Ludwig Thoma
Andreas Vöst
Ludwig Thoma

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Neuntes Kapitel

Herr Baustätter saß in der geräumigen Stube, die von ihm und Fräulein Lechner Studierzimmer genannt wurde.

Neben dem Schreibtische stand eine offene Bücherstellage, und die frommen Gäste des Pfarrers konnten auf derselben einige dicke Folianten bemerken, welche nur von heiligen Dingen handelten.

Die Schriften des heiligen Thomas von Aquin, »Die Herrlichkeiten Mariä« von Alphons von Liguori, daneben mehrere Gebetbücher und Breviere und an profanen Schriften: »Die Verwaltung des katholischen Pfarramtes« von Stingl, der »Sulzbacher Kalender« und Pfarrer Kneipps »Wasserkur«.

Das war die Bibliothek Baustätters. Auf dem Kanapee lag noch ein großes Buch mit schwerem Einbande, die Geschichte der Heiligen, herausgegeben zu Regensburg Anno 1672. Es war stark abgenutzt, die Messingschließen hingen herunter, einzelne Blätter sahen hervor, und die Ecken waren verbogen.

Fremde Besucher konnten glauben, daß der Pfarrer in diesem Buche häufig lese; Herr Kooperator Sitzberger und Fräulein Lechner jedoch wußten, daß die Schäden von den heftigen Würfen kamen, mit welchen es tags zuvor gegen die Wand geschleudert wurde.

Sonst erinnerte nichts mehr an die stürmische Szene. Auch nicht auf dem Antlitze des hochwürdigen Herrn, welcher soeben den Hierangl empfing.

»Ich hab Sie rufen lassen«, sagte er, »setzen Sie sich, denn wir müssen länger miteinander reden.«

»Der Geitner hat ma's ausgricht. Wegn der Wahl, hat er gsagt.«

»Ja, auch wegen der Wahl.«

»Da möcht i Eahna scho glei sagn, Herr Pfarrer, daß i am liabern glei gar nix mehr hör davo.«

»Hierangl, reden können wir ja einmal darüber.«

»I mag von die Erlbacher nix mehr wissen. Sollen s' an Schuller bhalten, weil s' 'n gar so gern hamm. I brauch koan Erlbacher, i bin koan was schuldi und brauch auf neamd aufzupassen. Na, i mag vo dera Wahl gar nix mehr hörn.«

Baustätter hörte ruhig zu und sagte dann:

»Sie ärgern sich. Das müssen Sie nicht tun.«

»Sie hamm Eahnar aa g'ärgert.«

»Ich? Nein, dazu hab ich keinen Grund gehabt.«

»Bal der Schuller...«

»Nein, Hierangl. Ich bin Pfarrer und hab kein Recht, mich in die Wahlen einzumischen.«

»Nacha ko's Eahna ja ganz recht sei, daß s' a so ausganga is.«

»Das ist etwas anderes. Darüber will ich ja mit Ihnen reden. Ich hätt es sehr gern gesehen, wenn Sie Bürgermeister geworden wären, ich hätt aber kein Wort verloren, wenn es ein anderer geworden wär. Nur nicht der Schuller. Da ist es meine Pflicht, zu warnen.«

»Jetzt is er's halt. Ob's oan freud oder it.«

»Er ist doch nicht bestätigt, und daß er nicht bestätigt wird, dazu können Sie mithelfen.«

»I? Na, i dank schö, Herr Pfarrer. I laß ma it 's Maul ohänga vom Haberlschneider. I laß mi it schlecht macha. I brauch koan Erlbacher durchaus gar nimmer; i bin koan nix schuldi und brauch auf neamd aufz'passen.«

»Sie müssen helfen, daß die Wahl rückgängig wird.«

»Dös solln de andern toa! Bal i was sag, wer i ausglacht, weil a jeder woaß, daß i sei Feind bin.«

»Das is auch nicht recht von Ihnen.« – »Was is it recht?«

»Daß Sie eine Feindschaft haben. Das soll man nicht.«

»Herr Pfarrer, nehmen S' ma's net übel, aber i moan, Sie san no hoaßer aufn Schuller.«

»Da sind Sie im Irrtum. Ich tue nur meine Pflicht als Seelsorger. Aber feind bin ich niemand.«

Der Hierangl drehte seinen Hut in der Hand und schaute gleichmütig zum Fenster hinaus.

Die Rede machte keinen Eindruck auf ihn, und er wartete, ob es nicht wieder anders kommen werde.

»Ich habe schon öfter bemerkt, daß mich viele für einen Feind des Schuller halten«, sagte der Pfarrer nach einer Pause.

»Ja, dös glaabn viel Leut.«

»Da glauben die Leute etwas Unrechtes von mir. Das würde schlecht passen zu meinem Priesterkleid.«

»Ma hört halt a so reden davo.«

»Ich weiß schon, warum. Das muß jeder leiden, der seine Pflicht tut.«

»Für was san nacha Sie so dagegn, daß der Schuller Bürgermoasta werd?«

»Das ist meine Pflicht, und ich darf nicht anders handeln. Der Schuller ist nicht fähig, daß er einen Ehrenposten in der Gemeinde hat.« Der Hierangl wurde aufmerksam. Er merkte, daß der Pfarrer noch einen Trumpf in der Hand hatte.

»Ich habe es von meinem Vorfahren gewissermaßen als ein Vermächtnis überkommen«, fuhr Baustätter weiter.

