Torquato Tasso
Das befreite Jerusalem
Torquato Tasso

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Neunter Gesang.

 
1.
                        Doch als das große Höllenungeheuer
Den Zorn gestillt, die Herzen ruhig sieht,
Unlenkbar ihm des Schicksals festes Steuer,
Und wandellos, was ew'ger Will' entschied:
Da weicht's, und schnell erblaßt der Sonne Feuer,
Die Flur vertrocknet, wo's vorüberzieht;
Und andres Unheil, andre Wut zu bringen,
Beschleunigt es zu neuem Werk die Schwingen.
 
2.
Die Furie, wissend, fern vom Lager walle,
Durch ihrer Brüder List und Emsigkeit,
Der Sohn Bertholds; auch sei Tankred und alle
Die Tapfersten des Heers getrennt und weit,
Rief aus: Was warten wir? Jetzt überfalle
Sie Soliman mit unversehnem Streit!
Gewiß, ich hoff's, winkt uns zu hohem Siege
Ein Heer, geschwächt und mit sich selbst im Kriege.
 
3.
Sie spricht's und fliegt zu ihm, dem anerkannten
Heerführer irrer Scharen, Soliman;
Denn unter allen, die von Gott sich wandten,
War dieser jetzt der stärkste, kühnste Mann;
Und brächt' aufs neu' die Erde der Giganten
Furchtbare Brut hervor, er wär's auch dann.
Er war der Türken Herrscher, und erlesen
Zum Sitz des Reichs Nicäa ihm gewesen.
 
4.
Da streckte sich zur Griechenküste nieder;
Vom Sangar zum Mäander hin, sein Land,
Wo man vordem Bithyner, Myser, Lyder
Und Phryger und des Pontus Volk gekannt.
Doch nachmals, da die fremden Waffen wider
Die Türken und die Heiden sich gewandt,
Ward er des Reichs beraubt, und er, geschlagen,
Erlitt zweimal gewalt'ge Niederlagen.
 
5.
Er sucht' umsonst, sein Unglück zu bezähmen;
Vom Vaterland trieb ihn der Christen Macht,
Und nach Aegypten mußt' er Zuflucht nehmen,
Wo ihn der Fürst empfing mit Würd' und Pracht,
Voll Freude, daß zum großen Unternehmen
Solch tapfrer Mann sein Schwert ihm zugebracht.
Denn schon beschloß er, vor der Christenscharen
Eroberung das heil'ge Land zu wahren.
 
6.
Doch eh' er sich erkühnt, wie er beschlossen,
Mit offnem Krieg den Feind zu überziehn,
Wollt' er die Araber als Bundsgenossen
Für vieles Gold durch jenen an sich ziehn.
Indes die Seinen nun zusammenflossen
Aus Asien und dem Mohrenland, erschien
Fürst Soliman und dingt' Arabiens Haufen,
Raubgierig jederzeit und leicht zu kaufen.
 
7.
Mit diesen streift' er durch Judäas Lande
Auf Raub und Plündrung, als ihr Oberhaupt;
Auch war seitdem der Weg vom Meeresstrande
Zum Frankenlager keinem mehr erlaubt.
Und stets gedenkend der erlittnen Schande,
Des alten Throns, den ihm der Feind geraubt,
Wälzt er um Größres glühend die Gedanken,
Doch ungewiß und immer noch im Schwanken.
 
8.
Ihm naht Alecto zu gelegnen Stunden
Und stellt sich ihm als greiser Kriegsmann dar,
Von Antlitz bleich, in Runzeln eingeschwunden,
Mit glattem Kinn, nur auf der Lippe Haar.
Mit langem Linnen ist das Haupt umwunden,
Bis auf den Fuß hängt faltig der Talar.
Der Rücken trägt den Köcher; an den Lenden
Hat sie das Schwert, den Bogen in den Händen.
 
9.
Wir, spricht sie, streifen in den öden Schauern
Der Wüst' umher, im unfruchtbaren Sand,
Wo wir nicht können Beute mehr erlauern
Noch Sieg empfahn, der rühmlich sei genannt.
Gottfried indes bestürmt die hohen Mauern
Und hat sie mit den Türmen schon berannt;
Und bald erblicken wir, säumst du noch immer,
Selbst hier den Einsturz und der Flammen Schimmer.
 
10.
Sind Schafe nun und Rinder, und vom Brande
Verzehrte Hütten Solimans Trophä'n?
So hoffest du Herstellung deiner Lande?
So den Verlust, die Schmach gerächt zu sehn?
Sei kühn! Sei kühn! Inmitten seiner Bande
Muß der Tyrann zur Nachtzeit untergehn.
O folg' Araspen, dem bewährten Manne,
Des Rat du oft erprobt im Reich, im Banne!
 
11.
Die Araber verachtet er, die Schwachen,
Denkt nicht an uns, ist nicht auf seiner Hut,
Noch glaubt, daß eine Schar, zum Beutemachen,
Zum Fliehn gewöhnt, so Großes wagt und thut.
Doch mutig wird dein Heldenmut sie machen,
Wenn nun das Lager wehrlos liegt und ruht.
So redet sie und bläst mit Flammenhauche
Wut in sein Herz und schwindet gleich dem Rauche.
 
12.
Der Krieger ruft, die Hand gen Himmel hebend:
O du, der diese Glut im Herzen schürt,
Als Mensch gestaltet, doch als Mensch nicht lebend,
Ich folge dir, wohin dein Ruf mich führt.
Schon komm' ich, wo Gefild' ist, Berg' erhebend,
Von Toten und Verletzten aufgeführt.
Blutströme schaff' ich; sei mir du zur Seite
Und lenke meine Faust im nächt'gen Streite!
 
13.
Er ruft das Volk und redet so zu allen,
Daß auch der Feig' und Träge sich ermannt,
Und setzt mit Flammen, die sein Herz durchwallen,
Die Schar, bereit zur Heeresfolg', in Brand.
Schon läßt Alecto die Posaun' erschallen
Und schwingt das Hauptpanier mit eigner Hand.
Rasch zieht das wilde Heer, vielmehr es flieget,
So daß es selbst den flücht'gen Ruf besieget.
 
