daß man es nicht erkennen konnte; daneben saß ein junger Bauernmensch von hagerem Gesicht, aus dem eine scharfe Hakennase vorsprang, und er trug auf dem Hute ein buntes Sträußel. Beim Schormayer bog der Schlitten in den Hof ein und hielt, und derselbige junge Mensch knallte stolz mit der Peitsche, daß die Anfahrt ein nobles Ansehen hatte.

Da kam auch gleich der Lenz, der wegen des kranken Gauls daheim geblieben war, aus dem Stalle, und die Ursula trat unter die Haustür.

Ihr Gesicht zog sich in Fröhlichkeit auseinander, als sie die Gäste erkannte: das Basel, die Schneiderbäuerin von Arnbach, und den jungen Prücklbauern, Kaspar Eichinger von Hirtlbach.

Die Ursula tat, sie sich's gehörte, geschämig und erstaunt und nicht wissend, warum diese zwei willkommenen Menschen auf Besuch erschienen.

»Ja, Basel, bischt du do? Was treibt denn di daher?«

»I ho 's geschting aa no it an Sinn g'habt, aber der sell hot ma koan Ruah it lass'n, und i muaß mit eahm uma fahr'n.«

Sie deutete lachend nach dem Kaspar hin, der mit Hilfe des Lenz seine Pferde ausspannte.

»Aba geh no grad eina in d' Stub'n, Basel, und warm di auf! Du muaßt it schlecht g'fror'n hamm.«

»Es is heunt nimma so kalt, aba beim Ofa is bessa dischkrier'n. Du, Kaschpa, i geh dawei mit da Urschula eini; du kimmst nachi.«

»I kimm scho«, sagte der Kaspar mit Ruhe und führte hinter dem Lenz einen Gaul in den Stall.

Sie versorgten hier die Pferde, hingen das Geschirr an; und erst als die Arbeit getan war, fragte der junge Prücklbauer:

»Du bischt da Ursula ihr Bruada? Gel?«

»Ja. Und wo bischt du her?«

»Vom Prückl z' Hirtlbach. Du werst d' as schon denk'n kinna, z'weg'n was daß i do bin?«

»A wengl was hat ma d' Urschula g'sagt.«

»Bal allssammete stimmt, kunnt'n mi heunt richti wer'n.«

»Ja – ja.«

»Is dei Vata dahoam?«

»Na, der is ins Holz außi, Bamm fahr'n. I muaß dahoam bleib'n, weil ins a Gaul krank wor'n is.«

»Der da?«

Sie standen vor dem Schimmel, der noch in Decken gehüllt war.

»Ja. Heunt schaugt a sie bessa her; geschting hot ma graust.«

»Er werd scho wer'n. Wann moanst denn, daß dei Vata hoam kimmt?«

»An Namittag amal kimmt a scho.«

»Saggera, dös werd lang! No, heunt is nia nix mehr vosamt.«

Der Prücklkaspar biß mit starken Zähnen die Spitze seiner Zigarre ab, und indes er sie ausspuckte, fragte er:

»Du, paß auf, vielleicht ko'scht ma du an Auskunft geb'n, wia vui daß d' Urschula kriaget?«

Lenz kam mit einer zögernden und bedächtigen Antwort.

»G'nau woaß i 's wohl it. So um a'r a fufzehntausad March umanand.«

»Baar und auf d' Hand?«

»I moan scho. Von da Muatta her hat s' sieb'ntausad, und dös ander legt vielleicht da Vata zua. Aba da muaßt d' scho eahm selm frag'n.«

»Dös is g'wiß. Es is grad, daß ma si a wengl auskennt.«

»Ja – ja.«

»Vo da Schneiderin hon i 's aa scho beiläufi g'hört.«

»Paßt 's da nacha?«

»Ja. Wann sie fufzehtausad auf d' Hand kriagt, mag i.«

Der Lenz kaute an einem Strohhalm und war nachdenklich.

»Du,« fragte er, »hoscht du dahoam 's Anwes'n scho übanomma?«

»No it. Wann i an Eh'vatrag protakallier, kriag i aa'r an Hof.«

»Wia alt bischt denn?«

»Achtazwanz'g wer i.«

»Du hoscht as schö!« Der Lenz seufzte, wie er das sagte.

»Aa'r it schöna wia du. Bei dir werd 's wohl aa nimma lang hergeh'!«

»Recht lang werd 's nimmer hergeh'!«

Der Prücklkaspar lachte.

»I woaß scho: es is it gar so leicht, bis ma de Alt'n zu da Ruah bringt; i ho de letzt'n Jahr her aa g'stritt'n und g'mammst grad gnua.«

»Han? Hoscht d' aa z' thoa g'habt?«

Lenz drehte sich lebhaft seinem Gast zu.

»It z' weni; dös derfst d' g'wiß glaab'n.«

»Aba do is ganga?«

»Sinscht waar i heut it da. Freili is 's ganga. Was woll'n denn de Alt'n macha? Amal müassen s' geh'.«

»Aba wann halt!«

»Um dös handelt 's a si. No, mir hat dös g'holfa, daß an Vata a Schlagl g'stroaft hot, und d' Muatta hot si auf mei Seit'n g'schlag'n.«

»Nacha is freili leicht!«

»Sag dös it! Der Alt hot si no ei'gespreizt, als wia, und halt gar it glaab'n hat er's woll'n, bis i eahm anderst kemma bi. Auf 's Fruhjahr, hon i g'sagt, heireth i und übanimm, oda du stellst da no an Knecht ei'. I mach dir koan mehr.«

»A niada gibt it nach auf dös.«

»Was woll'n s' macha? So lang kinnan s' do aa'r it wart'n, bis mir kitzgraab san und 's Heireth'n vasammt hamm!«

»A Muatta is halt da dös best!« sagte Lenz und seufzte wieder. »De kunnt drauf drucka.«

»Dös muaßt halt jetz selm thoa.«

»Da schaug 's schiach aus, und vadriaßt an Alt'n.«

»Dös sell gib i zua; aba wann 's da'r a Hochzeiterin woaßt, nacha kunnt'n ja dera ihre Leut a bissel umrühr'n.«

»Von an fremd'n Mensch'n laßt sie oana it gern was drei'red'n.«

»Ja no! Du muaßt halt wart'n; recht lang werd 's nia nimma dauern; und bal d' Urschula aus 'n Haus is, werd dei Vata schnell zeiti wer'n.«

»Ko sei; bal 's dir recht is, genga ma jetzt zu de Weibsbilda umi.«

Als sie über den Hof kamen, stand die Zenzi am Brunnen und pumpte Wasser in einen Trankkübel. Der Kaspar musterte sie mit einem schnellen Blick.