»Vom Herrn Held?«

»Ja, von meinem Vorgänger Maurus Held.«

.«Da hat ma nia nix ghört, daß's da was gebn hat.«

»Ich habe auch nichts gesagt bis heute, und ich hätte immer geschwiegen, wenn der Schuller nicht gewählt worden wäre.«

»Ja, was is nacha dös?«

Baustätter stand auf und holte aus dem Schreibtische ein Blatt Papier. Er hielt es dem Hierangl hin.

»Ich ho mei Brilln it bei mir, da kon i net lesen.«

»Dann will ich es Ihnen vorlesen. ›Erlbach, am 16. Juni 1889. Heute war zum zweiten Male der Austragsbauer Johann Vöst bei mir und klagte bitterlich über die Mißhandlungen, welche er von seinem Sohne erdulden mußte. Er zeigte mir die abschreckenden Spuren derselben.

Nachschrift: Ich habe Andreas Vöst sein abscheuliches Unrecht vorgehalten. Er zeigte keine Reue und antwortete mit wüsten Drohungen gegen seinen Vater.

Zweite Nachschrift: Andreas Vöst ist ein Mensch, dem jeder aus dem Wege gehen soll und vor dem öffentlich gewarnt werden müßte.‹

Unterschrieben ist es: ›Maurus Held, Pfarrer in Erlbach‹.

Was sagen Sie jetzt, Hierangl? Habe ich die Pflicht einzuschreiten?«

Baustätter legte das Papier in den Schreibtisch; er sah den raschen Blick nicht, mit dem ihn der Hierangl streifte.

Der saß unbeweglich und schaute wieder zum Fenster hinaus, als sich der Pfarrer gegen ihn wandte.

»Nun?«

»Da hat mi gar nia was ghört. Der alt Vöst hat si nia beklagt; i glaab, daß in ganz Erlbach koaner is, der wo vom alten Vöst was ghört hat.«

»Das glaube ich schon. Es ist ganz natürlich, daß er so was nicht erzählen mochte.«

»Ja, hat er's an Herrn Held beicht?«

»Was fällt Ihnen ein? Da wüßte ich es sowenig wie sie.«

»Ja, ja.«

»Der alte Mann wird aber sein Leid geklagt haben und wird ihn gebeten haben, daß er den Sohn zur Rede stellt.«

»Daß ma da gar nia was ghört hat?«

»Sie täten es auch nicht erzählen, Hierangl.« – »Ja, ja.«

»Aber meinen Sie, daß ich ruhig zusehen soll, wenn der Schuller Bürgermeister wird? Ein gefährlicher Mensch, heißt es.«

»Ja, was wollen S' nacha toa, Herr Pfarrer?«

»Ich melde das dem Bezirksamt.«

»An Bezirksamt? Dös werd aa nix machen kenna.«

»Es kann die Bestätigung verweigern. Und dann noch etwas, Hierangl. Ich habe Sie gerade deswegen rufen lassen, weil ich will, daß die Gemeinde Kenntnis erhält von dieser Aufschreibung.«

»Sie moana, i soll dös weitererzähln?«

»Ja, das heißt...«

»Herr Pfarrer, i will Eahna glei sagn, auf dös kon i mi net eilassen. Grad wann's i verzähl, hamm d' Leut an Zweifel.«

»Ich will nicht, daß Sie's öffentlich erzählen. Aber ein paar Leuten, die ohnehin gegen die Wahl sind. Vielleicht beschweren sich die.«

»Wer mag der Katz d' Schellen ohänga? I net.«

»Sie brauchen es nicht selber zu tun. Aber finden sollen Sie einige. Es ist doch im Interesse der Gemeinde!«

»Es gibt an großen Spektakel. Der Schuller hat viel Leut auf seiner Seiten.«

»Die Leute werden doch nicht immer gegen ihren Pfarrer sein! Wenn sie erfahren, daß auch mein Vorgänger die größten Bedenken hatte, müssen sie glauben, daß etwas daran ist. Da müssen ihnen doch die Augen aufgehen!«

»A paar vielleicht, aba viel it.«

»Das ist sehr traurig.«

»Ja no; von heut auf morgn geht so was it. Sie wern sehgn, es gibt viel Vadruß.«

»Das hindert mich nicht; jetzt fechte ich diesen Kampf erst recht durch. Ich tue es dem Andenken meines verstorbenen Amtsbruders zuliebe.«

Baustätter hatte die Stimme erhoben; aber es klang nicht wie heiliger Eifer aus seinen Worten; es verbarg sich hinter ihnen Haß, recht irdischer Haß.

Hierangl hörte ihn heraus und freute sich. Aber er verstand es besser, seine Gedanken zu verbergen; seine Augen blitzten nicht wie die des Herrn Baustätter; sie hafteten ruhig auf dem Marienbilde über dem Schreibtische und wanderten hinüber zu der Bibliothek, wo die verstaubten Bücher lagen; der heilige Alphons von Liguori neben dem »Sulzbacher Kalender«.

