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Kirta!

»Lang die Pfanna aba, Nannl! hol 's Mehl aus der Truchen und an Laib Schmalz!«

In der Kuchel steht die Bäuerin vor dem Herd; das Feuer wirft einen glutroten Schein auf ihr kugelrundes Gesicht; mit dem Kochlöffel taucht sie die Kücheln unter und wendet sie um; die Holzscheitel krachen, das Schmalz kocht und prasselt und spritzt.

Grad lustig is. Hint im Hof grunzt die Sau; der Bauer wetzt das Messer und probiert die Schneid', ob sie noch nicht fein genug ist. Der Vitus legt den Stecken in den Brunnentrog, daß er hart wird auf morgen; die Mariandl und die Creszenz laufen Stiegen auf, Stiegen ab, rennen aneinander und kriegen Lachkrämpf. In der Stuben drin probiert der Oberknecht zum dreissigstenmal auf der Ziehharmonika das Lied: »Mür kemmans vom Gä – bürg«, und der Großvater haut sich vor lauter Freud' eine Pris nach der andern auf den Daumennagel.

»Huiö! Morgen is Kirta!«

Das größte Fest im ganzen Jahr, auf das sich jeder Ehhalten, jeder Austrägler gewissenhaft vorsieht, wo das Essen notarisch gemacht ist und auf Grund rechtskräftiger Urkunden geschieht. Morgen gibt es G'selchtes und von »allem, was geschlachtet wird, zwei Pfund«. So ist's geschrieben worden, und so geschieht es; von seinem Recht geht kein richtiger Bauernmensch weg.

Ahnungsvoll dämmert der Morgen herauf. Heut' braucht der Bauer von seinen Dienstboten keinen einzigen zu wecken. Der erste ist der Oberknecht Hansgirgl. Er tut heut' ein übriges und wascht sich am Brunnen den ganzen Kopf, noch dazu mit der Seifen; dann fahrt er mit einer Art von Kamm durch die nassen Haare und zieht sich einen schönen Scheitel, wobei er in den kleinen Handspiegel schaut, der auf dem Brunnenrand liegt. Jetzt spuckt er in die Händ, pappt sich zwei Kriegslocken bis an die Augenbrauen fest hin und fahrt dann mit dem Roßstriegel über das ganze Bild. Nun er fertig ist, stimmt er voll innerer Zufriedenheit ein Lied an:

Des Morgens, wenn – die Sonn' aufgeht
Und wenn das Gras – im Tau dasteht,
Dann treib' ich mei – ne Küh' dahin,
Dort wo ich ganz – alleine bin.

Er zieht den rechten Fuß in die Höh, patscht mit den Händen über dem Kopf zusammen und stoßt einen gellenden Pfiff aus, daß es kein Indianer besser kann.

In der Stuben trifft er die Andern gerade so lustig und aufgeregt, wie er selbst ist. Die Weibsleute besonders können es kaum erwarten, daß fortgegangen wird. Jede hat schon den Korb auf dem Schoß und verdeckt das Strohgeflechte mit der linken Hand, während mit der rechten die Nudel eingetaucht wird. Da ist nichts zu bemerken von der bedächtigen Ruhe, mit der sonst die Kaffeesuppe ausgelöffelt wird. Ohne Unterschied des Ranges langt jedes hinein, ja, es kommt sogar vor, daß ausgesetzt wird, wenn z. B. die Nandel der Creszenz einen Renner gibt und alle zwei am Lachen und einem Trumm Nudel zu ersticken drohen. Bloß der Großvater paßt auf die Spaßetln nicht auf; das Getu ist ihm zuwider. Die jungen Leut' sind so dumm und wissen nicht, was gut ist. Er sitzt ganz dicht bei der Schüssel, schneidet schön stad ein Stück von dem vertragsmäßigen Geselchten nach dem andern ab und taucht es mit der Nudel in den Kaffee.

Was für ein schöner Tag heut ist! Die Sonne ist über den Nebel Herr geworden und hat ihn herunter gedrückt, daß er jetzt wie ein feiner Rauch über den Wiesen liegt; die Luft ist so klar, daß man weit und breit alle Kirchtürme sieht, und der vordere Wind geht frisch über die Stoppelfelder. Aus allen Häusern kommen die Leut' zum Kirchgang, auf allen Steigeln sieht man die schwarzseidenen Kopftücheln in der Sonne glänzen und die buntfarbigen Röcke. Ein recht friedsames Bild. Auch der Hansgirgl und der Vitus marschieren tapfer hinter ihren Weibsleuten daher.