»Was habt's denn da für oani?« fragte er.

»D' Kuahdirn; auf Liachtmeß marschiert s'«, sagte Lenz kurz und ein wenig verächtlich.

»Saggera Hosenzwickl, de hätt' Hax'n!«

»I ho s' no it o'g'schaugt auf dös.«

»Geh, hör auf!« lachte der Kaspar und drückte ein Auge zu. »Daß du so was it sehgast!«

»I mag 's Hausbrot it.«

Es lag in der Antwort des Lenz eine sonderbare Schärfe, die sein Gast wohl bemerkte; jedennoch, er kümmerte sich nicht viel darum und dachte so obenhin, es werde schon irgendwie einen Grund haben.

Unter der Haustür warf er verstohlen noch einen Blick auf das saubere Frauenzimmer, das ihm neugierig nachschaute.

Für einen ledigen Burschen wär 's kein übler Brocken gewesen, so um die Zeit, da er noch beim Leibregiment war.

In der Stube hatte das Basel einen argen Jammer.

»Dös hamm ma dumm darath'n, Kaschpa! Da Vetta kimmt erscht uma drei hoam; i hab da 's glei g'sagt, mi hätt'n eahm was z' wiss'n macha soll'n. Wos thean mir jetzt?«

»Jetzt müass'n ma scho wart'n, bis er hoam kimmt; no amal umafahr'n waar aa z'wida.«

»Ja, freili; mi vasammt ja sei Zeit, und i ko aa net oiwei von dahoam furt.«

»Bleibt's halt do!« schlug Ursula vor. »Mir dischkrier'n mitanand, und na werd d' Zeit scho vageh'.«

»I woaß scho, was i thua,« sagte der Kaspar, »mir hot da Plank vo Bruckberg g'sagt, daß er a Roßg'schirr zum vokaffa hätt'. Da geh i umi dazua; is eh grad a kloane Stund zu'n geh'.«

»Geh weita!« bat Ursula. »Werst do it glei wieda davo renna?«

»Wos that i denn do? I ko do net fünf Stund herhocka!«

»Schaugst d' halt insern Hof o!«

»Den siech i danach aa; bis um oans bin i wieda z'ruck, und na werd mi d' Zeit do it gar z' lang.«

»Eigatli hot a recht,« sagte die Schneiderbäuerin, »für was soll a herwart'n, wann er dawei a G'schäft o'macha ko? I und d' Urschula, mi untahalt'n uns scho, und da Lenz werd a so im Stall bleib'n müass'n; na vasammst d' nix, Kaschpa, wann's d' auf Bruckberg gehst; aba daß d' it z' spat kimmst!«

»Um oans bin und z'ruck. Pfüad Good beinand!«

Ursula lief zur Haustür und rief ihm nach:

»Kimm fei bald z'ruck, Kaschpa!«

»Gilt scho!« sagte er geradehin, ohne sich umzudrehen, und ging weiter.

*

»An den kriagst d' amal an richtinga Mo,« sagte die Schneiderbäuerin zur Ursula, »werst as sehg'n.«

»Bal 's g'wiß is, daß i 'n kriag'.«

»Warum it? Bal da Vata a bissel mag, werd de Sach heut richtig.«

»Ob er it z' viel valangt?«

»Na, na, was i eahm so beiläufi g'sagt hab', dös sell is eahm Sach gnua g'wen.«

»Moanst do?«

»Freili! Laß di no nix bekümmern, Urschula! Hoscht 'n denn in da Thomasnacht it g'sehg'n?«

»Wia dös?«

»Ös junge Mad'ln wißt's ja nix mehr, weil's koan recht'n Glaab'n aa nimma habt's. In da Thoamsnacht hättst d' as leicht dafragt, ob's d' in dem Jahr de Prücklbäurin werst.«

»Ah, dös san so Abaglaub'n!«

»Weil's no ös all's bessa wißt's! Aba dös derfst g'wiß glaab'n: bal si oani in da Thomasnacht ganz nackert auf 'n Schemmi vor's Bett stellt und sagt den selbinga Spruch, nacha siecht s' den Bursch'n, der wo s' heireth.«

»Glaabst du dös?«

»Und g'wiß glaab i 's, weil 's amal wahr is!«

»Wia hoaßt na der Spruch?«

»Paß no auf!

Betscheml, i tritt di,
Heiliger Thomas, i bitt di,
Laß mich sehgen den Herzallerliebsten meinigen
Diese heitige Nacht!

Und nacha kimmt a dem Madl im Traam für.«

»Mir waar liaba, i wissat an Spruch, daß da Vata rechtsinnig waar geg'n meina.«

»Dös werd a schon sei; was will a denn mehra? Koa besserne G'leg'nheit find't a gar it für di.«

»O mei, Basel!« sagte Ursula und seufzte recht tief auf.

»Was is jetza dös? Lebt's ös schlecht mitanand, seit d' Muatta g'storm is?«

Und war der Ursula beinahe ihr Geheimnis über die Lippen gesprungen bei der Zollbrechtin, weil ihr Herz zum Überlaufen voll war, so konnte sie es jetzt schon gar nicht mehr zurückdrängen in Gegenwart dieser nahen Verwandten, die ihr stets Freundlichkeit bezeigt hatte und ihr jetzt einen Mann zubringen wollte.

