Rudolf von Tavel
Ring i der Chetti
Rudolf von Tavel

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Es het no nid rächt welle tage, wo der Ritter Hans-Brächt vo Müline mit syr choschtbare Lascht vor em Tor vo der Schadau aglanget isch. Si sy vom See här erwartet worde, und hätti nid d’Stimm vom Theterli der Dienscht vo mene Paßwort ta, so hätti wohl ds Hochzytspaar no im Schilf ussert dem Schloßgrabe müesse der Sunnenufgang abwarte, bevor me se-n-yne gla hätti.

Di anderi Mannschaft vom guldige Hof isch scho am Strättlig-Bort stiller worde. Me het halt doch chly ne schwäre Chopf gha, und eint und andere Harschtbueb het i der Fyschteri dem Ueli grüeft. Vo Thun ewäg isch der Herr Adrian allei voruus gsi. Wo’s het afa tage, het er du der Seckelmeischter a sy Syte grüeft und ne gfragt, wi’s eigetlech z’Bärn unde standi, ob me geng no nid dörfi vo der Läberen ewäg rede. «Solang geng no Gäld underwägs isch vom französische Hof, isch es besser nid, Ritter», warnet der Meischter Fränkli.

«Ja nu», seit der Herr Adrian, «i frage gar nid dernah, ob me mi in e Falle schickt. Es chönnt ja sy, daß so öppis derhinder steckti. I gange ga Murte, wil i weiß, daß Murte mueß ghalte sy, für Bärn z’rette. Gratet’s mer, so isch es guet, gratet’s nid, so chumen i emel mit Ehren us där arme Wält, und der verbünschtigscht vo myne 361 Finde wird’s müesse zuegä, daß i nüt anders welle ha als der Nutze vo der Stadt Bärn.»

«Das gloube si scho jitz, Ritter», versicheret ihm der Seckelmeischter. «Nid eine, wo’s nid gloubt; aber si meine, me chönni o mit französischem Gäld im Sack der Vortel vo der Stadt sueche. — Was mir dä Ougeblick eigetlech meh Sorge macht, isch, daß üsi lieben Eidsgenosse geng no nid wei begryffe, wi’s steit. Geng no säge si, es gang se nüt a. Wenn mir Bärner welle Händel ha mit dem Herzog, so sölle mer se sälber ustrage. Bevor daß eidsgenössisches Gebiet agriffe sygi, rüehre si nid der chly Finger.»

Z’Bärn vor em Rat isch nid meh gredt worde als grad het müesse sy. Vili hei dem Spiezer d’Hand drückt, mänge het ihm gseit, das wärd ihm der lieb Gott nid vergässe, daß er ume chömi und ga Murte well. Aber wäm er’s het gha z’verdanke, daß ihm du der ganz Rat en Eid ta het, me well ne nid im Stich la, das isch nam Gspräch zwüsche Thun und Bärn nid schwär gsi z’errate.

Am Tag druuf het der Herr Adrian sy Mannschaft gmuschteret, und wenn eint und andere dervo gseit het, jitz, wo men under ihm dörfi marschiere, gang me grad no einisch so gärn mit, het’s der Ritter dörfe gloube. G’antwortet het er nüt oder im beschte Fall halblut zu sich sälber: «Säget’s de, wenn mer ume daheim sy!» Er isch jitz nid numen um und um stächlig gsi, me het ihm scho uf em Marsch agspürt, daß er’s dürynen isch, 362 und o d’Murtener hei’s bald gmerkt. Verängschtiget hei si us ihrne Loubebögen uf ihn gluegt und wohl gwüßt, daß, wenn d’Bärner dä schicke, me nümmen a fridlechi Verhandlung und Nahgä dänkt. Si hei’s erscht rächt gmerkt, wo-n-er ihri Ratsmanne zue sech uf ds Schloß bschickt und ne gseit het, si müessen ihm guetstah derfür, daß di Murtener, Mannen und Wyber, de nid afaje jammeren und ufbegähren oder gar d’Chriegsmannschaft mit Angschten astecke, wenn’s de strub chömi. Lieber sölle si die furtschicke, wo settigs chönnten arichte. Chranki sölle si über e See schaffe, i ds Wischtelach übere. D’Tor blyben offe; aber Frömdi wärde nümmen yne gla, bsunders keini liederleche Möntscher, wo dem Chriegsvolk nachestryche; er welli nid, daß es de gangi wi z’Grandson, wo me de Burgunder-Huscheni ufta heig und’s du schwär heigi müesse büeße.

Der Name Grandson hätt er villicht nid söllen usspräche. Scho das allei hätti jede Murtener chönne zum Schlottere bringe. Aber er het ne grad dütlech welle gseit ha, wora me sygi, und zum Schlottere het er ne nid Zyt gla. — Jitz, Wärchmeischter und Manne häre! — Mit de Wärchmeischter isch er allne Muuren und Türm und Wehrgänge nachegange. Di Murtener hei se mit Stolz zeigt, die heig no der Graf vo Savoye la uffüehre.

«Scho rächt», seit der Ritter, «aber dir heit o gmeint, dermit syg’s gmacht und heit’s la verlottere. 363 Lueget da und dert und dert obe! Das isch es Ghudel. Jitz enanderenah derhinder!»

