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Hochzeit

Eine Bauerngeschichte

 

Erstes Kapitel

Andreas Weidenschlager, dem Reischlbauern von Pellham sein Sohn, war jetzt geschlagene achtundzwanzig Jahre alt, und es schien Zeit, daß er den Hof übernehme. Mit dem alten Reischl ging es bedächtig abwärts. Seit dem Schlaganfall im vorigen Sommer war er von der Kraft gekommen, und zu allem Unglück ging ihm am Blasiustag das hintere Rad von einem Fuhrwerk über den Fuß. Er mußte drei Wochen im Bett liegen und hatte viel Zeit, über das nachzudenken, was jeder muß und was keinen freut: alt werden, mein' ich, und sterben.

Auf dem Land ist die Sache nicht so wie in der Stadt, wo die meisten bis zu allerletzt das Vermögen ängstlich beisammenhalten und denken: Wenn ich einmal tot bin, werden die Erben schon einig werden oder auch nicht. Ein Bauernmensch will noch zu Lebzeiten Ordnung haben und sehen, daß die Heimat in richtige Hände kommt. Die Geschlechter ziehen auf und gehen, aber der Hof bleibt. Er muß regiert werden, und es geht nicht, daß ein alter, kranker Mensch der Sach' vorsteht, der nicht mehr nachsehen kann zum Rechten und den Ehehalten (Dienstboten) ausgeliefert ist.

Ich glaub' nicht, daß der Reischlbauer sich die Gedanken alle so schön gesetzt hat, aber der Sinn war der nämliche. Und darum hielt er mit seiner Bäuerin eine verständige Zwiesprach. »Bäurin,« sagte er, »mi müassen übergeben. Es geaht gor nimmer anderst; des gibt's gor it, daß i no a mal wer'; wann mei Haxen guat is, kimmt wieda was anders.«

»Sell is scho wohr, wann mi 's richti bedenkt,« antwortete die alte Reischlin.

»Und nacha, amal muaß 's ja do sei,« sagte er wieder. »Siehgst, der Andrä geaht ja fleißi nach; aba es ist do was anders, wann er selber regiert. Bei de Deanstboten is ja sinscht der Reschpekt scho gor it a so vorhanden.«

»Und voraus mit die Weibsbilder,« gab die Bäuerin zurück, »do is ja ganz aus. I kon aa nimmer a so, wia 's is braucht, und d' Mariann tuat g'rad was gern mog. Erscht gesting hat s' der Bleß wieda koa Fuatta net vorgeben. Und mit die kloan Fackein gib sie si überhaupts glei gor it ab.«

»Es g'hört halt a junge Bäurin auf'n Hof.« – »A freili.«

»Woaßt was, Bäurin, auf Georgi übergeben mi. Derweil ko si der Andrä a Hochzeiterin finden, und bal nacha d' Heuarndt o'geht, san schon de Junga auf'n Hof. Is aa besser, als wann mi ins no furt fretten.«

»Mi is a lieber, Reischl, wann mi im Fruahjahr übergeben. Jetzt muaß halt der Andrä schaugen, daß er bald a Hochzeiterin zum Zeug bringt. Die welchene moanst, daß er heiraten soll?«

»In Pellham is koane, Bäurin; an Haberlbauer die sei kriagt net mehra als wia achttausad March, und des is net amal ganz g'wiß.«

»I ho mi scho denkt, Reischl, ob an Schloßbauern vo Vierkirchen sei zwoate Tochta net recht war. Do is fei a schön's Sach beinand und Bargeld.«

»An Schloßbauern a seinige Tochta? War net z'wider. Aba woaßt, vielleicht liaß si oane auftreiben, die wo no mehra hätt.«

Die Zwiesprach wurde unterbrochen, weil Andrä hereinkam. »S'Good,« sagte er, und hing den Hut an den Nagel; dann klopfte er den Schnee von seinen Stiefeln und setzte sich auf die Ofenbank neben die Katze hin.

»Mi hamm grad vo dir g'redt, Andrä,« sagte der alte Reischl.

»So?«

»Ja.«

Andrä holte aus der Rocktasche eine Zigarre hervor, und weil die Blätter locker waren, fuhr er mit der Zunge daran auf und ab, bis sie hielten.

»Mi wern im Fruahjahr übergeben,« sagte der Alte.

»Des habt's scho oft g'sagt.«

»Ja, aba jetzt geaht's gor nimmer anderst. Der Muatter is aa recht, wann mi ins Austrag gengan.«

»Wann mi's richti bedenkt, is des des G'scheidtest,« bekräftigte die Reischlin.

»Es waar nimmer z'fruah. I geh jetzt scho auf'n Dreiß'ger hi,« sagte nach einer Weile Andrä und zog heftig an seiner Zigarre, welche nicht brennen wollte. In der Stube wurde es still; man hörte die Uhr ticken und das Feuer knistern. Die Katze rieb behaglich schnurrend ihren Kopf an der Ecke des Kachelofens.

»Sollt'st da halt g'schwind um a Hochzeiterin schaugen,« fing der Reischl wieder an.

»Mi hamm g'moant, an Schloßbauern vo Vierkirchen a seinige Tochta,« sagte die Reischlin und legte ein Buchenscheitl im Ofen nach.

»An Schloßbauern a seinige? Warum it? Mi is recht.«

»Ja, aba da Vater moant, vielleicht kunnst oane kriagen, die wo no mehra hätt'.«

»Sell waar no besser,« meinte Andrä und zündete zum viertenmal seinen Stummel an. »Is allemal besser mehra als wia weniger.«

»Moanst it, daß ma r' ebber an Feichtl fragen sollten?« fragte der Alte.

»An Feichtl?«

»Ja. Der kunnt ins leicht oane verraten. An Schneider Lenz vo Sünzing hat er a ganz a schware zuabracht. Bis vo der Hollerdau aufa.«

»Probier ma's. I tua eahm a Botschaft, daß er kimmt. I muaß a so moring auf Watzling fahren, weil i vom Göschl a Fuhr Prügelholz kriag.«

So endete die Unterredung, in welcher beschlossen wurde, daß Andreas Weidenschlager in den Ehestand treten sollte. Am nächsten Tag begab sich der Heiratskandidat nach Watzling; er brachte zuerst sein Geschäft in Richtigkeit und ging dann bedächtig zu dem kleinen Hause, wo Nepomuk Feichtl wohnte.

Feichtl war Schäfer der drei Gemeinden Tiefenbach, Niederroth und Watzling und versah noch manches Geschäft nebenbei. Er hatte einen guten Kopf und dachte über viele Dinge nach, die anderen Leuten entgehen. Weil er von Jugend auf mit dem Vieh umging, erwarb er sich eine nicht geringe Kenntnis von den Gewohnheiten und Bedürfnissen desselben. So wurde er mit den Jahren ein tüchtiger Heilkünstler oder Pfuscher, wie die Doktores alle Leute nennen, die ihre Wissenschaft nicht aus den Büchern haben. Er übte nicht ohne Glück seine ärztlichen Funktionen auch bei den Menschen, und die meisten Leute aus den umliegenden Gegenden gingen erst dann zu dem staatlich approbierten Arzte, wenn Feichtl diesen letzten Schritt selbst anriet. Im Beschneiden der Hunde, Schweine und Hengste hatte Feichtl große Fertigkeit und schmälerte auch in dieser Beziehung die Einkünfte des Bezirkstierarztes, welcher sich darüber ärgerte.

Das alles genügte aber dem regen Erwerbssinn des Watzlinger Schäfers nicht. Er war Zeit seines Lebens weit herumgekommen und kannte alle Gemeinden von Wolnzach bis Dachau. Er konnte den Metzgern verraten, wo ein gutes Stück Vieh zu kaufen sei, den Güterschlächtern, wo es einen Hof zu zertrümmern gäbe, und den Leuten, welche sich verheiraten wollten oder mußten, wo sie das Richtige finden könnten. Sein Ruf als Schmuser war weit verbreitet und, wie ich mit Wahrheit behaupten kann, auch wohl begründet. Darum hatte der alte Reischl gleich an ihn gedacht, und darum begab sich jetzt der Andreas zu ihm in das kleine Häusl am äußersten Ende des Dorfes.

Feichtl war allein in der Stube und beschwichtigte den Schäferhund, welcher den eintretenden Bauernburschen anknurrte.

»S'Good, Feichtl!«

»S'Good, Andrä. Kimmst vo Pellham rüber?«

»Ja; i hon a G'schäft g'hot. Da Göschl hat mi a Fuhr Prügelholz vokaaft.«

»So, da Göschl? Bist it bald staad, Phyllax? Schinderviech miserabligs! Do gehst eina!«

»A schiachs Weda is heint,« fing Andreas wieder an.

»Ja; hot di da Wind recht herblasen, vo Pellham aufa?«

»Scho. Er geht a bissel schneidi.«

»I glaab dir's. De Kälten dauert aba nimma lang.«

»Moanst?«

»Ja; d'Scheermäus' graben auf. Da leint's auf.«

»Is besser aa, bal die G'frier amal weggeht.«

»Hat lang gnua herg'halten. Wie geaht's denn an Vata?«

»Geaht eahm scho wieda.«

»Da Knecht vom Unterbräu is eahm über'n Haxen übri g'fahren, gel?«

»Ja, am Blasitag.«

»Hab's an Dokta g'holt?«

»Na, er is selm kemma, weil er an Vatern z'Dachau drin glei vabunden hat.«

»Aha. Er werd eahm halt an Eis übri g'legt ham?«

»Ja. Mi hamm so an Sack kaaft, den hot er allaweil drauf hamm müassen.«

»Ganz richti. Wann er jetzt no an Wehdam (Wehtun) spürt, sollt' er sie a diam mit Franzbranntwei ei'reib'n, sagst eahm.«

»I wer's eahm sag'n.«

Es trat eine Pause ein. Feichtl sah zum Fenster hinaus und sagte: »Da drent geht ja da Stanner Peter. Der werd bei'n Mesnerbauern g'wen sei wegen sein Prozeß. Sie wer'n sie vergleich'n, hon i vazählen hör'n.«

»So?« erwiderte Andreas, »an Vogleich macha s'? – Du, Feichtl, i muaß di was frag'n.«

»I woaß scho.«

»Was woaßt?«

»Ja, wegen a' ra Hochzeiterin werst halt fragen.«

»Wia host jetzt du des derraten?«

»Des is net schwaar g'wen,« sagte Feichtl; »des hon i g'wißt, wia's bei der Tür rei bist. Du bist ledi, der Vater werd alt; jetzt werd da halt 's Heiraten not sei.«

»Allerdings; es is bereits a so. Woaßt ma koane, Feichtl?«

»Wissen? Ja, wissen tat i mehra.«

»Sagst ma halt oane.«

»Des geht net so g'schwind, Andrä, da muaß z'erscht i allerhand wissen.«

»Wos denn?«

»Z'allererscht muaß i wissen, wia viel i kriag, und nacha, wia viel du willst.«

»Mi lassen ins net a'schaug'n, Feichtl. Balst a richtige Hochzeiterin herbringst, lassen mi scho was springa. Muaßt it moan.«

»I glaab's gern, i glaab's gern. Aba woaßt, Andrä, i bin a so, daß i's gern g'nau woaß.«

»Muaßt halt amal was verlanga.«

»Ja. No, paß auf! Bal i dir oane zuabring, de wo fufzehtausad March kriagt, bar auf d' Hand, vastehst, nacha muaßt dreihundert Markl zahl'n.«

»Dreihundert March?«

»Ja.«

»Des is aba viel Geld, Feichtl.«

»Fufzehtausad March is aa koa Dreck.«

»Scho. Aba du host ja koan Arbet dabei. Du brauchst ja net viel mehra toa, als daß d' ma'r an Nama sagst.«

»Und du brauchst nix toa, als wia heiraten. Des is aa koa Arbet, und kriagst do fufzehtausad March. Aba balst net magst, laßt as bleib'n!«

»Zwoahundert waarn aa gnua, Feichtl, zwoahundert Markl.«

»Na, mei Liaba; nachlassen tua i nix.«

»Ja, is aba g'wiß, daß die fufzehtausad March auf d' Hand kriagt?«

»Für dös garantier i. Koan Pfennig weniga.«

»Also, nacha vo mir aus. Gelt scho. Bals a so is, wia's d'sagst, zahl i dreihundert Markl.«

Feichtl schlug in die dargebotene Hand, und das Geschäft war richtig. »I will dir was sag'n, Andrä,« fing der Schäfer wieder an, »i ho scho lang an Aug auf di g'habt. Balst net selber kemma waarst, hätt i vielleicht amol umig'schaugt auf Pellham. I woaß dir zwoa Hochzeiterinna, de wo akrat für di passen taten.« – »Zwoa?«

»Ja; da ko'st dir's außasuacha. De oane ist z'Hirtlbach, an Steffelbauern a seinige Tochta. De kriagt sechstausad March auf d' Hand und zehntausad March bleiben auf'n Hof. Bal da Alt übergibt, muaß di da Jung auszahl'n, oder du ko'st 'as liegen lassen auf zwoate Hypothek. D' Hypothek is guat, und vier Prozent Zinsen san dir g'wiß.«

»Sechstausad und zehntausad waren sechzehntausad March,« meinte Andrä.

»Ja, ausgrechent sechzehtausad.«

»Des liaß si hören, Feichtl. Und wer is de ander?«

»De ander? De ist gor it weit weg. De is von Salvermoser z' Eielsriad. Der Vata is an letzt'n Hirg'scht g'storm, d' Muatta lebt in Austrag z' Unterbachern, und sie is seit ara zwoa Monat da herob'n z' Watzling, bei ihra Schwesta, da Schneiderbäurin. De hat Bargeld fufzehtausad March in Pfandbrief, weil da Hof von ihran Vata z'trümmert worn ist, 's Geld is glei auszahlt worn.«

Andrä hatte aufmerksam zugehört und eine nachdenkliche Miene aufgesetzt. »Es san um tausad March weniga,« sagte er dann. »Ganz richti,« erwiderte Feichtl.

»Aba ma kriag's glei auf d'Hand, brauch it lang umschneiden?« fragte Andrä.

»Do gibt's gor nix. Koa Hinum und koa Herum.«

»Hm. Bal i de oane nimm, de von Steffelbauern z' Hirtlbach, müaßten mi warten, aba vier Prozent traget's.«

»Allerdings.«

»Wann i aber fufzehtausad March gleich in da Hand hätt, kunnt i 's Abstandsgeld na auszahln, und kunnt ma no a fufzeha Tagwerk zum Hof zuawi kaafa.«

»Des is richti.«

»Woaßt was, Feichtl,« sagte Andrä resolut, »i nimm de Salvermoserin. Bargeld lacht.«

»Wia's d' moanst,« erwiderte Feichtl; »du hast d' Auswahl.«

»I bleib dabei. Wann kunnten mi denn de G'schicht richti macha?«

»Ja, bald. Sie muaß halt z'erscht enker Sach o'schaug'n. I wer ihr Botschaft toa, daß s' mit ihra Schwesta auf Pellham übri kimmt.«

»Is recht. Heunt hamm ma Deanstag, moring muaß i ins Holz aussi; am Donnerschtag? Na, halt, da kon i aa net. Epper am Freitag?«

»Am Freitag? Na, an an Freitag soll mi nix ofanga.«

»Also nacha soll s' am Samstag übri kemma? – Is recht, ja.«

»Es bleibt dabei. Balst d'as aba o'schaug'n willst, ko'st gnua umi geh zu'n Schneiderbauern.«

»Na, i mog it. Ausmacha kinna mi heut do nix, vor s' an Hof net g'sehg'n hat. Und Zeit hon i aa koane mehr. I ho mi schon lang gnua verhalten. Jetzt pfüat die Good, Feichtl!«

»Pfüat di Good, Andrä, und de dreihundert Markin kriag i am Tag nach der Hochzet.«

»Jawohl, feit si nix.«

Andrä verließ das Häusel und ging die Dorfstraße zurück. Als er beim Schneiderbauern vorbei kam, sah er eine Weibsperson über den Hof zum Kuhstall hingehen. »Epper is gor de Salvermoserin g'wen,« dachte er. Dann holte er aus der Rocktasche eine Zigarre hervor, und eilte zum Wirtshaus, wo er sein Fuhrwerk eingestellt hatte.

 

Zweites Kapitel

Als Nepomuk Feichtl sich des anderen Tages rasierte, bedachte er bei sich die Aufgabe, welche ihm nunmehr oblag. Er hatte der ehrsamen Jungfrau Emerentia Salvermoser zu eröffnen, daß die Wahl des Andreas Weidenschlager, Reischlbauernsohnes von Pellham, auf keine Geringere als sie gefallen sei. Er hielt plötzlich mit dem Rasieren inne, drückte das linke Auge zu und stieß einen langgedehnten Pfiff aus. Es war ihm etwas eingefallen. Und sichtlich etwas Freudiges, denn seine Züge nahmen einen vergnügten Ausdruck an, als er vor sich hinsprach: »Hinganga zum Schneiderbauern is er net. I hab g'nau aufpaßt. Vielleicht riegelt si no was.« Er machte sich fertig und rief seiner Frau. »Stasi, paß auf'n Hund auf, daß er mir net nachlauft – do gehst nei, Phyllax, marsch die Katz! und tua mi d'Sau fuattern, i woaß net, wann i hoamkimm.«

Nach diesen Befehlen begab er sich fort, um den Hof des Schneiderbauern aufzusuchen. Da er jedoch ein Verächter fremder Neugierde war und vieles Fragen nicht liebte, ging er nicht gerade auf sein Ziel los, sondern schlug einen Haken links ab und kam von hinten in die Behausung der Emerentia Salvermoser.

Er traf zuerst die Schwester derselben, die Schneiderbäuerin.

»Was willst, Feichtl?« fragte sie. »Mi hamm do heunt koane Nudel bacha.«

»Woaß scho. Zwegen dem kimm i aa net. Aba an schön Flachs hätt i, lufttrocka und guat zum brecha, i gab'n billi her.«

»Mi braucha koan, Feichtl, mi ham selm gnua.«

»Ja, aba d'Schwesta möcht'n vielleicht; sie hat g'sagt, bal i oan übri hab, sollt i kemma.«

»So? Red'st halt mit ihr. Sie werd it weit sei; wart, i schrei ihr amal. Emerenz! Emerenz!«

Eine schrille Stimme antwortete vom hintern Ende des Hausganges her: »Wos geit's?« – Dann hörte man eine Türe öffnen und sah eine große vierschrötige Weibsperson in der Dämmerung auftauchen. Sie kam näher, wobei die schweren Holzpantoffeln einen ziemlichen Lärm auf den Steinfliesen verübten.

Wir haben Emerentia Salvermoser vor uns, ein stark gebautes, robustes Frauenzimmer; nicht schön, aber von rüstigen Manieren und lebhaften Bewegungen. Das Gesicht ist mit Sommersprossen bedeckt, besonders um die stumpfe, aufwärtsstehende Nase herum. In dem dürftigen braunen Haar, welches unordentlich in die Stirne hereinhängt, stecken ein paar Strohhalme, weil die Emerenz auf der Tenne war. Die großen, gut entwickelten Hände sind unter dem Schurz versteckt, aber nur so lange, bis Emerenz das Bedürfnis fühlt, mit dem Rücken der rechten Hand einige Male unter der Nase herumzufahren.

So sah die künftige Reischlbäuerin aus.

»Wos geit's?« fragte sie noch einmal, als sie näher gekommen war.

»Der Feichtl will di,« antwortete die Schwester, »weilst'n b'stellt hast, weg'n an Flachs.«

»I? I ho do koan Flachs it b'stellt?«

»Da Feichtl sagt's.«

»Do woaß i gor nix.« Hier unterbrach sich Emerenz, da sie bemerkte, wie ihr Feichtl heftig zublinzelte, – »oder wart,« fuhr sie mit großer Geistesgegenwart fort, »oder wart, g'sagt hob i scho amol wos von an Flachs, g'sagt hon i scho wos, aba i woaß nimma so g'nau, hon i oan b'stellt, oder hon i koan b'stellt, Feichtl?«

»Jo, Emerenz, woaßt as nimma,« sagte der Schäfer und zog die Augenbrauen bedeutungsvoll in die Höhe, »as vori Monat is g'wen. Du bist bei der Stanner Zenzl hiebei g'stanna, do hon i zu dir g'sagt, Emerenz, hon i g'sagt, balst an Flachs braucha kunnst, sog i, i kriag z'nachst an recht an billigen, hon i g'sagt. Und du hoscht nacha g'sagt, is scho recht, hoscht g'sagt. Woaßt as nimma?«

»Jetz fallt's mir schon ei,« log Emerenz, »an a'r 'an Montag is g'wen. I woaß no recht guat, weil i mit da Stanner Zenzl von der Tanzmusi g'redt hab. No, hoscht jetzt an Flachs?«

»Und was für an guaten! Kimm a bissel aussa, in Hausgang drin kost'n net a so sehg'n.«

Feichtl zog bei diesen Worten einen Bündel Flachs aus irgend einer Tasche und ging voraus in das Freie. Emerenz folgte, und die Schneiderbäuerin, welche keinen Flachs brauchen konnte, ging wieder an ihre Arbeit in die Küche.

»Wos willst mi denn?« fragte Emerenz, als sie mit Feichtl im Hofe stand.

»Pst! Tua net so laut reden! Paß auf, Emerenz, hast as Heiraten net an Sinn?«

»An Sinn? Ja, an Sinn hätt i's scho.«

»I kunnt dir vielleicht an Hozeiter verraten.«

»So?« sagte die Salvermosertochter, und schnupfte heftig auf, weil sie kein Sacktüchel dabei hatte; »so; wen denn nacha?«

»Ja, wen? Des is leicht g'fragt. Aba woaßt, Emerenz, ganz umasinscht möch i net arbeten. I möcht halt aa gern a bissel was dabei vodean.«

»Kost ja was verlanga, bal mi de Sach g'fallt.«

»G'fallen? G'fallen tat's dir guat, Emerenz, des sag dir i. A saubers Anwesen; fünfad'achtz'g To'werk Grund und neun To'werk Holz. Da Bodenzins is it z'viel und d'Schulden san ganz weni. A bissel a Kirchageld is drauf, und des ander will it viel hoaßen. Des waar g'rad recht für di, Emerenz.«

»Wann mi's bedenkt, is it schlecht,« meinte die Salvermosertochter.