14.
Alecto, die zuerst den Zug begleitet,
Verstellt in einen Boten sich alsdann;
Und um die Zeit, da Licht mit Dunkel streitet
Und keines ganz die Welt bezwingen kann,
Erscheint sie zu Jerusalem und schreitet
Durchs bange Volk zum Könige hinan
Und bringt vom nahen Heer ihm wicht'ge Kunde,
Von Ueberfall, vom Zeichen, von der Stunde.
 
15.
Schon breitet rings der Schatten dunkles Grauen
Den Schleier aus, mit rotem Dunst befleckt:
Anstatt des nächt'gen Reifes, wird von lauen
Blutstropfen schaurig das Gefild bedeckt.
Scheusal' und Wunder läßt der Himmel schauen;
Der Larven Schar irrt flüsternd um und schreckt.
Den Abgrund leerte Pluto; durch die Lüfte
Goß er die ganze Nacht der Orkusgrüfte.
 
16.
Durch solches Grauen führt zu nächt'gen Kriegen
Der wilde Fürst aufs Lager seinen Zug;
Und als die Nacht des Laufes Mitt' erstiegen,
Von wo sie niederfährt mit schnellerm Flug,
Sieht er dem Orte, wo die Franken liegen
In sicherm Schlaf, sich nahe schon genug.
Hier speiset er sein Volk und spricht mit Stärke
Ihm Mut ins Herz zum grausenvollen Werke:
 
17.
Ein Lager seht, voll tausendfacher Beute,
Weit mehr durch Ruf als innre Stärke groß,
Das allen Reichtum, des sich Asien freute,
Schlang wie ein Meer in seinen gier'gen Schoß.
Dies bietet euch das güt'ge Schicksal heute,
Und könnt' es nie so fahr- und mühelos.
Die gold- und purpurreichen Ross' und Wehre
Sei'n Raub für euch, nicht Schutz für Feindesheere.
 
18.
Auch ist dies Heer als das nicht zu betrachten,
Das Persiens und Nicäas Volk besiegt;
Gefallen ist der größre Teil in Schlachten,
Seit man so lang und wechselnd schon gekriegt.
Und wär's noch ganz: nicht furchtbar könnt ihr's achten,
Da es entwehrt in tiefer Ruhe liegt.
Wer schläft, ist schon geweiht dem Untergange;
Der Weg vom Schlaf zum Tode währt nicht lange.
 
19.
Hinan! Hinan! Hoch über Feindesleichen
Oeffn' ich zuerst ins Lager euch die Bahn.
Mit euerm Schwert folgt meines Schwertes Streichen
Und nehmt von ihm die Kunst der Wildheit an.
Heut endlich soll die Herrschaft Christi weichen,
Heut Asien Freiheit und ihr Ruhm empfahn.
So mutigt er zum nahen Kampf die Streiter
Und führt sie dann in aller Stille weiter.
 
20.
Sieh! Wachen nun gewahrt er auf dem Zuge
Beim schwachen Licht, das durch die Schatten graut;
Und überraschen kann er nicht die kluge
Vorsicht des Feldherrn, wie er wohl vertraut.
Die Wächter kehren um mit raschem Fluge,
Beim Anblick solcher Meng', und rufen laut,
So daß die ersten Reihn vom Lärm erwachen
Und, nach Bedarf, zum Kampf sich fertig machen.
 
21.
Gewiß nun der Entdeckung, läßt erbrausen
Arabiens Volk sein greuliches Metall.
Gen Himmel dringt des Mordgeheules Grausen,
Vermischt mit Roßgewieh'r und Hufesschall.
Rings brüllen Berge, brüllen Thalesklausen,
Und Antwort brüllt des Abgrunds Widerhall.
Alecto läßt die Höllenfackel lodern,
Das Volk des Bergs zum Mitkampf aufzufodern.
 
22.
Der Sultan stürzt vor seinen Kriegern allen
Auf jene Schar, die sich noch kaum bewehrt,
So reißend los, daß aus Gebirgeshallen
Der wilde Sturm mit mindrer Schnelle fährt.
Ein Wogensturz, dem Bäum' und Häuser fallen,
Ein Blitz, der Türme schmettert und verzehrt,
Ein Erdstoß, der die Welt erfüllt mit Grauen,
Sind seiner Wut ein schwaches Bild zu schauen.
 
23.
Sein Schwert, so oft es sinkt, trifft ohne Fehle,
Und wo es trifft, läßt Wunden sein Gewicht,
Und jede Wund' entkerkert eine Seele;
Ich sagte mehr, doch Wahrheit scheint Gedicht.
Sei's, daß er täuschend seinen Schmerz verhehle;
Es scheint, er fühlt der andern Hiebe nicht;
Wenngleich der Helm, auf den ein Schwert gesunken,
Wie Glocken tönt und Flammen sprüht und Funken.
 
24.
Als er nun, ganz allein, die ersten Haufen
Des Frankenheers fast in die Flucht gesprengt,
Da kommt Arabiens Volk mit wildem Schnaufen,
Ein Strom aus tausend Bächen, nachgedrängt.
Nun wenden sich die Franken um und laufen;
Der Sieger, mit den Flüchtigen vermengt,
Dringt unaufhaltsam durch das Thor des Walles,
Und Graun, Verwüstung, Klag' erfüllet alles.
 
25.
Des Sultans Helm läßt einen Drachen schauen:
Er dehnt sich aus und reckt den Hals hervor,
Schlägt mit den Flügeln, hebt sich auf den Klauen
Und ringelt den gespaltnen Schweif empor.
Drei Zungen schnellt er, scheint's, haucht grünlich blauen
Giftschaum und schreckt durch sein Gezisch das Ohr;
Und durch den Schwung entbrennt das Ungeheuer
Im Brand der Schlacht und speiet Rauch und Feuer.
 