Vo synen eigete Lüte het der Herr Adrian niemer mitgha als der Jakob Erk. Der Schwager Roll het er zum Etschüttungsheer gschickt. Aber vo Bärn het men ihm als Chriegsrät der Herr Hans-Ruedi von Erlach und der Peter Stark mitgä. Derzue sy der Hans Wanner mit der Bsatzig vo füfhundert Ma, der Bänz Chrummo und der Barthlome Hueber scho sit Wuche da gsi. Vo Fryburg het der Herr Wilhälm von Affry achtzig Armbruschtschützen und e Kuppele tüechtigi Stuck- und Büchsemeischter mitbracht, drunder o ihrere vier vo Straßburg. Zu den anderthalbtuused Ma, wo der Herr Adrian vo Bärn häregfüehrt het, isch das, alles zsämegrächnet, scho vil gsi, für i di chlyni Stadt yne. Da het’s gheißen Ornig ha und yteile. Der ganz Meie düren isch druuflos bouet worde, bsunders uf der Pfauener-Syte, wo me vor ein Tor usse no Vorwärk ufgworfe het. Vo Bärn und Fryburg här und über e See us em Neueburgische sy Läbesmittel und Munition yne gfüehrt worde, me het schier nümme meh gwüßt, wohi dermit. Aber wo men Ornig het, isch geng Platz. Daß alles eso über Ort cho isch und jede geng gwüßt het, was er z’tüe het, das het dem Chriegsvolk Zueversicht gä. D’Murtener hingäge, bsunders d’Froue, hei hinder ihrne Buzeschybli gseit: «Erbarm sech Gott! Wo wott das use?»

Derby het me der ganz Monet uus nöue no 364 nüt gmerkt vo de Burgunder. Ungschore het me bis gäge Peterlinge chönne ga kundschafte, über Bärn und Fryburg het me verno, si syge geng no im Lager ob Losane, und es chömm Tag für Tag Zuezug us aller Herre Ländere.

 

Wi scho sit Wuche sitzen am späten Abe vom sibenezwänzigschte Meien es paar Greyerzer Sennen in ere lääre Chäshütte höch oben am Moléson um ds Füür umen und losen amene Graubärtige zue, wo i jüngere Jahren o vil mit dem Spieß uf der Achslen i der Wält umenandere gfahren isch und derby ds Stillsy verlehrt het. Si sy dert ufe beorderet gsi, für ga ufz’passe. Chehrium het geng eine müessen uf em Spitz vom Bärg ga usluege, für ds Füürzeiche z’gä, wenn öppen öppis im Gros de Vaud äne sech sötti rüehre.

Undereinisch, wo no lang kei Ablösung wär nache gsi — so het es se-n-emel dunkt — ghört me Holzschueh vor der Hütte plättle. Was isch los?

Da flügt o scho d’Türen uuf, und dä, wo het söllen usluege, brüelet mit stöberen Ougen l d’Hütte: «Jitz hingäge, jitz! — Chömet cho luege!» Di Manne lüpfen und troglen use. Wi alli di Necht flimmeret es wundervolls Stärneheer über der wyte Wält. Choleschwarz steit der Wald zwüsche de Schneefälder, und tief, tief unde schlafe Hütten und Dörfer. Und e Stilli! Chuum ghört men es lyses Ruusche vo de Bech, wo doch 365 jitz am Tag vo der Schneeschmelzi ehnder lut wärde.

Der Wächter lat ne nid Zyt zu andächtigem Stuune. «Näht Füür mit!» befihlt er. Eine geit zrück, zündtet e Harzchnüttel a und trappet ne nache. Wo si uf e Grat chöme — «Heiligi Muetter Gottes! — Lueget, lueget!» Dert äne, ob der Plaine du loup, wo si jede Tag ds Lager vo de Burgunder hei gseh wachse, dert flammet e Röti, breit, wi von ere große Stadt. Der Rouch zieht sech gäge See übere. Bise. Schuuderhaft gruusig gseht’s uus. — Was söll das? — Ds Lager im Brand? — «He, dänk wohl!» seit der Alt. «Jitz wüsse mer, was mer z’tüe hei. Zündtet nume der Chuz a! Das bedütet, daß ds ganz Heer ufbrochen isch. Si zündte ds Lager a, damit niemer zrückblybt. — Jitz chöme si!» — Und zwo Minute druuf gseht keine vo dene Manne meh der Stärnehimmel mit syr göttleche Rueh. Der Holzhuuffe lället turmhöch i di luteri Bärgluft und verchündet i ds Land yne: «Si chöme!»

Bald gseht men uf de Nachbarbärgen o roti Stärnli ufzwitzere. Eis weckt ds andere, bis i di inneri Schwyz yne, es neus, es irdisches Stärneheer, wo jede Stärn dem andere zuerüeft: «Chrieg! Chrieg!»

Am Jura fünklet’s. Uf em Wischtelach und z’Eis äne gange Füür uuf, und jitz weiß me’s o z’Murte: si chöme! Me brüelet’s vo de Türm i d’Gassen abe. Da zitteret’s uf vilne Lippe: 366 «Heilige Maria, Muetter Gottes, erbarm dich unser!» Müetter brieggen ob de Chinderbettli, wo di Chlyne schlafen und vo allem nüt merke. «Hätte mer se doch use gä i d’Dörfer! I versteckti Hütte!» Und wider anderi jammere: «Warum sech wehre? Es nützt ja doch nüt! Hätti me doch d’Stadt dem Herzog abotte!» — Aber me bruucht numen e Blick uf d’Gaß z’tue, so schwygt me. Wachten und Patrouille! Und im Wehrgang obe ghört me Schritte, ghört me Stimme. Me gspürt e mächtige Willen über der Stadt.


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