»Moanst lei, Hansgirgl, daß heint die Kraglfinger beim Unterwirt san?«

»Ehender, wia nöt, Vitus.«

»Was moanst nacha? Epper is der Leixentoni aa dabei; auf den bin i scho lang häßlich.«

»Hinschaugn tean ma, des is meine Meinigung,« sagt der Hansgirgl. Und dem Vitus ist es recht; für was hätte er denn seinen Stecken im Wasser liegen lassen?

Nach der Kirche kriegen die Wirte ihr Recht. Alle Bänke sind gedrückt voll, und alleweil drucken wieder neue Gast bei der Tür herein; der Wirt kommt nimmer aus dem Grüßen und Zutrinken heraus. »S'Good, Scheiblhuaba; aar auf da Höh? Ein paar Antenvierteln hätt i und a Gans. Aa, da Loibl is a do; für di hätt i a Schweiners oder a Nierenbratl. Was d'liaba magst! Wer schreit da hint! Ich siech enk scho, reißt's mi no not in da Mitt ausanand; ös kriegt's enkere Würscht scho.«

So hat er für jeden den richtigen Gruß und nach Stand und Vermögen das richtige Essen; er fragt nicht lang, was einer will. Wie ein Feldherr steht er da in dem Gewühl, das immer ärger wird. Die Fenster sind geschlossen; die Hitz wird immer ärger, und der Rauch streicht wie ein starker Herbstnebel in der Stuben herum. Immer lauter wird der Disputat über Gersten, Korn und Haber, über die Gaul und das Kühviech.

Beim Unterbräu geht es am lustigsten zu; da wird getanzt. Der Baß brummt und die Klankenetten pfeift; der Staub wirbelt auf, und so eintönig geht das Schleifen und Stampfen, als tat eine Maschine die Arbeit verrichten. Aus dem Dunst tauchen die rotglühenden Gesichter auf und verschwinden wieder; gesprochen wird nichts, man hört bloß Keuchen und Schnaufen, und ab und zu im Übermaß des Entzückens ein gellendes Schreien und Pfeifen.

Huiö, heut is Kirta!

Schaut's den Vitus an! Das ist der Allerrescheste. Mittendrin schmeißt er den Hut auf den Boden, schaut ihn stier an und tanzt um ihn herum wie ein Spielhahn. Den müßte der Buffalo Bill haben, wenn er ihn sehen tät, den ließ er nimmer aus. Und dabei weiß er es immer so einzurichten, daß er einem Kraglfinger auf die Zehen tritt. Das dauert nicht mehr lang, das tut kein gut. Richtig, jetzt rennt er dem Leixentoni seine Tänzerin um.

»Kannst net acht geben, damischer Tropf?«

»Auf kein Kraglfinger geb i net acht.«

»Was tuast net? Was hast g'sagt?«

»Geh her, wennst a Schneid hast!«

»Geh du her! I bin scho da.«

Höi Kraglfinger! Höi Guglfinger!

Und jetzt geht's los. Ein Schieben und Drängen, jeder Bursche nimmt Partei; die Mädel drücken sich zusammen wie eine Herd Gäns. Wütendes Schreien und Schimpfen; runter über die Stiegen, raus auf die Straß. Pitsch, Patsch; Pitsch, Patsch! Die Stadtleut' täten meinen, es wird Korn gedroschen, so hauen sich die Burschen mit den Gehsteckerln auf die Köpfe; weil keiner einen Hut auf hat, schnallt es so laut.

Die Dämmerung bricht herein; der festliche Tag geht zur Neige; auch das Schönste kann ja nicht ewig dauern.

Jetzt sieht man auf den Feldwegen schwankende Gestalten; da und dort lehnt einer am Zaun und führt tiefsinnige Gespräche mit sich selbst. Weiber führen ihre Gatten und sind ihnen Stab und Stütze; hie und da bricht wohl auch einer mit einem Wehelaut zusammen und rennt den Kopf in einen Scheerhaufen. Die Nacht bedeckt mit ihrem mitleidigen Schleier die traurigen Bilder.

In seiner Kammer liegt der Vitus mit drei frischen Löchern im Kopfe. Neben dran ächzt der Großvater in schwerer Bedrängnis. Er hat zwar das Geselchte und Schweinerne pflichtmäßig gegessen, aber von dem Kälbernen hat er nur fünf Vierlinge zusammengebracht. Das hat ihn abscheulich gift und auf das Krankenlager geworfen.

Jetzt hat der Bader gute Täg.


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