Torquato Tasso
Das befreite Jerusalem
Torquato Tasso

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Fünfter Gesang.

 
1.
                    Indes Armida die bethörten Seelen
Der Ritter so umwebt mit Liebestrug
Und heimlich hofft vom Lager fortzustehlen,
Nicht nur die Zehn, auch andre noch genug:
Sinnt Gottfried nach, wer etwa sei zu wählen
Zur Teilnahm' an dem zweifelhaften Zug;
Denn ungewiß macht ihn der Ritter Menge,
Ihr gleich Verdienst, ihr eifriges Gedränge.
 
2.
Zuletzt ist dies sein weisliches Entscheiden,
Daß einen sie aus ihrer Zahl ersehn,
Des edlen Dudo Kriegsamt zu bekleiden,
Und diesem dann die Auswahl zugestehn.
So hofft er, jeden Anlaß zu vermeiden,
Daß einer klag', ihm sei nicht recht geschehn,
Und zeigt zugleich vor seinem ganzen Heere,
Wie er die tapfre Schar nach Würden ehre.
 
3.
Drum ruft er sie, um ihnen dies zu sagen:
Ihr habt gehört, worin mein Rat besteht;
Der Jungfrau nicht den Beistand abzuschlagen,
Doch ihn zu geben, wann die Zeit es rät.
Noch einmal sei der Rat euch vorgetragen,
Und ihm zu folgen ist noch nicht zu spät;
Denn oft beruht, in dieser Welt voll Wanken,
Beständigkeit im Wechsel der Gedanken.
 
4.
Doch glaubt ihr noch unwürdig eurem Stande,
Euch der Gefahr vorsichtig zu entziehn;
Verschmäht eu'r Mut, entflammt von edlem Brande,
Was ihm als zu bedächt'ger Rat erschien:
Ich halt' euch nicht durch unfreiwill'ge Bande
Und nehme nicht zurück, was ich verliehn.
Denn gegen euch sei meines Amts Verwaltung
Sanft, wie's gebührt, und leicht der Zügel Haltung.
 
5.
Bleibt also oder geht, ich bin's zufrieden;
Von eurer freien Willkür hängt es ab.
Doch statt des Helden, der von uns geschieden,
Gebt einem erst von euch den Führerstab.
Er wähle dann die Zehn; nur sei vermieden,
Daß er die Anzahl mehre, die ich gab.
Hierin allein bleibt mir die Oberlenkung,
Sonst aber bind' ihn keinerlei Beschränkung.
 
6.
So sprach Bouillon. Der Ritter Wort zu führen,
Ward dem Eustaz von seiner Schar gewährt:
Wie man an dir, o Feldherr, nach Gebühren,
Bedächt'gen Mutes fernen Blick verehrt,
So fordert man von uns, rasch zu vollführen
Mit kräft'gem Arm, was kräft'ges Herz begehrt.
Drum wär' ein Zögern, so bedacht und glimpflich,
Bei andern Vorsicht, uns als Feigheit schimpflich.
 
7.
Und da nun die Gefahr bei diesem Zuge
Nicht mit dem Vorteil sich ins Gleiche stellt,
So wird die Schar der Zehn mit allem Fuge
Der Jungfrau folgen, wenn es dir gefällt.
So redet er, mit so geschicktem Truge
Deckt er die Glut, die ihm den Busen schwellt,
Durch fremden Trieb; und auch die andern streben,
Die Liebesgier für Ehrgier auszugeben.
 
8.
Allein Eustaz, der schon im stillen leidet
Von eifersücht'ger Mißgunst auf Rinald,
Weil er des Helden Tapferkeit beneidet,
Achtbarer noch durch Schönheit der Gestalt,
Möcht' ihn vom Zuge fern; und so entscheidet
Zur Arglist ihn der Eifersucht Gewalt.
Er lockt den Freund nach einem fernen Orte
Und spricht zu ihm die schmeichlerischen Worte:
 
9.
O du, so jung, der erste schon im Heere,
Du, eines großen Vaters größrer Sohn!
Wer ist's, den man zum Führer jetzt erkläre
Der Ritterschar? Wem wird so edler Lohn?
Ich, der ich Dudo'n kaum, und nur zur Ehre
Des grauen Haars, war unterwürfig schon,
Ich, Gottfrieds Bruder – sage, was für einem
Stünd' ich jetzt nach? Bist du es nicht, sonst keinem.
 
10.
Dich, jedem gleich an Adel und Geschlechte,
Muß ich an Ruhm und Thaten vor mir sehn.
Selbst Gottfried wird den Preis dir im Gefechte,
Den du verdienst, mit Freuden zugestehn.
Dir also nur geb' ich der Führung Rechte,
Verlangst du mit der Fremden nicht zu gehn;
Doch wenig scheint dir solcher Ruhm geraten,
Den man erwirbt durch nächtlich dunkle Thaten.
 