»Recht viel wern si net unterschreiben«, sagte er gleichmütig, »aber oan woaß i.«

»Wen?«

»An Geitner. Geltn tuat er halt it recht viel.«

»Ein Name ist wie der andere. Ich hab übrigens auch schon daran gedacht. Der Geitner wäre der Mann, der die Leute aufmerksam machen könnte.«

»Für so was is er gschickt; dös glaab i selber.«

»Und wenn jemand zu Ihnen kommt, Hierangl, und redet mit Ihnen darüber, dann können Sie ja bestätigen, daß Sie die Schrift gesehen haben?«

»Dös kon i scho, Herr Pfarrer, da ko mi neamd verklagn.«

»Schön! Es bleibt dabei. Grüß Gott, Hierangl!«

»'ß Good.«

Der Hierangl schritt langsam durch den geräumigen Gang; vor dem Hausaltare fuhr er nach seiner Gewohnheit mit dem Daumen über das Gesicht herunter, zum Zeichen des heiligen Kreuzes.

Wie er den Pfarrhof verließ, saß ihm ein verstecktes Lachen in den Mundwinkeln, und er sagte halblaut vor sich hin: »Sei Feind is er it.«

 

Der Geitner war nie ein guter Hauser und nie ein richtiger Mann gewesen.

Er hatte sein Gütl schuldenfrei vom Vater übernommen; seine Frau, eine Kistlertochter von Webling, brachte Bargeld in die Ehe, vielleicht viertausend Mark.

Und so hätte er ein leichtes Machen gehabt, denn das Gütl war nicht schlecht. Es waren zweiunddreißig Tagwerk Acker und Wiesen dabei und elf Tagwerk Wald, darunter vier mit schlagbarem Holz.

Aber vom ersten Tag an war es nichts mit ihm. Er hatte keine Freude an der Arbeit und auch keinen Verstand dazu. Das Beste an ihm war sein Mundwerk. Mit dem konnte er gut vorwärts. Er wußte von jedem im Dorfe, wie er seine Sache besser machen könne, und verwaltete alles, was ihn nicht anging.

Zu allen Tageszeiten war er im Wirtshaus zu treffen, und kein Weg verdroß ihn, wenn in der Gegend ein Preiskegeln war oder ein scharfer Tarock.

Mitunter kam es über ihn, daß er sein Gütl in die Höhe bringen wollte, um den Erlbachern zu zeigen, wie man die Ökonomie treiben müsse. Dann schaffte er die neueste Maschine an oder kaufte ein teures Roß oder probierte es mit neumodischen Erfindungen, die in landwirtschaftlichen Büchern gepriesen werden.

In solchen Zeiten saß er noch einmal so gerne im Wirtshaus und rühmte sich vor Leuten, daß er eine neue Ära auftun wolle in Erlbach.

Lange blieb er nicht bei dem Eifer; über eine kurze Weile war die neueste Maschine von ihm billig zu haben, das teure Roß dazu, der Chilisalpeter lag unbenutzt hinten in der Scheune, und der Sieg der Neuzeit wurde hinausgeschoben.

Der Geitner warf wieder die Kegel um, sechs auf einen Schub, wenn es schlecht ging, und wartete mit der Schellenaß auf den Zehner.

Es war leicht zu glauben, daß bei einem solchen Hantieren kein Gedeihen sein konnte.

Zuerst ging das Bargeld der Frau auf Reisen; hinterdrein mußte, wie bei allen schlechten Wirten, der Wald dran glauben, und als der letzte Stamm zu Brettern geschnitten war, ging das Borgen an.

Zu Anfang war es nicht schwierig. Die ersten zwei Hypotheken waren schnell unter Dach, aber für die dritte brauchte es schon Zeit und Überredung. Damals hätte der Schuller Gelegenheit gehabt, einen dankbaren Schuldner zu finden. Aber es fehlte ihm der rechte Blick für den Vorteil; er sagte zum Geitner, bloß Narren borgen einem Spieler, und es sei zweimal eine Schande für einen verheirateten Mann, wenn er mit ledigen Burschen und Knechten auf der Kegelbahn herumstehe.

Der Geitner ließ als ein nobler Mensch keinen Verdruß über die Abweisung sehen; aber sie wurmte ihn, und er faßte einen Groll gegen einen Mann, der ihm kein Geld, aber gute Lehren mit heimgeben wollte.

Er gab es wohl nicht zu erkennen und blieb angenehm nach wie vor. Denn er mochte das laute Wesen und Zank und Streit nicht leiden.

Im stillen aber rüstete er zum Kampfe, und bei der Wahl erwies er sich als nützliches Werkzeug der Kirche.

Und er verweigerte seine Dienste auch jetzt nicht, als ihm Baustätter den neuen Auftrag erteilte.

Wenige Tage später gingen seltsame Reden über den Schuller um. Niemand wußte so recht, was und wie, und niemand wußte, woher.

Aber die Ungewißheit machte das Gerücht nicht kleiner; es wuchs von einer Türe zur andern, und die letzte Nachbarin bekam es grausamer aufgetischt als die vorletzte.

Eines wiederholte sich immer: daß es der alte Pfarrer schriftlich gemacht habe, wie schlecht der Schuller sei.

Das Gerede blieb nicht unter den Weibern.

Die Männer, denen es mit der Suppe auf den Tisch gestellt und des Abends aufgewärmt wurde, konnten es nicht beiseite schieben.

Der Schuller selbst blieb kalt und sagte, daß er nicht den Finger rühre gegen die dummen Lügen.

Er ließ sich auch durch den Haberlschneider nicht irremachen.