26.
Und wer den argen Soliman im Scheine
So schauderhaften Lichts gewahrt, dem graust,
Wie oft bei Nacht der bangen Schiffsgemeine,
Wann blitzumstrahlt das wilde Meer erbraust.
Der eine hebt zum Lauf die Schlotterbeine,
Der andre hebt ans Schwert die sichre Faust.
Die Nacht vermehrt noch den Tumult der Scharen
Und häuft, Gefahr verbergend, die Gefahren.
 
27.
Von denen, die beherzt zum Kampfe flogen,
War auch Latin, erzeugt am Tiberstrand,
Dem Alterslast den Rücken nicht gebogen,
Noch Ungemach gelähmt die kräft'ge Hand.
Fünf Söhne, fast einander gleich, umzogen
Den Vater stets, wo er in Schlachten stand,
Indem sie vor der Zeit in Waffen zwangen
Die Glieder, noch im Wuchs, die zarten Wangen.
 
28.
Zum Kampfe wetzten sie, auf das versuchte
Beispiel des Vaters schauend, Zorn und Schwert.
Auf, spricht er, laßt uns hin, wo der Verruchte
Den Uebermut auf flücht'ge Schwärme kehrt.
Heut werde nicht, wie wild auch die verfluchte
Mordgier ertobt, eu'r alter Mut entbehrt;
Denn Ruhm, o Söhn'! ist ohne Wert und Dauer,
Wenn nicht geschmückt mit manch vergangnem Schauer.
 
29.
So führt die wilde Löwin ihre Jungen,
Eh' mit der Zeit gewachsen sind die Klaun,
Eh' um den Hals die Mähne sich geschlungen
Und auf des Rachens Wehr sich läßt vertraun,
Mit zu Gefahren aus und Plünderungen,
Und macht durch Beispiel frühe sie zum Graun
Des Jägers, wenn er stört die Heimatforste
Und schwächres Wild verjagt aus seinem Horste.
 
30.
Dem Vater folgt der fünf beherzten Sprossen
Achtlose Schar und greift den Türken an.
In einem Zeitmaß, Rat und Geiste schossen
Sechs lange Speere los auf einen Mann.
Allein der ältre Sohn, zu rasch entschlossen,
Wirft weg den Speer, drängt sich an Soliman
Und sucht umsonst, wie mit des Schwertes Schärfe
Er unter ihm sein Roß zu Boden werfe.
 
31.
Doch wie ein Fels, von Wogen rings umschwollen,
Vom Sturm gepeitscht, ragt übers Meer hinaus
Und, fest durch sich, dem Donner und dem Grollen
Des Himmels trotzt, dem Wind- und Flutgebraus:
So hält der wilde Türk' mit festem Wollen
Den Sturm der Lanzen und der Schwerter aus
Und spaltet dem, der nach dem Roß gehauen,
Das kecke Haupt gleich zwischen Wang' und Brauen.
 
32.
Kaum sieht Armant, des Bruders Blut entwalle,
So reicht er ihm den Arm, da jener fällt;
Vergeblich thöricht Mitleid, das zum Falle
Des andern nun den eignen Fall gesellt!
Der Heide trifft den Arm mit mächt'gem Pralle
Und stürzt mit ihm auch jenen, den er hält.
Sie sinken aufeinander hin und lechzen,
Und mengen beid' ihr Blut und letztes Aechzen.
 
33.
Durchhaut er nun den Speer, womit soeben
Sabin ihm aus der Fern' entgegenfuhr,
Und rennt den Knaben um; er stürzt mit Beben
Und liegt, vom Roß zerstampft, auf blut'ger Flur.
Die Seel' entflieht mit bitterm Widerstreben
Dem jungen Leib' und scheidet traurig nur
Vom süßen Lebenshauch, den heitern Tagen
Der Jugend, reich an wonnigem Behagen.
 
34.
Laurent und Pico standen noch dem Heiden,
Sie, die zugleich die Mutter einst gebar;
So ähnlich von Gestalt, daß durch die beiden
Ein süßer Irrtum oft entstanden war.
Doch wollte sie Natur nicht unterscheiden,
So unterschied sie jetzo der Barbar.
Grausame Sondrung! denn vom Rumpf gewettert
Wird dem das Haupt, und dem die Brust zerschmettert.
 
35.
Der Vater – nicht mehr Vater! O Verhängnis,
Das so viel' Söhn' auf einmal ihm geraubt! –
Sieht in fünf Toten seines Tods Begängnis
Und seines Stamms, der vor ihm liegt entlaubt.
Ich weiß nicht, wie in solches Leids Bedrängnis
Das Alter ihm noch Kraft und Mut erlaubt
Zu leben, kämpfen: nicht wohl mocht' er schauen
Gebärd' und Blick der Söhn' im Todesgrauen;
 
36.
Und wohl verbarg zum Teil sein ungeheuer
Furchtbar Geschick ihm die gewogne Nacht.
Doch wie dem sei: nicht mehr ist Sieg ihm teuer,
Zerschmettert nicht auch ihn die wilde Schlacht.
Sein Blut verschwendend und mit allem Feuer
Habsücht'ger Gier auf Feindesblut bedacht,
Entdeckt er nicht, was seinem heißen Werben
Das Liebste sei, ob töten oder sterben.
 
37.
Er ruft dem Gegner zu: Ist so geringe,
So schwach mein Arm, so der Verachtung wert,
Daß ihm mit allen Kräften nicht gelinge,
Zu reizen wider mich dein grausam Schwert?
Er schweigt und hebt zu solchem Hieb die Klinge,
Daß sie sogleich durch Blech und Ringe fährt
Und faßt die Seit' und macht in lauen Wellen
Des Feindes Blut der großen Wund' entquellen.
 