11.
Und daß dein Arm mit hellerm Mut sich zeige,
Fehlt hier gewiß dir weder Zeit noch Ort.
Daß nun die andern dir die höchste Steige
Der Ehr' anbieten, wirk' ich durch mein Wort.
Doch ungewiß, wohin mein Herz sich neige,
Im Zweifel schwankend zwischen hier und dort,
Verlang' ich nur mir freie Wahl beschieden,
Ob ich bei dir bleib' oder folg' Armiden.
 
12.
Hier schweigt Eustaz, doch hat er's kaum gesprochen,
Als brennend Rot sein Antlitz überschleicht;
Und was für Trieb' in seinem Herzen pochen,
Bemerkt mit Lächeln jener andre leicht.
Doch weil der Pfeil dem nur die Haut gestochen,
Ermattet schon, eh' er die Brust erreicht:
Scheint ihm der Nebenbuhler kaum beschwerlich,
Noch das Geleit der Jungfrau ihm begehrlich.
 
13.
Doch tief in seinem Herzen eingegraben
War unauslöschlich Dudos bittrer Tod;
Daß lang' Argant sollt' überlebt ihn haben,
Das ist des edlen Jünglings größte Not.
Dann aber mußt' es ihn mit Wonne laben,
Daß man den Platz, den er verdient, ihm bot;
Auch hört sein junges Herz mit Wohlgefallen
Den süßen Ton wahrhaften Lobs erschallen.
 
14.
Mehr, spricht er, als den Vorrang zu erstreben,
Glaubt' ich, ihn zu verdienen, meine Pflicht;
Und wird mein eigner Wert mich nur erheben,
Leist' ich auf Zepterhoheit gern Verzicht.
Doch wenn ihr denkt mir jenen Platz zu geben,
Als mir gebührend, widerstreb' ich nicht;
Und wert sein muß gewiß mir die Ernennung
Als ein Beweis verdienter Anerkennung.
 
15.
Nicht also weigr' ich, wie ich nicht verlange;
Und wählt ihr mich, wird dir dein Wunsch verliehn.
Eustaz verläßt ihn, um mit raschem Drange
Die andern auch in seinen Plan zu ziehn.
Allein Gernand strebt nach dem gleichen Range;
Und zielt Armida manchen Pfeil auf ihn:
Weit minder doch besieget Frauenliebe
Sein stolzes Herz, als kühner Ehrsucht Triebe.
 
16.
Entsprossen war Gernand von Norwegs Thronen,
Die weites Land sich unterwürfig sahn;
Stolz machten ihn die Zepter und die Kronen,
Die einst sein Vater trug und mancher Ahn.
Rinalden kann nur eigne Würde lohnen,
Sein Stolz ist nicht, was längst vor ihm gethan,
Wenn seine Väter gleich, seit grauen Jahren,
Im Frieden groß, erlaucht im Kriege waren.
 
17.
Allein der fremde Fürst, der nur betrachtet,
Wie's mit dem Gold, der Herrschaft sei bestellt,
Und jede Tugend für unscheinbar achtet,
Die nicht der königliche Nam' erhellt,
Zürnt, daß in dem, wonach er selber trachtet,
Mit ihm der Ritter auf den Platz sich stellt,
Und läßt durch Groll und Unmut sich verleiten,
Die Grenzen alles Rechts zu überschreiten.
 
18.
Nun schleicht sich einer der verruchten Geister,
Dem er das Thor so weit geöffnet hat,
Leis' in die Brust, macht drinnen sich zum Meister
Und lenkt sein Herz durch schmeichlerischen Rat.
Er stachelt Haß und Groll, regt immer dreister
Den Hochmut auf, spornt ihn zu arger That
Und läßt in seiner Brust geheimsten Hallen
Ohn' Unterlaß ihm diese Stimm' erschallen:
 
19.
Mit dir nun kämpft Rinald! Gibt seiner alten
Erblichnen Helden Zahl dazu ihm Recht?
Er sage denn, will er dir gleich sich halten,
Welch Volk Tribut ihm zahlt, ihm dient als Knecht.
Die Zepter zeig' er, mess' an Herrscherwalten
Sein totes und dein lebendes Geschlecht!
Was wagt ein Ritter so geringen Standes,
Italiens Sohn, der Sohn des Sklavenlandes?
 
20.
Und ob er Sieger, ob Besiegter wäre:
Er siegte schon, seit er dir widerstand.
Der, sagt die Welt – und ihm zur höchsten Ehre –
Der hat einst wettgekämpfet mit Gernand!
Zwar Ruhm und Glanz verschaffte dir der hehre,
Glorreiche Platz, auf welchem Dudo stand;
Doch minder nicht mußt' er von dir empfangen:
Verringert ist er durch Rinalds Verlangen.
 
21.
Und wenn, da hier kein andrer wagt zu sprechen,
Fürst Dudo noch in seines Glücks Genuß
Teilnimmt an unsrer Menschlichkeit Gebrechen:
Wie, glaubst, du, daß sein Zorn entlodern muß,
Wirft er den Blick herab auf diesen Frechen
Und seinen tollkühn frevelnden Entschluß,
Da er, hohnsprechend dem Verdienst, den Jahren,
Ihm sich vergleicht, ein Knab' und unerfahren?
 