»Wen soll i denn verklagen?« fragte er. »Vielleicht de altn Weiber von Erlbach?«

»Ganz guat sei lassen, dös sell kost aa net.«

»Warum it? Dös woaß do a jeder, daß i mein Vater net mißhandelt hab. Na, über dös Gred ärger i mi gar net, weil's z' dumm is!«

»I hab heut mitn Blasibauern gredt. Er sagt dös nämliche, wian i. Dös is an abgmachter Handel.«

»An alter Weibertratsch is', sinscht nix.«

»Mir kimmt's it so vor. Wann's bloß a Tratscherei waar, nacha hättn mir scho länger was ghört.«

»Dös kon aa scho länger umgeh.«

»Na; mei Bäurin sagt, dös is aufganga wia Pulver. Früher hat ma koa Silben net ghört davo.«

»Was moanst nacha du?«

»I gang schnurgrad in Pfarrhof und fraget, was dös is mit dem Schreiben von Herrn Held.«

»Dös woaß i z'erscht, daß dös nix is.« – »I fraget do.«

»I geh nimmer in Pfarrhof, Haberlschneider. Un überhaupts, wann i jetzt auf oamal kam, nacha kunnt's der Pfarrer so außabringa, als wenn i a schlechte Gwissen hätt.«

Der Haberlschneider wollte nichts mehr dawider sagen und ging.

 

Das war an einem Samstag. Schon den Tag darauf hatte die Sache ein anderes Gesicht.

Der Paulimann ging nach der Kirche ins Wirtshaus und trank sich einen Rausch an. Er war sonst ein stiller, wortkarger Mensch und fleißig bei der Arbeit. Aber wenn er ein Glas über den Durst getrunken hatte, wurde er lebendig. Er fing dann mit jedem Gaste Streit an und rückte allen Leuten ihre Sünden vor. Obwohl er ein angesehener Bauer war, geschah es ihm oft, daß er Schläge bekam und hinausgeworfen wurde.

An dem Sonntag hatte er schon drei oder vier Leuten die Freude am Essen und Trinken genommen und wollte gerade über einen fünften herfallen, als er den Schuhwölfl sah, einen Schwager vom Schuller.

Er saß am Nebentisch beim Haberlschneider. Wie ihn der Paulimann sah, schrie er hinüber, ob er ihm das vierte Gebot Gottes nicht sagen könne. Er bitte gar schön, daß er ihm das vierte Gebot hersage; er könne sich nicht mehr darauf besinnen.

Als der Schuhwölfl keine Antwort gab, fragte er, ob es nicht so heiße: »Ehre Vater und Mutter, auf daß du lange lebest auf Erden.«

»Paulimann, laß guat sei!« sagte der Haberlschneider.

»Warum denn? I sag ja nix Unrechts. I möcht grad wissen, ob's dös vierte Gebot no gibt.«

»An Ruah gib!«

»Ehre Vater und Mutter. I glaab, so hamm's mir glernt, aber bein Schuller hoaßt's anders.«

»Du brauchst wieder amal Schläg, gel, Paulimann?« schrie der Schuhwölfl.

»Na, jetzt no net. I wart, bis mei Bua groß gnua is, daß er mi schlagn ko.«

Der Schuhwölfl sprang auf.

»Bischt du der Tropf, der ganz ausgschamte, der de Lug ausgsprengt hat?«

»I sag bloß, was d' Leut sagn.«

»Und beweisen muaßt as du!«

»Geh zu dein Nachbar«, schrie der Paulimann, »der Hierangl hat's schriftli gsehgn.«

»So, is der aa dabei? Dös is gscheit, daß du dös sagst. Jetzt derwischn mir enk amal, du... du ganz Schlechter!«

»Net so schlecht als wiar ös! Bei uns is dös net der Brauch, daß ma sein Vatern haut.«

»Woaßt du dös?«

»Jo, woaß i's.«

»Nacha kennst du dös aa?« schrie der Schuhwölfl und schlug dem Paulimann ins Gesicht.

Der sprang in die Höhe und hieb mit der Faust zurück. Es wäre dem Paulimann wieder einmal schlecht gegangen, denn der Schuhwölfl war ein starker Mensch und nüchtern. Aber da mischte sich ein anderer ein und half ihm. Und der war noch dazu der beste Freund vom Schuller. Der Haberlschneider zog den Schuhwölfl zurück und sagte ruhig: »Mit Schlagen werd die Sach it besser. De werd woanders ausgmacht.«

Der Schuhwölfl ließ ab und setzte sich wieder auf seinen Platz. Aber der Paulimann glaubte, daß er einen hilfreichen Freund gefunden habe, und schöpfte neuen Mut. Er schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie, so laut er konnte: »Und dös vierte Gebot, dös laß i amal net auf. Da ko kemma, wer mag, dös is mir ganz gleich. Dös vierte Gebot Gottes, dös muaß her! Ehre Vater und Mutter, daß du lange lebest auf Erden!«

Der Schuller ließ zwei Tage später den Paulimann und den Hierangl vorladen.

Beim Wirt im Nebenzimmer war der Sühneversuch; der frühere Bürgermeister Kloiber, welcher jetzt zum Beigeordneten gewählt war, leitete ihn, und der Lehrer Stegmüller führte das Protokoll.

Die Parteien waren anwesend. Der Schuller stand hart neben dem Tische, auf dem Stegmüller schrieb. Er zeigte keine Aufregung und keinen Zorn.

Auch der Hierangl machte ein gleichgültiges Gesicht.

Man hätte meinen können, daß er bloß zufällig da sei und daß ihn die amtliche Handlung nichts anginge.