38.
Bei diesem Ruf und Angriff kehrt der Heide
Mit gleicher Wildheit Zorn und Schwert auf ihn.
Den Panzer spaltet er, nachdem die Schneide
Den Schild zerhaun, den sieben Häut' umziehn,
Und taucht den Stahl ihm tief ins Eingeweide.
Schon keucht und schluchzt der sterbende Latin;
Und bald, im Wechselschwall, entströmt der Wunde
Das heiße Blut, und bald dem offnen Munde.
 
39.
Gleichwie ein Baum, der stark und unentblättert
Auf Alpenhöhn dem Ost getrotzt und Nord,
Wann ihn zuletzt die Windsbraut niederwettert,
Mitreißt die Bäume rings um seinen Ort:
So stürzt er hin, und seine Wut zerschmettert
Im mächt'gen Fall noch mehr als einen dort;
Und wohl geziemt dem Tapfern so zu sterben,
Daß er verbreit' im Sturze noch Verderben.
 
40.
Indes der Sultan dort, gleich gier'gen Geiern,
Den langen Hunger mit Gewürgten stillt,
Will auch Arabiens grimmig Volk nicht feiern
Und tobt im Frankenheere graß und wild.
Den Briten Heinrich, Olifern den Bayern
Stürzt deine Faust, o Dragut! aufs Gefild.
Gilbert und Philipp, beid' erzeugt am reichen
Gestad' des Rheins, macht Ariaden zu Leichen.
 
41.
Auch Ernst wird von Albazars Keul' erschlagen,
Algazels Schwert reißt Engerland ans Ziel.
Doch wer könnt' all' die Todesarten sagen,
Und welche Meng' unedlen Volkes fiel? –
Vom ersten Schrei, der an sein Ohr geschlagen,
Erwacht Bouillon sogleich und säumt nicht viel.
Schon ist er ganz bewaffnet, schon umringen
Die Seinen ihn, schon eilt er vorzudringen.
 
42.
Als nach dem Schrein der Lärm vom wilden Morden,
Der Kampftumult furchtbarer um sich greift,
Gedenkt er wohl, daß jene Räuberhorden
Durch Ueberfall ins Lager ihm gestreift.
Denn lange war's dem Feldherrn kund geworden,
Daß sie die Gegend ringsumher durchschweift;
Doch glaubt' er nicht, daß jemals der verzagte,
Feldflücht'ge Schwarm ihn anzugreifen wagte.
 
43.
Schon naht er sich, und von der andern Seite
Tönt's: Waffen! Waffen! mit gewalt'gem Schall;
Zugleich dringt furchtbar aus des Himmels Weite
Barbarischen Geheules Widerhall.
Clorind' ist dies, die in Argants Geleite
Des Königs Völker führt zum Ueberfall.
Zu Guelf, dem nächsten auf der Würden Stufe,
Kehrt sich der Feldherr nun mit diesem Rufe:
 
44.
Hörst du, welch neues Kriegsgetös vom Hügel
Herüberschallt, und von den Mauern her?
Wohl thut es not, du hemmst die raschen Flügel
Des ersten Sturms durch Kunst und tapfre Wehr.
Drum geh und halte dort den Feind im Zügel,
Und nimm die Hälfte mit von meinem Heer;
Und mit dem andern Teil will dem verwegnen
Andrang des Feinds auch hier indes begegnen.
 
45.
So wird bestimmt, und auf verschiednem Gange
Nimmt jeder gleiches Glück als Führer mit.
Guelf eilt zum Hügel, Gottfried zum Empfange
Der Araber, die niemand mehr bestritt.
Allein er wächst im Gehn; mit starkem Drange
Strömt neues Volk ihm zu auf jedem Schritt,
So daß er, groß und mächtig schon geworden,
Ankommt, wo Soliman sich letzt am Morden.
 
46.
So füllt der Po, wenn er mit schwacher Welle
Vom Berge stürzt, das enge Bett nicht an;
Doch immer mehr, je ferner seine Quelle,
Schwillt er von neuer Kraft auf seiner Bahn,
Hebt, weitausströmend, über Dämm' und Wälle
Als Sieger die gehörnte Stirn hinan,
Sucht stoßend selbst die Meerflut zu bezwingen
Und scheint ihr Krieg, nicht Tribut, zu bringen.
 
47.
Dort, wo sein Volk, vom Schrecken überwunden,
Die Flucht ergreift, kommt Gottfried angejagt:
Wo flieht ihr hin? Ist aller Mut entschwunden?
Betrachtet nur den Feind, vor dem ihr zagt:
Ein feig Gesindel, das von vorn die Wunden
Nicht zu empfangen noch zu geben wagt,
Das nicht, eu'r Antlitz sehend, würde taugen
Zu widerstehn den Waffen eurer Augen.
 
48.
Ruft's, spornt den Gaul, und, wo im flücht'gen Trosse
Der Sultan wütet, jagt er hin sofort,
Dringt mitten durch Gefahren, durch Geschosse,
Durch Staubgewölk, Blutströme, Graun und Mord;
Durchbricht und öffnet mit dem Schwert und Rosse
Die stärkste Schar, den dichtverwahrtsten Ort,
Und schleudert rechts und links im Drang der Streiter
Wehr und Bewehrte hin, und Roß und Reiter.
 
49.
Im Sturmlauf, über Leichenberge springend,
Verfolgt er seinen Pfad durch Nacht und Graus.
Der kühne Türk', der ihn verderbenbringend
Anstürmen hört, flieht nicht und weicht nicht aus;
Vielmehr, den Stahl hoch durch die Lüfte schwingend,
Sprengt er entgegen ihm zu wildem Strauß.
O, welche ein Ritterpaar die Macht der Sterne
Im Kampfe jetzt vereint aus fernster Ferne!
 
50.
Hier nun um Asiens große Herrschaft ringen
Im engen Kreise Wut und Heldenmacht.
Wer sagte wohl, wie schwer, wie rasch die Klingen
Im Schwunge sind, wie schauervoll die Schlacht?
Nichts melden kann ich von den furchtbarn Dingen,
Die hier geschahn, verhüllt von tiefer Nacht;
Der hellsten Sonne wert, und daß die ganze
Volksschar der Welt sie schau' im reinsten Glanze.
 