Das Wasser schoß ihr in die Augen, und sie sagte unter Schluchzen:

»Na, Basel, mi leb'n gar it guat mitanand!«

»Was waar denn jetz dös! Aba i ho ma 's oiwei denkt: d' Muatta hat z' fruah von enk weg müass'n.«

Ursula wischte hastig ihre Tränen ab.

»Na, Basel, sie is it z' fruah weg! Tröst s' da liabe Good, aba mi müass'n allsammete froh sei, daß s' no bei Zeit'n g'storm is!«

»Was sagscht ma denn jetzt da?«

»Sie hätt nix schön's mehr dalebt; es is g'scheita, sie liegt an Grab.«

»Geah! Was is denn dös?«

Ursula rückte näher zur Base hin, dann stand sie auf und schaute auf das Flötz hinaus, ob keine Horcherin in der Nähe sei, und setzte sich wieder.

»Woaßt, mi hamm da a ganz a schlecht's Mensch für a Kuahdirn, und mit dera hot si da Vata ei'lass'n.«

»Dös glaab i do it! Vielleicht moanscht as grad?«

»Bal i 's do selm g'hört hab, wia'r a aus ihra Kamma außa is; und er hat 's aa gar it g'laugn't.«

»De Mannsbilda! Na! Na! Je älta daß s' wer'n, desto dümmer wer'n s'!«

Die Schneiderbäuerin hatte die Hände zusammengefaltet und schüttelte den Kopf.

»Wer hätt' dös vom Schormoar glaabt, und hat so guat g'haust mit deine Muatta!«

»Ja, und an dem Tag, wo ma s' ei'grab'n hamm, hat a scho o'gfangt mit dem Schlamp'n.«

»Geah, Madl, i ko 's völlig it glaab'n!«

»Wia'r i vom Leich'ntrunk hoam kemma bi, is sie bei eahm in da Stub'n herin g'hockt und is aufg'sprunga, und ganz vahofft is s' g'wen.«

»Am Gräbnistag?«

»Ja, Basel!«

»Dös sell is a bissel viel g'sagt; da möcht mi scho ganz vazag'n.«

Die Schneiderbäuerin kam nicht aus ihrer erschrockenen Verwunderung heraus.

»Jessas, Marand Josef! Wos mi all's daleb'n muaß! Ja, wos sagt nacha da Lenz?«

»Der derf it viel sag'n. Oamal hot a 's probiert, und na hot eahm da Vata glei an Strohsack vor d' Thür hi'g'schmiss'n.«

»Sein eig'na Kind?«

»Was glaabst denn, daß er mi allssammete hoaßt? Grad oa Viech hi und her; und bal i 's Mäu it halt, sagt a, muaß i auf da Stell aus'n Haus, wia da schlechtest Deanstbot, und koa Grüaßgood und Pfüadgood mehr, und grad d' Thür'n schmeißt a zua, und koa Freundlichkeit siecht mi de ganz Woch it.«

»Da bedauert's mi scho all zwoa recht.«

»Mi san aa zu'n bedauern. Daß so was fürkemma kunnt, hätt jo koa Mensch it glaabt.«

»I amal g'wiß it. Jetzt sag ma no grad amal, Urschula, wo geht denn dös außi?«

»Dös kon i dir it sag'n, da bin i ma it g'scheidt gnua. Auf Liachtmeß, hat a g'sagt, muaß der Schlamp'n weg, aba i glaab gar nix mehr, weil a mir erscht geschting wieda an Krach g'macht hat z'weg'n dera.«

»O mei, o mei! Is a ganz in ihra G'walt?«

»Da hoscht recht! Woaßt, bal amal a paar Täg a Ruah waar, na spinnt sie wieda was z'samm und hetzt 'n auf; und glei ans Fenschta vo seine Schlafkamma stellt si dös Luada hi und red't vo draußt eina.«

»Aba woaßt, Madl, da muaßt du scho koa Schneid gar it hamm; dös lasset i mir it g'fall'n; und de nächst Pfann nahm i her und schlaget ihr an Kopf ausanand.«

»I ho s' scho umanandlass'n, de Loas!« sagte Ursula, und ihre Augen blitzten. »Geschting hon i s' it schlecht herg'schlag'n.«

»Und da Lenz? Warum haut s' der it glei ganz außi, bal da Alt amal it dahoam is?«

»Der traut eahm it, Basel. Da Vata muaß eahm ganz grob kemma sei, weil er so dasig is.«

»No, vielleicht is g'scheita, er schaugt no a weng zua; aba bal s' auf Liachtmeß it aus 'n Haus kimmt, na soll er amal fescht o'packa.«

»Ja, nacha kenn i aa nix mehr.«

»Urschula, bal i 's recht übadenk, na is g'scheidta, du hebscht di jetzt ganz staad und heiredtst, so g'schwind, als geht, an Kaschpa, und na bischt du in dein Haus und ko'st zuaschaug'n.«

»Bal no dös g'wiß waar!«

»Laß mi macha, i red' an Vata guat zua . . .«

»Aba koan Schnaufa derfst d' it thoa, daß da'r i was g'sagt hab!«

»Waar 's it g'scheita, i redat frischweg mit eahm und saget eahm pfeigräd, was mi si denkt üba so was?«

»Na, Basel, da kunnt 's g'feit sei. Da Vata waar imstand und tat ma 's Heiratguat kürz'n.«

»Dos is scho weit kemma, bal mi so was fercht'n muaß; aba du hoscht recht: es is aa z'weg'n an Kaschpa bessa, bal's koa Streit it gibt.«

»Jessas, bal er 's dafragt: moanst d', er stand z'ruck?«

»Z'weg'n dem it. Was kümmert eahm dös, was da'r Alt in sein Haus thuat; aba bal's heunt an Krach gab, kunnt er leicht moan, daß na mit 'n Geld it all's in Ordnung waar.«

»Laß da no grad nix mirka, Basel! – Schaug, i ho dir 's sag'n müass'n, weil 's mi gar so viel druckt hot; aba jetz derfst d' ma dös it o'thoa, daß d' an Vata in d' Hitz'n bringscht!«

»Dös derf dir da g'ringst Kumma sei, i bring de Heireth it ausanand. Wos hoscht 'n?«

Ursula war aufgesprungen und schaute auf den Hof hinaus.