Aber der Paulimann war unruhig. Seit er nüchtern war, reute ihn die Geschichte. Eine solche Dummheit, wie das war! Allemal nahm er sich vor, keinen Rausch mehr zu kriegen, und allemal kam er wieder zu einem. Und jetzt eine solche Verlegenheit! Sonst kriegte er bloß Schläge im Wirtshaus und seinen Landler von der Bäuerin; hernach war es wieder gut. Aber diesmal ging es anders: er war mitten hineingekommen in einen Streit, der ihm schon vom Anschauen zuwider war und mit dem er durchaus gar nichts zu tun hatte. Er mußte die Suppe auslöffeln, die andere eingebrockt hatten; er sollte jetzt auf das Gericht gehen. Lieber wären hundert Mark hingewesen oder noch mehr.

Er kraute sich in den Haaren und schob unruhig einmal den rechten und einmal den linken Fuß vor.

»Also«, sagte der Kloiber, »ös wißts ja, warum mir da z'sammkemma san. Der Bürgermoasta will enk zwoa wegn Ehrenbeleidigung verklagen, und, also, indems ös in der nämlichen Gemeinde seids, is also dös Gsetz a so, daß z'erscht a Sühneversuch sei muaß. Dös ist richtig, Herr Lehrer, net wahr?«

»Ja, das ist die gsetzliche Vorschrift.«

»Also, und da muaß i enk fragn, an Bürgermoasta aa, obs enk it vergleiche wollts und de Sach guat sei lassen?«

»I nimm alls z'ruck«, sagte der Paulimann, »i will koan Streit gar it.«

»Is gscheiter aa. Waar ja do z'wider, wann a solchene Feindschaft ins Dorf kam. Was sagst denn du, Bürgermoasta?«

Der Schuller legte die Hände auf den Rücken und sagte ruhig:

»Dös woaß a jeder, daß i net glei da bin mitn Gricht. Aba dös helft mir gar nix, wann da Paulimann sagt, er nimmt's z'ruck. Es muaß öffentlich erklärt wern, daß de Gschicht verlogen is, und dös muaß aa gsagt wern, woher dös Gred kimmt. Nacha will i gar nix vom Paulimann und halt mi an den, der a solchene Verleumdung auf d' Welt bringt.«

»I hab halt an Rausch ghabt«, sagte der Paulimann, »da redt ma dumm daher. I hab durchaus gar nix gegn Schuller, und i sag's öffentli, daß er a richtiger Mann is.«

»Was is denn nacha mit dir, Hierangl?« fragte Kloiber.

»Mit mir?«

»Ja; was du sagst, ob du net aa an Erklärung macha willst?«

»Was geht denn mi de ganz' Gschicht o?«

»Du bist halt jetzt amal vorgladen vom Schuller und muaßt di nachn Gsetz erklärn.«

»Hab i was gsagt? Was geht denn dös mi o, wenn da Paulimann im Wirtshaus aufdraht? Hab i was gsagt?«

»Jetzt woaßt, gar so unschuldi muaßt di net histellen!« schrie der Paulimann, »balst du zu mir nix gsagt hättst, nacha hätt i de Dummheit net daherbracht im Rausch!«

»Wo hab i was gsagt zu dir?«

»Mögst du dös laugna? Bei dir dahoam, in deiner Stuben hast as gsagt. Jetzt mögst di außischwindeln, gel?«

»Du werst dir's überlegen, ob du dös behaupten kost, daß i schwindet. Sinscht verklag i di aa.«

»Vo mir aus, nacha weis i auf, daß du dös gsagt hast.«

»I hab zu dir gar nix gsagt. Du bischt zu mir kemma und hast gsagt, daß der Kloaweber zu dir gsagt hat, daß der Schuller sein Vatern a so mißhandelt hätt.«

»Und nacha hast du gsagt...«

»Nix is. Nacha hast du mi gfragt, ob dös wahr is. Und i hab gsagt, i woaß bloß, daß der Herr Pfarrer den Zettel hat, wo dös drauf steht.«

Der Schuller war nicht aus seiner Ruhe gekommen und hatte den beiden zugehört.

Bei den letzten Worten des Hierangl stieg ihm die Röte in das Gesicht, und er trat einen Schritt vor.

»Was steht auf dem Zettel?« fragte er.

Der Hierangl schaute an ihm vorbei und sagte kurzab: »Mit dir red i net.«

»Du werst scho no reden müassen, du Tropf, du scheinheiliger!«

»Halt!« sagte der Kloiber, »machts net wieder aufs neu a Beleidigung her! Dös hat koan Wert it!«

»Laß 'n reden!« schrie der Hierangl, »dös rührt mi gar it o, was der sagt.«

Jetzt kam der Schuller in Zorn.

»Dös sell wern mir sehgn«, sagte er, »ob di gar nix orührt. In ganz Erlbach derf koa Mensch no an Achtung hamm vor an solchen Ehrabschneider!«

»So? Moanst? So? Vo dir derf koa Hund mehr an Brocken onehma. Hast as ghört?«

»Nimm di z'samm, Hierangl!«

»Na, grad net. Jetzt behaupt i 's no mal, was i zun Paulimann gsagt hab. Der Pfarra hat mir dös Schreiben zoagt vom Herrn Held. Der hat's aufgschrieben, was du für oana bischt. Jeder Christ muaß dir ausn Weg geh! Dir!«

»Halt, jetzt is gnua!« schrie der Schuller.