»Und guat waar's aa,« fuhr der Feichtl fort, »balst wo eini heiraten tatst. Tuast allerweil d'Arbet für anderne Leut, und hoscht selm nix davo.« – »Des is wohr.«

»Wos is denn, wennst bei da Schwesta bist? Sie ko di guat braucha, schaug, aba du werst alt dabei, und bischt do net mehra, wia r'a Deanstbot.«

»Des is wohr.«

»I ho desweg'n nix sag'n mög'n vor da Schwesta. Dera is do net recht, balst weg kimmst.«

»Aufhalten ko's mi a net.«

»Allerdings, aba bal's in di eini bengst, des is aa z'wida. Das Reden hat koan Wert.«

»Des is wohr.«

»Und schaug, Emerenz. Eppas anderst's is do, balst in dein eig'na Sach hockst. Hat do an ganz andern Furm, net?«

»Sell is g'wiß.«

»Und nacha muaßt as richti o'schaug'n, Emerenz. Fünfad'achz'g To'werk Grund is it weni. Des mehra is Woaz und Habern, und des ander san guate Wiesen.«

»I sog it, daß's wenig is, Feichtl.«

»No, nacha kunnst aba hundert Markl spitzen, moanst it?«

»Auf des gang's mir it z'samm.«

»Gelt, sagst 'as selber, Emerenz, es is it z'viel volangt? Sieg'st as, des g'fallt mir, daß du des selm sagst.«

»Ja, aba bloß, bal mi's Sach g'fallt.«

»Sell is g'wiß. Paß auf, mi macha die G'schicht rechtsinni aus. Du zahlst mi hundert Markl an dem Tog, wo d'Übergab notarisch g'macht werd, vor da Hozet. Darnach, woaßt, geaht's nimma so guat, weil er nacha d'Hand auf'n Geld hot. Und du kost eahm do it glei sog'n, daß d'an Schmus zahl'n mußt. Is dir it recht a so?«

»An Tog, wo d'Übergab notarisch werd?«

»Ja, von Notari weg.«

»Is recht, Feichtl. Nacha san mir oani. Jetzt muaßt aba no sag'n, wer er is.«

»Freili; des is ja d'Hauptsach. Er is da Reischlbauernsohn vo Pellham; sei Vata will übergeb'n, weil er koan recht'n G'sund mehr hot.«

»So? Vo Pellham? Do bin i no nia drent g'wen. Es is it weit weg?«

»Zu'n Geh' guate anderthalbe Stund; hintahalb Sinzing liegt's.«

»Hintahalb Sinzing?«

»Ja. No, du werst as bald sehg'n. Mi müassen do umi, daß d'as Sach o'schaugst; wann hätt'st denn Zeit, Emerenz?«

»Mi is jeda Tog recht, Feichtl. Vo mir aus scho moring.«

»Herrschaftsaxen, pressiert's dir a so? Na, moring geht's net; do hon i a G'schäft; an Freita is aa nix; aba, paß auf, wann's dir recht is, nacha genga mir an Samstag. Mogst it?«

»Jo; i mog scho.«

»Wia is denn? Sag'st da Schneiderbäuerin nix, daß s' eppa mitgang?«

»Na, des tua i gor it. Wann's nix waar, hätt i g'rad a dumm's G'red hintadrei, und wann's was werd, derfragt sie's no früah gnua.«

»Do host recht, Emerenz. Do host du ganz recht. I bin aa 'r a so. I mog it, daß d'Leut alles wissen. Mi gengan alloa auf Pellham, vastehst? Du kost ja da Schneiderbäurin leicht was verzähln, net?«

»I paß gor it auf auf die. I sag ihr halt, daß i zu da Kottmaier Theres auf Tiefenbach umi geh.«

»Ganz richti, und bal's di jetzt fragt, warum daß d' so lang bei mir herausg'stanna bist, nacha sagst ihr, mi waar'n it handeloans worn.«

In diesem Augenblicke zeigte sich die Schneiderbäuerin im Türrahmen und rief mit gut vernehmbarer Stimme: »Emerenz! Kimmst denn gor nimma rei? Wo bleibst denn gor a so lang? Woaßt denn it, daß mi s'Knödelbrot schneiden müassen?«

»J – ja! Brauchst do it gor a so z'schrei. I kimm scho.«

Emerenz machte sich unwillig daran, in das Haus zu gehen. »Is ja wohr,« sagte sie noch ärgerlich, »koan Augenblick hast an Ruah,« und dann stieß sie mit dem Fuß einen Heurechen weg, der gerade vor ihr lag.

Feichtl ging noch einen Schritt hinter ihr drein und flüsterte ihr zu: »Also paß auf, am Samstag um halbi achti in da Fruah wart i bei'n Estererhölzl auf di« und laut sagte er: »Pfüat di Good, Emerenz, vielleicht geaht an andersmal mehra G'schäft. Pfüat di Good, Schneidabäurin, dei Schwesta is grad so wia du. Is ihr aa alles z'teuer.«

»Is scho recht«, brummte die Bäuerin, »geh amal zua und halt ander Leut net vom Arbeten auf!«

Damit schritt sie in den Hausgang hinter der zürnenden Emerenz, welche wiederholt sagte: »Is ja wohr! brauchst do it gar a so z'schrei. I bi scho da.« –

 

Drittes Kapitel

Der Watzlinger Schäfer hatte das Wetter gut vorausgesagt. In der Nacht vom Freitag auf den Samstag war Tauwetter eingetreten, und gegen den Morgen erhob sich ein starker Südwind, welcher mit dem Schnee geschwind aufräumte. Die Luft war klar, und man sah weit über die flachen Schneefelder hin, auf denen Dörfer und Wälder wie dunkle Flecken lagen. Die Berge waren ganz nahe herangerückt; ihre Formen hoben sich scharf umrissen vom Himmel ab, und man hätte glauben mögen, es seien nur ein paar Stunden zu gehen über die Hochebene weg zum Heimgarten oder zur Benediktenwand. Im Esterer Hölzl ging die Baumtraufe. Von den Ästen fielen die schweren Tropfen und verursachten ein eintöniges Geräusch, welches nur unterbrochen wurde, wenn der Wind die Bäume schärfer anfaßte und sie so herschüttelte, daß ein ganzer Regenschauer mit einemmal niederging.

Hie und da rumpelte ein Hase aus dem Dickicht, weil ihm die Traufe zu stark auf den Balg ging, oder ein Reh sprang in weiten Sätzen auf das Feld hinaus. Nepomuk Feichtl beobachtete dies alles unter einer mächtigen Rottanne, deren Zweige ihm guten Schutz gegen die Nässe gewährten. Er sah scharf aus, das Straßel hinauf, welches von Watzling herführt. Endlich zeigte sich eine vermummte Gestalt, welche in langzügigen Schritten näher kam.

Es war eine Weibsperson, welche den Rock über den Kopf geschlagen hatte, und bei schärferem Hinschauen erkannte man jetzt, daß es Emerentia Salvermoser war. Feichtl trat aus seinem Verstecke heraus und begrüßte die Ankommende. »Guat'n Moring, Emerenz. I ho mi scho denkt, du host epper it auskinna dahoam.« – »Jo, auskinna hon i scho. Aba sie hat mi so lang aufg'halten; sie hätt wissen mögen, warum daß i des schö G'wand o'leg. Sie hot 's frogn gar nimmer aufg'hört.«

»Wos hoscht nacha g'sagt?«

»Mi is lang nix eig'falln. Auf d'letzt hon i g'sagt, weil i do scho amol furt geah, möcht i gern beicht'n in Sinzing.«

»Des hoscht g'scheidt g'macht. Des werd's dir aa glaabt hamm?«

»I woaß it. Sie hot so g'spaßi dreig'schaugt. Aba mi is gleich. Bal sie's derfragt, liegt mi aa nix dro.«

»Do hoscht recht. Du brauchscht ja net aufpassen.«

»Bal's eppes werd, scho gor it.«

»Es werd scho was. Brauchscht di it kümmern, Emerenz, es werd scho was. Bal i des net g'wiß wissen tat, hätt i nix g'sagt zu dir. I hon a feine Nasen auf des.«

»Mi wern's scho sehg'n,« antwortete Emerenz und schritt bedächtig hinter Feichtl einher. Sie achtete wohl auf den Weg, der in dem Tauwetter sulzig geworden war und vermied, so gut es ging, die größten Lacken. Darum kam längere Zeit kein rechtes Gespräch in Schwung. Als sie aber Sinzing erreichten, fühlte sich Feichtl verpflichtet, aus dem reichen Schatze seiner Landeskunde einiges zum besten zu geben. »Da hoaßt ma's beim Haberlschneider,« sagte er und zeigte mit dem Kopf auf das erste Haus rechts von der Straße; »der hot von Schwarzmaurer z'Niederroth oane aussag'heiret. Sie hot ehm zwoa Kinda bracht, nacha hot's auf oamol d' Sucht kriagt. I hon ihr aa nimma helfa kinna, 's Blut is z'weni g'wen. Sie is nacha g'storm, an Auswarts werd's a Johr. Er werd eahm wieda heiraten müassen. 's Sach is kloa, und Schuld'n san grad gnua vorhanden.« Emerenz schielte aus ihrem Kopftüchel hervor nach dem Bauernhofe, sagte aber nichts.

»Der Hof g'hört an Schuller Georg,« erklärte Feichtl beim dritten oder vierten Haus. »Vo dem is da ältest Bua z' Laufen; da Barthl, balst'n kennst.«

»I kenn eahm it.«

»Aber g'hört werst scho eppas hamm vo dera Rafferei z' Hirtlbach am Summa vorig's Johr?«

»Ja, i hon scho a mol was verzähl'n hören.«

»Do is an Schuller sei Barthl dabei g'wen, als Hauptradelsführer. Da Metzgerbauern Lenz is eahm a bissei z' fest am Maßkruag hikemma und is sechs Wocha lang im Krank'nhaus g'legen. An Barthl ham s' beim Landg'richt a vier Monat aufig'haut. Des is an alt'n Schuller anderst z'wida. Aba es is a mal so, de junga Kampeln müassen raffen, es geaht it anderst.« –

»San halt Luada,« meinte Emerenz.

Unter solchen Gesprächen schritten sie durch Sinzing. Beim Wirtshaus hielt Feichtl ein wenig an. »Mogst koa Halbe Bier trink'n, Emerenz?«

»Na, es is mi no z' fruah.«

»Aba a Stockwurst waar it schlecht?«

»Na, i mog it. Es werd z' spot. Schaug ma, daß ma'r auf Pellham kemma.«

»Also geh ma zua. Aba schad is. Da Strixner macht feine Stockwürscht.«

»Ko scho sei; in Pellham werd's aa was geb'n.«

»Des scho; jetzt ham ma no leichte dreiviertel Stund zum Geh'!«

Beim letzten Haus wußte Feichtl wieder etwas zu erzählen. »Des is beim Griabler. Der is auf da Gant, Emerenz, weil er an Bankzins it zahln ko. In a 'ra drei Wocha is d' Vosteigerung. I glaab aba, daß eahm sei Schwoga auf d' letzt do no a mol aushelft. Da Mo is fleißi, aba 's Wei taugt gor nix. De holt oa Maß Bier nach der andern bei'n Wirt drent, und jed'n Tog is s' bsuffa. Helfa tuat gor nix. Er hat s' scho so umanand g'schlag'n, daß s' ganz verzagt g'wen is. Aba an nächst'n Tog is des nämli g'wen. Jetz hot s' mit'n Schnaps o'gfangt, do werd's bal gor sei.«

»Is net schad drum,« sagte Emerenz.

»Ja g'wiß it. Wann s' nur g'rad vor a drei a vier Johr o'kratzt waar, nacha hätt' si da Griabler no helfa kinna. Jetz is nimma viel zu'n richten.«

»Des is allemal a Kreuz, bal sie nix is. Bei unsern Nachbarn z' Eielsriad is aa so oane g'wen; da Hof is alle Johr bessa z'ruckganga. I woaß it, ham's 'n no, oda is a scho vosteigert.«

»Do host recht, Emerenz; bal koa Zusammhalten net is auf an Hof, is glei vorbei. Gor aus bei de Zeiten, 's Troad hot koan Preis, de Deanstbot'n kosten so viel, daß 's ganz aus is' und d' Steuern wern allawei mehra. Da hoaßt's z'sammklauben, sinscht geath's dahi.« – »Des hört mi heunt oft sag'n, Feichtl.«

»Es is aba 'r aa wohr. Es is nimma wie vor dreiß'g Johr, wo da Schaffel Woazen nach'n alten Geld achtadreiß'g und vierz'g Guld'n kost hat. – Do schaug hi, Emerenz, sieghst, do liegt Pellham.« Die Straße war ziemlich angestiegen, und sie hatten jetzt den Buckel eines Hügels erreicht, von dem aus sie in ein weites Tal hinabschauten. Gegen die Amper hinauf sahen sie ein freundliches Dorf. Um die Kirche mit ihrem schlanken, spitz auslaufenden Turm lagen etliche zwanzig Anwesen, die meisten recht behäbig und stattlich.

»Sieghst, des is Pellham,« wiederholte Feichtl, »und do, wo's d' hischaugst, von da Kircha a wengl rechts, der größer, des is an Reischl sei Hof.«

»Der schaugt si aba groaß o,« meinte Emerenz.

»Der is aa net kloa. D' Hirwa is sauba beinand. I ho dir nix Schlecht's verrat'n,« sagte der Watzlinger Schäfer mit einer gewissen Befriedigung. Die beiden gingen frischer dahin und kamen bald nach Pellham vor die Gast- und Tafernwirtschaft des Martin Schinkel. Feichtl hielt es für gut, hier einzukehren und erst nach dem Imbiß zu überlegen, wie man die Sache weiterhin am besten mache. Sie betraten die Gaststube, in welcher nur wenige Leute saßen. Am Ofentische waren zwei Mannsbilder in halbstädtischen Anzügen, denen man gleich ansah, daß sie sich mit dem Viehhandel beschäftigten. Sie kannten unsern Feichtl und begrüßten ihn vertraulich, während sie die fremde Erscheinung der Emerentia Salvermoser mit prüfenden Blicken musterten. »Bist do, Spitzbuamschäfa?« sagte der eine.

»Was sagt denn dei Alte, balst du mit anderne Weibsbilder umanand laafst?« fragte der zweite, und schob ihm sein Bierglas hin, damit er ihm Bescheid tue. Feichtl nahm die Scherze günstig auf. »Mi san de junga Weibsbilder halt aa liaba wia de alten,« sagte er und tat einen kräftigen Zug aus dem dargebotenen Glase. Er wischte sich mit dem Handrücken die Biertropfen aus dem Schnurrbart. »G'sundheit, Atzenhofer,« sagte er noch; »host was kaaft?«

»Ja, an Stier hol'n ma beim Spanninger. Sitz di a bissel her zu ins.«

Feichtl sah sich nach seiner Schutzbefohlenen um, die bereits an einem anderen Tische Platz genommen hatte.

»Es geaht it, Atzenhofer. Sie möcht alloa sei mit mir, weil ma 'r a G'spusi hamm mitanand,« sagte er und blinzelte lustig zur Emerenz hinüber.

»Des glaab i dir aufs erst'mal, du Bazi, du ganz schlechter,« schrie der Viehhändler und lachte über seinen Spaß, daß er krebsrot im Gesicht wurde.

Feichtl schob sich neben Emerenz auf die Bank.

»I kenn de zwo guat,« sagte er, »der oane is da Rottenfußer Kaspar von Aßbach, und der ander is der Atzenhofer vo Bruck. Mir hamm scho viel g'handelt mitanand. – Jetz b'stell'n ma'r ins aba was, Emerenz! Heda Wirtschaft, Herrschaftsackera, rührt si gor nix?«

An der Schenke erhob sich eine mürrisch aussehende, schlecht gekämmte Kellnerin. Sie strickte eifrig an einem langen wollenen Strumpfe und schickte sich erst zum Gehen an, als sie mit der angefangenen Nadel fertig war. Sie legte das Strickzeug vor sich hin und näherte sich langsam den neuen Gästen. »Wos mögt's denn?« fragte sie und stocherte mit einer Nadel in ihren Zähnen herum.

»Habt's was zu'm essen?« fragte Feichtl.

»Zu'n essen? Na, do hamm ma heunt no net viel.«

»Habt's koane Stockwürscht?«

»Na, Stockwürscht hamm ma koa, aba a paar Regensburger san no da von gestern, und an Emmentaler.«

»Koa Voressen net?«

»Jo, a Voressen is aa no da.«

»Nacha bringst ins zwoa, und a Bier möcht'n mir aa.«

»J – ja!« antwortete die Kellnerin, welche während der Zeit die Salvermoserin von oben bis unten abgemustert hatte. Dann kehrte sie um und schleifte langsam auf ihren abgetretenen Pantoffeln durch die Stube in die Schenke, aus der sie nach allerhand geheimnisvollen und langwierigen Hantierungen zwei schlecht aussehende, schaumlose Halbe Bier hervorbrachte. Hierauf zog sie das Fenster, welches in die Küche hinausging, in die Höhe und schrie mit schriller Stimme: »Zwoa Voressen kriag i.« Da sie annehmen konnte, daß ihr Befehl nicht übermäßig schnell vollzogen wurde, setzte sie sich einstweilen wieder an ihren Platz und begann eine neue Nadel anzustricken.

Nach einer Weile klapperte das Küchenfenster und irgend jemand schrie: »Kathi! Kathi!«

»J – ja!«

»'s Voressen is do.«

Die Kellnerin legte mißmutig ihren Strumpf beiseite, zog eine Haarnadel aus ihrem Hinterkopfe und begann wieder heftig in ihren Zähnen zu arbeiten. Als sie damit fertig war, versuchte sie die zwei Teller in die eine Hand und die Biergläser in die andere zu nehmen. Es ging aber nicht, und so mußte sie sich entschließen, den Weg zweimal zu machen.

Feichtl hieb kräftig ein, und auch Emerenz zeigte einen guten Appetit. Nach beendigter Mahlzeit griffen sie die Beratung auf, im Flüstertone, weil sie bemerkten, daß sowohl die Viehhändler als die Kellnerin angestrengt zu ihnen herüber horchten. »Wia macha mir's den, Emerenz?« wisperte Feichtl. »Es waar do guat, wann der Reischl a Botschaft hätt', daß mi kemma.«

»Besser waar's scho.«

»I hob mi denkt, ob mir vom Wirt wem umischicken; aba woaßt, Emerenz, dem müaßten mir an Nama sag'n, und nacha, der Wirt tat aa was spanna.«

»Na, des geaht it, Feichtl. Do is g'scheidter, mi macha eahm gor nix z'wissen.«

»Des is aa nix; do kennt er si net aus, bal mi kemma. Paß auf, des best is, z'erscht geh i zun Reischl umi, und nacha hol i di.« – »Ja, aba des spannen s' aa.«

»Na, na, mei Liabe; des ko i scho so macha, daß koa Mensch nix mirkt. Do is jetzt a so da Wirt. Der wird bal zu uns herkemma und möcht ins ausfrag'n. I laß 'n recht o'laffa, daß de andern aa hör'n.«

Die Vermutung Feichtls war richtig. Der Herr Wirt, ein rüstiger Mann in vorgeschrittenen Jahren, aus dessen gesundem, rotem Gesicht ein Paar schlaue Augen herausschauten, begrüßte zuerst die zwei Viehhändler: »S'Good! Habt's den Stier kaaft vom Spanninger?«

»Ja. Mir san handelsoans worn.«

»Wie habt's 'n kriagt?«

»Sechshundertfufzeh.«

»Da habt's 'n aba billi. Der hot guat siebazeh Zentna.«

»Ja, des hat er scho.«

»Um des hätt'n i net hergeben. Fufzgi hätt i allemol volangt.«

»Freili! Was moanst denn? Bis mir den Stier z' Minka drin ham, is da Profit nimma groß.«

»Epper muaßt gor no d'raufzahl'n, Atzenhofer?«

»Ko leicht sei.«

»Ös Handler seid's alle mitanand Lumpen.«

»Aba d' Wirt net, gel? Do trink amol, vielleicht z'reißt di dei Plempl.«

Der Wirt tat Bescheid und ging dann an den Tisch hinüber, wo Feichtl saß. »Bist heunt scho auf'n Weg?« fragte er, und bot dem Schäfer eine Prise an; »habt 's a G'schäft mitanand?«

»Wer?« gab Feichtl zurück, während er schnupfte.

»Ös zwoa halt.«

»Mir zwoa? Na, mir ham ins grad auf'n Weg troffa, in Sinzing.«

»So? In Sinzing? Is sie vo Sinzing?«

»Na, sie is … sie is, wo bischt jetzt her?« wandte sich Feichtl an seine Begleiterin.

»Vo Eielsriad,« antwortete Emerenz.

»Ja, vo Eielsriad is. Sie muaß an Vettern aufsucha in Hebertshausen drent. I hon ihr g'sagt, sie soll eikehren bei dir, weil s' no a guate Stund zu'n Geh' hot.«

»So? Auf Hebertshausen muaß? Und wos tuast 'n nacha du z' Pellham?«

»I?«

»Ja.«

»I muaß oan aufsuacha, der wo mi hol'n hat lassen, weil eahm was feit.«

»Do bei uns? Wer is denn do krank worn? I woas gor neamd.«

»An Reischl san's do über'n Hax'n übri g'fahren.«

»Da Reischl? der is ja scho wieda g'sund.«

»Ganz g'sund werd er net sei, sinst hätt er mir nix z'wissen g'macht. Vielleicht braucht er a Salb'n zum Eischmieren.«

»Was i woaß, is da Hax'n wieda ganz guat.«

»Des wer i bald wissen,« sagte Feichtl, dem die Fragerei zuwider wurde, »i muaß a so glei umi dazu. Bleib du no a wengl do,« wandte er sich an Emerenz, »i wer it lang ausbleiben. Wann's dir recht is, geh i nacha no a bissel mit auf Hebertshausen zua. I wisset mir no a G'schäft, weil i do scho amol in dera Gegend bi.«

»Is recht. I wart auf di«, antwortete Emerenz, nahm ihren Handkorb auf den Schoß und sah geradeaus. Feichtl verließ die Wirtsstube und ging eilig nach dem Reischlanwesen.

Andrä stand im Hofe und hatte einen Wortwechsel mit einem Knecht. Als er den Schäfer herankommen sah, ging er auf ihn zu.

»So a Loadschwanz, so a hundshäutener,« schalt er zurück, – »Laßt de ganz Nacht in Stall alle Fensta offen. Do wars a Wunda, bal alle Wocha a Roß de Kehl kriagt. I kunnt'n scho glei z'reißen, so an Hergottsackerament. Muaß denn all's hi wern bei ins?! – Wos willst denn, Feichtl?« wandte er sich ungnädig an seinen Ehestifter.

»Sie is do, Andrä.«

»So? Jo, wo is denn? I siech's it.«

»Beim Wirt drent hockt s'. I hon mir denkt, i muaß dir's do z'erscht z'wissen macha, daß ma kemman.«

»Des hätt's it braucht. Sie soll halt umakemma. Bal's ihr g'fallt, is recht, und bal's ihr net g'fallt, is mir a gleich.«

»Du bist aba heunt guat aufg'legt.«

»Waar scho a Wunda; laßt mir der Bluatsmensch an Stall d' Fensta offa. Jetzt steht da Fuchs do und hat d' Kehl. Aba des sog i di,« schrie er zu dem Knecht hinüber, »dampfi wern bal mir's Roß tuat, nacha schneid i di vo da Mitt ausanand, du Siach, du ganz abscheulinga.«

»I schaug nacha dein Fuchs a wengl o, Andrä,« tröstete Feichtl, »wann er d' Kehl hot, werd er no lang it dampfi. Laßt'n halt an etla Tag steh und gibst eam an wengl Salz.«

»Laß'n in Stall steh. Freili, des is leicht g'redt, jetzt wo i a Holzfuhrwerk hätt.«

»Des dauert net lang, Andrä, balst'n eahm a Ruah loßt. Aba jetzt geh i wieda zu'n Wirt umi und hol' sie.«

»Is scho recht. Hol s' no.«

»Sagst as an Vatern und da Muatta, daß sie si glei auskennan, gel?«

»I sog's eahna scho.«

»Und paß auf, Andrä, von Schmus werd nix g'redt, vastehst?«

»Warum denn it?«

»I mog de Rederei net. Wann der Schneiderbauer des in d' Nasen kriagt, daß i mir dreihundert Markl vodeant hab dabei, nacha plärrt er's in alle Wirtschaften umanand. Is für di aa net guat.«

»Mir waar des ganz wurscht. Aba bals dir liaba is, nacha sag i nix. D'Weiberleut brauchan a so net alles z'wissen.«

»Do host amal recht, Andrä. Also werd nix g'redt. Jetzt pfüat di!« Feichtl schlenkerte langsam zum Wirtshaus zurück, wo er Emerenz in der Gaststube antraf, wie er sie verlassen hatte, die Arme über dem Handkorb gekreuzt und geradeaus schauend.

»S'Good«, sagte er beim Eintreten, »jetzt kenna mir ins auf'n Weg macha, i bi firti mit mein' G'schäft.«

»Wie geaht's denn an Reischl?« fragte der Wirt.

»Guat geht's. Aba beißen tuat eahm da Hax'n no a wengl. I hob eahm a Salb'n geben zu'n Ei'reiben.« – »So?«

»Ja. Jetzt zahl'n ma, Kellnerin!« Kathi schleifte wieder langsam an den Tisch heran, öffnete ihre Geldtasche und fing das Rechnen an. »Also, was habt's g'habt? Zwoa Voressen, san zwanzgi, und vier Brot, san zwoaradreißgi, und zwoa Halbi Bier, san zwoarazwanzgi, san vierafufzg Pfenning.«

»Und zwoa Zigarr'n kost mir no bringa,« unterbrach sie Feichtl.

»Und zwoa Zigarr'n san zwölfi, san sechsasechzg Pfenning,« sagte Kathi und schnupfte heftig auf.

»Zahlst das derweil du?« fragte Feichtl.

»Ja, zahl'n tua i,« antwortete Emerenz und holte aus ihrem Korb den Geldbeutel hervor. Sie legte eine Mark hin. Kathi gab zunächst dreißig Pfennige zurück und wühlte dann lange in ihrer Geldtasche herum, ohne die vier Pfennige finden zu können. Endlich hatte sie dieselben und schob sie zögernd auf den Tisch. Emerenz nahm auch diese und beachtete nicht die verächtliche Miene der Kellnerin. Sie erhob sich und ging hart hinter Feichtl durch die Gaststube. An der Schenke ließ sich ihr Begleiter die zwei Zigarren geben, welche Kathi aus der billigsten Kiste entnahm, und dann verließen die beiden das Haus.