»Schaug außi!« sagte sie aufgeregt. »Do is sie jetz; sie fahrt an Mischt außa!«

Die Schneiderbäuerin schaute lange und forschend das starke Weibsbild an, welches mit aufgeschlagenen Röcken auf dem Dunghaufen stand.

»Dös is s'?« fragte sie mit gedehntem Ton. »Wos a no grad an dera find't? De tat jetzt mir gar it g'fall'n, a so a grob's G'stell, wia de hot!«

»Gel, sagst d' as aa?«

»De hot ja do scho nix Fein's gar it! Ja, de Mannsbilda! Da muaß ma si scho' frag'n, wo de oft d' Aug'n hamm!«

*

Vor der Essenszeit ging die Schneiderbäuerin mit der Ursula in den Stall, um Kühe und Hennen zu mustern. Und das hätte sie zu keiner Zeit unterlassen; denn was eine gute Hauserin ist, hält fleißig Umschau in anderer Leute Wirtschaft, weil es dabei was zum Lernen und noch mehr zum Kritisieren gibt. Aber hier und heute hätte es die Schneiderin schon gar nicht übers Herz gebracht, von der Gewohnheit abzulassen, weil sie das Weibsbild, die Magd, in der Nähe sehen wollte.

In zwei langen Reihen stand das liebe Vieh und schaute gedankenlos auf die Eintretenden, indes es an seinem Futter kaute. Es waren Kühe wie andere auch, einfarbig oder gefleckt, mit stark oder schwach gebogenen Hörnern; und alle hatten an den Seiten ziemlich viel Schmutz. Die eine und andere streckte wohlig den Buckel auf, hob den Schweif und ließ ihr Wasser rinnen, von einer andern platschte es anders zu Boden, und die Ketten klirrten und wetzten sich an den Barren. Der unkundige Betrachter wäre vermutlich vorne an den hübschen Tieren vorbeigewandelt und hätte ihre Köpfe gestreichelt und jeder Kuh in die treuherzigen Augen geschaut.

Was aber die Schneiderbäuerin war, die ging hinten herum und übersann sich lange bei jedem Stück.

»Mi kemman s' so maga für,« sagte sei zur Ursula, »so ei'gfall'n san s' auf da Seit'n. Es muaß mit 'n Fuatta it all's richti sei.«

»Dös sag i ja scho lang, daß s' lüaderli g'halt'n san«, antwortete die Haustochter sehr laut.

So laut, daß es Zenzi, die etwas entfernt davon stand und mit der Mistgabel die Streu auseinanderteilte, hören mußte.

Sie schnupfte jedoch nur verächtlich auf und stocherte emsig auf einem Fleck herum.

Kopfschüttelnd schritt die Schneiderin weiter.

»Drecki san s'. Auf dös solltst wohl schaug'n, Urschula, daß dös it übahand nimmt; guat putz'n is halbat g'fuattert.«

»Ja, da schaug, bal mi sellane Deanstbot'n hot! De wo grad was anderst's an Sinn hamm als wia d' Arbet!«

Die Zenzi steckte den Kopf tiefer zwischen die Schultern. Eine Antwort wäre ihr schon eingefallen, und schnell auch noch; aber dann war der Streit fertig, und sie war mutterseelenallein. Und das war leicht zu erraten, daß die grobe Kotzen sie bloß herauskitzeln wollte vor der Fremden.

Was das für eine war, und wie sich die aufspielte und überall was auszusetzen wußte!

Sie räusperte sich und stach die Zinken heftiger ins Stroh.

»A was! Red's, was mögt's, i hör 's it.«

»De wella is jetzt de Bescht?« fragte die Schneiderbäuerin.

»De dritt von vorn eina«, antwortete Ursula; »mi hamm s' vom Schießl z' Eisenhofa kafft.«

»De braung'fleckelte?«

Die Schneiderin ging ein paar Schritte zurück und musterte die Kuh auf ein neues.

»So, dös is enka Beschte? Wiaviel geit na de Milli?«

»Du, hoscht as g'hört?« schrie Ursula grob zur Zenzi hinunter. »Wiaviel d' Schießlin Milli geit?«

»A zwölf Lita«, brummte die Magd.

»Zwölf grad?« sagte die Schneiderin. »Dös is amal gar it viel auf de Bescht. Dös gibt bei mir a mitter'ne.«

»Bei dir werd halt a bessa aufpaßt auf's Sach; wia ma s' kriagt hamm, hat de aa mehra geb'n.«

Die Ursula hatte einen schneidigen Ton an sich; aber diesmal verblieb die Zenzi nicht in Stillschweigen.

»De hot no nia mehra geb'n«, sagte sie kratzig.

»So? Muaßt du dös wiss'n? Unta da'r andern Dirn hamm mi vo da Schießlin vierzeh' Lita kriagt.«

»Wer 's glaabt!«

»Wos? Wia red'st denn du? Derfst du frech sei do herin, du . . . du?«

Die Schneiderin hielt Ursula zurück und winkte ihr mit den Augen.

»Laß guat sei!« hieß das.

Und noch ein bedeutsamer Blick sagte der Erzürnten, daß es an diesem Tag keine Aufregung geben dürfe, wegen des Alten, wegen des Kaspar, wegen alles möglichen.

Ursula verstand die Base und knurrte etwas Unverständliches vor sich hin, und es war ganz gewiß etwas Beleidigendes.

»Übahaupts is dös gar it de Bescht,« fing die Zenzi wieder an; »de da geit mehra.« Sie stieß mit dem Gabelstiel eine Kuh an, die näher bei ihr stand.

Die Schneiderin schaute aber nicht das Tier, sondern die Magd prüfend von der Seite an und drehte sich geringschätzig weg, ohne eine Antwort zu geben.

Sie ging die andere Reihe entlang und fand immer wieder einen Grund, den Kopf mit Mißbilligung zu schütteln.