»No lang it. Dein Vatern hast gschlagn, daß er im Pfarrhof um Hilf hat bitten müassen!«

»Sauhund, hab i di! Du und der Pfarra!«.

Der Schuller faßte den Hierangl an der Gurgel. Alle Besonnenheit war weg.

»Der Pfarra und du! Habts dös gfunden, was an Menschen schlecht macht?«

Der Hierangl stemmte sich dagegen. Seine Stimme gellte, daß man sie über die Straße hinüber hörte. »Auslassen! Du! Dir geht's schlecht!«

Stegmüller sprang auf, der Kloiber und der Paulimann hingen sich an den Schuller. Aber der hatte eiserne Finger und hielt fest.

Und der Hierangl kreischte wieder: »So hast as dein Vatern gmacht, gel? Dein alten Vatern?«

Der Schuller ließ aus.

Noch einmal der Schimpf!

Nein, damit machte er ihn nicht gut, daß er sich an dem heimtückischen Lügner vergriff.

»Geh zua, Lump!«

Er sagte es wieder ruhig. Eine rechte Verachtung kam über ihn, als er die Verleumdung noch einmal hörte.

Wie sich der Hierangl frei fühlte, ging er an die Türe. Er richtete seinen Kragen und die Halsbinde.

»I nimm enk allsamt als Zeugn«, sagte er, »dös werd si aufweisen, ob der da d' Leut schlagn derf.«

Er ging, und die anderen hörten ihn noch in der Gaststube und im Hausgange schimpfen.

»Schuller, dös hättst it toa solln«, sagte der Kloiber.

»Soll i mir alls gfallen lassen?«

»Durch de Rauferei bist selm strafmaßig, wenn er di ozoagt.

»Soll i mi histeh und mi grad schlecht macha lassen?«

»I hab 's Recht it, daß i dir was eired; dös muaßt selm ausmacha.

»Kloiber, du muaßt mar an Gfallen toa.«

»Was nacha?«

»I geh zum Pfarrer nauf, und du muaßt mir an Zeugn macha.«

»I tua's it gern, Schuller.«

»Warum? I hab gmoant, du bischt it bei dena, de si aufhetzen lassen.«

»I laß mi net aufhetzen; i hab nix gegen di, und i hab nix gegn an Pfarra.«

»Grad deswegn möcht i, daß d' mitgehst. Du muaßt it moana, daß du Partei nehma solltst.«

»I hätt am liabern mit dera Sach nix z' toa. Dös is z'wider für an jedn, der si dreimischt.«

»I ko it alloa naufgeh. I muaß an Pfarra fragn, was dös is mit dem Zettel, und da brauch i an Zeugn. Den Gfallen tat i an jedn, und bal's mei Feind waar.«

»I sag dir's, wia's is, Schuller. I bin it dei Feind.«

»I tat di net plagn und gang zum Haberlschneider. Aha es muaß oana sei, der dös jetzt ghört hat vom Hierangl.«

»I geh mit, bal's dir recht is«, fiel der Paulimann ein. »Aba du muaßt de Klag gegn mi guat sei lassen.«

»Dös hat a so koan Wert nimmer. Vo dir will i nix; jetzt muaß i allawei gegn an Hierangl streiten.«

»Nacha bleib i bei mein Wort steh. Wann willst aufi zun Pfarra?«

»Jetzt glei. I wart koa Minuten nimma, bis i dös woaß.«

Der Kloiber nahm seinen Hut. »Mir san nacha firti mit dem Sühneversuch, Herr Lehrer?«

»Ja.«

»Werd dös it gschriebn, daß der Schuller nimmer klagt gegn mi?« fragte der Paulimann.

»Ich kann es schon schreiben«, antwortete Stegmüller. »Also der Bürgermeister und der Paulimann haben sich verglichen. Mit dem Hierangl war der Sühneversuch erfolglos.«

Der Kloiber unterschrieb.

Dann sagte er: »Du muaßt mi net falsch vasteh, Schuller. I hab mi net gweigert, weil i was hab gegn di. Durchaus gar it.«

»I woaß scho. Pfüat di Good!«

Der Schuller ging geraden Weges in den Pfarrhof, und der Paulimann hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Diese Eile war ihm nicht lieb; denn je näher sie an das Ziel kamen, desto stärker regte sich in ihm der Zweifel, ob seine Bereitwilligkeit nicht eine neue Dummheit gewesen sei. Der hochwürdige Herr war leicht beleidigt und meinte immer, daß man es an der nötigen Achtung fehlen lasse. Er merkte sich alles und zahlte es heim. Deswegen war der Kloiber der Gescheitere gewesen, wenn er dachte, was ihn nicht brenne, das blase er nicht.

»Moanst it, daß mir erscht im Na'mittag aufigeh solln? Wer woaß, obs d' 'n jetzt triffst.«

»Na; er is gwiß dahoam.«

Sie kamen an den Gartenzaun. Da blieb der Paulimann stehen und sagte: »Du muaßt mir vasprechen, daß d' it streitst mitn Herr Pfarra. Sinscht gehn i net mit.«

»I hab bloß a Frag, und mehra net.«

»Aha balst wieder zorni werst, nacha bleib i net.«

»I wer net zorni.«

Der Schuller zog an der Glocke. Da überlegte der Paulimann noch einmal, ob er nicht umkehren solle. Aber er hatte keine Zeit mehr für seine Zweifel; die Türe öffnete sich vor ihnen, und sie traten ein. Heute schritt der Schuller nicht so laut über die Steinfliesen wie selbigesmal, als er für sein Heidenkind ein ehrliches Grab wollte.