51.
Der Christen Heer, geführt von solchem Leiter,
Dringt wieder vor, von neuem Mut geschwellt,
Indes sich eine Schar der besten Streiter
Rings um den mörderischen Sultan stellt.
Mehr als der Heide färbt der Christ nicht weiter,
Noch jener mehr als dieser nun das Feld;
Gleichmäßig, hier wie dort, Besiegt' und Sieger,
Empfangen Tod und geben ihn die Krieger.
 
52.
Wie Nord und Süd zum Kampf die Luft durchstreichen,
Von da, von dort, gleich an Gewalt und Mut;
Sie weichen nicht, noch Meer, noch Himmel weichen
Und Wolke ringt mit Wolke, Flut mit Flut:
So weder da noch dort gibt nach im gleichen,
Hartnäck'gen Streit der beiden Völker Wut;
Und rasselnd, laut, im engen Kampfesringe
Prallt Schild an Schild, an Helm Helm, Kling an Klinge.
 
53.
Nicht minder dicht ist auf der andern Seite
Der Krieger Schar, der Kampf nicht minder schwer.
Hier füllt des Luftraums ungeheure Weite,
In tausend Wolken, der Dämonen Heer
Und stärkt der Heiden Kraft; dem rauhen Streite
Sich zu entziehn, denkt nicht ein einz'ger mehr.
Argant, seitdem die Höllenfackel flammte,
Fühlt heißre Glut noch als die angestammte.
 
54.
Auch seinerseits verjagt er bald die Wachen
Und schwingt mit einem Satz sich übern Wall,
Schafft Gräben durch der Leichen Schutt zu flachen
Heerstraßen um, und bahnt dem Ueberfall.
Nun folgen rasch die Seinen ihm und machen
Die ersten Zelte rot vom blut'gen Schwall;
Und nichts gibt oder wenig ihm an Schnelle
Clorinde nach, ungern an zweiter Stelle.
 
55.
Schon flohn die Franken, als gar sehr gelegen
Guelf kam mit seiner Schar herbeigerannt
Und führt' aufs neu' dem Feinde sie entgegen,
Und hielt dem Sturm der Heidenvölker stand.
So ward gekämpft; und Blut strömt' allerwegen,
Hier so wie dort, in Bächen übers Land.
Nun aber lenkt' aufs wilde Schlachtgewimmel
Der Weltenkönig seinen Blick vom Himmel.
 
56.
Wo er dem großen All, gerecht und schonend,
Gesetze gibt, und alles schafft und schmückt,
Hoch ob der Welt beschränkten Grenzen wohnend,
Den Sinnen und Gedanken weit entrückt:
Dort saß er, auf dem ew'gen Stuhle thronend,
Im dreifach-einen Glanz, durch sich beglückt;
Zu seinem Fuß, gehorsam jeder Regung,
Verhängnis und Natur, Zeit und Bewegung;
 
57.
Und Raum und jene, die, nach Wohlgefallen
Der höchsten Macht, Ruhm, Gold und Reich verschenkt,
Und läßt wie Staub und Asche sie zerfallen;
Die Göttin, nie von Menschenzorn gekränkt.
Dort, vor den Strahlen, die ihn rings umwallen,
Bleibt auch des Seraphs Angesicht gesenkt.
Der Geister Chör' umringen ihn unzählig,
Ungleicherweis' im Wonnempfang gleich selig.
 
58.
Vom großen Chor der heil'gen Jubellieder
Erscholl die Himmelsburg mit frohem Klang.
Zum Michael, des unbezwungne Glieder
Der Demantrüstung Flammenglanz umschlang;
Sprach nun der Herr: Siehst du, wie ihr Gefieder
Die Höllenrotte schwingt, zum Untergang
Der gläub'gen Schar? Wie aus des Todes Schlünden
Sie sich erhebt, das Weltall zu entzünden?
 
59.
Geh, sag' ihr du, sie soll den Kriegerscharen
Kriegführung zugestehn nach Recht und Brauch,
Und nicht des Lebens Reich, nicht mehr den klaren
Sternhimmel trüben durch den gift'gen Hauch;
Sie soll hinab zur würd'gen Wohnung fahren,
Zur schuld'gen Pein im dunkeln Höllenrauch.
Dort mag sie sich und die Verdammten quälen;
So ist mein Schluß, so lass' ich ihr befehlen.
 
60.
Der Höchste schweigt; und, ihm zu Fuß sich legend,
Verehrt der Fürst des Engelheers sein Wort.
Zum Fluge dann die goldnen Schwingen regend,
Geschwinder als Gedanken, eilt er fort;
Durchfleugt die heitre Licht- und Feuergegend,
Der sel'gen Schar glorreichen Wohnungsort,
Und schauet den Kristall zusamt dem Kreise,
Der goldgestirnt sich schwingt im Gegengleise;
 
61.
Sieht links Saturn und Jupiter sich drehen,
Ungleich, so wie an Wirkung, an Gestalt;
Samt jenen andern, die nicht irre gehen,
Gelenkt, bewegt durch englische Gewalt.
Dann kommt er aus den hellen Empyreen
Dahin, wo Donner rollt und Regen wallt,
Wo stets die Welt sich auflöst und ernähret,
In ew'gem Krieg vergeht und sich gebäret.
 
62.
Er kommt und scheucht das tiefe Graun, die dichte
Umschattung fort durch seines Fittichs Macht;
Und mit dem Glanz, der ihm vom Angesichte
Hellfunkelnd strömt, vergoldet sich die Nacht.
So, nach dem Regen, malt beim Sonnenlichte
Sich auf Gewölk der Farben bunte Pracht;
So sieht man einen Stern durch Aether wallen
Und in den Schoß der großen Mutter fallen.
 