Der Wirt stellte sich an das Fenster und sah ihnen nach. »Du Sepp,« wandte er sich an den Metzgerburschen, welcher bei den Viehhändlern Platz genommen hatte, »lauf amal außi und schaug, wo de zwoa hingengan. I trau mir z'wetten, daß da Feichtl an Schmus macht. A'g'logen hat er mi, des hon i g'nau kennt.«

 

Viertes Kapitel

Der Reischl, seine Bäuerin und Andrä hatten sich auf die Botschaft des Watzlinger Schäfers hin in der Stube versammelt. Die zwei Alten saßen auf der mit Leder gepolsterten Bank vor dem Tische; Andrä hatte sich auf seinen Stammplatz hinter den Ofen gemacht.

»D' Hauptsach is', daß mir a G'wißheit hamm, daß sie fufzehtausad March hot. An Feichtl alloa glaab i's net,« sagte der Reischlbauer.

»Sie muaß des Geld aufweisen; anders mog i net,« erwiderte Andrä.

Auch die Bäuerin mischte sich in dieses wichtige Gespräch. »Wann sie a Schwester is vo da Schneiderbäurin z'Watzling, nacha is scho a Vermögen do; aba ös hab's ganz recht, mir müaßen's g'nau wissen.«

Man hörte kräftige Tritte im Hausgange, die Türe ging auf, und herein trat Feichtl, hinter ihm mit gesenktem Kopfe Emerentia Salvermoser. »Gelob' sei Jesus Chrischtus!« sagte Feichtl. »In aller Ewigkeit, Amen!« antworteten die zwei Alten, während Andrä einige unverständliche Laute vor sich hinbrummte. Es trat eine Pause ein. Feichtl stellte seinen Stecken an die Wand, und Emerenz schielte aus ihrem Kopftuche heraus nach dem Ofen hinüber. – »Setzt's enk a wengl her,« sagte der alte Reischl, »kemmt's heunt scho vo Watzling.«

»Ja,« antwortete Feichtl und schob der Emerenz einen Stuhl hin, während er selbst Platz nahm.

»Wia lang habt's denn braucht zu'n Umageh?« fragte der Reischlbauer wieder.

»Scharfi anderthalbi Stund,« sagte Feichtl.

»Anderthalbi Stund? Des braucht ma scho. Do seid's it schlecht ganga.«

»Mir ham scho guat auftreten müassen, goraus bei dem schlechten Weg.«

Die Unterhaltung kam wieder ins Stocken. Emerenz rückte an ihrem Kopftüchel, und strich mit der Hand den Schurz glatt. Die Reischlbäuerin beobachtete sie genau, und auch Andrä blinzelte von der Ofenbank herüber.

»Jetz is auf oamal aper worn,« sagte Feichtl, dem das Stillschweigen nicht paßte.

»Ja, auf oamal,« gab der Reischl zurück, – »da Bergwind raamt mit 'n Schnee auf.«

»Jetzt geaht's dahi mit 'n Dunga?«

»Ja, moring fanga m'r o.«

»Des is grad de recht Zeit; de G'frier is weg, und 's Schneewassa arbet an Boden auf.«

»An Sepp schick i moring auf d' Hergelbroaten außi, und i selm fahr zu'n Gallingerbüchi«, ließ sich jetzt Andrä vernehmen.

»Was nimmst denn für Roß?« fragte der Vater.

»I spann de zwoa Bräundl ei, da Sepp kriagt an Scheck und muaß an Ochsen dazua nehma. Da Fuchs muaß ja an etla Tag steh.« – »Des is a Kreuz, daß allbot was feit.«

»Da Hias gibt koan Obacht auf'n Stall. Der Krüppi tuat g'rad, was er mag.«

»Des is überhaupts a schlechter Roßknecht,« brummte der Reischl, – »i ho eahm zuag'schaugt de vori Woch, wia'r a ins Holz außi g'fahrn is. Der ko ja net amol o'fahren. Da Handgaul springt eahm allaweil ins G'schirr und reißt den andern mit. I ho mi gift bei'n Zuaschaug'n.«

»Ja, mögt's denn nix z'essen?« fragte jetzt die Reischlbäuerin, welche allmählich auftaute. »Mi ham no a G'selchts.«

Emerenz tat hier zum erstenmal den Mund auf. »I mog durchaus gar nix,« sagte sie.

Die Reischlin ließ sich von ihrem freundlichen Vorhaben nicht abbringen. »A paar Nudeln mögt's allaweil,« meinte sie und ging zur Tür.

»A wengl a G'selchts derfst ins scho mitbringa, Bäurin,« rief ihr der Schäfer nach, »sie mog scho was, sie tuat grad a so.«

Die Bäuerin ging hinaus und kam nach kurzer Zeit mit gefüllten Tellern zurück. Die Nudeln waren schmackhaft geraten, und das selbst geräucherte Schweinefleisch bot einen lieblichen Anblick. Feichtl zog hinten aus der Tasche sein Messer hervor und schnitt sich ein ansehnliches Stück ab. Schmatzend und mit den vollen Backen kauend, sprach er seine rückhaltlose Anerkennung aus. »Is it schlecht; g'rod recht is. Wia lang hast d'as in da Sur g'habt?«

»In da Sur hon i's zwoa Wocha g'hatt und drei Wocha in Rauchfang,« erwiderte die Reischlin.

»Kranewitt san dabei, und a Knobla,« erklärte Feichtl befriedigt und säbelte sich einen neuen Flanken ab. Auch Emerenz ließ sich auf mehreres Zureden erweichen und schob in regelmäßigen Zwischenräumen bald ein Stück Nudel, bald etwas von dem Schweinernen in den Mund. » Sie is enk it bekannt?« fragte Feichtl und deutete mit dem Messer auf Emerenz.

»Na, mi hamm ins no nia g'sehg'n,« sagte die Reischlin; »wia lang bist denn scho z'Watzling?« wandte sie sich an die Salvermoserin.

»In acht Wocha wer i drent sei,« antwortete Emerenz.

»Do glaab i's scho, daß i di no nia g'sehg'n ho. I bi sitter an letzt'n Kirta nimma auf Watzling umi kemma. Du bist a Schwester von da Schneiderbäurin, gel?« – »Ja, mi san Schwestern.«

»D'Schneiderbäurin kenn i scho. Sie hat amol a Mitterdirn eig'stellt, de zerscht bei'n ins war. Do hat's eppas geben, und do san mi z'sammkemma, i und d'Schneiderbäurin. Cenzi hat s' g'hoaßen, de Dirn.«

»D'Cenzi? De is auf Lia'meß aus'n Deanst.«

»So? Hot sie's bei da Schneiderbäurin aa net länger ausg'halten? Bei mir is sie mitten unter'n Johr davo. An Winta hon i s' eig'stellt; do is sie ganz lebfrisch g'wen, voraus wann s' a Mannsbild g'sehg'n hot; aba'r in Summa, wia d' Heuarndt o'ganga is, da hot s' alle Wocha an anderne Kranket g'hot. Sie is so viel blutarm, hat s' g'sagt, und de Bauernkoscht ko s' it a so vatrag'n, sagt s', weil sie amal in da Stodt drin deant hat, hat s' g'sagt. Und nacha is sie mitten bei der Arndt vierzeh Tag a's Krankahaus auf Dachau eini. Des sell is mi aba do scho z'dumm worn. Du lüaderlichs Wei'sbüld, hon i g'sagt, wos moanst denn du? sog i; an ganzen Winta hätt'st ins brav herg'fressen, hon i g'sagt, und an Summa tat'st di ins Bett legen? Warum bischt denn it krank, sag' i, bal a Mannsbild um an Weg is', du Loas, hon i g'sagt. Nacha hat sie mir 's Maul o'g'hängt und sagt, sie braucht si it a so herstellen lass'n, sie laßt si durchaus gar nix g'fall'n und sie geht. Geh zua, hon i g'sagt, is grad guat, balst drauß'd bist, du schelchauget's Weibsbild.«

Die Unterhaltung war bei diesem beliebten Gespräch ordentlich in Fluß gekommen, und Feichtl fand gute Gelegenheit, währenddessen mit dem Geselchten aufzuräumen. Erst als er fertig war, hielt er es für geboten, die Anwesenden wieder auf das eigentliche Ziel hinzulenken. Er reinigte sein Messer an einem Stück Brot, steckte es in die Scheide und fuhr sich dann mit der Hand einige Male über die fettig gewordenen Lippen. »Reischl,« fragte er dann, »bist du no nia z'Eielsriad g'wen?«

»Z'Eielsriad? Jo, do bin i a drei- a viermal g'wen. I hon amol an Heißen kaaft drent.«

»Host an Geitner it kennt? Sei Hof is do g'wen, glei wenn ma'r ins Dorf eini kimmt, rechts vo da Straßen. A großer Hof.«

»Bei'm Geitner hoaßt ma's? Freili hon i den Hof kennt. Do hob ja i den Heißen kaaft. Vor an acht a zeha Johr is des g'wen.«

»Des trifft si guat auf; sie is ja von Geitnerhof aussa,« sagte Feichtl und deutete mit dem Kopf wieder auf Emerenz hin.

»Von Geitnerhof is sie?« fragte der Reischlbauer zurück und zeigte jetzt lebhafteres Interesse.

»So, so, von Geitnerhof.«

»Salvermoser hat er si g'schrieben,« fuhr der Schäfer fort; »an letzt'n Summa hat'r an Hof vokaaft. Der Jud Wassermann hot'n eahm z'trümmert. An Hirgscht is nacha der alt Salvermoser g'stor'm.«

»So? Der Geitnerhof is z'trümmert; des hon i scho amal vozählen hör'n. Der werd aba kaam billi herganga sei.«

»Ja g'wiß net. Des ko'st dir leicht ausrechna. Vier Kinda san do g'wen, lauter Madeln, und a jede hot fufzehtausad March kriagt, wia der Alt g'storm is. Baar, weil der Jud beim Kaaf glei auszahlt hot.«

»Vier Kinda, und a jede fufzehtausad March. Des is a Geld.«

»Des is no net all's. De Wittib, de alt Salvermoserin, hot aa'r an Kindsteil kriagt, san no'mal fufzehtausad March.«

Die Anwesenden horchten gespannt auf die Ausführungen Feichtls; Emerenz hatte die Hände über ihrem Handkorb verschränkt und sah gerade aus.

»De alt Salvermoserin hat aa fufzehtausad kriagt?« fragte der Reischlbauer.

»Jawohl, an Kindsteil.«

»Ja, do erbt ja sie no'mal, bal de Alt stirbt?«

»Freili, vo Rechts weg'n an vierten Teil.«

»An vierten Teil? Vieri in fufzeh des geaht dreimal, bleib'n drei, san dreißgi und vieri in dreißgi geaht achtmal, na, geaht siebenmal, des san guating dreitausad sieb'nhundert March,« ließ sich jetzt Andrä von der Ofenbank her vernehmen.

»Es werd so eppas sei,« meinte Feichtl, »des hoaßt, es ko' aa sei, daß de Alt demselbigen mehra vermacht, bei dem s' an Austrag lebt.«

»Wo leb' sie denn?« fragte die Reischlin.

»Sie is auf Untabachern vazog'n, zu'n Kloiber, der wo de ältest Tochta hat.«

»Sie muaß aba it dort bleib'n, bal's it mog?«

»Na, na, sie ko' überall'n hi; da Kloiber werd ihr freili zuareden, daß s' bleibt, weil er eahm Hoffnung macht, daß er mehra kriagt.«

»Is des g'schrieben, daß de Alt mit ihran Geld toa ko, was sie mag?« fragte der Reischlbauer, »es kunnt in Testament aa verbriaft sei, wer des Geld zum kriag'n hot, bal sie stirbt.«

»Ja, des gibt's freili,« bestätigte Feichtl, »es kimmt halt d'rauf o, wia's g'schrieben steht. Hast du de Papierer net dabei, Emerenz?«

»Jo, i ho's mitg'numma,« antwortete die Salvermoserin und holte aus ihrem Korbe ein zusammengefaltetes, fettig glänzendes Papier hervor. »Do ko'st as lesen,« sagte sie und schob es über den Tisch zum Feichtl hinüber.

»I ho mei Brillen it dabei,« bedauerte der Schäfer, – »und ohne Aug'nglas, do geaht's halt gor nimma. Früherszeit hon i a jede Schrift lesen kinna, ganz frei, aba jetz wer i halt aa scho alt.«

»Mi geaht's grad a so,« sagte der Reischl, – »geh Andrä, les du, du ko'st besser umgeh' mit dem Sach.«

Es hätte der Aufforderung nicht bedurft, denn Andrä war schon längst an den Tisch herangetreten und sah über die Schulter des Feichtl weg mit vieler Neugierde in das Schriftstück hinein. »Tua's her,« sagte er, und nahm dem Schäfer das Papier aus der Hand, – »des wer'n ma scho no z'sammbringa.«

Er las, wie es schien, nicht ohne Anstrengung, aber doch ziemlich geläufig, indem er mit dem Finger nachfuhr und die Worte halblaut vor sich hinmurmelte. »I glaab, jetzt kimmt's,« sagte er, »'s steht do was.«

»Les halt vor,« drängte der Reischlbauer.

»Also … do steaht … die Witt… Wittwe Geno… Genofeva Salver… mo… ser …«

»Des is d'Muatta,« sagte Emerenz.

»… Genofeva Salvermoser erhält laut der mehr… mehrgeda… mehrgedachten letzt… letztwilligen Verfü… gung des Erb… Erblassers einen vollen Kind… Kindsteil, sohin wie jedes der … sämtlichen oben … oben angeführten vier … Kinder die Summe von… von fufzehtausad … mit Worten fünf-… fünfzehntausend Mark.«

»Also do is jetzt schriftli … g'richtmaßi …« sagte Feichtl triumphierend und blinzelte zum Reischlbauer hinüber … »so is ganz richti … wie jedes der vier Kinder fufzehtausad March, net wahr?«

»Wo steaht dös?« fragte der Alte vorsichtig.

»Do steaht's,« sagte Andrä und wiederholte dem Vater die Stelle … »wie jedes der sämtlichen oben angeführten vier Kinder die Summe von fufzehtausad March.«

»Oben angeführt? Do muaß also ihra Nama dabei steh bei de vier Kinda?« fragte Reischl, den Alter und Erfahrung vorsichtig gemacht hatten.

»Freili muaß sie dabei steh',« erwiderte Andrä, »des wer'n ma glei hamm. Do steaht's scho … es sind erschienen: … viertens Emerentia Salvermoser, Tochter des … Erb… Erblassers.«

»Do feit sie durchaus gar nix,« fiel hier Feichtl ein, – »bal i amal wos sag, nacha is g'sagt, des is so viel als wia g'schrieb'n. Do gib's gor nix.«

»No, ja!« sagte der Reischl; »und do steht nix, daß de Alt mit ihran Geld net toa ko, was s' mog?«

»Na, do is nix g'schrieben.«

»Wia alt is denn dei Muatta schon?« wandte sich die Reischlbäuerin an Emerenz.

»Mei Muatta? I woaß jetz glei gor it so g'nau. An achtasechzg, a siebaz'g Johr werd s' scho bald sei.«

»Do is s' aa nimmer jung; do is a jeder Tog g'schenkt. Is sie no g'sund beinand?«

»Jo, sie is ganz guat bei'n Zeug. Vor a zwoa Johr is sie it recht sauber g'wen, do is sie vier oder fünf Wocha bettlägerig g'wen. Da Feichtl hat ihr selbigsmal g'holfa.«

»Jo, da habt's Zeit g'habt, daß mi g'holt habt's,« sagte der Schäfer; – »sie hot an kalt'n Trunk g'macht, und do is ihr zerscht 's Bluat g'froren, und nacha is 's ihr hitzi wor'n.«

»Wos is denn, magst de letzte Nudel nimmer essen?« fragte die Reischlbäuerin freundlich und schob der Emerenz den Teller zu.

»Na, jetzt mog i gar nix mehr.«

»Wia waar's denn, bal's jetzt an Hof a wengl o'schaug'n tat's?« fragte der Reischlbauer; »i muaß in da Stuben bleib'n, mit mein Hax'n kon i no net umanandalaafen, aba d'Bäurin geht mit und der Andrä.«

»Is recht, schaug'n ma a weng umanand,« erwiderte Feichtl und erhob sich. Die übrigen folgten seinem Beispiel und gingen, eines hinter dem anderen, aus der Stube.

Sie schritten über den Hof zum Stall hinüber. Voran gingen Andrä und Feichtl; die Reischlin und Emerenz folgten etwas langsamer, weil sie ihre Röcke behutsam in die Höhe hoben und nicht so achtlos durch die Pfützen traten, wie die Mannsbilder. Der Kuhstall war schön zum Ansehen. Es standen dreiundzwanzig Kühe darin; die meisten braun und weiß gefleckt, Pinzgauer Schlag, dann einige Miesbacher, und der Stolz der Reischlin, zwei große Simmentaler. »Des glaabst gor it, Emerenz,« sagte die Bäuerin, »was des für guate Milchküah sand. Siebazeh Liter an Tog, es is wohr und koa Lug it. No, sie stengan in guat'n Fuatta, Emerenz. I gib eahna lauta schö's Heu, koa sauer's gor it. Und Ruab'n gib i eahna aa net gern. Es kriagt de Milli an schlechter'n G'schmach.«

»Siebazeh Liter, des is aba scho a groaß Wort,« meinte Emerenz, »de besser vo da Schneiderbäurin gib vierzehni. Und des it leicht.«

»I glaab dir's gern. Dös werst aa koan Ort finden, daß wo in an Stall zwoa sellene Küah stengan. Balst as it glaabst, ko'st darnach de Dirn frag'n.«

»I glaab's a so, i ho g'rad g'moant,« sagte Emerenz.

»De Bleß muaßt o'schaug'n,« fuhr die Reischlin fort, »werst it leicht a schöner's Viech seh'gn kinna, aba a Luada is. De laßt sie gor it gern melcha; glei schlagt's hint aus; mi hat's amol so hintri g'feuert, daß i a halbe Stund ganz damisch g'wen bi. Und goraus, seit de Cenzi do is g'wen, do is gor nix mehr zu'n Richten. Mi wern's an Metzga geb'n und fuattern's no a drei Wocha.«

Emerenz schritt langsam neben der Reischlin her und horchte wohl auf, wenn diese bei den einzelnen Stücken etwas zu berichten wußte; sie sah mit Wohlgefallen auf die breitrückigen, gut gepflegten Tiere, welche auch sie neugierig betrachteten, indem sie das Futter nachdenklich mit den Unterkiefern hin und her schoben.

Feichtl und Andrä standen am hinteren Ende des Stalles, wo sich fünf Schweine grunzend an den Verschlag drängten. »Was sagst denn jetzt?« fragte Feichtl, »is sie net a richtig's Weibsbild? G'fallt s' dir net?«

»Jo, sie is net uneben,« sagte Andrä ganz kurz.

»Und daß 's mit'n Geld sei Richtigkeit hot, des hast g'sehg'n?«

»Es schaugt si a so her.«

»Ja, do ko'st die drauf verlassen,« rühmte der Schäfer wieder, »ball i eppas net ganz g'wiß woaß, sog i nix. Bei dem G'schäft gib's koa Hinum und Herum; des muaß g'nau geh, sinscht hätt mi nix, als wia'r an Vadruß.« – »Ja, ja,« sagte Andrä.

»Du muaßt dei Sach kriag'n wie's recht is, und wia's ausg'macht is. Du laßt dir nix o'ziehag'n, und i laß mir aa nix o'ziehag'n vom Schmuserlohn, is it wohr?«

»Is scho recht, ja.«

»Mi freut's, bal's was werd, Andrä. Weil'st a richtige Frau kriagst, vastehst?«

»I vasteh di scho, Feichtl.«

Das Gespräch wurde durch das Herannahen der Frauenzimmer unterbrochen. Die Reischlin machte Emerenz auf die wohlgemästeten Schweine aufmerksam und wußte auch hier Bemerkenswertes zu erzählen. »De groaße dort hint,« sagte sie, »de hat auf Liameß zeha Fakein g'hot, und de ander aa, de wo rechts davo steht. I ho's alle zwoa auf Micheli zualassen.«

»Des is aa de besser Zeit,« erwiderte Emerenz, »auf des ham mi dahoam aa'r alleweil aufpaßt, daß de Fakein net an Winta kemma san; do koschten s' g'rad recht viel und bring'st as do it leicht durch.«

»Da hast ganz recht, Emerenz, da hast amol ganz recht, des g'freut mi, daß du des sagst. Auf Mariä Geburt oder auf Micheli laß i s' des erstemal zua, und da zwoate Wurf soll um Jakobi rum kemma; do is no bessa, weil ma nacha de Fakein mit der Alt'n no auf's Feld außi bringa ko.«

»So moan's i aa,« wiederholte Emerenz.

Die Reischlin wurde sichtlich aufgeräumter und gesprächiger. »De rot Sau, wo's d'siehgst, de do links, mit dere hon i a Kreuz g'habt. De Cenzi hot net aufpaßt, wie s' g'worfen hot, und do hot s' de erst Nacht zwoa Fakein dadruckt, und bal i am andern Tag net dazua kimm, frißt s' die andern sauba z'samm.«

»Hamm de Fakein g'wiß recht scharfe Zähn g'habt?« fragte Emerenz.