Und die Englein flüchteten nicht durch die Fenster. Sie sahen auf ihren Feind herunter und lächelten schadenfroh. Denn sie halten es mit Pfarrer und Kirche, wie es ihrer Stellung angemessen ist.

Andreas Vöst konnte sie und ihre Freude nicht sehen; aber er fühlte, daß durch alle Ritzen und Schlüssellöcher boshafte Blicke sich auf ihn richteten, und es war ihm sonderbar zumute. Es atmete sich schwer da herin in dem hochgewölbten Gange.

Nun waren sie oben; er machte den Finger krumm, um anzuklopfen.

»Daß d' fei it streitst«, flüsterte der Paulimann.

Der Schuller gab keine Antwort und klopfte.

Scharf und knapp tönte das »Herein!«.

Baustätter hatte die zwei schon gesehen, als sie sich dem Garten näherten.

Es leuchtete ihm sofort ein, daß heute die Sprache der Liebe nicht wohl angebracht sei.

Er blätterte in einem Gebetbuche, indem er der Türe den Rücken zukehrte. In dieser Stellung blieb er, als die beiden eintraten.

»Gut Morgn, Herr Pfarra!« sagte der Schuller.

Der Paulimann schwieg; er wollte sich nicht gleich bemerklich machen.

Baustätter wandte sich um und sah den neuen Bürgermeister abweisend an.

»Was wollt Ihr?« fragte er kurz.

»I kimm mit a Frag.«

»So? Und Sie, Paulimann?«

»I? I will gar nix. Ich bin a so mitganga, weil a...«

»I hon an Paulimann auf dös ersuacht, daß er mitgeht, weil mir grad mitn Hierangl was ghabt hamm.«

»Da Kloiber hätt z'erscht mitgeh solln, aba er hat it mögn und nacha...«

»Und dann sind Sie für ihn eingesprungen?«

Der Paulimann merkte, daß er hier keinen Anklang fand.

»Bal i an Herrn Pfarra stör, nacha gehn i«, sagte er, »i muaß it dabeisei.«

»Bleiben Sie nur; jetzt sind Sie schon einmal da. Also was wollen Sie mich fragen, Vöst?«

»Da Paulimann hat vorgestern im Wirtshaus behaupte daß i mein Vatern a so ghaut hätt.«

»Ja, und...«

»Und dös Gred werd überhaupts im Dorf umanandatragn. Und da hab i an Paulimann vorladen lassen, daß er bsteht, wo er de Behauptung her hat. Und an Hierangl hab i aa vorgladen.«

Jetzt fiel der Paulimann ein:

»Weil da Hierangl gsagt hat, indem daß er dös gwiß woaß...«

»Lassen Sie den Vöst reden!«

Der Schuller ärgerte sich über seine Befangenheit.

Er war gekommen, um in ein Lügennetz zu greifen. Sollte er auch so ängstlich dastehen wie der Paulimann?

Und er redete frischweg.

»I hab an Hierangl vorladen lassen, weil der Paulimann gsagt hat, daß er dahintersteckt. Und i hab's aa net anderst glaabt, als daß von der Seiten de ausgschamte Lug kimmt.«

»Die ausgeschämte Lüge?«

»Ja, daß i mein Vater mißhandelt hab.«

»Das heißen Sie...?«

»A schlechte Lug, Herr Pfarra.«

Baustätter trat zurück.

Der Mann sah ihm so schnurgerade in die Augen; Wort und Blick waren drohend.

»Was soll ich dabei?« fragte er.

»Was Sie damit z' toa hamm, Herr Pfarra? Der Hierangl hat behaupte daß der Herr Held selig dös auf an Zettel aufgschrieben hätt, und den Zettel hätten Sie an Hierangl zoagt.«

»Da hat er nicht gelogen.«

»Was? Dös is ja...«

»Vöst, ich lasse mich nicht auf einen Streit mit Ihnen ein.«

»Du hascht gsagt, daß d' it streitst, sinscht waar i net mitganga«, sagte der Paulimann.

»Sei du staad! Du brauchst koan Angst it hamm.«

Der Schuller zwang sich zur Ruhe. »Herr Pfarra, streitn kann i über dös net, was verlogen is.«

»Wollen Sie meinen Vorgänger im Grabe beschimpfen? Das sieht Ihnen gleich.«

»Na, so drahn mir die Sach net um. I hab sei Lebtag koa Schlechtigkeit gsehgn von Herrn Held, und i glaub koane von eahm, weil er tot is.«

»Das ist sehr gnädig von Ihnen. Ich bin allerdings auch überzeugt, daß der Verstorbene die Wahrheit niedergeschrieben hat.«

»Dös hat er net gschrieben. Dös is it wahr!«

»Wollen Sie mich Lügen strafen? Hier in diesem Schreibtisch ist die Bestätigung.«

»Derf i's sehgn?«

»Nein; wenigstens hier nicht.«

Schuller krampfte die Fäuste um den Rand seines Hutes.

Aber die Stimme erhob er nicht; sie klang ruhig.