63.
Doch angelangt, wo mit verruchtem Schalten
Die Höllenrott' entflammt der Heiden Wut,
Fest in der Luft durch Flügelkraft gehalten,
Schwingt er den Speer und spricht zur argen Brut:
Noch kennt ihr nicht des Weltbeherrschers Walten
Und seine Donner, seiner Blitze Glut?
O ihr, des Elends und der Schmach vergessen,
Im Abgrund eurer Martern noch vermessen!
 
64.
Dem Kreuze soll sich Zions Mauer neigen,
Ihr Thor sich öffnen, wie der Herr befahl.
Warum dem Schicksal euch rebellisch zeigen?
Warum herabziehn seiner Rache Strahl?
Eilt, Frevler, in eu'r Reich hinabzusteigen,
Ins Reich des ew'gen Todes und der Qual!
Dort, in verdienter Haft, in eurem dumpfen
Gefängnis kriegt und prahlet mit Triumphen.
 
65.
Dort wütet aus; dort an verzweiflungsvollen
Verdammten übt Gewalt, stillt eure Sucht,
Bei Angstgeheul, Zähnklappern, Kettenrollen
Und Eisenrasseln, in der düstern Schlucht.
Er spricht's und zwingt, die länger säumen wollen,
Verwundend, mit dem mächt'gen Speer zur Flucht.
Tiefseufzend muß die Rotte sich entfernen
Vom heitern Licht und von den goldnen Sternen,
 
66.
Und stürzt sich in des Abgrunds finstre Klausen,
Und schärft den Schuld'gen die gewohnte Pein.
Nie übers Meer in solchem Schwarme sausen
Die Vögel hin, zum wärmern Sonnenschein;
Nie sieht der Herbst, beim ersten Sturmesbrausen,
Der Blätter fallen solche Meng' im Hain.
Die Welt, des Zwanges frei, legt endlich nieder
Ihr düstres Ansehn und erfreut sich wieder.
 
67.
Doch in Argants wild tobendem Gemüte
Bleibt dennoch Wut und Kühnheit stark genug;
Obwohl nicht mehr Alectos Fackel glühte,
Die Höllengeißel nicht die Seit' ihm schlug.
Sein furchtbar Schwert, das helle Funken sprühte,
Kreist er umher im dichtsten Frankenzug,
Mäht groß und klein; und gleich macht seine Rechte
Das stolze Haupt der Fürsten dem der Knechte.
 
68.
Clorind', ihm nah, verstreut mit gleicher Hitze
Zerfetzte Glieder in nicht mindrer Zahl.
Zur Brust hinein, bis zu des Lebens Sitze,
Jagt sie dem tapfern Berlinger den Stahl
So kräftig, so gewaltsam, daß die Spitze
Zum Rücken fährt hinaus mit blut'gem Strahl.
Dann, wo die erste Nahrung wir empfangen,
Trifft sie Albin, und spaltet Gallus' Wangen.
 
69.
Nun wirft sie Gerniers Rechte, die soeben
Nach ihr gehaun, glatt abgetrennt aufs Land.
Noch zückt den Stahl, und noch, mit halbem Leben,
Am Boden fingernd, gleitet fort die Hand:
So wie umsonst zwei Schlangenhälften streben
Nach Einigung im vorigen Bestand.
Clorinde läßt ihn stehn, so übler Dinge;
Dann rennt sie auf Achill und senkt die Klinge,
 
70.
Und eilt, das Schwert im Nacken einzusetzen,
So daß es Nerven gleich und Schlund zerspellt.
Schon rollt der Kopf, den blut'ge Ströme netzen,
Mit Staub besudelt, weit hin übers Feld,
Indes der Rumpf – o Anblick voll Entsetzen! –
Ein kläglich Scheusal, sich im Sattel hält,
Bis ihn das Roß, das zügelfrei sich rüttelt,
Und um sich schlägt, zuletzt vom Leibe schüttelt.
 
71.
So fährt sie fort, die Reihen zu durchschneiden,
Die Franken geißelnd mit unmäß'ger Wut;
Indes Gildipp' an ihrem Teil die Heiden
Nicht minder schlägt und peinigt bis aufs Blut.
Gleich war Geschlecht, und ähnlich war in beiden
Die Tapferkeit, der unbezwungne Mut;
Doch trafen sie sich nie im Schlachtgewimmel,
Denn größerm Feinde spart sie auf der Himmel.
 
72.
Wie sehr sie, drängend, stoßend, auch sich regen,
Glückt's keiner doch, daß sie die Schar durchbricht.
Jetzt aber sprengt Clorinden Guelf entgegen
Mit hochgeschwungnem Stahl und naht ihr dicht,
Thut einen Hieb und rötet kaum den Degen
In ihrem schönen Leib; sie zaudert nicht,
Und läßt durch einen Stoß ihm Antwort bringen,
Kräftig genug, die Rippen zu durchdringen.
 
73.
Nochmals haut Guelf und kann sie nicht erlangen;
Denn eben jagt der Heid' Osmid durchs Feld,
Um die, nicht seine, Wunde zu empfangen,
Die durch den Zufall ihm die Stirn zerspellt.
Guelf aber sieht nun enger sich umfangen
Von jener Schar, die sich ihm beigesellt;
Und jenseits auch erhält das Volk Vermehrung,
So daß der Kampf sich mischt in wildrer Gärung.
 
74.
Schon zeigt Aurora nun vom Himmelserker
Die Purpurwang' in morgendlicher Huld,
Und schon hatt' Argillan aus seinem Kerker
Sich selbst befreit im wilden Schlachttumult;
Und rasch in Wehr, wie schwächer oder stärker
De Zufall ihm sie bot, voll Ungeduld
Stürmt' er heran, der Ehre neue Flecken
Durch neu Verdienst und neuen Ruhm zu decken.
 