»Freili. Des hat der Alt'n weh to, wia s' g'säugt hot. Bal ma'r Obacht gibt, ko ma leicht helfa; zwickt ma'r eahna halt de Zahnei ab, na is glei gar. Aba de Cenzi hat ja nix kennt, das Weibsbild, des ganz schlechte.«

Auf Antreiben Feichtls verließen die vier den Kuhstall; Andrä meinte, man solle jetzt die Pferde anschauen, aber am Hühnerstall konnte die Reischlin nicht achtlos vorbeigehen. »I ho vierasiebaz'g Henna, lauter guata Leghenna,« rühmte sie, »an vorigen Johr hon i a schön's Geld auf d' Seiten bracht mit die Oar. Da Bauer schimpft mi a diam, weil eahm d' Henna in Woaz einikemman, aba des g'fallt eahm do, bal der Handler vo Minka 's Geld aufzählt.«

»Jetzt geh no amol zua,« drängte Andrä, »bal du amol mit deine Henna ofangst, nacha werst gor nimma firti.«

»Geht 's no ös daweil in Roßstall,« erwiderte die Reischlin, »mi kemman scho nach. Woaßt, Emerenz,« fuhr sie fort, als die zwei langsam weiterschlenkerten, »mit die Mannsbilder ko'st do nix richten. De moana, grad dös hot an Wert, was eahna selm o'geht, des ander achten s' net. I sag 's oft zun Bauern, wia's d' no grad a so reden ko'st, sog i, den kloan Profit kennt's ös it, hab' i g'sagt. Bei enk muaß 's Sach do sei, Oar und Schmalz und a Butta, des is enk recht, sog i, aba was da für an Arbet dro hängt, daß all's richti beinand is, hab i g'sagt, des is ganz gleich. Da Hennastall, sog i allaweil, der braucht Vastand grad a so, als wia da Roßstall. Is it wohr, Emerenz?«

Die Salvermoserin schnupfte heftig auf und nickte zustimmend mit dem Kopfe. Währenddem waren sie auch am Roßstall angelangt, wo Andrä die Führung übernahm. »Roß hamm ma vieri,« sagte er, »de zwoa Braun stengan do, mit'n Scheck is da Knecht furtg'fahren, und der Fuchs, der wo do hinten steht, is mi krank wor'n.«

Feichtl war in den Stand hineingegangen und untersuchte das Pferd mit Kennermiene. »Machst a so, wia'r i g'sagt hab,« meinte er, »nacha hat sie de G'schicht bal g'hoben, es is it viel dro.«

Andrä brummte eine Erwiderung, und die Weiberleute verließen nach kurzem Aufenthalt den Stall; sie haben bekanntlich kein Verständnis und kein rechtes Interesse für die Gäule. Auch die Tenne wurde nur flüchtig gemustert; beim Durchschreiten sah man rechts und links die ansehnlichen Vorräte an Heu und Stroh, und Andrä bemerkte kurz angebunden, wie viele Zentner von jedem noch da seien. Man kam jetzt wieder in das Haus, und Andrä sowohl als Feichtl hielten es für angebracht, in die Stube zum alten Reischl zurückzukehren, währenddessen sich die Bäuerin anschickte, die Emerenz in ihr eigentlichstes Gebiet, in die Milchkammer, in die Vorratskammer und in die Küche zu führen. Die beiden Männer fühlten, daß sie hier bloß im Weg umgingen, und bezeigten keine Lust, die in solchen Dingen unvermeidliche Redseligkeit der Weiber auszuhalten. Feichtl setzte sich neben den Reischl hin und Andrä begab sich wieder auf seinen Stammplatz zum Ofen. Der Schäfer unterbrach das Schweigen. »Habt's koan Schnaps?« fragte er. »I ho vo dem Schweinern a bissei z'viel dawischt.«

Der Reischl hinkte zum Wandschrank und holte eine Flasche hervor, die er gegen das Licht hielt. »A wengl a Zwetschgenwassa is no da,« sagte er und brachte dem Schäfer Flasche und Glas. Feichtl schenkte ein, roch an dem Schnaps und machte einen kräftigen Zug. »Ah, des is a scharfa, der richt mi eiwendi z'samm. Sakera Hosenzwickel, des Schweinerne waar mir schier gar z'fett worn. No, wia g'fallt dir de Salvermoserin?« wandte er sich an den Alten. »Sie passet net schlecht auf'n Hof,« gab der Reischl zurück, und er nahm sich bedächtig eine Prise. Auch Feichtl langte in die Dose und sagte eifrig: »Ja g'wiß it, durchaus gor it, Reischl. Sie is wia g'macht für des Anwesen. Sie scheucht koan Arbet und kennt sie guat aus. Sie hätt a richtig's Regiment über de Ehhalten, weil sie's dohoam g'lernt hot. Dös is überhaupts schon a Vorteil.«

»Ja, ja, des is scho wohr.«

»Ja, g'wiß is wohr, wos bedeut denn dös, bal oane aus an kloan Sach außa kimmt. Dös werd nia nix, dös lernt sie net leicht. So oane ko nia net reigiern.«

»Ja, ja.«

»Und nacha, fufzehtausad March, des is aa koa Dreck. Baar auf d'Hand, braucht koa Künden und koa Betteln, was dös scho wert is!«

»Ja, ja.«

»Net, wia's oft is, wann ma' 's Geld lieg'n lassen muaß auf Hypothek? Aufsagen magst as it gern, weil glei da Vadruß do is, voraus heuntigen Tag's, wo ma si so schwaar tuat mit an Bankgeld. Und balst as net aufkünd'st, muaßt Angst ham, daß der ander schlecht haust und d' Hypothek alle Wocha schlechta werd.«

»Ja, ja, besser is scho, wann ma 's Geld baar auf d' Hand kriagt.«

»So is. Dös sagt a jeda, der wo was vasteht. Geh, schenk ma no mal an Schnaps ein, mit dem Schweinern kimm i gor it z'recht.« Reischl goß das Glas wieder voll, und Feichtl leerte es auf einen Zug. »Ah, ah,« machte er, »des is amal a Zwetschgenwassa, wia sa si g'hört, brenna wia da Teufi. So muaß 's sein.«

Er langte sich eine Zigarre aus der Rocktasche und begann zu rauchen. Da die andern zwei nichts sprachen, wurde es wieder still in der Stube. Dem Feichtl war die Schweigsamkeit zuwider. Er war schlau genug, zu erkennen, warum die zwei sich gar so zurückhaltend benahmen. Nicht, weil ihnen etwa die Partie mit der Salvermoserin nicht gefiel; in dem Punkt war Feichtl seiner Sache ganz sicher; in dem Augenblick, wo Emerenz schriftlich aufweisen konnte, daß sie die versprochene Summe besitze, wußte der Schäfer, daß es mit der Hochzeit seine Richtigkeit habe. Aber ein anderes war zu beachten. Jetzt, wo alles seinen geregelten Gang nehmen konnte, rührte sich in Andrä bereits die Reue, daß er den Schmuserlohn so hoch bemessen hatte. Er wollte den Schäfer merken lassen, daß seine Vermittlung recht überflüssig sei; vielleicht ließ sich daraus für später ein Vorteil ziehen, daß man bei der Zahlung was abzog, oder am Ende gar die Berechtigung der Forderung überhaupt abstreiten konnte. Daß der alte Reischl mithalf, schon jetzt die Verdienste des Vermittlers in den Schatten zu stellen, war selbstverständlich.

Feichtl war über dieses Verhalten keineswegs erstaunt. Seine Lebenserfahrung war nicht gering; er hatte schon manche Heirat vermittelt, aber niemals war es ihm geschehen, daß sein Honorar ohne Widerspruch mit freundlicher Miene ausbezahlt wurde. Darum also wußte er recht gut, welche Gefühle in den Herzen seiner beiden Zuhörer herrschten, und da er eine mitteilsame Natur war, rieb er ihnen diese Erkenntnis etwas unter die Nase. »Gel, Reischl,« fragte er, »auf Rettenbach habt's ös net weit umi?«

»Rettenbach? Dös is gor it weit, höchstens a Stund. Willst du heunt no umi geh?«

»Na, i ho grad gmoant. Kennt's ös an Holzinger Jakob vo Rettenbach?«

»An Holzinger?«

»Ja, beim Häuslmichl hoaßt ma's, is enk dös net bekannt?«

»An Häuslmichl? – Freili kenn i den. Wos is damit?«

»Nix. I ho g'rad g'fragt. I kenn eahm aa.«

»So?«

»Ja; i hon an Prozeß g'habt damit.«

Mit dieser Mitteilung kitzelte der Schäfer den Reischl doch etwas heraus; er konnte sich noch so gleichgültig stellen, den Feichtl täuschte er damit nicht. »So, an Prozeß hast g'habt mit'n Häuslmichl?« fragte der Alte.

»Ja, vor a zwoa Jahr is g'wen. Z'Dachau.«

»Habt's enk beim Handeln z'kriagt?«

»Na. I hon eahm sei Heirat g'macht, und wia'r i den ausg'machten Schmus valangt hob, hätt er mir's o'streiten mög'n. Er hätt ohne mi aa g'heirat, hat er g'sagt, do hätt er mi gor it braucht dazua, sagt er. No, i hon it lang g'redt mit eahm, i bi zu'n Advikaten ganga, nacha hat si de G'schicht glei g'hoben.«

»So?«

»Ja. Den Prozeß hon i schnell g'wunna. Da Holzinger hätt alles mögliche daher bracht, aba do hat's nix geben. Der Oberamtsrichta vo Dachau hat'n glei z'sammpackt. Was, hat er g'sagt, zuerst vereinbaren Sie etwas mit diesem Manne, sagt er, und hinterher wollen Sie ihm den wohlverdienten Lohn streitig machen, hat er g'sagt. Das ist keine Art und Manier, sagt er, für einen Mann, der wo einmal sein Wort gegeben hat. Sie sollen Ihnen schämen, hat er g'sagt, daß Sie mit solchenen Ausflüchten vor Gericht kommen, sagt er. Da Holzinger hat anderst g'schaut, wia'r eahm d'Leviten g'lesen wor'n san. Aba grad recht is eahm g'schehg'n. Do hot er an Vadruß g'habt und an Haufa Kösten dazua. I hab's eahm glei g'sagt. Des is net der erscht Prozeß g'wen, den i g'wunna hab. I woaß, wia's G'setz is, und mehra will i net. Do is oana allemal vaspielt, wann er mit mir schtreiten will.«

Feichtl zündete sich die Zigarre wieder an, die ihm beim Erzählen ausgegangen war, und blinzelte zum Andrä hinüber, um die Wirkung seiner Geschichte zu beobachten. Es war kein Zweifel, daß ihn die beiden hatten gehen hören, aber entweder waren sie von der Moral der Geschichte nicht berührt worden, oder sie verstanden es meisterlich, ihre Gemütsbewegung zu verbergen. Andrä schaute so gleichgültig wie vorher, und der Reischl hatte anscheinend jedes Interesse an dem Prozeß verloren. Der Schäfer überlegte sich, ob es nicht gut wäre, noch eine zweite Geschichte darauf zu setzen, doch da öffnete sich die Türe, und die Reischlin kam herein; hinter ihr die Emerenz.

»So, jetzt hamm ma all's o'g'schaugt,« sagte die Bäuerin.

»Hat ihr 's Sach g'fallen?« fragte Andrä aus der Ofenecke heraus. »I glaab scho, gel Emerenz?«

Die Salvermoserin fühlte, daß nunmehr die Entscheidung nahe, und verzog ihren Mund zu einem geschämigen Lächeln. »Mi hat's it schlecht g'fallen,« antwortete sie und sah dabei auf den Fußboden.

»Jo,« meinte Andrä, »indem, daß mi aa ganz recht waar, kunnten mi ja z'sammheiraten?« »Mi is scho recht,« sagte Emerenz; und dann holte sie umständlich aus ihrem Handkorb den Geldbeutel hervor, nahm einen Taler heraus und reichte ihn dem Andrä als Handgeld und zum Zeichen, daß der Vertrag in Ordnung sei. Feichtl patschte in die Hände und bezeigte eine Fröhlichkeit, die dem Ereignisse angemessen war, und welche außerdem seine Person wieder etwas in den Vordergrund rückte, »So is recht! Dös lob i,« – schrie er mit erhobener Stimme – »jetzt gib's Hozetleut in Haus, Herrschaftsakera, dös is amal a Paar, wo a jeda a Freud hot.« Von den Anwesenden beteiligte sich niemand an seiner Lustigkeit, die Brautleute so wenig wie die zwei Alten, welche dem Vorgang ruhig zuschauten. Aber Feichtl ließ sich nicht irr machen. »Siehgst, Emerenz,« schrie er, »i ho dir's g'sagt, do genga ma net umasinst her, zu'n Reischlhof. I mach mei Gratulation, de Jungfer Hozeiterin soll leben vivat hoch, und da Hozeiter daneben!«

»Is scho recht,« wehrte ihm Andrä ab, »gib no amal an Ruah, mi müassen ja no was ausmacha, mi kenna ja net dischkrieren, bal du a so schreist. Wos is denn?« wandte er sich an den Vater, »wann laß ma denn d'Übergab vabriafen?«

»Mi is gleich. Vo mir aus an Mieka Mittwoch acht Täg.«

»Guat, also mach ma's glei aus. Auf'n Mieka in acht Täg genga ma zu'n Notari, bal's dir recht is, Emerenz?«

»Jo, mi is jeder Tag g'recht.«

»Freili,« mischte sich Feichtl ein, »da Mieka paßt mi aa guat, b'stellen mi ins bei'n Ziaglerbräu z'samm.«

»Bal'st aba aufg'halten bist, brauchst it z'kemma,« erwiderte ihm Andrä, »mi kennan de Sach alloa macha.«

»Na, na, i bi it aufg'halten, i ho leicht Zeit; i hätt a so a G'schäft z'Dachau drin. I geh wieda mit da Emerenz.«

»No ja, nacha kimmst halt, wennst moanst, du muaßt dabei sein.«

»I kimm scho, Andrä, ko'st di valassen drauf,« versicherte Feichtl sehr freundlich. »Aba jetzt genga ma, Emerenz,« fuhr er fort, »i moa, es waar Zeit.«

Die Salvermoserin rückte ihr Kopftuch zurecht und erklärte, daß sie gehen wolle. »Mogst it no was essen, Emerenz?« fragte die Reischlin.

»Na, i ho scho gnua. Pfüat enk Good.«

»Pfüat Good!«

»Und am Mieka in acht Täg kemma ma in Dachau z'samm,« rief ihr Andrä nach, als sie bereits die Stube verlassen hatte.

Feichtl verhielt sich noch ein wenig an der Tür. Er tauchte die Finger in den Weihwasserkessel und besprengte sich. »Der Herr segne unsern Ausgang!« sagte er mit tiefem Ernst, »adies beinand!«

»Geh zu'n Teufi, Haderlump miserabliger,« brummte Andrä vor sich hin. Aber Feichtl hörte ihn nicht. Er ging gehobenen Gemütes neben Emerenz durch das Dorf, am Wirtshaus vorbei, unter dessen Türe Herr Martin Schinkel stand.

Der Schäfer lächelte, als er den Wirt sah und begrüßte ihn freundlich. Dieser hingegen rückte nur ein weniges an seiner Schlegelkappe und sprach vor sich hin: »I ho's ja g'wußt, daß der Bazi bei'm Schmusen war. Mi ko'st net o'lüag'n, Freunderl, do muaßt zeitiger aufsteh.«

 

Fünftes Kapitel

Es war Mittwoch und Schrannentag in Dachau. Vor dem Rathause standen Leiterwagen, hochgepackt mit Krautköpfen, die von Kauflustigen gemustert wurden. Da und dort sammelten sich Leute um einen Bauern, der seine Ferkel hereingebracht hatte und jetzt die quiekenden Viecher eines nach dem andern bei den Hinterbeinen faßte und zum Betrachten in die Höhe hob. Auf dem freien Platz vor der Marktwaage waren die Getreidesäcke in Reih' und Glied aufgestellt. Hier herrschte das regste Leben. Händler und Bauern stritten sich um die Preise, zwanzig Pfennige hin und her für den Zentner. Die Käufer langten in die Säcke und holten eine Handvoll Gerste oder Weizen heraus, bliesen darauf, ließen sie langsam durch die Hände laufen und fingen dann wieder das Handeln an.

Den Schloßberg hinauf gingen viele Leute. Die einen sprachen im Bezirksamte vor und erkundigten sich nach dem Stande ihrer Angelegenheiten, die nach ihrer Meinung nun schon lange genug bei der königlichen Behörde »schwebten«. Andere besuchten den Herrn Rentamtmann und zählten in harten blanken Talern den Betrag der Steuern und Bodenzinse auf den Tisch; mancher tat es mit einem tiefen Seufzer und der aufrichtig gemeinten Bemerkung, daß es jammerschade sei um das schöne Geld.

Den größten Zuspruch hatte aber das auf dem Berg zu oberst gelegene Amtsgericht. Im Gerichtssaal drängten sich die Neugierigen, denen eine öffentliche Sitzung so viel Spaß bereitete wie ein Theater. Hie und da kam ein Bekannter aus der Umgegend zum Aufruf, und man hatte das Vergnügen, ab und zu etwas zu erfahren, was einem der Freund gewiß nicht anvertraut hätte. Auch die Advokaten, welche aus München herbeigeeilt waren, ermangelten nicht, die Lustbarkeit zu erhöhen. Sie überboten sich an Zungenfertigkeit und verstandesreicher Kenntnis der Gesetze. Die Zuhörer bewunderten solche Gaben, die ihnen selbst gänzlich fehlten, und schätzten prüfend den Wert jedes einzelnen Redners. Diese Aufmerksamkeit konnte von Nutzen sein, denn niemand weiß heute, ob er nicht morgen einen Prozeß hat und einen scharfen Vertreter braucht. – Der Amtssitz des königlichen Notars, welcher sich am unteren Ende des Marktes befindet, war heute gleichfalls sehr gut besucht. Die Herren Wassermann und Meyer Männlein hatten wieder ein großes Anwesen erworben und die Nachbarn des Verkäufers kauften nun von ihnen die Grundstücke, welche sie vorher verschmäht hatten. Guter Handel gedeiht nicht ohne Streiten und Lärmen; das wußten Männlein und Wassermann aus ihrer langjährigen Praxis, und sie fühlten sich in ihrem Elemente, wenn recht heftige Reden gegen sie geführt wurden. Den gröblichsten Beleidigungen gewannen sie eine scherzhafte Seite ab, wenn dadurch der Handel vorwärts ging; manchmal freilich mußten sie ihr Ansehen wahren, wenn ein Schimpfwort zugleich die Absage bedeutete, oder wenn der Schimpfende als Zahler von minderem Werte war.

Wie zum Beispiel der Kleingütler Blasius Hörmann, welcher dreißig Dezimalen Wiesengrund behufs Abrundung erwerben wollte und sich äußerst ungebärdig benahm, als ihm der Preis genannt wurde. Wassermann hörte ihm zuerst mit mildem Lächeln zu, da er vermeinte, daß gerade diese Heftigkeit das beste Zeichen für die starke Kauflust des Gütlers sei. Als aber Blasius Hörmann immer halsstarriger und unfeiner wurde und zuletzt allen Ernstes versicherte, daß er mit so einem lausigen Halsabschneider durchaus gar nichts mehr zu tun haben wolle, da wurde auch Wassermann ungehalten.

»Wer bist du?« fragte er den schreienden Landmann. »Was glaubst du? Du bist mir zu wenig, daß ich mich abgebe mit dir.« Und als Wassermann sah, daß von den Anwesenden sich niemand für Blasius Hörmann erwärmte, fügte er bei: »Du bist mir überhaupt zu gemein.«

»Wos bin i, du Herrgottsakerament? Daß i di fei net glei niederschlag, du Blutsmensch.«

Hier legte sich der königliche Notar ins Mittel und erläuterte dem widerhaarigen Gütler, daß er sich nicht auf dem Lande bei den Saubauern befinde, und daß ein Amtszimmer nicht zu verwechseln sei mit einer Bierwirtschaft. Da Hörmann immer noch etwas zu entgegnen wußte und sich nicht einmal der staatlichen Autorität beugte, mußte er den Schauplatz verlassen. Er tat dies, indem er Herrn Wassermann noch einige Proben seiner Wertschätzung vorlegte. Allein dieser zeigte durch verächtliches Achselzucken, daß er den geringen Bildungsgrad des Beleidigers zu würdigen wisse, und sagte nur, als Hörmann bereits im Hausgange plärrte: »Es is gut, daß er draus is. Er is ä Lümmel.«

Die Verhandlungen nahmen ihren lebhaften Fortgang; die Verkäufer sprachen auf die Bauern ein, die Schmuser drängten, der Notar gab seine Meinung dazu. Hie und da nahm Männlein einen Kauflustigen auf die Seite und raunte ihm geheimnisvoll ins Ohr: »Ich will dir was sagen, Wagenbauer, du kriegst das Tagwerk um dreißig Mark billiger – weil du's bist. Aber es wird nix mehr geredt.« Währenddem klopfte es heftig an der Tür; jemand probierte an der Klinke herum und stieß mit den Knien gegen die Füllung. »Was isch denn des wieder für a ung'hobelter Gascht!« schrie der Notar, den die Verhandlungen in etwas gereizte Stimmung versetzt hatten.

Die Tür gab endlich dem Druck nach und auf der Schwelle erschien unser Reischl, hinter ihm die Reischlin und Andrä, und über dessen Schulter hinweg sah man das schwarze Kopftüchel der Emerentia Salvermoser neben dem schlauen Gesicht des Schäfers Nepomuk Feichtl von Watzling.

»Wer seid 'r denn?« fragte der Notar den Reischlbauern mit gut vernehmbarer Stimme. »I? I bi da Reischl vo Pellham.«

»Ja, des mußt scho saga, des ka 'n i it schmecka. Zu was kommscht denn da rei? Willscht an Grundschtück kaufa?«

»Kaafen? Na, kaafen will i gar nix.«

»Für was schtehscht denn hernach do? He? Red a mal, mueß ma dir alles rausziaga?«

»An Übergab möcht ma vabriafen, und an Eh' vatrag.«

»Ja, was fallt d'r denn ei? Glaubscht du, i ka alles auf oimal macha? Glaubscht, i laß alles liega und schteah, wega deiner Übergab?«

»Nacha kemma mir halt später, bal S' jetzt koa Zeit hamm.«

»Sei halt so guat, gel? Und jetz mach, daß d' raus kommscht, schteh it so oifältig her.«

»Bis wann soll ma kemma?«

»Frag it so saudumm, des ka i do it wissa, wenn i halt fertig bi, oi's nach dem andera.«

»Nacha kemma ma halt in a guaten Stund wieda her und schaug'n nach,« meinte Reischl gutmütig und zog die Türe zu. Die ganze Gesellschaft machte kehrt und trappte durch den Hausgang. Im Freien wurde beraten, was nunmehr zu tun sei.

Feichtl gab den Ausschlag. »Des G'scheidtest is,« sagte er, »mi gengan wieda zum Ziaglerbräu. Vor zwoa Stund werd's mit'n Vabriafen do nix. I kenn an Notari. Bal er so schreit, hat er viel Arbet.«

Das große Gastzimmer in der Zieglerbrauerei war dicht gefüllt. Reischl wurde beim Eintreten von vielen Bekannten begrüßt und mußte fast an jedem Tisch Bescheid tun.

»Bist wieda auf da Höch? Kost do wieda füri mit dein Haxen?« wurde er gefragt; und er trank bei jedem und gab Auskunft über sein Befinden. Unterdes waren ein paar Plätze frei geworden, die Leute rückten zusammen und unsere Gesellschaft konnte eng aufeinander gepreßt an einem Tisch Platz finden. Die Erscheinung der Emerenz erregte Aufsehen; viele drehten die Köpfe nach ihr um und der Zanklbauer von Siegmertshausen wisperte dem Reischl ins Ohr: »Wos hoscht denn do für oane dabei?«

»Des is an Andrä sei Hochzeiterin.«

»Ah? Do bin i ja gor nix inne wor'n. Is jetzt scho zu'n Übergeb'n bei dir?« – »Ja; es is nimma z' fruah.«

»Do hoscht scho recht. Wo is denn sie her?«

»Vo Eielsriad. An Geitnerbauern a seinige Tochta.«

»Vo dem Geitner, der wo vorig's Johr g'schtorm is?«

»Ja, vo dem.«

»So, von Geitnerbauern is' sie?« wiederholte der Zankl und vertraute die Neuigkeit seinem Nachbar an, der sie gleich weiter gab. Nach Umlauf von einer Viertelstunde wußten es alle im Gastzimmer, daß der Reischl von Pellham übergebe, und daß der Andrä eine Geitnertochter von Eielsried heirate.

Der eine und andere von den Bekannten kam herüber und begrüßte das Brautpaar. »Also Andrä, i ho vanumma, du heirat'st jetzt. Des is recht. Do trink amal.« Andrä machte jedesmal einen kräftigen Zug und schob das Glas der Emerenz hin, die bescheiden nippte und sich dann mit der Hand den Mund abwischte. Manchmal versuchte einer auch die Emerenz in das Gespräch zu ziehen, indem er wohl sagte: »A sauberne Hozeiterin hoscht dir aba g'suacht; dera waar i aa net feind.« Die Salvermoserin wußte, daß man bei solchen Redensarten verschämt sein muß, und sah auf ihren Handkorb nieder, den sie auch heute dabei hatte.

Allmählich ließ die Aufmerksamkeit, die man dem Ereignis im Reischlhause gewidmet hatte, nach, und die Gespräche nahmen eine andere Wendung. Man unterhielt sich über den Gang der heutigen Schranne; daß sie gut gewesen und daß viel verkauft worden sei; man besprach die Preise, welche Weizen und Gerste gefunden hatten, und klagte über die geringe Höhe derselben. Manche berichteten über die Gerichtsverhandlungen, wieder andere begaben sich auf das Gebiet der Politik.

An seinem Tische führte Feichtl das große Wort. Die Aussicht auf die hundert Mark, welche er noch heute von der Salvermoserin erhalten sollte, stimmte ihn froh und gesprächig. Er verbreitete sich mit viel Sachkenntnis über die schlechten Zeiten und die Ursache des allgemeinen Niederganges. »Net wahr,« sagte er, »betracht ma's no, wia's der Fall is. Zerscht hot ma d' Arbet, daß ma de Kinda groß ziagt, und bal dir oaner in da Wirtschaft helfa kunnt, kimmt er zum Militari. Jetzt kost wieda zahl'n. An Buam muaßt Geld schicka, weil er do net leben ko als Soldat mit dem, was er als Löhnung kriagt; und nacha muaßt für eahm an Knecht eistellen, der an Haufa kost. Da werd 's Geld zwoamal hi. Und net, wia is mit die Steuern? Ollawei wern's mehra, ollawei finden s' wieda was Neu's, daß da Bauer zahl'n muaß. Neue Kanona, neue G'wehr, neue Banganett, grad wergein tean s', und de Herrn, de wo in Reichstag drin san, dö sag'n zu all'n ja. Do san lauter Studierte drinn, de helfan z'samm'; wenn s' mitanand streiten, des is lauta Schwindel, lauta Kumedi, daß de dumma Leut d' Aug'n auswischen. Drum sag i dös, bal net mehra Bauern einikemman an Landtag, werd's nia nix.«

Das Thema war so beliebt, und Feichtl entwickelte eine so große Mundfertigkeit, daß selbst der Reischl und Andrä trotz ihrer aufkeimenden Abneigung beifällig zuhörten. Das spornte den Schäfer an, und er sprach noch manches treffende Wort über das Wapperlgesetz, über die Handelsverträge und über die einer gründlichen Besserung bedürftige Obrigkeit, bis Andrä sagte, es wäre an der Zeit, wieder zum Notar hinunter zu gehen.