»Mi siecht aa, daß 's Auter it ganz sauba g'halt'n is, und do bin i hoakli. Bal i dös dahoam mirk, jag i oani auf da Stell davo'; und red'n laß i übahaupts meinen Deanstbot'n gar nix. I valang d' Arbet, und firti!«

»Waar no i Herr, nacha waar 's bei ins g'rad a so!« sagte Ursula.

»Aba du bischt it Herr!« dachte sich die Zenzi. »Und red't's no zua, weg'n meina. I paß auf dös gar it auf.«

Nach dem Essen setzten sich die zwei einträchtigen Frauenzimmer zu einem langen Diskurse in die Küche; es fehlte nicht an Nudeln und Kaffee, und auch nicht am Gegenstande, über den sich vieles sagen ließ.

»Siehgst, Urschula, jetzt weil's d' ma du mehra vazählt hoscht, moan i, es waar it gar so weit g'feit. Dös war a b'suffane Gaudi, und es waar g'schaidta g'wen, du hättst nix dagleicha tho.«

»Mi ko do aa 's Mäu it halt'n, bal mi so was spannt . . .«

»Freili kunnt ma 's halt'n, aba du bischt halt no it alt gnua und kennst di no z' weng aus in da Welt. Mi wundert 's gar it so viel, daß dei Vata de Dummheit g'macht hot.«

»Du bischt guat troffa, Basel! Z'erscht hoscht aba ganz anderst g'red't.«

»I lob 's jetz aa it, und koa richtiga Mensch werd da anderst g'sinnt sei. Bal so was vorkimmt, is ja scho da Respekt bei de Deanstbot'n nimma vorhand'n.«

»No also!«

»Aba wundern thuat 's mi it, sag i, weil d' Mannsbilda allsammete so san, bal s' z' viel Bier hamm.«

»Von dem dein' glaabst d' na so was do it?«

»Moanscht?«

»I möcht di it sehg'n, wann du an sellan Vadacht hättst.«

»An Vadacht hon i koan, und i glaab it, daß was fürkimmt, aba trau'n thua'r i eahm gar it.«

»Geah?«

»Na, gar it. Freili, unta da Woch und bei da Arbet und so, da woaß i scho, daß si nix feit, aba bal a grad am Sunntag a wengl rauschi hoamkam und stand eahm so a schlecht's Luada hi, na waar glei was g'schehg'n.«

»Da waar mi ja oiwei in da G'fahr!«

»Mi muaß halt Obacht geb'n, Urschula.«

»Na, dös sag i glei, bal i so was glaabet, laffet i auf und davo.«

»Mi lafft it so g'schwind.«

»I scho; und bal i dös wissat, daß da Kaschpa aa'r auf dera Seit'n waar, na möcht i liaba it heireth'n.«

»Na muaßt d' ledi bleib'n, weil oana is wia da'r ander.«

»Du sagscht ma was schön's!«

»Schaug Urschula, i will da was vazähl'n; i hon den mein aa'r amal dawischt, wia'r a so schö staad b'suffa bei da Mitterdirn hibei g'stanna is und a weng deutli mit die Händ' g'red't hot. G'rad liab waar er g'wen!«

»Aba da bischt drei'g'fahr'n?«

»Na, dös sell hin i gar it tho. I ho mi g'stellt, als wenn i gar nix g'sehg'n hätt, und hon eahm schö tho, als wia'r an Krank'n, und hon an in 's Bett eini bracht, und da hot a sein Rausch und sei Dummheit ausg'schlafa; sie san ja gar it so scharf, als wia s' thean, und de mehra Zeit san s' froh, bal s' eahnan Ruah hamm.«

»Da müaßt inseroans oiwei auf da Paß steh?«

»A bissel Obacht geb'n braucht 's scho; und de G'leg'nheit auf d' Seit'n ramma, dös is a Hauptsach.«

»Jetzt muaß i dir scho sag'n, Basel, daß mei Freud g'ringa wor'n is.«

»Ja, g'rad weg'n an schö' hamm und weg'n da Luschtbarkeit braucht ma'r it heireth'n, mei liab's Madl; do werd da no viel untakemma, was da'r it g'fallt. 's Kindakriag'n is it luschti, und 's Kindawart'n aa it; aba 's muaß amal sei, und ledi bleib'n is dös alleschlechtast. Da woaß oans auf oamal nimma, wo 's hi'g'hort; und als Bäurin auf seine Sach hocka, is it zu'n varacht'n.«

»Aba bal's was werd mit 'n Kaschpa, na muaß a am an eigna Schwur ableg'n, daß er nia an anderne o'schaugt.«

»Da wurd' a bald meineidi. No, gar z' schiach derfst d' as aa it fürstell'n. Bei an junga Bauern is de G'fahr it so groß; dö sell'n hamm mehra Stolz und mehra Eifa zu'n regier'n, aba bal's amal über 'n vierzga umi gengan, nacha muaß mi guat aufpass'n. Do kemman s' in zwoat'n Saft und schlag'n no mal aus, und g'schleckig waarn s' nacha'r aa, und passet eahna so a bissel an Abwechs'lung. Do kam 's eahna glei für, als wenn s' scho lang gnua bei oane blieb'n waar'n, und sie san viel dümma. Bal sie da oani o'schmeichelt glaab'n s' ihr mehra und hör'n 's gern, daß s' no' was taug'n.«

»Auf dös paß i amal guat auf.«

»Aba'r it grob sei und it streit'n, sinscht bild'n s' eahna an Stolz ei, daß sie 's erscht recht thean. Übahaupts, mirk da dös: de Mannsbilda muaß mi oiwei auf 'n Glaab'n lass'n, daß all's nach eahnan Kopf geht. Mi thean ja do de mehra Zeit, was mi mög'n; aba zoag'n derfen mi dös it, und d' Nas'n derf'n mi eahna it drauf stöß'n. Vo selm sehg'n s' as it, weil s' so viel ei'bilderisch san und moanan, es ko gar it anderst sei, als daß sie allssammete regier'n. De Freud muaß mi eahna lass'n, und na red'n s' recht g'scheit an Wirtshaus und in da Gmoa, aba staad und hoamli hamm mi 's Heft in da Hand.«

Die Schneiderin zwinkerte bedeutsam ihrem Schützling zu und tauchte eine Nudel in den Kaffee; die Ursula aber hielt sich die Hand vors Maul und lachte voll Verständnis und sah die Zukunft wieder in schöneren Farben.