75.
Gleichwie ein Roß den königlichen Ställen,
Wo man es aufzog zu des Krieges Mühn,
Entspringt und fliegt, nun endlich frei, zum hellen
Gewohnten Fluß, zur Herd', ins frische Grün;
Um Hals und Bug spielt ihm die Mähn' in Wellen,
Es schüttelt seinen Nacken stolz und kühn;
Mit lautem Wiehern füllt's die Aun, glutdampfend,
Huftön'gen Laufes die Gefilde stampfend:
 
76.
So flieget Argillan; Zornblitze dringen
Aus seinem Blick, die hohe Stirne dräut;
So rasch ist er im Lauf, so leicht im Springen,
Daß er dem Sande kaum die Spuren beut.
Dem Feinde nah, läßt er die Stimm' erklingen,
Wie wer nun alles wagt und nichts mehr scheut:
Abschaum der Welt! Elende Räuberhorden!
Woher ist jetzt euch solcher Mut geworden?
 
77.
Ihr seid zu schwach, um Helm und Schild zu tragen,
Zu waffnen Brust und Leib auf Schutz und Trutz,
Und überlaßt, nacktleibig und voll Zagen,
Den Hieb der Luft, den Fersen euren Schutz.
Eu'r herrliches Bemühn, eu'r keckes Wagen
Ist Werk der Nacht, nur Dunkelheit euch nutz.
Doch nun sie flieht, wer wird euch Hilfe schaffen?
Jetzt gilt es festern Mut, jetzt gilt es Waffen.
 
78.
So redend, haut er bis zum tiefsten Grunde
Der Kehl' Algazeln in den Hals hinein,
Und haut das Wort ihm durch zusamt dem Schlunde,
Eh' er's vermag zur Antwort auszuschrein.
Dem Armen raubt ein plötzlich Graun zur Stunde
Des Tages Licht, Frost rinnt durch sein Gebein;
Er stürzt dahin und packt im Todeswahne
Den tief verhaßten Grund mit wüt'gem Zahne.
 
79.
Nun fällt er, mancherweis', hier Saladinen,
Da Muleassen, Agricalden dort;
Und Aldiaziln haut er neben ihnen
Mit einem Hiebe durch und durch sofort.
Die Brust hierauf durchbohrt er Ariadinen
Von oben her, und höhnt mit rauhem Wort;
Der hebt den matten Blick und gibt den herben
Hochmüt'gen Worten dies zurück im Sterben:
 
80.
Wer du auch bist, der mich ins Reich der Nächte
Hinunter stößt, nicht lange frommt es dir.
Dein harrt ein gleiches Los; bald legt die Rechte
Des stärkern Helden dich zur Seite mir.
Doch jener lacht: Laß sorgen Himmelsmächte
Für mein Geschick; du stirb indessen hier,
Der Hunde Mahl! Dann, mit dem Fuße gegen
Den Leib gestemmt, aus reißt er Seel' und Degen.
 
81.
Ein Edelknapp' des Sultans war dem Wüten
Der Heidenschar gefolgt zum rauhen Streit,
Des holdes Kinn mit ihren ersten Blüten
Noch nicht geschmückt dir frühe Jugendzeit.
In Perlen auf der schönen Wange glühten
Die reinen Tropfen warmer Feuchtigkeit;
Dem wilden Haar wird selbst der Staub zur Zierde,
Zum Reize dem Gesicht die Kampfbegierde.
 
82.
Ihn trägt ein Roß, das an vollkommnem Glanze
Dem neuen Schnee der Apenninen gleicht;
Um leichten Sprung, im raschen Wirbeltanze
Von keinem Sturm, von keiner Flamm' erreicht.
Er schwingt, sie mittlings fassend, eine Lanze,
Führt an der Seit' ein Schwert, gekrümmt und leicht,
Und glänzt mit fremder Pracht in einem Kleide,
Aus Gold gewirkt und purpurfarbner Seide.
 
83.
Indes der Knabe, dem des Ruhms Vergnügen
Zum erstenmal die junge Brust durchdringt,
Die Scharen alle neckt auf flücht'gen Zügen,
Und keiner ihn zum festen Kampfe bringt:
Sucht Argillan bei diesen leichten Flügen
Den Augenblick, da er die Lanze schwingt,
Wirft tückisch ihm das Roß und fällt mit Toben
Den Knaben an, da er sich kaum erhoben.
 
84.
Und nach dem flehnden Angesicht des Armen –
Des Mitleids Wehr verteidigt ihn zu schwach –
Streckt der Barbar die Hand, und ohn' Erbarmen
Die Zierde der Natur verletzt er jach.
Das Eisen schien zu fühlen, zu erwarmen,
Menschlicher als der Mensch, und fiel nur flach.
Allein, was half's? Zum zweitenmale schwirrte
Der Stahl und traf nun, wo er anfangs irrte.
 
85.
Der Sultan, der, nicht fern von diesen beiden,
Noch immer kämpft mit Gottfried hart und schwer,
Sieht kaum den Liebling solche Not erleiden,
So eilt er aus dem Kampf, sprengt rasch daher
Und läßt sein Schwert Bahn durch die Menge schneiden
Und kommt zur Rache, nicht zur Rettung mehr;
Denn sein Lesbin – o Schmerz! die holde Blume
Fiel schon zerknickt dem Tod zum Eigentume.
 
86.
So sanft erlischt sein Aug', er senkt den weichen
Schneeweißen Hals so lieblich hinterwärts,
So reizend ist sein Blaß, und aus den Zeichen
Des Todes selbst haucht ein so holder Schmerz,
Daß Thränen mitten durch den Zorn sich schleichen,
Zerschmelzend schier ein sonst so hartes Herz.
Du weinest, Soliman? Du, der Verstockte,
Dem selbst der Thronsturz keine Thrän' entlockte?
 
87.
Doch als er kaum gewahrt des Feindes Degen,
Noch naß und rauchend von des Knaben Blut,
Flieht Mitleid fort, und Zorn mit mächt'gem Regen
Hemmt glühend in der Brust die Thränenflut.
Den Stahl gezückt, rennt er dem Feind entgegen
Und haut durch Schild und Helm in voller Wut,
Und dann durch Kopf und Schlund mit einem Hiebe,
Wert Solimans und der erzürnten Liebe.
 