»Herr Pfarra, dös kann i net glaubn, daß Sie mir den Zettel it zoagn wollen. Wenn's der Hierangl hat lesen derfen, den wos do gar nix ogeht, nacha muaß i's do aa z' sehgn kriagn. I bin do der erst dazua.«

»Das ist meine Sache.«

»Na! Dös is de mei!«

»Was fällt Ihnen ein? Ich habe Ihnen keine Rechenschaft zu geben. Verklagen Sie mich, wenn Sie wollen!«

»Herr Pfarra...«

»Ich habe jetzt genug. Sie werden es schon erfahren, wie Sie mein Vorgänger geschildert hat. Aber nicht von mir, sondern vom Bezirksamt!«

»Ja so! Auf dös is abgsehgn! Is net anderst ganga, nacha muaß der Schwindel gegen mi helfen!«

»Sie meinen, ich laß mich in meinem eigenen Haus beleidigen...«

»O na, Herr Pfarra, den Gfallen tua i Eahna net. I gib Eahna ganz recht, daß Sie de Schreiberei koan ehrlichen Menschen net aufweisen. De is für d' Spitzbuam gmacht und geht bloß de Spitzbuam was o. I bin jetzt firti, Paulimann.«

Der Schuller drehte sich um und ging.

Und so deutlich klang die ungeheuchelte Verachtung aus seinen Worten, daß es seinem Feinde erging wie jenem Taubstummen in der Gegend der zehn Städte. Zu dem sprach der Herr: Epheta, das ist, öffne dich! Und allsogleich wurden seine Ohren eröffnet.

So hörte auch Baustätter einen Augenblick die Sprache der Ehrlichkeit und wurde betroffen.

Aber nur einen Augenblick.

Denn wie er den Paulimann in Schrecken und Verlegenheit erblickte, wurde seine Seele wiederum stark.

Und er sagte vorwurfsvoll:

»Also auch Sie, Paulimann?«

»I bin grad...«

»Sie sind hierhergekommen, um Zeuge zu sein, wie man Ihren Seelsorger beschimpft.«

»Gwiß it, Herr Pfarra. Da Schuller hat's mir no versprechen müassen, daß er durchaus gar it streiten will. I bin grad mit eahm aufaganga, daß er fragt, ob da Hierangl it glogen hat.«

»Warum soll der Hierangl lügen?«

»I behaupt's net. Aba, weil ma halt nia was anders ghört hat, als daß der Schuller mit sein Vater guat ghaust hat.«

»Dieser Mann hat eine eiserne Stirne. Ich habe ihm selbst lange geglaubt. Da ist es kein Wunder, daß sich auch andere täuschen lassen.«

»Ma hat nia was ghört...«

»Es ist doch so! Aber jetzt gehen Sie; ich will allein sein.«

Baustätter griff nach dem Gebetbuche, welches er auf seinen Schreibtisch gelegt hatte, und der Paulimann zog leise die Türe hinter sich zu.

 

Der Schuller ging heim.

Das drückende Gefühl hatte er los; er kannte jetzt den Hinterhalt, aus dem der vergiftete Pfeil geflogen war.

Konnte er ihn treffen?

Wußte nicht jeder im Dorfe, daß er zu allen Zeiten ehrbar gegen seinen Vater gehandelt hatte? Auch in schlimmen Zeiten.

Der alte Vöst hatte es nebenher mit dem Güterhandel probiert und viel Geld verloren. Damals lebte noch der ältere Bruder vom Schuller. Der war auf der leichten Seite und ließ alle fünf gerad sein.

Das schöne Sach kam herunter, und er konnte nichts dawider tun. Weil er es aber nicht länger mit ansehen wollte, ging er selbigesmal nach Rettenbach und nahm Dienst beim Schloßbauern. Da wurde der Johann krank und starb weg über Nacht.

Und der Schuller kam wieder heim und richtete das Anwesen zusammen, daß alle Leute ihn loben mußten.

Wieviel Arbeit traf ihn damals als blutjungen Menschen! Wie viele Sorgen gingen ihn an! Er schwieg dazu, wenn der Vater die sauer verdienten Groschen in die Handelschaft steckte, und mühte sich ab.

Dann ging es endlich besser.

Die Mutter brachte den Alten dazu, daß er das Herumfahren mit den Schmusern aufgab und daheim mithalf.

Es kamen gute Jahre.

Zu derselbigen Zeit konnte sich einer noch herausreißen, denn Korn und Weizen hatten schöne Preise.

Und wie alles wieder in Ordnung war, da durfte er, der Andreas Vöst, mit Stolz sagen, daß er das Beste dazu getan hatte. Etliche Jahre später übernahm er das Anwesen und heiratete.

Von der ersten Stunde an gab er dem Vater, was ausgemacht war, und zog ihm keinen Pfennig ab bis zu dem Tag, an dem sich der Alte zum Sterben hinlegte. Die Nachbarn wußten es, und jedermann im Dorfe wußte es. Nein, die Verleumdung traf ihn nicht. Auf den Pfarrer Held wollte es der Mensch hinüberschieben!

Weil er wußte, daß dem sein Wort überall gegolten hatte.

Dreißig Jahre war er Pfarrer von Erlbach gewesen; ein gutherziger Mann, überall dabei mit Rat und Tat.

Wer Sorgen hatte, ging zu ihm und fand allezeit ein heiteres Wort und gute Aufmunterung.

Der Schuller hatte es selbst erfahren. Und jetzt sollte er glauben, daß der Mann ihn hinterrücks verleumdet hatte. Es war eine dumme Lüge.


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