Indem warf sie aber einen Blick auf die Uhr und rief:

»Jessas, jetz is scho zwoa, und da Kaschpa is no it da!«

»Der bleibt it aus, und mi hamm ins glei bessa untahalt'n, weil er it da war.«

»Genga ma füri, na sehg'n ma 'n vielleicht kemma.«

»Vo mir aus!« sagte die Schneiderin, und sie gingen in die Stube und schauten vom Fenster aus in den Hof.

Es war wieder Trankzeit, in der die Kühe Wasser zu kriegen hatten, und darum stand Zenzi wieder am Brunnen und pumpte mit kräftigen Armen.

»Siehgst d', Urschula,« sagte die Base, »dös leid i net, daß sie de Weibsbilda d' Röck gar so hoch aufischlag'n.«

»So oane schamt sie ja it!«

»De amal g'wiß it! Schaug s' no grad o! Bis zu de Strumpfbandln siecht ma'r ihr aufi.«

»Wart', i schrei ihr g'schwind!«

Ursula wollte das Fenster öffnen, aber die Schneiderin hinderte sie daran.

»Laß 's guat sei jetz; da kimmt grad da Kaschpa eina.«

Der Prücklbauer schlenkerte gemächlich durch die Einfahrt; und wie er die Zenzi sah, schob er den Hut zurück und pfiff lachend durch die Zähne.

Er trat von hinten an sie heran und klopfte ihr mit dem Stecken derb auf die Waden.

Sie fuhr herum: »Du hoscht mi aba daschreckt!«

»Bischt du so g'schrecki, Madl? Siechst gar it aus danach.«

»Bal's d' ma du auf d' Hax'n haust!«

»I ho g'rad sehg'n woll'n, ob s' it ausg'stopft san.«

»Ja freili, i wer s' ausstopfa.«

»Saggera Hos'nzwickel!« lachte der Kaspar und schob den Hut verwegen aufs Ohr.

Aber die Zenzi hatte mit einem schnellen Blick die zwei Frauenzimmer am Fenster gesehen.

»Geah zua!« sagte sie. »Laß mi mei Arbet thoa; i ho koa Zeit it für Dummheit'n.«

Da besann sich der junge Prücklbauer, daß er auf fremdem Grund und auf Freiersfüßen stehe, und ging von ihr weg dem Hause zu.

Die Ursula atmete schwer, und ihre Augen funkelten.

»Hoscht d' as g'sehg'n, Basel?«

»Ja no, jetz sei no staad! Mit an Krach derfst d' it o'fanga; bei'n Hoamfahr'n sag i 's eahm na scho', daß a si schama soll.«

»So a Schlamp'n!« schnaufte die Ursula und hatte große Mühe, ein freundliches Gesicht aufzusetzen.

Und setzte es aber doch auf, wie nur ihr Zukünftiger eintrat.

 

Der Schormayer war mit seiner Arbeit im Holz fertig und machte sich auf die Heimfahrt. Seine Gäule zottelten Schritt für Schritt durch den Wald, schläfrig und faul; aber der Bauer trieb sie nicht an, sondern ging tiefsinnig hinter dem Schlitten her.

Das Geständnis der Zenzi hatte ihn den ganzen Tag nicht losgelassen.

Das ging schon mit dem Teufel zu, daß eine allereinzige Dummheit gleich solche Folgen hatte.

Er sah es deutlich und unschön vor sich, wie es nun kommen werde. War sie bei andern Leuten im Dienst, hernach brachten ein paar Weibsbilder das Geheimnis schnell genug heraus, und jeder hatte Verdacht auf ihn. Hinterdrein kam das Kind zur Welt und mußte vor Gericht einen Vater haben; und was sollte das Frauenzimmer abhalten, den zahlungsfähigen Schormayer anzugeben, wenn es obendrein nicht mehr in seinem Dienst war?

Heiliges Kreuzdonnerwetter! Wie sie in der Gemeinde zahnen würden, wenn sie 's für gewiß hatten, daß ein alter Esel aufs Eis gegangen war! Stichelreden im Wirtshaus und Gezänk daheim, und Alimenten zahlen als Austrägler.

Der Handgaul fuhr erschrocken in die Höhe, weil ihm der Bauer in seiner stillen Wut eins überzog.

Und die ganze Verwandtschaft rundherum hatte ihre Unterhaltung über ihn.

Gelt, das war Zeit, daß der Schormayer abdankte, wenn er zu seinen Ehhalten in die Kammer schlich und den Respekt nicht mehr aufrechthalten konnte?

Wie oft sie die Schormayerin im Grabe umdrehen würden, damit sie seine Schlechtigkeit in der ganzen Größe ausmalen könnten! Das war eine liebe Zukunft, die sich da zusammenzog.

»Du Kramp'n, du vadächtiga, ko'scht du it aufpass'n? Fall am ebna Weg z'samm vor lauta Faulheit!«

Diesmal bekam der stolpernde Sattelgaul einen saftigen Peitschenhieb.

Aber vielleicht war es nur eine Ängstlichkeit von der dummen Person. Sie glaubt es, daß sie in der Hoffnung ist, sie glaubt es bloß; also war es noch nicht gewiß?

Nix! In der Sache kennt sich die Dümmste aus und wird ehender zu wenig als zu viel sagen. Mit dem Trost war es nichts, Saggeradi! Wenn er der Dumme war, der für einen andern zahlen sollte? Aber nie war ein Sterbenswörtel davon laut geworden, daß es die Zenzi mit einem Burschen in Kollbach hatte, und nicht einmal die Ursula hatte in der größten Wut eine Andeutung gemacht, und der wär 's doch gewiß nicht ausgekommen.