88.
Doch nicht genug; ab steigt er, und das Sehnen
Nach Rache wird am Leichnam erst gekühlt,
So wie ein Hund den Stein packt mit den Zähnen,
Der hart ihn traf, und ihn im Staube wühlt.
O, eitler Trost so jammervoller Thränen,
Zu rasen gegen Erde, die nicht fühlt!
Jedoch der Frankenfeldherr, kräft'gen Strebens,
Verwandte Zorn und Hiebe nicht vergebens.
 
89.
Um ihn stehn tausend Türken dort zusammen,
Durchaus bewehrt mit Panzer, Helm und Schild,
Gewohnt der Mühsal, heiß von Mutesflammen,
Im Krieg erfahren und in Schlachten wild.
Sie, die des Sultans altem Heer entstammen,
Sind in Arabiens wüstes Sandgefild
Ihm nachgefolgt auf seinem irren Jagen,
Erprobte Freund' auch in des Unglücks Tagen.
 
90.
Kunstrecht geordnet wichen sie im Streite
Den Franken selbst nur wenig oder nicht.
Auf diese stößt Bouillon, haut in die Seite
Den Rustan, haut den Korkut ins Gesicht,
Schnellt Selims Kopf mit einem Hieb ins Weite,
Worauf er dem Rossan die Arme bricht.
Nicht diese nur; mit tausend andern Streichen
Verletzt er viel' und wandelt viel' in Leichen.
 
91.
Indem er so, von Feinden dicht umzogen,
Sie kräftig stößt und aushält ihren Stoß,
Und immer noch das Schlachtenglück gewogen
Den Heiden bleibt, und ihre Hoffnung groß:
Da sieh! kommt eine Staubwolk' angeflogen,
Die Kriegeswetter hegt im schwangern Schoß;
Sieh! Waffenblitz fährt plötzlich aus dem Dunkel
Und schreckt die Heiden durch sein Glutgefunkel.
 
92.
Vor fünfzig Kriegern strahlt, im Winde brausend,
Auf Silbergrund des Purpurkreuzes Pracht.
Und hätt' ich auch der Münd' und Zungen tausend,
Und eh'rner Stimm' und eh'rnen Atems Macht:
Nicht nennen könnt' ich alle hier, die grausend
Hinstürzten, gleich im ersten Sturm der Schlacht.
Feig sinkt der Araber; der Türke, bieder
Und unverzagt, sinkt kämpfend auch danieder.
 
93.
Mordgierde, Grausamkeit, Entsetzen, Trauer
Ziehn ringsumher; in wechselnder Gestalt
Durchstreift der Sieger Tod mit wildem Schauer
Das Schlachtgefild, von blut'gem See umwallt. –
Schon war der König außerhalb der Mauer
Mit einem Teil des Volks, als dächt' er bald
Des Sieges sich zu freun, und sah von oben
Das Blachfeld und des Kampfs ungleiches Toben.
 
94.
Kaum siehet er die größre Schar gewendet,
Als er sogleich zur Umkehr blasen läßt
Und zu Arganten, zu Clorinden sendet
Und dringend wiederholt den Rückzug preßt.
Das wilde Paar, von Zorn und Haß verblendet,
Von Blut berauscht und toll, verweigert fest.
Doch endlich weicht's und sucht die flücht'gen Haufen
Zu sammeln nur, zu hemmen noch im Laufen.
 
95.
Doch wer kann Pöbel meistern? Zügel legen
Der Furcht und Feigheit? Flucht ist allgemein.
Den Schild wirft dieser weg, und der den Degen;
Last scheint das Eisen, nicht mehr Schutz zu sein.
Vom Lager führt ein Thal der Stadt entgegen,
Von West gen Süd durch rauhes Felsgestein;
Dem fliehn sie zu, und dunkeln Staubes Wolke
Wälzt sich zur Mauer mit dem flücht'gen Volke.
 
96.
Indes sie jäh hinunter fliehen, fahren
Die Christen fort, derb auf sie einzuhaun;
Doch als sie aufwärts klimmen und die Scharen
Des Königs schon bereit zur Hilfe schaun,
Will Guelf nicht mehr des Felsensteigs Gefahren
Mit offenbarem Nachteil sich vertraun.
Er hemmt sein Volk; der Fürst bringt in die Feste
Des unglücksel'gen Kampfs nicht kleine Reste.
 
97.
Was Menschenkraft imstand' ist zu erweisen,
Erwies der Sultan; mehr vermag er nicht.
In Strömen dringt ihm Schweiß und Blut durchs Eisen,
Beklemmt ist seine Brust, der Atem bricht:
Die Rechte schwingt den Stahl in trägen Kreisen,
Der Arm ermattet von des Schilds Gewicht.
Nur schmetternd, nicht mehr schneidend, stumpf vom Morden,
Ist nun sein Schwert zum Schwert unbrauchbar worden.
 
98.
Dies merkend, bleibt er stehn, wie wer in Sichtung
Von Zweifeln schwankt und sinnt, was vorzuziehn:
Ob er soll sterben und durch Selbstverrichtung
Dem Feinde so erlaucht That entziehn,
Ob, überdauernd seines Heers Vernichtung,
In Sicherheit sich bringen soll durch Fliehn.
Wohl! spricht er dann, ich will dem Schicksal weichen,
Und meine Flucht sei ihm ein Siegeszeichen.
 
99.
Der Feind mag meinen Nacken schaun und lache
Der schmählichen Verbannung noch einmal,
Darf ich nur bald den Frieden ihm, das schwache
Hinfäll'ge Reich bedrohn mit neuem Stahl.
Ich weiche nicht, nein! Ewig sei die Rache,
Wie ewig ist der Schmacherinnrung Qual.
Zurück, stets wilder, kehr' ich ohn' Ermatten,
Auch als begrabner Staub und nackter Schatten!

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