Sie brachen auf und trafen es diesmal besser. Wassermann und Männlein hatten ihre Geschäfte abgewickelt, so kamen sie gleich an die Reihe.

Der Herr Notar war besserer Laune als vorhin, und das war gut für beide Teile, denn die Verhandlungen, welche sich nunmehr zwischen den alten Reischlleuten und ihrem Sohne entwickelten, brauchten eine große Geduld. Die Summe, für welche der Hof abgetreten wurde, das Abstandsgeld, war schon vereinbart; zehntausend Mark, die mit vier Prozent verzinst werden mußten und auf Hypothek liegen blieben. Hierin ergaben sich keine Schwierigkeiten. Destomehr aber bei der Vereinbarung über die jährlichen Austragsreichnisse und über die Inventarstücke, welche den Übergebern noch verbleiben sollten. Der alte Reischl wollte für sich und seine Ehefrau drei Kleiderkästen, und dieses Verlangen erregte bei Andrä sofort lebhafte Entrüstung.

»Zu wos braucht's ös drei Kästen? Mit zwoa g'langt's ös leicht; dös teat's grad mit Fleiß, daß 's mi recht tratzen kinnt's.«

»Bal ma's net braucheten,« erwiderte der Reischl, »nacha taten mir's it valanga; des muaßt da mirka.«

»Ja, für was denn? Du bringst dei G'wand leicht in oan Kasten, und d' Muatta hat do aa koan solchen Aufwand.«

»Wos mi ham, des wissen mi, und wos mi braucha, des wissen mi aa.«

»No, no,« beschwichtigte der Notar, »nur it glei oba naus fahra, des hat koin Wert. Geht's denn gar it mit zwoi Käschta?«

»Na, es geaht it, und bal's gang, nacha möcht i net.«

»So muaßt reden,« fuhr Andrä los, »do siecht ma, wia's ös zwoa seid's. Is dös aa no a Wort, bal's gang, nacha möcht i it!«

»Deswegen brauchscht du it so z' plärra,« mengte sich der Notar wieder ein, »es isch amol der Vat'r. Und was liegt denn dra an oin Kaschta? Es isch do grad für so lang, wie die zwoi Alta leba.«

»Des is scho recht. Aba mi brauchan do aa was für insa G'wand. Nacha müaßen mir's Sach als a neua kaafa.«

»Des isch jetzt gleich. Jetzt isch gar mit dem Dischputira; mir schreiba drei Käschta. Also, was wollt'r no?«

Reischl gab seine Wünsche an. Zwei Truhen, die wo in der oberen Stube stehen, mit samt dem Inhalt, einen Tisch, eine Bank und zwei Stühle. Diese Forderungen gingen ohne längere Debatte durch. Es kamen weiter: ein kleiner Schlüsselkorb, vier Holzteller und zwei Schüsseln. Auch hierüber wurde nicht gestritten, obzwar Emerentia Salvermoser bemerkte, zwei Holzteller täten den nämlichen Dienst; als ihr aber die Reischlin die Frage vorlegte, ob das Sach schon ihr gehöre, lenkte sie ein und sagte, sie habe bloß gemeint. Beim nächsten Posten erhitzten sich die Gemüter wieder bedenklich. Reischl verlangte vier Bienenstöcke mit den Bienenschwärmen.

»Mehra wia vieri hamm ma ja gor it,« schrie Andrä.

»Des tuat ja nix,« erwiderte sein Vater, »wia'r i an Hof übernomma hab, is aa koaner do g'wen.«

»Dös beweist si gor nix, a jeda kaaft was zuawi zu'n Sach. Des Viech, was jetzt an Stall steht, is vor dreiß'g Jahren aa no net do g'wen. Dös kunnst' grod so guat sag'n.«

»Überhaupt's host du di mit de Impen nia o'geben mögen,« sagte der Alte bockbeinig.

»So? Alssammet hon i ja do scho it toa kinna, und bal i mi drum kümmert hätt, host mi it zuawi lassen.«

Der Notar wurde ärgerlich. »Da hört si aber verschied'nes auf,« sagte er; »warum habt'r denn des it dahoim ausg'macht? Da herin isch do koi Platz zum Schtreita. Wann'r so fortmacht, na hocka mir in sechs Schtund au no da.«

»I streit ja net,« erwiderte Andrä, »er soll halt it gar a so unverschämt sei.«

»Wos bin i? Du b'sinn di fei a wengl, hoscht g'hört?«

»Ruhe! Was isch denn des für an Art un Manier? Auf der Schtell halt'r 's Maul, ihr Sakerament! I will euch was saga: Koiner hat recht. Jeder laßt was nach, und jeder gibt was zua. Du« – wandte sich der Notar an den Alten – »nimmscht zwoi Schtöck, und du,« sagte er zum Andrä, »bischt au mit zwoi z'frieda. Halb und halb, so isch recht.«

»Für wos denn?« knurrte der Reischl. »Er hot si ja nia net mit die Impen o'geben.« – »Des is it wohr,« brüllte Andrä.

»Wos? Hoscht it g'sagt, mit de Malefizviecher is nix aufg'richt. Auf den Profit tat'st huasten? Hoscht des it g'sagt?«

»Maul halta! Ruhe!« schrie der Notar, »entwed'r – od'r! Entweder ihr macht die Sach fertig, od'r ihr geht naus. Na könnt'r im Wirtshaus schreita. I schtell mi da it her für euch. Wollt'r halb und halb? Sonscht mach i Schluß.«

»Vo mir aus, soll er zwoa hamm,« brummte der Reischl, »aba des sag i dir glei, i kümmer mi gor nix drum. De verrecka dir g'schwind gnua.«

»Des wer mi nacha scho seh'gn,« meinte Andrä.

»Also fertig; zwoi Bienaschtöck sind g'schrieba. Sonscht wollt'r nix mehr?«

»Na.«

»Dann könna mir fortfahra.« Im übrigen – diktierte der Notar seinem Schreiber – im übrigen sind mit übergeben alle Ein- und Zubehörungen, die Gesamtheit des Inventars an Haus- und Baumannsfahrnissen, das vorhandene Vieh, alle Ökonomiegerätschaften, alle Getreide-, Heu-, Stroh-, Futter-, Holz- und sonstigen Vorräte, die übrigen Mobilien, im Hause selbstverständlich auch alles, was wand-, band-, niet- und nagelfest ist. »Isch recht so?«

»Ja.«

»Na könna mer also zum Austrag schreita. I sag euch aba glei, daß 'r mir net wieder so wüscht tut und 's Protokolliera aufhaltet. I muaß heut au no zum Essa komma. Isch g'rad guet, daß mer davo reda,« fügte der Notar bei und rief zur Türe hinaus: »Bärbla! Bärbla!«

»Was gibt's?« rief eine weibliche Stimme.

»Bärbla! Sag d'r Frau, sie soll die Knödel it eilega, vor i's it sag. Es ka heut ziemli lang daura.«

Diese Meinung erwies sich als richtig. Die alten Leute hielten sich an den Grundsatz, daß hinterher die schönste Reue nichts hilft, und daß vorgetan und nachbedacht, schon manchen in groß Leid gebracht. Sie wollten ihr Gewisses haben, Punkt für Punkt, und dachten, je mehr man verlangt, desto leichter kann man herunter handeln. Andrä ließ es daran nicht fehlen; er feilschte um jede Kleinigkeit und verteidigte seine Stellung mit einer Geschicklichkeit, die den Eltern innerlich Bewunderung einflößte. Auch Emerenz gewann die tröstliche Überzeugung, daß ihr Zukünftiger sein Sach zusammenhalten werde, und in Feichtl stieg die Ahnung auf, daß er nicht ohne heiße Kämpfe in den Besitz des Schmuserlohnes gelangen werde. Schon gleich beim ersten Punkt gingen die Meinungen auseinander. Die Alten sollten die gleiche Kost wie die Jungen haben. Das sei ihm zu ungenau abgefaßt, sagte der Reischl, denn »ma woaß nia, wi ma mitanand auskimmt, und bal oan de junga Leut tratzen möchten, nacha esseten s' liaba selba a Zeitlang recht schlecht und kunnten dös aa leichta aushalten als wia an alter Mensch.«

Andrä wies diese Verdächtigung zurück. »Du machst mi ja schlecht vor'n Herrn Notari. Bal ma di reden hört, nacha kunnt ma scho moan, wia'r abscheuli mir mitanand g'haust hätten. Hab dir i scho amol an unrechts Wort geben?«

»Des sell it, aba mi sagt g'rad. Mi woaß nia, was amal werd. Es san scho de beschten Freund ausanand kemma.«

»Ja, aber Reischl, was welle Sie denn eigetli?« fiel der Notar ein – »des isch do allaweil a Vertrauenssach, was Ihna die Bäurin für a Koscht macha werd. I kann do it an Speiszettel für alle Tag im Jahr protokolliera.«

»Dös braucht's it. Aba dös ko g'schrieben wer'n, daß mir alle Wocha drei Pfund Rindfleisch kriag'n müassen.«

»Du bist ja narrisch! Wo soll'n denn mir so viel Fleisch herbringa?« – »Beim Wirt kriagt ma's de ganz Wocha zum kaafa,« antwortete Reischl.

»Des war g'spassi,« schrie Andrä – »jetzt müaßt mi g'rad siaden und brot'n bei'n ins! Solang du auf'n Hof g'wen bischt, hat's dös it braucht. Mi hamm d' Schmalzkoscht g'habt, wia's da Brauch is, jetzt auf oamal war nix teuer und gut g'nua. Aba da bischt ganz g'stimmt, bal'st moanst, i setz mi an d' Schulden eini. Liaba mach i an Knecht meiner Lebtag.«

Der Notar mußte eingreifen; er brachte die Forderung auf ein Pfund herunter; als er damit fertig war, ging es über Milch und Eier los, über Nudeln und Brot, über die wöchentlich und die jährlich zu machenden Reichnisse, bis man endlich die Viktualien glücklich unter Dach und Fach gebracht hatte.

»Uff!« sagte der Notar, »do möcht m'r au lieber Holz hacka, als mit solche Büffel an Übergab protokolliera. Jetz isch zwölf Uhr vorbei, und d'r Brata verbrennt mer, so g'wiß als wie was. So dicke Bauraschädel mueß it glei wieder wo geba. Also diktiera mir weiter, nächschte Zeil!« wandte er sich an den Schreiber. Die Übergeber bedingen sich als natürlichen Austrag auf Lebensdauer vom Anwesen aus folgende unentgeltliche Leistungen und Reichnisse: a) Die täglich ihrem Alter und ihren Gesundheitsverhältnissen entsprechende Kost über Tisch gemeinsam mit den Übernehmern, wobei ausdrücklich bedungen wird, daß die Übergeber wöchentlich ein Pfund Rindfleisch erhalten sollen und in Krankheitsfällen nötigenfalls auch eine leichter verdauliche Kost.

»Isch so recht?« fragte der Notar.

»Ja, so is ganz recht,« antwortete der Reischl.

»Gott sei Dank; da bin i aber herzli froh. Also weiter.«

Außerdem erhalten die Übergeber täglich b) das ganze Jahr hindurch von Georgi bis Michaeli zwei Liter gute Milch, die übrige Zeit einen Liter, c) täglich von Georgi bis Michaeli jeden Jahres ein Ei. Die übrige Zeit des Jahres fällt dieses Reichnis weg, d) jede Woche am Samstag zwei roggene Nudeln, e) zu jeder Backzeit einen weißen Laib Brot, f) an Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Kirchweih je zwei Pfund nicht zu fettes Schweinefleisch, g) jährlich vier Hektoliter Korn, zwei Hektoliter Weizen, drei Ster einen Meter langes Scheitholz, drei Ster Prügel, einen Schab gehacktes Wied, zwölf Pfund Schmalz, zehn Pfund Kaffee, zehn Pfund Zucker, und jährlich den dritten Teil des im Anwesen gedeihenden Obstes, h) den Übergebern ist das ganze Jahr ein Schaf in Futter zu halten und gut zu verpflegen.

»Hamm mer jetz alles?« fragte der Notar wieder – »oder sollen no a paar Fressalien protokolliert werda?«

»Mehra woll'n mir net; dös is gnua,« antwortete Reischl zufrieden.

»No, i glaub's au; wenn 'r alles eßt, was g'schrieba schteht, na habt'r an guatn Maga, i gratulier. Jetzt kommet die Kleidungsschtück. Da möcht i mer aber ausbitten, daß 'r die saudumme Schtreiterei weglaßt. Des isch si an alter Brauch, was da oiner zum kriaga hat, daß m'r wirkli nix schwätze braucht.«

Unsere Bekannten ließen das alte Herkommen gelten und waren darum sogleich einig. Hiernach wurden dem Reischl geschrieben: jährlich zwei Hemden, ein Schaber, ein Paar Vorschuhe, ein Paar Pantoffel, alle zwei Jahr ein Paar neue Schaftstiefel. Und der Reischlin jährlich zwei Hemden, ein Paar Pantoffel, ein Paar Schuhe, zwei Schürzen, drei Kilo Flachs, alle zwei Jahre ein wollener Rock.

»No, seht 'r, es geht ja,« lobte der Notar, »wenn Vernunft und guater Will da isch, braucht's koi G'schichta. Wenn 'r z'erscht so g'scheit g'wesa wärt, könnt m'r jetzt alle Mittag macha. Jetzt woll'n m'r aber auf's End denka.«

Es kamen noch die Schlußbestimmungen, daß den Übergebern der unverwehrte Aufenthalt in der Wohnstube, die Mitbenützung der Küche und der freie Zugang zum Brunnen zustehen sollte, daß ihnen auf Verlangen die Kost in das Austragstübel verbracht werden müßte, und endlich, daß den Übergebern alle Reichnisse auf eine halbe Stunde Entfernung nachgebracht werden sollten, wenn sie infolge liebloser Behandlung nicht mehr auf dem Anwesen bleiben wollten. Damit war der Übergabevertrag fertiggestellt, und jedermann wird begreifen, daß der Herr Notar erleichtert aufschnaufte. Der Ehe- und Erbvertrag zwischen Andreas Weidenschlager und Emerentia Salvermoser war schnell gemacht. Die mitanwesende Braut wurde in den ferneren gemeinsamen Besitz des Anwesens eingewiesen, und schloß allgemeine Gütergemeinschaft mit ihrem Zukünftigen. Alle Anwesenden setzten ihre Namen unter die Schriftstücke, auch Feichtl als Zeuge dafür, daß Emerentia Salvermoser diese und keine andere sei; dann verließen sie die Kanzlei und gingen in einer Reihe, die ganze Breite der Straße einnehmend, die Marktstraße wieder hinauf. Beim Goldarbeiter machten sie Halt, weil Andreas für sich und seine Braut die Eheringe kaufen mußte. Als auch dieses Geschäft abgetan war, tranken unsere Bekannten noch einige Halbe Bier beim Ziegler und vereinbarten, daß das Stuhlfest in vierzehn Tagen, die Hochzeit aber ein paar Wochen nach Ostern stattfinden sollte. Gegen Abend zu fuhren sie mit der Eisenbahn bis Esterhofen. Hier trennten sich Emerenz und Feichtl von den andern und gingen den direkten Weg nach Watzling. Der Schäfer hatte jetzt Gelegenheit, die Salvermoserin daran zu erinnern, daß seine hundert Mark fällig waren. Er machte auch keine längere Einleitung, sondern steuerte gerade auf sein Ziel los.

»Host 's Geld dabei, Emerenz?« fragte er. »Welches Geld?«

»No, du fragst aba g'spassig. Meine hundert Markl halt.«

»Ja so,« antwortete die Salvermoserin recht zögernd, »ja, i hob scho eppas dabei, aba so weit g'langt's it.«

»Net? Du host do g'wißt, wia ma's ausg'macht hamm, hundert Markl host ma g'hoaßen, an dem Tag, wo d'Übergab notarisch g'macht werd.«

»Ja, g'redt hamm ma scho davo,« sagte die Emerenz, »aba i hob it so viel Bargeld g'habt, und koa Papier hab i mir aa net wechseln woll'n, und nacha hob i mir denkt: hundert Markl, des is ja do oamal z'viel.«

»So? Du moanst es is z'viel? Is des vielleicht it auftroffa, was i vasprocha hab? Hab i mi net rechtschaffa plagt? Hab i di net auf an Hof bracht, der wo 's Anschaug'n wert is?«

»No, no, gar a so plag'n hast di net müassen. Du bist halt oamal mit mir auf Pellham ganga, und heunt auf Dachau. Und z'Dachau hätt'n ma di eh net braucht.«

Feichtl beschloß, einen längeren Streit zu vermeiden. Er wußte, daß die Frauenzimmer halsstarriger werden, je länger sie reden. »Wiaviel hast denn überhaupts bei dir?« fragte er kurz.

Emerenz blieb stehen und langte ihren Geldbeutel heraus. »Sechz'g Markl,« sagte sie, »mehra gor it.«

»Na, mei Liabe, so hamma net g'wett. Du tatst di ganz leicht. Des gibt's gor it.«

»Du host di ja it plagen müassen,« wiederholte Emerenz, »du bist g'rad oamal auf Pellham ganga. Und überhaupts hat de alt Reischlin mei Schwesta kennt. Do hätt'n mir gar koan Schmuser it braucht.«

»Aha,« sagte Feichtl und pfiff vor sich hin. »Bist du aa a solchene? Do bist aba z'spaat aufg'standen, mei Liabe. I will dir was sag'n. I mog koan Prozeß it. Wann i di verklag'n tat, nacha müassest du allesammet zahl'n. Aba balst schlau bist, reibst jetzt neunz'g Markl ei, nacha will i z'frieden sei.«

Emerenz verlegte sich auf's Handeln. Endlich ließ sie sich herbei, achtzig Mark zu geben, und der Schäfer war damit einverstanden. Die Salvermoserin zählte ihm zögernd und mit sichtlichem Bedauern den Betrag auf die Hand. »Des is ganz unverschämt,« sagte sie, »du host di net plagt. Du bist g'rad oamal auf Pellham ganga.«

 

Sechstes Kapitel

Dicht neben der Kirche steht der Pellhamer Pfarrhof. Ein stattliches Gebäude, zwei Stockwerke hoch, mit hellen Fenstern, hinter denen man schneeweiße Vorhänge sieht. Rings um das Haus liegt der Garten, welcher jetzt, im Vorfrühling, ein wohlgepflegtes Aussehen hatte. Schon gleich beim Eintreten erhielt man den Eindruck behäbiger Ruhe und Sauberkeit. Und dieses Gefühl verstärkte sich, wenn man den hochwürdigen Herrn Franziskus Xaverius Staudacher und seine Hausbesorgerin, Fräulein Juliana, erblickte. Der Pfarrer war ein rüstiger Mann in den fünfziger Jahren; aus dem frischen Gesichte, dessen Bäckchen einen rötlichen Glanz hatten, blickten gutmütige Augen; das stark entwickelte Bäuchlein verriet, daß der geistliche Herr den Genüssen dieser Welt nicht gänzlich abgekehrt war. Fräulein Juliana aber bot vollends das Bild eines gesunden, rundlichen Mädchens. Obwohl sie dem Vierziger nicht mehr ferne stand, war ihr Anblick dennoch ein erfreulicher; an ihren reichlichen Formen war nichts Hartes und Eckiges. Ihre Bewegungen waren ruhig und gemessen, und sie entbehrten nicht einer gewissen Hoheit. Wie sie jetzt in der Küche stand, das Gesicht etwas erhitzt von der Arbeit und dem Herdfeuer, war sie wirklich eine appetitliche Person zu nennen.

Sie befand sich in eifrigem Gespräche mit der Ehefrau des Krämers Scharl, welche viel im Pfarrhofe verkehrte und stets allerlei über den Lebenswandel der Dorfbewohner zu berichten wußte. »Denken S' Ihnen nur, Fräulein Julian,« sagte sie eben, »die Forchhamer Cenzi ist wieder da.«

»Die Forchhamer Cenzi? Die in der Stadt drin gedient hat?«

»Ja, die. Sie, die wenn S' heut g'sehen hätten, Fräulein Julian, in der Frühmeß. Nein, so was! Am Seitenaltar is s' g'standen. Ich hab g'rad mei Andacht verricht' und schau bloß amal ganz zufällig hin. Wer is denn jetzt das? hab ich mir denkt. Wissen S', Fräul'n Julian, ich hab s' gleich gar nicht mehr kennt zuerst; ein Moirékleid hat s' ang'habt, in der Mitt an Samtsgürtel, auf'n Hut hat s' eine Straußenfeder g'habt, und an Rock hat s' ein bißerl aufg'hoben, daß ma die Zeugstieferl hat sehen können. Und wie sie sich umdraht, was siech i da? I hab g'meint, i muaß in Ohnmacht fallen, – Handschuh – denken S' Ihnen nur g'rad – Glacéhandschuh hat s' ang'habt – i bitt Ihnen um der Gotts willen, Fräulein Julian, ham S' scho amal so was g'hört, ein ganz an ordinärer Dienstbot und Glacéhandschuh? Nein, was man heuntzutag alles erleben muß, das is schon großartig! I sag's oft zu mei'n Mann, d'Welt kann nimmer lang steh'n, wenn alles verkehrt is.«

Fräulein Juliana hatte aufmerksam zugehört und durch Kopfschütteln ihre entrüstete Mißbilligung gezeigt. »Wie diese Mädchen sich nur nicht schämen!« sagte sie und stemmte ihren rundlichen Arm in die Seite.

»Ja, schämen!« rief die Scharl mit bitterem Hohn, »da kommeten Sie g'rad recht, Fräulein Julian, wenn Sie bei einer solchenen Person ein Schamg'fühl suchen. Die Zeiten sin vorüber, wo sich ein Dienstbot g'schämt hat; protzen tun s' jetzt, und groß tun. Wenn eine in der Stadt g'wesen is, meint s', es is nix mehr gut g'nug herauß bei den Bauern. A Stadtfräulein möcht jede spiel'n, wenn s' auch noch so a g'scheerte Moll'n is, nehmen S' mir's nicht übel, Fräulein Julian, aber es is ja wahr!«

»Leider, leider, Frau Scharl.«

»Und was sin die Folgen von einer solchenen Aufführung?« fuhr die Krämerin eifrig fort, »in der Stadt d'rin umeinanderschlampen, mit alle möglichen Mannsbilder rumfahren und z'letzt gar a Kind krieg'n, weiß niemand, woher – unser Herrgott verzeih mir die Sünd, aber ma muß's ja sagen!«

Fräulein Juliana sah etwas geschämig auf die Seite und murmelte: »Aber ich bitt' Ihnen, Frau Scharl!« – »No ja, is vielleicht net wahr? Was is denn g'wesen mit der Holzapfel Theres? Hat s' vielleicht nicht zwei Kinder der G'meinde ang'hängt? Das Weibsbild, das schlechte, hätt' i beinah g'sagt.«

»Allerdings, die Holzapfel ist eine verworfene Person.«

»Und so sin s' alle, glauben S' nur mir, Fräulein Julian, mit dem Hoffahrtsteufel geht's an, das andere kommt nach. No, zu meiner Zeit hätt' amal so ein Schlampen mit Glacéhandschuh rumlaufen sollen! Runter'zogen hätt' man s' ihr von die Pratzen – entschuldigen S', wenn i heftig werd – und hätt s' ihr a paarmal ums Maul g'haut, bloß damit s' g'wußt hätt, was sie is. Aber heut muß man sich alles g'fallen lassen, sogar in der Kirchen. Daß einem noch dazu die Andacht g'stört wird!«

»Haben Sie s' nicht ang'sprochen, Frau Scharl?«

»Ang'sprochen? Na! Da bin ich mir z'gut dazu! Aber ang'schaut hab ich s', daß sie sich auskennt hat. Ganz feuerrot is s' wor'n, und gleich is sie fort. Ich hab no a paar Vaterunser bet', und nachher hab ich mir denkt: gehst zu der Fräul'n Julian rüber und erzählst ihr's g'schwind!«

»Das is recht, Frau Scharl, jetzt bleiben Sie aber noch ein bissel da und trinken ein Gläsel Nußgeist.«

»Ich dank schön, Fräul'n Julian, aber ich sollt eigentli' heim; mein Mann wart' im Laden, und 's Fleisch muß ich zusetzen.«

»Das pressiert net so; bleiben S' nur.«

»Ja, aber …«

»Nix, probieren S' einmal den Nußgeist; er is nicht schlecht.«

Frau Scharl ließ sich erweichen; sie trank den Schnaps und pries die Vorzüge desselben mit höchst anerkennenden Worten. »Ausgezeichnet; der kann einem den Magen wieder einrichten, aber gelten's, Fräulein Julian, ich halt Ihnen von der Arbeit auf?«

»Durchaus net. Sie sehen ja, daß ich mich net stören lass'.«

Fräulein Juliana hatte eine Teigmasse auf das Nudelbrett gelegt und knetete eifrig daran herum. »Machen S' eine Mehlspeis für'n Herrn Pfarrer?« fragte Frau Scharl.