Es bleibt schon an dir hängen, Schormayer, und das Netz hat kein Loch. Da war guter Rat teuer.

Das nächste mußte sein, einmal ausführlich mit der Zenzi zu reden; und sie fragen, wie sie 's selber im Sinn hatte mit der Sache da, mit der Angabe von der Vaterschaft, und auch, wohin sie in Dienst gehen wolle.

Ja, das war das nächste.

Vielleicht ließ sich das Mensch überreden, weit fort zu gehen und für ein paar hundert Mark sich einzulassen, daß es überhaupt keinen Vater nannte.

Das gab es doch auch, daß eine dem Gericht nichts sagte; und bei der ersten Fuhr nach Dachau wollte er einen Advokaten fragen. So, als wenn es sich um einen andern handeln würde.

Also, das war jetzt einmal zu tun, und hernach konnte man sehen, wie das Rad weiter lief.

Er war schon nahe am Dorfe, und der Moosrainer Simon, ein Kleingütler, kam ihm mit seinem Ochsenschlitten entgegen.

»Grüaß di Good, Schormoar!«

»'s Good«, brummte der Bauer.

»Fahrst d' oiwei no Bamm für 'n Maier z' Dachau?«

»Ja.«

»Heunt hoscht an B'suach kriagt, gel?«

»I?«

»Freili; an Vormittag scho.«

»Da woaß i nix; i bin an Holz draußd g'wen.«

»D' Leut sag'n, es waar g'wiß a Hochzeita für dei Urschula?«

»De wiss'n na mehra wia'r i.«

»Mi moant halt, wei' s' gar so a nobles Zeug'l g'habt hamm.«

»Vo mir aus!«

»Di bekümmert dös gar it viel, han?«

»I wer' 's scho sehg'n, bal i hoam kimm.«

»No ja, freili! Du bringscht dei Tochta leicht a. Pfüat di!«

»Adjes!«

Es bekümmerte den Schormayer wirklich nicht viel, ob die Ursula ein halbes Jahr früher oder später aus dem Haus kam; er hatte andere Sorgen. Er ging deswegen um keinen Schritt schneller; und wie er daheim angelangt war, spannte er ohne Übereilung die Gäule aus.

Der Lenz half ihm dabei und sagte:

»Vata, 's Basel vo Arnbach is scho seit a'r a fünf Stund do.«

»So?«

»Und da Prückl vo Hirtlbach is bei ihr.«

»So? Was macht denn da Schimmi?«

»I moan, es gang eahm bessa.«

»Is da Dokta it da g'wen?«

»Jo. Er sagt, er kimmt scho durchi.«

»I wer 'n aal o'schaug'n.«

Der Schormayer ging zu dem kranken Gaul und fühlte ihn an.

»Mir kimmt für, daß a nimmt so hart waar.«

»Es is guat g'wen, daß ma 'n glei warm ei'geb'n hamm, sagt da Dokta.«

»Paß no weita guat auf! Du bleibscht morg'n no dahoam, und i fahr wieda n 's Holz außi.«

Er ging gemächlich dem Hause zu; unterwegs blieb er stehen und schaute zum Kuhstall hinüber.

»I wer' s' morg'n in 's Holz außi kemma lass'n, da hamm ma na nacha Zeit zu'n Dischk'rier'n«, brummte er vor sich hin, und dann stampfte er vor der Tür den Schnee von den Schuhen.

Im Flötz kam ihm Ursula entgegen.

»Vata, es waar a B'suach da.«

»Is scho recht.«

»Soll i da'r an Kaffee in d' Stub'n eini bringa; du werst was Warms mög'n?«

»Du bischt ja heunt ganz ausnahmsweis freundli.«

Es konnte ihm schon auffallen, daß er nach langer Zeit wieder ein lachendes Gesicht daheim sah.

»I ho da'r oan aufg'hob'n«, sagte Ursula zuckersüß.

»Bring an no eina!«

Wie der Schormayer in die Stube eintrat, stand die Schneiderin von der Ofenbank auf, und der Prücklkaspar räkelte sich langsam in die Höhe.

»Du werscht it schlecht schaug'n, daß du ins da auftriffst?« sagte die Schneiderin.

»Mi is ganz recht, daß d' amal kemma bischt.«

»I ho oan bei mir, an Prücklkaschpa vo Hirtlbach.«

Der Schormayer nickte dem fremden Menschen zu.

»So? Du bischt da jung Prückl? An Vata kenn i wohl.«

»Er hot ma 's g'sagt.«

»A G'schäft hätt' a mit dir«, fiel die Schneiderin ein.

»Was für oans?«

Der Kaspar räusperte sich und fuhr sich mit der Hand über den Kopf.

»I«, sagte er, »soll an Fruhjahr an Hof übanehma, und durch dös sollt i heireth'n, indem daß de Alt'n aa nimma weita macha woll'n, und weil na do a Bäurin in 's Haus muaß, und durch dös hon a ma denkt, ob's d' ma du it dei Urschula geb'n kunntst.«

»So?«

Der Schormayer holte sein rotes Sacktuch hervor und schneuzte sich erst einmal.

»Mhm!« sagte er. »I sag it na, und üba de Sach laßt si red'n. Hock di no hi!«

Der Kaspar ließ sich auf die Ofenbank nieder, und der Bauer setzte sich an den Tisch.

»So, so? Mei Urschula mögst du heireth'n? Wiaviel moanst d', daß s' nacha kriag'n sollt?«

Kaspar sah zur Schneiderbäuerin hinüber, und sie nahm für ihn das Wort.

»A tausend a fufzehni, hon i eahm g'hoaßn.«

»Fufzehni?«

Der Schormayer schaute nachdenklich auf den Boden.

»Bal's mehra san, macht 's aa nix«, sagte der Kaspar fröhlich.

»Mehra wer'n 's kaam, mei Liaba. Aba auf fufzehni kunnt 's nausgeh.«

»Do waar er scho z'fried'n«, fiel die Schneiderin ein.