»Ja, an ausgezogenen Rahmstrudel; aber ich weiß net, heut wird mir der Teig net wie sonst. Ich glaub, es fehlt am Mehl.«

»Ham Sie 's vom Lechleitner?«

»Ja, ich bin sonst recht z'frieden damit.«

»So?« Frau Scharl legte einen eigentümlichen Ton in dieses »So« und hustete dann auffallend. Die rundliche Pfarrersköchin hielt mit dem Teigkneten ein und blickte fragend auf die Besucherin. Diese strich mit der rechten Hand ihren Rock glatt, sah zur Decke hinauf und dann zu Boden. »Ich weiß net, ob ich Ihnen was erzählen soll,« sagte sie plötzlich und ließ eine große Seelenqual merken.

»Aber, Frau Scharl. Sie werden mir's doch net verschweigen, wenn's was Wichtiges is?«

»Eigentli sollt ich's Ihnen sagen, Fräulein Julian, es wär mei Pflicht, aber es tät Ihnen weh, und da laß ich's doch lieber bleiben. Nein, ich sag's net,« wiederholte die Krämerin resolut.

Fräulein Juliana ließ ihre Arbeit liegen und stellte sich vor die Krämerin hin. »Frau Scharl,« sagte sie eindringlich, »Sie haben was aufm Herzen. Wenn Sie meine Freundin sind, dann müssen S' reden.«

Frau Scharl wurde immer verlegener und blickte hilflos in der Küche herum. Sie seufzte tief auf und dann begann sie stockend zu reden. »Auf'n Herzen? Ja, i hab was auf'n Herz'n, es tut mir förmli weh, daß Sie mit Ihrer Gutheit die Leut gar net kennen und net wissen, wie schlecht daß de Welt is. Sehen S', es hat mir an Stich geben, wie Sie voring g'sagt haben, daß Sie 's Mehl beim Lechleitner holen. Sie unterstützen die Leut, die wo's nicht verdienen um Sie. Ich weiß ja, daß g'schrieben steht: ›Tuet Gutes denen, die euch hassen,‹ aber all's, was recht is.«

»Aber ich versteh Ihnen gar net, Frau Scharl, i hab doch nie was g'habt mit die Lechleitner, und i kann mi net beklagen. Er is sehr freundli zu mir und sie auch.«

»Ja, des is ja g'rad die Gemeinheit. Ins G'sicht nei schön tun und hinterm Rücken hernach die abscheulichsten Sachen daher reden. Sie meinen halt, Fräul'n Julian, weil Sie selber eine edle Person sind, es müssen alle Leut a so sein. Da sind S' aber in einem großen Irrtum.«

»So reden S' doch, Frau Scharl, Sie spannen mich auf die Folter! Ich hab' den Leuten nie was in Weg g'legt. Und was können denn die über mich sagen?«

»Also gut, Fräul'n Julian, i will's Ihnen erzähl'n. I hab' zuerst nicht wollen, weil ich mir denkt hab', die Fräul'n Julian is so zartfühlend, daß ihr die Gemeinheit der Menschen einen wirklichen Schmerz bereiten tät. Aber, wenn ich die Sach' recht überleg', is es meine Schuldigkeit, Ihnen Aufklärung zu geben. Es is immer besser, ma weiß, wie ma dran is. Net wahr?«

»Freilich, Frau Scharl, glauben S' mir, ich bin Ihnen dankbar dafür.«

»Sie müssen mir aber versprechen, daß Sie Ihnen nicht zu stark kränken d'rüber, Fräul'n Julian.«

»Kränken? O nein, was die bösen Leut' sagen, des geht nei und geht 'naus, des rührt mich gar net an. Erzählen S' nur!«

»Wissen S', Fräul'n Julian, ich hab's von der Pfaffinger Anna, die hat's selber g'hört, wie s' gestern 's Brot g'holt hat. Der Zollbrecht is im Zimmer neben dem Laden d'rin g'standen und hat mit'n Lechleitner dischkriert. Die Pfaffinger hat g'sagt, sie hätt eigentlich gar nicht Obacht geben, wenn s' nicht gar so g'lacht hätten. Des is ihr aber aufg'fallen und noch dazu hat s' auf einmal Ihren Namen g'hört.« – »Mein Namen?«

»Ja, Fräul'n Julian. Passen S' nur auf! Sie hab'n von der Fastenzeit g'redt, und daß an Herrn Pfarrer hart ankommen werd, wenn er kein Fleisch kriegt und drei Tag lang Hecht'n und Karpf'n essen muß. Da hab'n sie sich recht spöttisch g'macht d'rüber, was des für eine Entsagung wär.«

»Das ist aber eine Gemeinheit!«

»Des Ärgere kommt no, Fräul'n Julian. Wie s' so g'lacht hamm, hat der Lechleitner g'sagt: ›O jegerl, a bisserl a Fleischspeis hat der Pfarrer trotz de Fasttäg. I glaub,‹ hat er g'sagt, ›sei liebste Fleischspeis ist die Fräul'n Julian.‹«

Das Gesicht der Pfarrersköchin wurde von einer brennenden Röte überzogen, ihre gutmütigen Augen nahmen einen finsteren Ausdruck an, und ihre Stimme klang merkwürdig hart, als sie ihrer Entrüstung Worte verlieh. »Nein, so was! Eine solchene Verleumdung muß man sich gefallen lassen von einer solchenen Bagasch! Aber i werd's an Herrn Pfarrer sag'n. Auf der Stell geh i aus 'm Haus, wenn er mir kei Ruh verschafft vor de boshaften Ehrabschneider. Nein, so was!« Und Fräulein Juliana machte es, wie alle Frauenzimmer, wenn sie sich nicht mehr helfen können. Sie setzte sich auf den Küchenschemel und fing gottesjämmerlich zu weinen an. Frau Scharl zeigte sich jetzt als menschenfreundliche Trösterin. »Aber Fräul'n Julian! Is das Ihr Versprechen, daß Sie Ihnen nicht kränken wer'n? Wenn ich das g'wußt hätt', nein, lieber hätt' ich mir die Zung' abbissen, als daß ich ein Wort g'sagt hätt.«

»Warum ärgern S' Ihnen denn so?« fuhr sie fort, als die Pfarrersköchin noch stärker schluchzte. »Sie kennen doch die Leut', wie sie sind. Da muß ma gar net aufpassen. Solchene Menschen sind ja viel zu gemein.«

Fräulein Juliana zog die Schürze von ihrem Gesichte weg und stieß ein paar Worte hervor. »Tag und Nacht … plag i mi … Nix is mir zu viel … keine Arbeit … und … nacha muß man … sich so was sag'n lassen! Hu … hu … hu …«

»Ja, aber Fräul'n Julian, Sie müssen doch denken, wer hat des g'sagt? Der Lechleitner! Des weiß ja das ganze Dorf, was der für eine Goschen hat. Dem is nix heilig. Und glauben tut er auch nix. Im ganzen Jahr geht er einmal zum Beichten, und macht no schlechte Witz d'rüber und möcht anderne Leut spötteln, die wo frömmer sind. Schauen S', was hat er von mir g'sagt? Sei Magd hat mir's wieder verzählt. Weil i alle acht Tag die heilige Beicht verricht', hat er's Maul aufg'rissen: ›De werd schon wissen, warum s' in alle Beichtstühl rumkugelt,‹ hat er g'sagt, ›de hat alle Wochen ihre sieben Todsünd'n beinander.‹ Schauen S', das is doch noch viel ärger, aber ich hab mir denkt, der Gerechte muß leiden und unser Herrgott wird schon wissen, warum er das zulaßt, daß ein solcher ausg'schämter Haberfeldtreiber auf der Welt is. Da müssen S' Ihnen gar nix draus machen.«

Fräulein Juliana beruhigte sich langsam und wischte sich die verweinten Augen aus. Sie erklärte, daß sie am liebsten noch heute den hochwürdigen Herrn von der Verleumdung in Kenntnis setzen möchte, aber daß sie es unterlasse, weil er einen zu starken Schmerz empfinden würde. Frau Scharl bestärkte sie hierin und empfahl sich, indem sie noch öfter versicherte, daß sie lieber nichts gesagt hätte, wenn ihr nur das Gewissen eine Ruh gelassen hätte. Sie verließ den Pfarrhof mit dem freudigen Bewußtsein, daß ihre Worte nicht achtlos verhallt waren.

Fräulein Juliana blieb nicht lange allein mit ihrem Schmerze. Nach einer kurzen Weile trat Franziskus Xaverius Staudacher in die Küche ein und erkundigte sich teilnehmend nach den bevorstehenden Genüssen des Mittags. »Was hamm S' heut Gut's aufkocht, Juli?« fragte er und tätschelte mit vielem Wohlwollen die Wange seiner wertgeschätzten Hausbesorgerin. Diese berichtete und erntete insbesondere bei Erwähnung des Rahmstrudels lobende Anerkennung. Als Fräulein Julian wieder so recht die freundliche Gesinnung ihres Herrn vor Augen sah, fielen ihr unwillkürlich die rohen Worte des Bäckermeisters Lechleitner ein, und gegen ihren Willen füllten sich die Augen mit Wasser. Es waren aber nicht mehr Tränen des Zornes. Eine wehmütige, weiche Stimmung überkam sie und wurde immer mächtiger, je mehr sich der Pfarrer Mühe gab, zu beschwichtigen. Endlich nach langem, eindringlichem Fragen erfuhr der hochwürdige Herr, wessen ihn der verruchte Lästerer bezichtigt hatte.

Die Wirkung war jedoch keine niederschmetternde, und Fräulein Juliana, welche mit zaghafter Scheue auf den Gebieter blickte, sah mit Staunen, daß ein leichtes Schmunzeln um seine Lippen spielte. Und was sie hörte, war nicht weniger merkwürdig. »No, Juli,« sagte Franziskus Xaverius Staudacher, »daß des net wahr is, wissen wir zwei am besten. Aber,« – fuhr er fort, und dabei ging wieder ein schalkhaftes Lächeln über sein Antlitz –, »aber mei liebe Juli, des größte Unglück war des noch lang net.«

»Jessas Maria! Aber, Hochwürden!«

»No, was is da dabei? Des darf ma ja sagen. I mein natürli, wenn i net Geistlicher, sondern weltlichen Standes wär', net wahr? Dann könnt man ja die Sach noch überlegen,« sagte der joviale Pfarrer. Dann krümmte er Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand und zwickte der errötenden Köchin in die Backen.

In diesem nicht ganz unverfänglichen Augenblicke fiel die Haustüre geräuschvoll ins Schloß, und man hörte schwere Tritte auf dem gepflasterten Gange. Der geistliche Herr verließ seine Hausverwalterin, welche nunmehr in gefaßter Stimmung ihre Arbeit wieder aufnahm, und erblickte im Hausflur vier Personen.

Es waren unsere Bekannten: Andreas Weidenschlager, seine Braut Emerentia Salvermoser, ferner die Ökonomen Johann Zollbrecht von Pellham und Kaspar Langenecker von ebenda. Der Pfarrer begrüßte sie kurz und hieß sie in sein Studierzimmer eintreten. »Aha,« sagte er, »des is ja der Reischl Andrä; du kommst zum Stuhlfest. Also das is die Braut?«

Emerenz sagte nichts, sondern hielt die Hand geschämig vor den Mund, was als Bestätigung gelten konnte.

»Und ihr zwei kommt's als Zeugen?« wandte sich der Pfarrer an die andern.

»Ja,« antwortete Zollbrecht, und Langenecker nickte mit dem Kopfe.

»So? No, nachher müssen wir halt die Sach aufnehmen. Wie heißt die Braut mit ihrem vollen Namen?«

Emerenz tat die Hand vom Mund weg und blickte zu Boden. »Emerentia Salvermoser,« sagte sie in singendem Ton, wie sie es in der Schule gelernt hatte. Der Pfarrer setzte sich an den Tisch und schrieb die Angaben nieder.

»Emerentia Sal… ver… moser. Schön. No, wie heißen die Eltern: Leben s' oder sind s' tot?«

»Der Vater hat geheißen Simon Salvermoser und er ist gestorben,« antwortete die Braut.

»Wo is er g'storben?«

»Er ist gestorben zu Eisolzried den 17. Oktober 1899.«

»Mhm! No, und die Mutter?«

»Die Mutter heißt Genovefa Salvermoser, und sie lebet noch.«

»Was is d' Mutter für eine Geborene?«

Diesmal versagte die Antwort. Emerenz sah verständnislos auf ihren Bräutigam.

»I mein, wie d' Mutter g'heißen hat im ledigen Stand?« wiederholte der Pfarrer.

»Im ledigen Stand hat sie geheißen Genovefa Lichtensperger.«

»Und wo lebt sie?«

»Sie lebt in Unterbachern.«

»Also, hamm ma's ja! No, verwandt san die zwei Brautleut net mitanand? Könnt's ihr das bestätigen?« wandte sich der hochwürdige Herr an die Zeugen.

»Na, nix verwandt,« erwiderte Zollbrecht.

»Ledig san s' aa alle zwei. Net, daß oans scho verheirat war?«

»Nix, do feit si nix,« gab Langenecker zurück. »Si is ledig und er aa.«

»Ja, vom Andrä weiß ich's selber,« sagte der Pfarrer. »Und katholisch seid's auch alle zwei?«

»Scho,« erwiderte Andrä.

»Sonstige Ehehindernisse bestehen nicht; also wär' ma so weit, daß mir das kirchliche Aufgebot erlassen können. I hab g'hört, es pressiert euch ein bissel wegen der Übergab?«

»Ja, es waar ins scho ganz recht, bal ma net lang aufg'halten war'n,« meinte Andrä.

»No, bei uns geht's g'schwind g'nug,« sagte der Pfarrer, »wenn nur die Papier in Ordnung san, daß die weltliche Behörde kein Anstand macht.«

»I bi in Bezirksamt drin g'wen; der Assessa hat g'sagt, in a drei, a vier Wocha is alles beinand.«

»No, von mir aus seid's net aufg'halten; i will euch das erstemal verkünden am Sonntag nach Ostern und das zweite und drittemal z'gleich am zweiten Sonntag. Is so recht?«

»Ja, so hamm mir's aa g'moant,« erwiderte Andrä.

»Also, paßt's auf! I les' euch jetzt das Aufgebot vor; wenn was net stimmt, dann sagt's mir's! Halt, da fallt mir grad was ei! Die Eltern vom Andrä weiß ich, aber wie hat denn d'Mutter sich ledig g'schrieben?«

»Barbara Finkenzeller.«

»Bar… ba… ra Finken… zell… er. So gebt's Obacht!«

Der Pfarrer las vor, langsam und mit guter Betonung:

»Zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich versprochen der tugendreiche Jüngling Andreas Weidenschlager, ehelicher Sohn des Bartholomäus Weidenschlager, Bauer in Pellham, und der Barbara Weidenschlager, geborenen Finkenzeller, beide noch lebend, und die tugendsame Jungfrau Emerentia Salvermoser, eheliche Tochter des Simon Salvermoser, Bauer in Eisolzried, seligen Angedenkens, und der Genovefa Salvermoser, geborenen Lichtensperger, diese noch lebend. – War alles in Ordnung?«

Die Brautleute bestätigten, daß nichts gefehlt habe.

»So,« sagte der Pfarrer, »nachher können die Zeugen geh'n; die Brautleut bleiben noch ein bissel da bei mir.«

Zollbrecht und Langenecker entfernten sich, und nunmehr lud der geistliche Herr den Andrä und die Emerenz ein, auf dem Ledersofa Platz zu nehmen, während er sich ihnen gegenüber auf einem Sessel niederließ. Man merkte es dem hochwürdigen Herrn an, daß er an die Ausübung seiner amtlichen Stellung und Gewalt heranging; sein Gesicht wurde ernst, die Stimme klang bedächtig und salbungsvoll, und seine Rede begleitete er mit abgerundeten Bewegungen der rechten Hand.

»Ihr wollt also das heilige Sakrament der Ehe eingehen,« hub er an; »wisset ihr auch, welch einen wichtigen Schritt ihr tuet?«

Andrä und Emerenz merkten, daß so eine Art Predigt kommen würde, und richteten sich zurecht, wie sie dies in der Kirche zu tun pflegten. Andrä drehte seinen Hut in den Händen und sah in eine Ecke des Zimmers, Emerenz saß etwas gebückt und blickte in ihren Schoß.

»Der Ehestand,« fuhr der Pfarrer fort, »ist unter allen Ständen der erste, älteste und verehrungswürdigste; er ist der Grund und die Quelle der menschlichen Gesellschaft. Wer den Ehestand antreten will, muß zuvor wohl bedenken, ob er imstande ist, ein Hauswesen geschickt zu führen, Kinder gut zu erziehen und sich und den Seinigen das tägliche Brot zu gewinnen. Wer heiraten will, der sehe nicht bloß auf Geld und Reichtum! Keine Heirat ist so gefährlich, als wie die Heirat nach Geld. Da fragt man nicht, ob die Person häuslich, tugendhaft, geschickt und ordentlich ist, sondern die einzige Frage ist: Wie viele Tausende bringt die Person an barem Gelde? Und noch zwei andere Punkte sind bei der Geldheirat recht bedenklich. Erstens, man macht den Reichtum gemeiniglich um viel größer, als er ist, und in dieser Sache wird oft entsetzlich gelogen. Oft macht man eine Person, die man gerne anbringen möchte, tausend Taler reich, da sie kaum die Hälfte aufzählen kann; und manchmal verspricht man eine großmächtige Summe entweder bar, oder in Fristen, und wenn es auf die Bezahlung ankommt, so sieht man kaum den sechsten Teil davon.«

Hier zwinkerte Andrä ein weniges mit den Augen, und dachte bei sich, daß einer schön dumm sein müsse, wenn er sich zuerst keine Gewißheit verschaffe.

»Und zweitens,« sagte der hochwürdige Herr, »gesetzt auch, man erhält die Summe ganz, was nützt eine Person, die zwar reich, aber dabei zänkisch, stolz, verschwenderisch oder eine dumme Gans ist? Ein Beispiel: Ein gewisser Bürgerssohn auf dem Lande hatte von seinem Vater viele Güter ererbt, und er war der reichste im Orte. Er wollte eine recht Vornehme heiraten und nahm sich eine Frau aus der Stadt; diese brachte ihm Geld wie Laub. Allein sie hatte von der Hauswirtschaft so wenig Kenntnis wie ein neugeborenes Kind. Die Dienstboten hatten einen Hauptspaß mit ihr und betrogen sie vor ihren eigenen Augen. Einstmals kam sie in die Küche, und da sah sie, wie eben die Magd von der Milch den Rahm abschöpfte und aß. Die Frau fragte: Was tust du da? Die Magd antwortete: Ich muß ja die Milch abschäumen, und ehe ich den Schaum ins Feuer werfe, will ich ihn lieber essen. Damit ließ sich die junge Frau abspeisen. Man kann leicht denken, was das für eine Wirtschaft war. Bald danach kamen sie in Schulden und von den Schulden in die bitterste Not.«

Als Emerenz von dieser Dummheit einer Hauswirtin hörte, vergaß sie den Ernst der Situation. Zwar versuchte sie zuerst das Lachen zu unterdrücken, allein je mehr sie es hinunterwürgte, desto heftiger überkam es sie wieder, bis sie endlich nachgeben mußte und hinter der vorgehaltenen Hand in ein unbändiges Gelächter ausbrach.

Der Pfarrer hielt eine Weile inne und nahm eine Prise Schnupftabak, bis daß sich die Heiterkeit der Braut etwas legte. Dann fuhr er weiter: »Wer glücklich heiraten will, der heirate auch nicht bloß nach Schönheit. Nichts ist vergänglicher, als Schönheit und besonders die weibliche. Durch eine einzige Krankheit, und oft schon bei dem zweiten Kindbett ist sie gänzlich verloren. Die vernünftige Liebe merkt vorzüglich auf die Schönheit der Seele, das heißt auf die Tugend und auf die schönen Eigenschaften, welche die Person besitzt. Ist das Weibsbild gottesfürchtig, sittsam, bescheiden und freundlich, liebt sie die Arbeit und versteht sie sich auf die Hauswirtschaft, so hat sie schon die allerschönsten Eigenschaften, welche mit keinem Golde zu bezahlen sind.«

Dem Andrä kam die Rede etwas lang vor, sie machte nicht genügenden Eindruck auf ihn. Er hielt den Hut vor sich hin und öffnete den Mund sperrangelweit zu einem Gähnen. Der hochwürdige Herr bemerkte dies wohl, allein er hegte durchaus nicht die Absicht, von dieser Rede, welche er seit mehr denn zwanzig Jahren jedem Brautpaare hielt, auch nur eine Silbe zu opfern. Er verstärkte seine Stimme und erreichte, daß Andrä in die vorige Stellung zurückkehrte.

»Drei Tugenden müssen im Ehestande fleißig beobachtet werden, die Mäßigkeit, die Schamhaftigkeit und die Reinlichkeit. Denn ohne diese wird die eheliche Liebe von keiner langen Dauer sein. Die Mäßigkeit macht alle Freuden angenehm. Wer recht gut und delikat essen will, der muß warten, bis er Hunger hat, und er muß zu essen aufhören, sobald der Hunger gestillt ist. So auch da. Die Unmäßigkeit in diesem Stücke hat ganz fürchterliche Folgen, besonders für die Mannspersonen. Die Lebensgeister werden vermindert, die Eingeweide geschwächt, das Gehirn ausgezehrt, die Augen verderbt und entzündet. Alle Ärzte bestätigen dieses. Ebenso fleißig sollen Eheleute auch trachten, unter sich die Schamhaftigkeit zu erhalten. Da meinen aber wieder viele Eheleute, diese Tugend habe unter ihnen keinen Nutzen mehr, und nach der Kopulation dürfen sie tun, was sie wollen. Allein, das bringt erstaunlichen Schaden. Sie geben ihren Hausgenossen viele Ärgernis und machen sich bei ihren besten Freunden verächtlich.«

Auch Emerenz zeigte jetzt einige Ungeduld. Sie richtete an ihrem Kopftuche, schnupfte oftmals auf und sah nicht mehr in ihren Schoß, sondern zur Decke hinauf. Dieses veranlaßte den Pfarrer, wieder lauter zu reden, noch dazu, weil es gegen den Schluß hinging.

»Die Reinlichkeit,« sagte er, »ist eine reizende Tugend; sie steht besonders dem weiblichen Geschlechte wohl an. Nichts ist widerwärtiger als Unsauberkeit, und jede Frau soll sich hüten, daß sie durch keine schmutzige Gestalt sich grauslich macht. Diese Mahnungen beherzigt, bevor ihr in den Ehestand tretet, und nehmet euch vor, nach diesen Grundsätzen zu leben. Dann wird die eheliche Liebe von Tag zu Tag stärker, und ihr werdet einen dauerhaften Frieden und Segen in eurem Hauswesen haben. – So und jetzt könnt's geh'n,« fügte der Pfarrer hinzu.

Die Brautleute erhoben sich und trappten nach kurzem Gruße eines hinter dem anderen aus dem Zimmer. Sie schritten durch die Dorfgasse und achteten nicht der Schönheiten um sie herum. Es war ein wunderschöner Märztag. Man konnte meinen, die Erde atme in tiefen Zügen die klare Luft ein und gebe beim Ausströmen den frischen, kräftigen Duft wieder, von dem alles erfüllt war. Wie ein ausgelassener Junge plätscherte der Bach über die Kieselsteine, froh darüber, daß wieder Schneeglöckchen und Schlüsselblumen an seinem Rande wuchsen und in dem klaren Wasser sich spiegelten. Von dem zarten Grün der Wiesen hoben sich in langgestreckten, wellenförmigen Linien die tiefschwarzen Ackerfurchen ab, und über allem lachte ein blauer Himmel. Andrä und Emerenz schritten schweigend dahin; da und dort sah ihnen ein neugieriges Frauenzimmer nach; aus dem einen und anderen Hof klang ein scharfer Pfiff, und wenn Andrä sich umdrehte, nickte ihm ein Bekannter grüßend zu.