»Dös hoaßt, bal sie 's baar kriaget«, sagte Kaspar.

»Baar oiwei; de Hypathek'ng'schicht mag i selm it, und 's Geld liegt auf. Nach da Hozet wurd' 's auszahlt.«

Die Schneiderin stieß ihren Schützling mit dem Ellenbogen an.

»No also! Nacha seid's ja scho handeloans, braucht's grad ei'schlag'n.«

Aber der Kaspar räusperte sich doch noch einmal.

»Wia is na dös? That sie na was irb'n aa no?«

Ursula hörte die Frage, denn sie brachte gerade den Kaffee herein; und nachdem sie ihn auf den Tisch gestellt hatte, blieb sie erwartungsvoll stehen.

Der Schormayer rührte den Zucker um und überlegte sich die Antwort.

»Irb'n?« fragte er. »Ko sei, aba hoaß'n thua'r i nix g'wiß; und bal nix dazwisch'n kimmt, bis i stirb, kriagt s' scho no a Brocka.«

Ursula hatte wirklich ihren freundlichsten Tag; mit der mildesten Stimme sagte sie:

»Was soll si denn do dazwisch'n kemma, Vata? Do kimmt si do nia nix dazwisch'n.«

»Dös woaß mi it.«

»Aba Vata, woaßt do, daß mi di in Ehr'n hamm; und übahaupts brauchst d' koa Kumma üba dös gar it hamm.«

»I ho scho koan; und bal all's mit Recht'n geht, werst d' scho was kriag'n. Aba dös is mei guata Will'n, was i hint laß; und vasprecha thua'r i nix.«

Die Schneiderbäuerin wollte noch hilfreich sein.

»'s Heireth'n hoscht d' do aa nimma'r an Sinn?«

»Heunt net. Aba woaß i, was morg'n is?«

»Geah zua! Du werst üba Nacht it anderst g'sinnt wer'n.«

»I glaab 's selm it; aba dös is schö' gnua, wann i fufzehtausad baar auszahl, und auf nix anders laß i mi net ei.«

Kaspar hörte es am Ton, daß weiterreden keinen Wert hatte.

Er patschte aufs Knie und sagte frischweg mit lauter Stimme:

»Alsdann is mi a so aa recht; und dös ander werd scho amal kemma, wia 's Recht und G'setz is.«

Er hielt dem Schormayer die Hand hin, und dieser schlug ein.

»Du hoscht as g'hört, daß er di heireth'n möcht; vo mir aus liegt nix an Weg«, sagte er zur Ursula.

Sie strich die Schürze hinunter und hielt den Kopf gesenkt.

»Ja no . . .« Sie stockte und schaute den Zukünftigen von unten herauf an . . . »Mi is na aa gleich.«

»Gilt scho!« sagte Kaspar und gab auch ihr die Hand darauf.

»I mach mei Gratalation; und ös zwoa werd's it schlecht mitanand haus'n, und ös hockt's enk aa'r in a schön's Sach. Du kennst an Hof, Schormoar?« fragte die Schneiderin.

»I kenn an scho. Wia werd denn da Austrag für de Alt'n, Kaschpa?«

»Sie halt'n si scho a Geld z'ruck und nehma si it z' weni aus. Aba'r i thua ma'r it hart.«

»Dös is na enka Sach. Und wos i sag'n will: mit 'n Aufgebot und mit 'n Lad'n und mit dera ganz'n G'schicht kon i mi net befass'n, dös müaßt's selm macha.«

»I hilf scho, und übahaupts geh'n i da Urschula an d' Hand, weil d' Muatta nimma do is.«

»I dank da schö, Basel.«

»Dös thua'r i gern, und wann moant's daß d' Hozet sei kunnt?«

»Oiwei no vor die Fascht'n«, schlug Kaspar vor.

»Dös waar in a vier Wocha? I moan, dös liaß si richt'n, Schormoar?«

»Richt's as no. Herwart'n hot aa koan Sinn.«

»Kimmst d' vielleicht morg'n auf Arnbach umi, Urschula?«

»Bal's an Vata recht is?«

»Mi is gleich. I bin a so in Holz draußd.«

»Also no geh'n i morg'n zu dir, Basel.«

»Dös is des G'scheidtest; da macha mi allssammete aus; und was beim Pfarra und an Bezirksamt sei muaß, dös sell trifft an Kaschpa, und mit 'n Hozetlada kinna mir red'n, und . . .«

»Jetz is aba Zeit, daß ma gengan,« drängte Kaspar, »mi hockan scho den ganz'n Tag her.«

»Spann no ei; i bin glei g'richt'«, sagte die Schneiderin.

Der junge Prücklbauer nahm seinen Hut von der Ofenbank und ging hinaus.

Im Stall fand er den Lenz auf ein paar Strohbündeln liegend im festen Schlaf.

»Hö, Lenz!«

»Der fuhr auf und rieb sich die Augen.

»Wos is?«

»Ei'spanna hilf ma; i fahr.«

Lenz gähnte.

»So, du fahrst scho weg? Was is nacha wor'n?«

»Mi san richti.«

»Is a so g'wen, wia'r i g'sagt hab? Fufzehntausad?«

»Ja. No, mi wer'n na scho z' thoa kemma, und d' Urschula is ja a guate Hauserin.«

»Do feit dir nix. Wiah! Geht's außa!« Er koppelte einen Gaul ab, den andern nahm Kaspar. Als sie eingespannt hatten, zündeten sie die Laternen an, denn es wollte schon dunkel werden.

Die Pferde scharrten ungeduldig mit den Hufen, und es dauerte eine Weile, bis die Schneiderin noch dies und das gesagt hatte.

Endlich stieg sie ein. Der Kaspar setzte sich neben sie und grüßte ein letztes Mal seine Hochzeiterin, die mit verschränkten Armen unter der Tür stand.

»Adjäs beinand! Hü!«

Die Gäule zogen scharf an, und klingelnd ging es zum Tor hinaus.

Pfüad di Good, Kaschpa!« klang die Stimme der Ursula nach.

Schier fein und lieblich.


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