Als sie beim Reischlanwesen angelangt waren, erklärte Emerenz, daß sie ohne Aufenthalt nach Watzling gehe, sie habe keinen Appetit und wolle sich nicht noch länger verhalten.

Andrä hatte dagegen nichts einzuwenden und ließ die Braut ihres Weges ziehen.

Er selbst schritt langsam in den Hof und rief einem Knecht zu: »Du, Jakl, bal moring 's Wetta aushalt, nacha fanga mir mit da Gersten o.«

 

Siebentes Kapitel

Wenn man von Pellham nach Prittlbach geht, sieht man links von der Straße, außerhalb des Dorfes, ein kleines, unansehnliches Haus. Das große, weit vorspringende Strohdach könnte einen anheimeln, aber dieser Eindruck wird gestört durch die Unsauberkeit und Unordnung, welche man sonst bemerkt. An dem einen der beiden Fenster hängt windschief ein schmutzig aussehender Fensterladen, die anderen fehlen, an der Mauer hängen dicke Spinnweben, und vor dem Hause liegen in buntem Durcheinander allerlei Feldgeräte, übel gehalten und schadhaft; die Stalltüre hängt schlecht in den Angeln, und man sieht durch den klaffenden Spalt zwei magere Kühe auf unreinlicher Streu liegen. Man heißt es hier beim »oberen Stackl«, und das Häusel gehört dem Johann Angermayer, oder, wie man ihn kurzweg heißt, dem »Stacklhans«. Er hatte einmal in besseren Verhältnissen gelebt. Das war noch zu Lebzeiten seiner Frau, die eine sparsame und fleißige Hauswirtin gewesen war. Damals sah das Anwesen nicht so verlottert aus, und war auch kein Reichtum vorhanden, so fehlte es doch niemals am Notwendigen. Aber die Frau starb bald nach dem ersten Kinde, und der Stacklhans nahm eine ledige Schwester zu sich, die ihm das Hauswesen ohne Freude und ohne richtiges Verständnis führte. Er selbst wurde ein Wirtshaushocker. Zuerst ging er zum Trinken, weil es ihm daheim bei dem alten Zankeisen nicht gefiel, und später, weil er es so gewohnt war und nicht mehr anders konnte. Das Gütel kam herunter, und nachdem der Gerichtsvollzieher das erstemal da war, mußte er seinen Besuch öfter wiederholen. Der Stacklhans frettete sich von einem Termin zum anderen durch und verließ sich darauf, daß seine Gefreundeten hilfreich beisprangen.

Der Bauer weiß kein ärgeres Unglück, als von Haus und Hof zu kommen, und deswegen hatte sich der Hans mit seinem gläubigen Vertrauen bis jetzt noch nicht verrechnet. Er blieb bei allen Drangsalen guten Mutes und war so heiteren Gemütes wie einer, dem fünfzig glatte Kühe im Stalle stehen. Von Haus aus war er ein witziger Mensch, und der Wirt sagte oft, daß es erst lustig werde, wenn der Stacklhans bei der Tür hereingehe. Die Späße gingen bei ihm nicht aus; wenn er keine neuen mehr wußte, fing er wieder mit den alten an, und er fand stets dankbare Zuhörer. An jedem Tisch wurde er zum Sitzen eingeladen, und die Leute fingen das Lachen an, noch vor er den Mund auftat; denn sie wußten, daß etwas Lustiges kommen werde.

Diese Gaben brachten dem Johann Angermayer manche Annehmlichkeiten; nicht selten hielt ihn der Wirt zechfrei, und auch von den Gästen fand der eine und andere, daß anregende Unterhaltung mit einer Maß Bier nicht zu teuer erkauft sei. Außerdem war der Stacklhans wegen seiner Talente Hochzeitlader geworden. Das ist ein Amt, bei dem man vor allem eines guten Mundwerkes bedarf, und es bildet bei richtiger Ausnützung eine gute Einnahmequelle. So lange die Einladungen dauern, hat man beim Wirt freien Tisch; alles, was der Hochzeitlader ißt und trinkt, geht auf die Rechnung der Brautleute; die Eingeladenen lassen etwas springen, und die Hochzeit selber trägt gut fünfzig Mark. Angermayer hatte sohin einigen Grund, sich über die vorhabende Heirat des jungen Reischlbauern zu freuen. Die Anzahl der Verwandten und Gefreundeten war eine große; es mußten weit über zweihundert Personen geladen werden, und manche wohnten drei Stunden und noch weiter weg.

Die Vorbereitungen brauchten reichlich zwei Wochen, und, da fast alle Geladenen wohlhabende Bauern waren, mußte ein schönes Trinkgeld zusammenkommen. Dies waren günstige Aussichten, und der Stacklhans konnte mit Fug und Recht schmunzeln, als er seinen langen Bratenrock anzog, um nach Wunsch des Brautpaares mit der Ladung zu beginnen. Er steckte einen Strauß von Rosmarin auf den Hut und eröffnete seine Tätigkeit, indem er sich in das Wirtshaus begab und eine gewaltige Zeche machte. Erst in später Nachmittagsstunde erinnerte er sich, was seines Amtes sei, und ging in das Haus des Ökonomen Peter Weiß, welcher Bürgermeister von Pellham war.

Als diesem die Ankunft des Hochzeitladers gemeldet wurde, holte er seine Bäuerin aus der Milchkammer und beide erwarteten nun mit würdigem Ernste, was ihnen verkündet würde. Johann Angermayer stellte sich vor sie hin, zog seinen Hut und begann: »Zum heiligen Sakrament der Eh' hat sich versprochen der ehrbare Jüngling Andreas Weidenschlager und die tugendsame Jungfrau Emerentia Salvermoser. Dieweil Gott der Allmächtige das ehrsame Brautvolk hat erfordert, daß sie alsbald das heilige Sakrament der Eh' antreten, so sollte ich anstatt dem ehrbaren Jüngling Hochzeiter, wie auch wegen der ehr- und tugendreichen Jungfrau Hochzeiterin euch freundlich in die Hochzeit laden von Gottesgnaden zum löblichen Pfarrgotteshaus in Pellham, allwo Rast hält der heilige Jakob wie auch Gott und unsere liebe Frau, da werden sie am künftigen Donnerstag vor Kantate ihre priesterliche Einsegnung erhalten mit heiligem Amt, das uns ein hochgeweihter Priester singt vom Anfang bis zum End, bis er uns aufgewandelt das Allerheiligste Altarsakrament. Darnach wird er uns geben den Sankt Johannessegen, den uns Christus der Herr hat selbst hergericht und hergeben, und wenn wir dieses alles haben verrichtet in Ehren, so gehen wir zum Herrn ehrengeachteten Martin Schinkel, Wirt und Gastgeber alldort, in seine Behausung, und da wer'n wir eine hellklingende Musik hören, wie auch zu Ehren ein ehrliches Mahlgeld geben, denn über das Mahl gibt man vier Mark, wie es ist in aller Hochzeiten der Brauch. So seid ihr als Vetter und Base auf das allerfreundlichste geladen ein, zum Hochzeiter am Donnerstag früh zu Bier, Brot und Branntewein.«

Die Weißischen Eheleute hatten aufmerksam zugehört und kein Wort von dem Spruch verloren, obwohl dies nicht leicht war. Denn der Stacklhans sagte ihn schnell herunter und hielt sich nicht lange auf, wenn ein Satz zu Ende war und ein anderer anfing. Er machte bloß eine Pause, wenn ihm der Schnaufer ausging, aber dann tat er es mitten in einem Worte und kümmerte sich nicht darum, daß es auseinandergerissen wurde.

Als Johann Angermayer schwieg, dankte der Bürgermeister und versprach, zu kommen; die Bäuerin machte den Hochzeitlader darauf aufmerksam, daß sie Nudeln gebacken habe, und händigte ihm mehrere ein, nachdem er seine Zusage erteilt hatte. Unter der Tür verhielt sich der Stacklhans noch ein weniges und äußerte sich günstig über die Eigenschaften des Brautpaares. »Es san alle zwoa richtige Leut',« sagte er; »der Andrä mag arbeten und kennt si aus. Wann ma's richti betracht', hat er scho zwoa Jahr lang an Hof regiert. Der alt Reischl is nix mehr g'wen, des woaß ma ja. O'g'schafft hat der Jung, jetzt g'hört's eahm aa zu, daß er 's Sach kriagt.«

»Was is denn d' Hozeiterin für oane?« fragte die Weißin, – »i ho vernomma, daß sie a Schwester is von da Schneiderbäurin z' Watzling. Do waar scho Geld dahoam.«

»Ja, Geld g'rad gnua,« antwortete Hans, »do feit si nix. Der Schäfa, der Feichtl, den kennt's ja, der hot ma g'sagt, daß sie a ganz a Schware is, de hat Geld wia Heu. Und a sunst is sie a richtig's Weibsbild. Fleißi, sparsam, und ko mit'n Viech umgeh'. Des letzte halbe Jahr is sie bei ihrer Schwester g'wen, und d'Schneiderbäurin is koa Guate, wia'r i hör.«

»Ja, g'wiß it,« sagte die Weißin.

»No aba mit der Emerenz is sie wohl z'frieden g'wen. Sie lobt sie stark und sagt, daß so oane net glei wieda auf n Hof kimmt, als wia d' Schwester.«

»Des is recht,« fiel der Bürgermeister ein; »i gunn's an Andrä, daß er a richtige Bäurin kriagt. Des is was wert.«

»I glaab's wohl,« sagte Hans, »des spür i aa; bei mir waars aa anderst, bal de mei no lebet; aba jetzt is scho, wia's is. Also pfüat Good, i geh wieda, ich muaß heunt no viel umanand.«

Er reichte dem Bürgermeister die Hand und bemerkte mit Wohlgefallen, daß ein Geldstück dabei hängen blieb. Er sah es nicht an, aber er fühlte an der Größe und an dem kantigen Rand, daß es eine Reichsmark sei. Nach kurzem Gruß entfernte er sich und ging in das nächste Haus, wo er den gleichen Spruch mit dem gleichen Tonfall heruntersagte. Während Johann Angermayer also in den Vorfreuden der Hochzeit schwelgte, ging im Reischlhofe alles im gewohnten Geleise. Die Tage verstrichen ohne Aufregung und ohne bemerkenswertes Ereignis. Sie brachten nichts als rechtschaffene Arbeit. Die Saatzeit war gekommen. Sonne und Wind hatten den Boden getrocknet, und die fruchtbare Erde harrte des Samenkorns. In aller Herrgottsfrüh mußte Andrä hinaus zur Arbeit. Mit gewichtigen Schritten ging er über die langgestreckten Schollen und streute den Sommerweizen über das Land. Hinter ihm fuhr der Knecht mit der Egge, und war ein Tagwerk bestellt, dann kam ein anderes an die Reihe, auf dem wohl Hafer oder Gerste angebaut wurde. Jeden Abend setzte sich der Bräutigam steinmüd auf die Ofenbank und dachte nicht an die Emerentia Salvermoser, sondern daran, was am nächsten Tage zu schaffen sei. Die ehr- und tugendreiche Braut mußte sich mehr mit der vorhabenden Hochzeit beschäftigen, denn sie richtete ihre Aussteuer zusammen und sorgte dafür, daß nichts fehle. Als ihr Kammerwagen von Watzling nach Pellham fuhr, bot er einen stattlichen Anblick und alle Leute sagten, daß die künftige Reischlin ein schönes Sach beieinander habe.

So war der Hochzeitstag erschienen; Donnerstag vor Kantate, als man den 30. April schrieb. Des Morgens um acht Uhr und schon früher fuhr ein Wägerl nach dem andern beim Gastwirte Martin Schinkel vor, und von jedem stieg ein festlich gekleidetes Paar herunter. Auf der Landstraße und über die Waldwege her sah man viele Leute gehen; alle kamen zum Ehrentage des Andreas Weidenschlager und versammelten sich vor seinem Hause. Wir sahen manchen Bekannten darunter. Die zwei Zeugen Zollbrecht und Langenecker, den Bürgermeister Weiß, welcher schon gestern die standesamtliche Trauung vorgenommen hatte, und in aller Mitten: den Schlauberger Nepomuk Feichtl. Er kam nicht als geladener Gast, sondern nur als Zuschauer. Obwohl er verstimmt war, daß man ihn mit Absicht übergangen hatte, wollte er doch nicht verfehlen, diese Hochzeit zu sehen, welche vorzüglich sein Werk war. Vom Wirtshaus her nahte sich jetzt ein kleiner Zug. Voran schritt der Hochzeitlader, hinter ihm kamen die Braut mit der Kranzeljungfrau Notburga Langenecker, dann die alte Mutter der Hochzeiterin mit der Schneiderbäuerin. Als sie am Reischlanwesen anlangten, stand Andrä neben den Eltern und dem Kranzeljungherrn bereits draußen. Der Hochzeitlader trat vor, entblößte das Haupt und sagte den Urlaubsspruch: »Ich bitte euch, ihr wollet sein ein wenig still, aber nicht meinetwegen, sondern weil ich wegen dem ehrbaren Jüngling Hochzeiter etliche Worte vorbringen will. So laßt euch aber meine Worte nicht verdrießen, denn ich werde es machen kurz und auch bald beschließen. Denn das weiß der ehrbare Jüngling Hochzeiter auch gar gut, daß sich das viele Gespräch nicht mehr recht schicken tut, und darum hat mich der ehrbare Jüngling Hochzeiter heute früh schon so freundlich gebeten, ich möchte doch anstatt seiner reden und diese Stell vertreten. Wie er aber heut in der Früh ist gestanden auf, da hat er sich schon gereinigt und mit dem Wasser gewaschen seinen Mund und er hat sich besprengt mit dem heiligen Weihwasser und hat in Andacht gesprochen im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Dann ist er niedergefallen auf seine Knie und hat mit weinenden Augen und aufgereckten Händen gebetet zu seinem heiligen Schutzpatron zwei Vaterunser und Ave Maria. Heute werde ich dem ehrbaren Jüngling Hochzeiter noch etliche traurigen Worte zu Herzen reden, denn er will heut seinen ledigen Stand verlassen. Jetzt ist er noch da; weil er aber heut in anderen Stand tut kommen, so tut er von euch allen freundlichen Urlaub nehmen. Er nimmt Urlaub von den Knechten und von den Dirnen, er nimmt Urlaub von der ganzen Gegend und der hier umliegenden Nachbarschaft. Wenn er einmal, sagt er, in seinem ledigen Stand einen Menschen beleidigt hat, so laßt er euch alle im Namen Jesu von Herzen bitten, ihr sollt es ihm doch verzeihen, denn er tut ja auch das Gleiche. Er nimmt jetzt Urlaub von Wasser und Land, er nimmt auch Urlaub von seinem so schönen ledigen Stand. Und jetzt nimmt er noch einmal Urlaub von diesem Haus und Hof, von seiner eigenen Heimat und Herberg; er nimmt Urlaub von seinen so schönen Jünglingstagen und dem schönen Ehrenkranz, den er auf seinem Hut tut tragen.

Jetzt aber, ehrbarer Jüngling Hochzeiter, ich hab mich gewendet hin und her, ich sehe Vater und Mutter. Das bringt dir große Freud, weil deine herzlieben Eltern sind noch bei Leben und noch keines ist in der Ewigkeit. Tu dich noch einmal zu deinem herzliebsten Vater wenden, empfange ihn bei den Händen und sage aber auch ›'Gelt's Gott‹ daneben für alles, was er dir hat gegeben. Besonders um deine Heimat, welche er im Schweiße seines Angesichtes für dich erworben hat. Wende dich aber auch noch einmal zu deiner herzliebsten Mutter und empfange sie bei den Händen und sage auch ›'Gelt's Gott!‹ daneben für alles, was sie dir hat gegeben. Dann denke zurück, daß sie dich hat neun Monate unter ihrem Herzen getragen. Sie hat dich mit den größten Schmerzen geboren und hat dich als ein unmündiges Kind aufgezogen. Denke zurück an jene Stund, wo sie dir das Essen hineingegeben mit dem Finger in den Mund, und versprich ihr fürwahr, daß du sie willst nicht verlassen in aller Not und aller Gefahr, in aller Trübsal, Angst und Not, daß du willst teilen mit ihr jedes Stücklein Brot. Jetzt, ehrbarer Jüngling Hochzeiter, werde ich meine Rede bald beschließen, weil wir in das löbliche Pfarrhaus dahier abreisen müssen. Ja, dorthin werden wir reisen und gehen. Wir wollen deiner längst verstorbenen Freundschaft eingedenk sein und ihnen ein andächtiges Gebet aufopfern. Lasset uns beten zwei andächtige Vaterunser und zwei Ave Maria.«

Johann Angermayer sagte mit großer Geschwindigkeit die Gebete her, und alle Anwesenden murmelten sie nach. Dann fuhr der Hochzeitlader fort: »Jetzt wollen wir das ehrsame Brautpaar begleiten in das löbliche Pfarrgotteshaus. Da wird der geistliche, hochgelehrte Herr Pfarrer machen ein festes Band, das niemand als Gott allein auflösen kann. Nach demselben werden wir uns begeben zu dem ehrengeachteten Herrn Wirt, der wird uns rechtschaffen zu Essen und Trinken hergeben, und jetzt zum letztenmal, wenn noch ein fröhlicher Jüngling ist da in Ehren, so laßt er sich mit einem frischen Juhschrei hören!«

Der Kranzljungherr Kaspar Finkenzeller ehrte den alten Brauch und stieß einen gellenden Juchzer aus. Die hellklingende Musik begann einen lustigen Marsch zu blasen, und der Zug setzte sich in Bewegung zur Kirche. Als das junge Paar in das Gotteshaus eintrat, setzte der Herr Lehrer an der Orgel mit einem mächtigen Choral ein. Die Töne durchbrausten den hellen, freundlichen Raum und erweckten einen feierlichen Eindruck. Durch die hohen Fenster schaute die Frühlingssonne herein und warf einen goldenen Schein auf die Steinfliesen vor dem Altar, als nunmehr Andreas Weidenschlager seine harte, schwielige Hand in die der Emerentia Salvermoser legte und mit einem lauten, vernehmbaren »Ja« bekräftigte, daß er die Emerenz nehme als sein eheliches Weib und nicht von ihr lassen wolle, bis daß der Tod sie scheide. Der hochwürdige Herr Pfarrer zelebrierte nach der Trauung ein Amt, und als dieses beendet war, zogen das junge Paar und alle Hochzeitsgäste zur Wirtschaft des Martin Schinkel.

Im Saale des oberen Stockwerkes war das Mahl bereitet. Der Raum war groß genug, daß die zweihundert geladenen Personen Platz fanden, aber er war niedrig. Die Musiker auf der Tribüne mußten sich in acht nehmen beim Aufstehen, daß sie nicht an die Decke stießen, und wenn sie einen recht lauten Marsch anhuben, bröckelte über ihnen der Kalk ein wenig herunter. Sie achteten nicht darauf und freuten sich wie ihre Zuhörer, daß die Töne beisammen blieben und einen starken Krawall machten. Es bedurfte einiger Zeit, bis alle Gäste an den weiß gedeckten Tischen sich niedergelassen hatten; insbesondere die Weibspersonen standen im Wege herum und ließen sich hin- und herschieben, bis sie ihre Plätze gefunden hatten. Der Stacklhans eilte auf und ab, und kommandierte wie ein Feldherr in der Schlacht. Er hatte für jeden ein treffendes Wort, und seine kurzen Ansprachen, welche er insbesondere an die ledigen Frauenzimmer richtete, erregten große Heiterkeit beim männlichen Geschlechte. Endlich saßen alle in guter Ordnung und richtiger Reihenfolge.

Am Ehrentische, zunächst der Musiktribüne, waren das neuvermählte Paar, der Kranzeljungherr und die Kranzeljungfrau, die Eltern des Hochzeiters, die Mutter der Emerenz, und die sonstigen nächsten Verwandten und Angehörigen. Außerdem aber Hochwürden, der Herr Pfarrer Staudacher, und sein Kooperator, der Herr Benediktus Vierthaler, ein junger Mann, welcher noch der geistlichen Behäbigkeit entbehrte.

Während unter den übrigen Gästen sich bald eine lebhafte Stimmung bemerklich machte, kam am Ehrentische keine rechte Unterhaltung in Gang. Andrä saß bolzengerade auf seinem Platz und redete kein Wort; Emerenz sah nicht rechts noch links, und achtete bloß darauf, daß sie beim Essen nichts auf ihr Brautkleid verschüttete. Die Alten waren in der feierlichen Stimmung noch nicht aufgetaut, und keiner konnte den Anfang finden zum Diskurieren; die jüngeren aber hielten sich bescheiden still, wie es sich geziemt.

Einzig der Herr Pfarrer sorgte für die Unterhaltung und machte seine Späßchen, wie er dies bei solchen Anlässen immer zu tun pflegte. »Heute hab' ich wieder was Schönes angestellt,« sagte er, »ich habe einer Jungfrau ihren ledigen Stand genommen, von dem sie gar so ungern geschieden ist. Gemerkt hat man es freilich nicht, so schnell hat sie ›ja‹ gesagt.«

Andrä schmunzelte, und Emerenz lachte geschämig in ihr Sacktuch hinein. »Und die Kranzeljungfrau,« fuhr der Herr Pfarrer fort, »die hat erst ein trauriges Gesicht gemacht. Das weiß ich ganz genau, was sich die denkt hat. ›O, mein Gott,‹ hat sie still gesagt, ›wenn nur das Unglück auch bald über mich käm'.‹« Alle am Tisch lachten respektvoll über diese Reden und schauten auf Notburga Langenecker, welche rot wurde und ihren Kopf einzog. »Ja, ja, die Madeln!« sagte der hochwürdige Herr wieder, »die sind anders tapfer! Da könnten sich die Mannsbilder ein Beispiel nehmen. Alle fürchten sich heimlich vor dem Heiraten, aber keine laßt sich schrecken, wenn es dazu kommt.«

Durch die Heiterkeit kam gleich mehr Schwung in die Gesellschaft. Nach dem zweiten Gang fing der alte Reischl ein Gespräch mit dem Schneiderbauern an und erzählte ihm, daß er seinem Vater vor zehn oder zwölf Jahren einen Stier abgekauft habe, mit dem er wohl zufrieden gewesen sei. Die Reischlin erbarmte sich über das alte Mutterl, die Genovefa Salvermoser, und forderte sie freundlich auf, recht tüchtig zuzugreifen. »Tua nur g'rad essen, Muatta,« sagte sie, »es is dei Ehrentag, so guat wia der unser. Des waar it recht, bal du hung'rig aufstandst.«

Und dabei gab sie ihr ein Stück Rindfleisch und einen Löffel voll Blaukraut auf den Teller. »Na, na,« sagte die alte Salvermoserin, »laß no guat sei, Reischlin. I ko's nimma so vertrag'n, als wia früherszeiten. I bi halt scho z'alt.«

»Wia alt bist denn, Muatta?«

»Oanasiebazgi wer i an August.«

»Du bist aba no g'sund beinand.«

»Is nimma so feini mit da G'sundheit. Sehg'n tua i schlecht, der Mag'n is nix mehr, weil i scho lang nix mehr richti beißen ko, und mit die Füaß hon i aa'r a Kreuz. Wia's halt is, bal mi alt werd.«

»Ja, und durchg'macht werst halt aa dein Teil ham? Wia viel Kinder hast denn bracht?«

»Sechsi hon i g'habt, Reischlin. Vier Deandl'n und zwoa Buab'n. De Buab'n san mir g'storm als a ganz junga. Der ältest is drei Johr alt g'wen, und der zwoate hat grad vier Wocha g'lebt. De Deandl'n hon i durchbracht.«

»Des woaß i,« antwortete die Reischlin, »des hat mi d' Emerenz g'sagt, daß ihrer vier Schwestern san.«

»Ja, vieri san eahna,« bekräftigte die Salvermoserin, »de ältest, de Mariann, is Kloiberbäurin z' Unterbachern. Sie hat it kemma kinna, weil sie im Wochabett liegt. De zwoate, de Apollonia, hot an Ziaglerbauern vo Weichs g'heiret. No siech'st ja, sie sitzt ja hiebei, und d'Schneiderbäurin is de dritt. Jetzt san s' allsamt verheiret.«

»Des is a Glück, bal ma de Madeln richti versorgt hat.«

»Ja, da hast recht, Reischlin. Ma ko it mehra toa, als daß ma s' richti aufziagt und daß ma'r eahna d' Arbet lernt. Wia's sie's nacha derrat'n, des is a Glückssach.«

»No, bei ins, do fehlt nix,« sagte die Reischlin, »du werst sehg'n, d' Emerenz hat's guat troffa. Der Andrä is a sparsamer, nüachterner Mensch, und sie is a guate Hauserin. Des hon i glei kennt, beim erstenmal, wia sie 's Sach o'g'schaut hat.«

So kamen sich die zwei alten Bäuerinnen näher und vertrauten einander an, was ihnen als das Wichtigste erschien.

Auch sonst wurde die Unterhaltung lebhafter. Die schmetternde Musik und das Bier brachten ein richtiges Leben hinein. Kellnerinnen und Metzgerburschen liefen mit den gefüllten Schüsseln und den Maßkrügen eifrig hin und her, die Bekannten riefen sich über die Tische hinweg derbe Scherzworte zu, und überall hörte man lautes Gespräch und fröhliches Lachen. Nur Emerenz und Andrä saßen beim letzten Gange noch gerade so schweigsam da wie beim ersten.

Als das Mahl zu Ende ging, ließ der Stacklhans durch die Musik mehrmals ein Zeichen geben, daß Ruhe eintreten solle. Allmählich legte sich der Lärm, und die Gäste horchten auf den Hochzeitlader, welcher sich in der Nähe des Ehrentisches hingestellt hatte und mit der Abdankung begann. Er rief mit lauter Stimme: »Stille eine kleine Weil! Still! Ich bitt euch anstatt dem ehrbaren Jüngling Hochzeiter, wie auch wegen der ehr- und tugendreichen Jungfrau Hochzeiterin im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. Nicht meinetwegen, sondern es ist dem ehrsamen Brautpaare daran gelegen. Jetzt laßt sich das ehrsame Brautpaar gar schön und freundlich bedanken gegen den hochwürdigen, hochgelehrten Herrn Pfarrer und Seelsorger dahier. Dieweil er sich heut hat soviel bewürdigt und hat sich nicht verweilt und hat ihnen das heilige Sakrament der Ehe mitgeteilt. Sie lassen sich aber auch bedanken gegen den ehrengeachteten Herrn Martin Schinkel, Wirt und Gastgeber dahier, dieweil er sich heute hat so viel bemüht und hat uns das Hochzeitsmahl mit Speis und Trank geziert. So wollen wir ihnen beiden miteinander ihre Titel und Namen verehren und lassen ein kräftiges Vivat hören!«

Hier blies die Musik einen Tusch, und der Stacklhans fuhr weiter: »Jetzt laßt sich das ehrsame Brautpaar wiederum gar schön und freundlich bedanken gegen die ehr- und tugendreiche Jungfrau Notburga Langenecker, dieweil sie sich heut hat so viel bemüht und hat uns als Kranzljungfrau die Hochzeit so schön geziert, so wollen wir ihren Titel und Namen verehren und lassen ein kräftiges Vivat hören. Und wiederum laßt sich das ehrsame Brautpaar gar schön und freundlich bedanken gegen den ehrengeachteten Josef Weidenschlager, dem Hochzeiter seinen herzliebsten Vater, dieweil er ist uns so treulich beigestanden und ist aber auch da zugegen in Ehren und hat uns das Hochzeitsmahl helfen in Freuden verzehren, so wünschen wir ihm ein gesundes und langes Leben. Vivat, ihr Herren Musikanten, und laßt euch hören! Jetzt laßt sich das ehrsame Brautpaar wiederum gar schön und freundlich bedanken gegen hohen und niedern Stand, er mag sein arm oder reich, er mag sein Bürger, Bauer oder Handwerksleut, welche uns heut haben geben die Ehr und sind einige gekommen so weit in die Hochzeit daher. Es wird euch aber alle wiederum treulich ersetzt und erstattet werden. Vivat, ihr Herren Musikanten, laßt euch hören.«

Die Musik blies zum vierten Male einen kräftigen Tusch, daß die Fensterscheiben klirrten. Der Stacklhans ließ sich einen Maßkrug geben und erfrischte seine Stimme durch einen tiefen Schluck. Dann begann er wieder zu reden: »Jetzt, meine lieben Vettern und Baseln, will ich euch noch was sagen. Jetzt werde ich auf jeden Tisch eine große Schüssel und einen Teller darauf tragen, denn das tu ich dem Hochzeiter z'wegen. Es soll jeder Vetter und Basel schöne Taler einlegen, oder wenn einige darunter wär'n und einen Fuchsen her tragen, so kunnt halt der Hochzeiter mit die versoffenen Musikanten und dem gefressenen Hochzeitlader auch noch eine Nachhochzeit haben. Und die Hochzeiterin tut mir auch schon alleweil winken, ich soll ihr einen Hafen voll Geld zubringen, und wenn sie gar einen bösen Mann tat kriegen, so tat sie ihm doch dieweil eine Schüssel oder ein Haferl lassen an Kopf ani fliegen, so kunnt sie halt doch wieder zum Hafner laufen, und kunnt ihr wieder andere Schüssel und Haferl kaufen.«

Hier mußte der Stacklhans aussetzen, weil die Gäste so herzhaft lachten. Selbst die ganz alten Männer und Weiber zeigten eine laute Fröhlichkeit, obwohl sie das alles seit vierzig und mehr Jahren auf jeder Hochzeit gehört hatten. Dem Stacklhans seine Vorfahrer hielten alle diese Rede, welche vor vielen Jahrzehnten ein Zimmermann niedergeschrieben hatte; und auch dieser hatte sie nicht frei erfunden, sondern überkam sie von dem Hochzeitlader, in dessen Amt er eintrat. Viele Geschlechter waren gekommen und gegangen, hatten geheiratet und waren gestorben, aber die Rede war geblieben und auch die Freude an den wohlgelungenen Späßen, welche sie enthielt.

Herr Angermayer beobachtete mit Vergnügen die Wirkung, die seine Worte hatten, und fuhr erst fort, als das letzte Frauenzimmer ausgekichert hatte. »Jetzt, meine lieben Vettern und Baseln,« sagte er, »will i enk noch was sagen, was sich heunt in der Hochzeitkirch hat zugetragen. Wie die Jungfrauen sind zum Opfer gangen, da ist der allerschönsten ein Tröpferl hinter der Nasen ro g'hangen, da hab i g'rad nachi guckt, und hinter'm Altar, da hab i geseh'n, da hat sie es weggeputzt. Aber jetzt tut s' fuchswild auf mich außer spitzen, und hinter der Nasen fangt's schon wieder an zum schwitzen. Wenn ich da hätt' eine lange Stangen, tät ich's enk schon zeigen, ich tät schnurg'rad darauf eini langen. Von die bösen Weiber darf ich nicht viel sagen, dieweil einer tut eine böse Ziefer haben. Ich mein' doch, ich sollt keine so böse Ziefer nicht kriegen, wo die Männer gleich ganze Nächt müssen in der Strohhütten liegen. Wenn s' nachher heim tun kommen und wollen ein Wort sagen, da nimmt oft eine gleich ein Spanscheitel und tut es ihm um den Buckel rum schlagen.«

Mit dem Vers hatte der Stacklhans wieder ins Schwarze getroffen. Ein jeder Gast stieß seine Nachbarin an und gröhlte laut hinaus, wenn sich diese geschämig stellte.

»Ruhe! Pst! Seid's a weng'l staad!« mahnte der Hochzeitlader. »Von die versoffenen Manner darf ich nicht viel reden, denn da bin ich selber schon oft dabei g'wesen, aber heunt hamm mir ein', der schreibt sich Beim, der geht gleich zwei Tag vor der Hochzeit nicht heim, und ein' hamm mir, der schreibt sich Kern, wo es brav zum Fressen und Saufen gibt, da ist er gern; wenn's aber heißt: zahl' aus, da wird er gleich sein beim Wirtshaus hinaus. Und ist aber eine grete (gerade) Jungfrau da und tut noch nicht hinken, die laßt aber mich schön trinken. Und ist ein fröhlicher Jüngling da in Ehren, der laßt sich mit einem frischen Juhschrei hören.«

Hiemit endete der Stacklhans. Die Kranzeljungfrau erhob sich am Ehrentische und brachte ihm den Krug zum Trinken; Kaspar Finkenzeller aber zeigte sich als fröhlicher Jüngling. Er drückte die Augen zu und juchzte heute zum zweitenmal.

Der Hochzeitlader machte jetzt, wie er es angekündigt hatte, mit einer Schüssel die Runde an allen Tischen. Jeder Gast warf seinen Geldbeitrag hinein, der in Papier eingewickelt war, und Stacklhans sagte jedem einzelnen Vergelt's Gott für das Brautpaar. Als alle gespendet hatten, stellte er die gefüllte Schüssel auf den Ehrentisch gerade vor Andrä und Emerenz hin. Dann eilte er mit wichtiger Miene zur Türe hinaus, denn es kam das Hauptstück der Hochzeit.

Die Frau Wirtin hatte nach altem Herkommen dem Brautpaar ein Geschenk bereitet; die Kreuzigungsgruppe, schön geschnitzt und bemalt, unter einem Glassturz, Dieses Geschenk wird von jedem Ehepaare hoch in Ehren gehalten. Es wird in der Schlafstube auf ein Postament gestellt, und nebenhin kommt unter Glas und Rahmen der Myrtenkranz, den die Braut am Hochzeitstage getragen hat. Da bleiben sie jahraus, jahrein und sollen die Eheleute erinnern an den Tag, wo sie die Hände zusammenlegten, um einen christlichen Hausstand zu gründen.

Ein so bedeutsames Geschenk muß mit geziemender Feierlichkeit überreicht werden, und der Stacklhans hatte Sorge getragen, daß der alte Brauch befolgt werde. Die Musik gebot Ruhe; alles erhob sich, nur am Ehrentische blieben die Gäste sitzen. Von der Türe her drang ein heller Schein durch den dämmerigen, mit Rauch erfüllten Saal. Der Kranzeljungherr schritt langsam herein; in jeder Hand trug er eine brennende Kerze. Hinter ihm schritt Barbara Weiß, die Tochter des Bürgermeisters, welche Johann Angermayer zu diesem Amte ausersehen hatte. Sie ging ängstlich und zaghaft; vor sich hielt sie mit beiden Händen eine Platte, auf welcher der Glassturz stand. Nach jedem Schritte blieb sie stehen und sang einige Verse mit dünner Stimme, welche aber in der lautlosen Stille gut vernehmlich waren. Die Melodie war eintönig und langgezogen, nur beim letzten Worte einer jeden Strophe ließ die Barbara Weiß den Ton um ein weniges tiefer hinaus. Sie sang:

Jetzt bin i halt herin,
Alle Leut schaug'n auf mi',
Erschrocken bin i,
Und weiß nimmer, wohin.

Aber schö singa ko i net,
Des sag i glei;
Wer mi net gern auflust,
Ko nausgeh dawei.

Aber Leut geht's auf d'Seit,
Und Leut geht's ma weg,
Denn i möcht ja g'rad wissen,
Wo d' Hozeiterin steckt.

Aba jetzt ho 'n is g'sehg'n,
Daß s'am anderen Tisch sitzt,
Daß sei wunderschön's Kranzei
Am Kopf so schö blitzt.

Des Kranzerl am Kopf
Is umad'um weiß;
Bis zu der Zeit a Jungfrau bleib'n,
Des kost' an Fleiß.

Hozeiterin, host g'heiret,
Werst as büaßen müssen;
Des wunderschö' Kranzei
Werd' abi müssen.

Hozeiterin, host g'heiret,
Hast Haus und Gart'n;
Was werd' denn auf di
Für an Elend wart'n!

Der Ehstand is a Wehstand,
Ja, wenn ma's betracht.
Er dauert oft länger,
Als an oanzige Nacht.

Der Ehstand is a Wehstand,
Ja, wenn ma's versteht,
Weil's oft hunderttausendmal
Übers Kreuz geht.

Hochzeiter, host g'heiret,
Jetzt bist halt a Mo.
Jetzt steht dir des Madel liab'n
Aa nimmer o.

Hochzeiter, host g'heiret,
Ko'st am Sessel sitz'n,
Bis in dreiviertel Jahr,
Derfst an Schnuller spitz'n.

Hochzeiter, host g'heiret,
Hast lang uma g'fischt.
Jetzt host halt de schöner,
Vo Watzling dawischt.

Wenn i d' Kranzljungfrau o'schau,
Muß i allawei lacha,
Weil's gar so a spitzinges
Maul ko macha.

Der Brautführer is dockerlnett,
s' Tanzen kann er net schlecht,
Liaben kann er aa für drei,
Den möcht i glei.

An Hozeitlader hamm mer,
Ja, wia ma si's denkt;
Wia r'er Hozeit hat g'laden,
Is eahm 's Hemmad raus g'hängt.

Barbara Weiß kam immer näher an den Ehrentisch heran. Der Kerzenschein beleuchtete ihr Gesicht, welches auch bei den lustigen Versen ernst blieb. Sie hatte die Augen fest auf den Glassturz geheftet und sah nicht, wie rechts und links von ihr die Zuhörer mit ehrlicher Bewunderung das schöne Schauspiel betrachteten. Am meisten Anerkennung fand sie wohl am Ehrentische. Die alte Salvermoserin und die alte Reischlin verloren sie keine Sekunde aus den Augen, und es wurde ihnen so feierlich zumut, wie in der Kirche, als der Lichterglanz immer näher kam. Der helle Schein fiel auf ihre ehrlichen, alten Gesichter, die sich scharf abhoben von dem dunklen Hintergrund und aus denen eine treuherzige Frömmigkeit sprach.

Barbara war jetzt auf zwei Schritte an das ehrsame Brautpaar herangekommen, als sie weiter sang:

Schaug' i hinum, schaug' i herum,
Schaug' i alle Eck aus,
Der Hozeiterin sei liaber Voda
Schaut nirgends mehr raus.

Z'Eielsriad am Friedhof,
Da liegt er begrab'n,
Is a Graserl drüber g'wachsen,
Ko ma'n aa nimmer hamm.

Z'Eielsriad im Friedhof,
Da steht a Lind'n,
Da ko d' Hozeiterin sein
Liab'n Voda find'n.

Als sie so des Verstorbenen gedachte, der am heutigen Ehrentage sichtbarlich fehlte, da zog die alte Salvermoserin ihr großes Sacktuch heraus und fing bitterlich zum Weinen an. Und auch die Reischlin konnte sich nicht helfen und tat desgleichen. Auch sie wußte ja, wie es ist, wenn man einen Angehörigen zum Friedhof hinausgetragen hat. Die Emerenz, als ein junges Frauenzimmer ohne richtige Erfahrung, zeigte keine so große Rührung; aber sie schnupfte doch etlichemal auf.

Die Sängerin ließ sich von der Traurigkeit der Zuhörer so wenig unterbrechen, wie von der Lustigkeit, und fuhr weiter:

I ko ja leicht singa,
I derf mi scho prahl'n,
D'Kranzljungfrau de tuat ma
D'Musikanten schö zahl'n.

Jetzt wer i mei Singa
Halt bald beschließen,
Es kunnten oa da sei,
De kunnt's verdrießen.

Jetzt ko i mei G'schenk
Halt nimmer länger heben,
Jetzt muaß mir der Hozeiter
's Weiglas'l geben.

Sie stellte den Glassturz auf den Tisch vor die Brautleute hin und machte einen Schluck aus dem Weinglas, welches ihr Andrä hinschob. Dann sagte sie wieder:

Jetzt b'hüt enk Good, Brautleut,
Reicht's mir die Hand!
Ös reicht's mir's das letztemal
Im ledigen Stand.

Musikanten, ös Lumpen,
Ös Spitzbuam, ös krumpen,
Ös liaßt's enk scho hör'n,
Wenn ma Zwanz'ger hätt'n.

Die Musik, welche hinter der Sängerin hergegangen war und bei jeder Schlußzeile die Melodie leise mitgespielt hatte, blies jetzt einen kräftigen Tusch und begab sich dann in den Tanzsaal hinaus, wohin ihr alle jungen Leute folgten. Andrä nahm die Emerenz bei der Hand und tanzte den ersten Landler mit ihr. Dann ging er wieder an den Ehrentisch zurück und hielt verständige Zwiesprache mit allen Bekannten, die ihn anredeten. Und er tat manchen tiefen Schluck dabei. Die Emerenz tanzte währenddem, daß die Röcke flogen; sie mußte einem jeden die Ehre geben, der sie darum ansprach; dem Bürgermeister, dem Kranzlherrn, dem Stacklhans und vielen Burschen aus dem Dorfe. Hie und da ging sie an ihren Platz, um zu verschnaufen und sich die Schweißtropfen aus dem krebsroten Gesichte zu wischen.

Feichtl hatte sich jetzt auch unter die Gäste gemischt. Er wollte eine Gelegenheit finden, mit Andrä über den Schmuserlohn zu reden. Der junge Ehemann tat aber so, als ob er ihn nicht sähe, obwohl Feichtl um den Ehrentisch herumstrich und mit Augen und Händen Zeichen gab. Als der Schäfer sah, daß er augenblicklich nicht ankommen könne, setzte er sich abseits in eine dunkle Ecke und wartete bei einer Maß Bier seine Zeit ab.

Er war durch das Benehmen seines Klienten nicht beleidigt; er wußte schon, daß er nur durch Zähigkeit und festes Auftreten zu seinem Guthaben gelangen könne. Ohne Feindseligkeiten ging das nie ab.

Er unterhielt sich in seiner gesprächigen Weise sehr lebhaft mit den Tischnachbarn, verlor aber den jungen Reischlbauern nicht aus den Augen. Als nun Andrä einmal hinausgehen mußte, folgte ihm Feichtl auf dem Fuße nach und erwischte ihn vor der Haustüre.

»Du, Andrä,« sagte er, »i ho mit dir was zu'n reden.«

»Kimm an andersmol, i ho jetzt koa Zeit,« gab der Hochzeiter zurück.

»I halt di net lang auf. Wos is denn mit mein Geld?«

»Mit dein Geld? Host du mir a Geld g'liecha?«

»Geh, frag it a so. Du woaßt recht guat, was d' ma schuldi bist.« – »I woaß durchaus gar nix.«

»So? Woaßt it, daß d' ma dreihundert Mark Schmuserlohn vasprocha host?«

»Wo steht denn dös?« fragte Andrä. »Host du was Schriftlichs? Des muaßt du aufweisen kinna.«

»I brauch nix Schriftlichs,« sagte Feichtl, »dös was mir ausg'macht hamm, gilt a so aa.«

»Do kunnt a jeda komma. Mach daß d' weiter kimmst, und halt mi net auf, du Hanswurscht!«

»Dir gib i no lang koan Hanswurschten ab, hast g'hört. Mei Geld will i.«

Andrä hörte nicht mehr auf den Schäfer; er schob ihn unsanft beiseite und ging in den Saal zurück.

Feichtl überlegte. So grob hatte er sich die Antwort nicht gedacht. Das ließ vermuten, daß der Reischl bereits den festen Entschluß gefaßt hatte, nicht zu bezahlen. Das ging auf einen Prozeß hinaus. Bloß wegleugnen, das tut der Andrä nicht; der muß irgendeine Ausrede gefunden haben, auf die er sein Vertrauen setzte.

Hm. Wart amal, Manndei, des muaß i no rauskriag'n, und bal er mi net zahlt, geh i moring schnurg'rad zum Advikaten.

Feichtl setzte sich wieder auf seinen Beobachtungsposten. Am Ehrentische wurde es leer.

Der hochwürdige Herr Pfarrer ging zuerst, weil ihm gemeldet worden war, daß unten im Herrenzimmer ein gemütlicher Tarock zusammengehe.

Er sagte den jungen Eheleuten, daß er hoffe, sie würden ihm mit Kindstaufen eine gute Kundschaft werden, und brachte noch einige behäbige Scherze an. Dann entfernte er sich. Der Herr Kooperator hatte sich schon früher verabschiedet, weil er als junger Geistlicher sich noch bestrebte, den Ruf eines enthaltsamen und heiligmäßigen Wandels zu erlangen. Die Mutter der Emerenz und die alte Reischlin saßen bei der Frau Wirtin in der Küche, tranken Kaffee und führten kluge Reden über das Hauswesen.

Die Schneiderbäuerin hatte sich zu Bekannten gesetzt, die jüngeren Leute waren im Tanzsaal, und so traf es sich, daß einige Zeit bloß der alte Reischl und sein Sohn am Tische saßen. Dies benutzte Feichtl und ging zu ihnen. »Andrä,« sagte er, »du host mi beleidigt, aba i bi koana, der wo gern streit'. Sieh'gst, i geh no' mal her zu dir und sog d'as in Guaten. Dei Vata is an alter rechtsinniger Mensch, der muaß aa sag'n, daß i recht hab.«

»Laß mir mei Ruah,« erwiderte Andrä, »i ho mit dir nix z'reden. Balst du glaabst, daß d' was zun verlanga hast mit Rechten, nacha klagst.«

»Dessell kö'st schnell gnua hamm,« gab Feichtl zurück, »dös geht g'schwinder, als d' moanst. Und bal i amal mit an Prozeß kimm, nacha bist vaspielt, vor's d' ofangst, dös sag i dir. Aba siehg'st, i bi net a so, weil i dir's guat moan. Und dei Vata muaß mir recht geben, is it a so?«

Jetzt mischte sich der alte Reischl ein. »I woaß gar nix,« sagte er, »i bi net dabei g'wen, wia's ös mitanand g'redt habt's. Aba dessell kon i beeidigen, daß du ins de Salvermoserischen net hast z' verraten braucha. De hon i scho lang vor deiner kennt. Dena hon i scho vor a zeha Johr an Heißen o'kaaft.«

»Und überhaupts bist du ganz unverschämt,« schrie Andrä, »du valangst vo mir dreihundert Mark und von ihr host hundert Mark g'numma. Du host für sie, aba it für mi g'schmust, daß d'as woaßt.« – »So, geaht da Wind daher? A so redt's ös jetzt. Dös werd si ausweisen, ob enk de Emerenz bekannt war. Für was is denn nacha der Andrä zu mir kemma? Dös, was mi ausg'macht hamm, gilt, sinscht gor nix.«

»Host du was Schriftlichs?« fragte Andrä, »und host du net von ihr hundert Mark g'numma?«

»Dös geht di nix o,« erwiderte Feichtl, »dös is scho lang g'richtsmaßig, daß dös nix ausmacht. Das befreit den anderen Teil durchaus gar nicht, hat der Amtsrichta z' Dachau g'sagt, Freunderl. Du muaßt it moan, daß i 's G'setz it kenn.«

»Dös wer'n mi scho sehg'n, ob du so unvaschämt sei derfst,« sagte Andrä, und der alte Reischl fragte: »Zahlst du a G'werbssteuer? Du wirst ja g'straft, balst was valangst.«

»Dös wer'n ma sehg'n, ob i g'straft wer, dös hamm scho mehra daher bracht, und der Amtsrichta hat bloß g'lacht und hat g'sagt, das ist eine dumme Ausrede, hat er g'sagt.«

»Balst gar so g'scheidt bist, werst scho g'winna,« schrie Andrä wieder, »und jetzt machst, daß d'weiter kimmst. Du host an dem Tisch nix z'suacha, du bist it ei'g'laden, vastehst?«

Feichtl sah, daß er in Güte nichts erreichen werde; seine Gegner hatten sich schon ihren Plan gemacht, und er mußte heute damit zufrieden sein, daß er die feindliche Stellung ausgekundschaftet hatte.

Er versicherte den zwei Reischlbauern noch, daß sie blutige Kosten zahlen müßten, und zog sich zurück.

Die zwei ließen sich dadurch nicht stören; sie tranken aus ihren Maßkrügen und taten so, als ob es auf der Welt keinen Nepomuk Feichtl gäbe.

Es war spät geworden. Viele Gäste hatten sich bereits verabschiedet, als Andrä und Emerenz gemeinsam die Wirtschaft verließen. Die Musik folgte ihnen die Stiege hinab, zur Türe hinaus und über den Hof und spielte einen lustigen Marsch nach dem andern, so lange man dem ehrsamen Brautpaare nachschauen konnte. Die zwei schritten nebeneinander her in die schöne Frühlingsnacht hinein. Keines redete ein Wort; als sie am Reischlhof angelangt waren, sperrte Andrä die Haustüre auf und Emerenz ging hinter ihm drein, als wäre es immer so gewesen.

Das war die Hochzeit des Andreas und der Emerenz Weidenschlager, geborenen Salvermoser.


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