22.
Und doch, er wagt's; und statt der Zücht'gung spendet
Die Meng' ihm Lob und Ehre, hoch vergnügt;
An ihn wird Rat, Ermuntrung noch verschwendet,
Und – o der Schande! – keiner, der es rügt.
Doch sieht's Bouillon, und leidet er verblendet,
Daß man um das, was dein ist, dich betrügt:
Du, duld' es nicht! Hier dulden wäre feige;
Nein! wer du bist, was du vermagst, das zeige!
 
23.
Als diese Töne sich ihm hören lassen,
Flammt auf sein Zorn gleichwie ein flackernd Licht;
Schon kann das volle Herz ihn nicht mehr fassen,
Er tritt hervor auf Zung' und Angesicht.
Was an Rinald zu tadeln und zu hassen,
Was er ihm schimpflich wähnt, verschweigt er nicht;
Hochmütig schilt er ihn und aufgeblasen,
Nennt seinen Mut Verwegenheit und Rasen.
 
24.
Und was an ihm nur herrlich und erhaben,
Was seinen Ruhm mit edlem Glanz erhellt,
Das sucht er tief in Schatten zu begraben,
Das wird als Laster tückisch dargestellt.
Bald muß hiervon Rinaldo Kundschaft haben,
Durch öffentlich Gerücht erfährt's der Held;
Doch nicht hemmt jener seinen Groll, noch zügelt
Die blinde Wut, die seinen Tod beflügelt.
 
25.
Denn jener Höllengeist, ihm stets zur Seite,
Der jedes Wort auf seine Zunge legt,
Reizt ewig ihn zu ungerechtem Streite
Und schürt die Glut, die er im Busen hegt.
Im Lagerraum ist eine flache Weite,
Wo sich der Ritter Schar zu sammeln pflegt
Und, mit Turnier und Ringerkampf beschäftigt,
Im edlen Spiel die Glieder übt und kräftigt.
 
26.
Hier klagt er einst, im Kreise der Genossen,
Rinalden an, wie sein Geschick verhängt,
Und kehrt auf ihn, gleich spitzigen Geschossen,
Die Zunge, mit der Hölle Gift besprengt.
Rinald ist nah und hört's; nicht mehr verschlossen
Hält er den Zorn, der alle Bande sprengt.
Er ruft: Du lügst! und den entblößten Degen
In seiner Faust, stürzt er ihm wild entgegen.
 
27.
Ein Donner schien die Stimm', ein Blitz das Eisen,
Dem bald der Wetterschlag zu folgen droht.
Der andre bebt; kein Mittel will sich weisen,
Zu fliehn den unausweichlich nahen Tod.
Doch, da die Scharen all' ihn hier umkreisen,
Zwingt ihn zum Schein beherzten Muts die Not;
Und so, den Stahl entblößend zu verwegner
Verteidigung, erwartet er den Gegner.
 
28.
Auf einmal hört man tausend Schwerter klirren,
Im gleich Augenblick der Scheide frei;
Denn vieles Volk mit Drängen und Verwirren
Rennt, unvorsichtig stürmend, rings herbei.
Es rauscht durch die bewegte Luft ein Schwirren
Verworrner Tön', ein ungewiß Geschrei:
Wie wann am Meergestade sich das Brausen
Der Wogen mischt mit hohler Winde Sausen.
 
29.
Allein Rinaldos Wut, statt zu erkalten,
Wird durch der andern Lärm nur noch vermehrt.
Kein Ruf, kein Arm vermag ihn aufzuhalten,
Vergebens wird der Zugang ihm verwehrt.
Er weiß die dichtgedrängte Schar zu spalten,
Schwingt wild im Kreis herum sein blitzend Schwert;
Und ihm gelingt's, allein, trotz tausend Klingen,
Bis zum Gernand rachatmend durchzudringen.
 
30.
Sein Arm, im Zorn noch Meister im Gefechte,
Gibt tausend Hiebe dem bestürzten Mann;
Und bald den Kopf, die Brust, und bald die rechte,
Und bald die linke Seite fällt er an.
So ungestüm, so rasch ist seine Rechte,
Daß jenem Aug' und Kunst nicht helfen kann,
Und daß Gernand oft unversehens blutet
Durch Hieb und Stich, wo er sie nicht vermutet.
 
31.
Nicht ruht Rinald, bis er sein Schwert getauchet
Ins Herz des Feindes zweimal, da und dort.
Der Arme stürzt auf seine Wund' und hauchet
Auf zweien Wegen Seel' und Atem fort.
Der Sieger steckt das Eisen, das noch rauchet,
An seinen Platz und weilet nicht am Ort;
Er geht hinweg, und alsobald verlassen
Den hohen Geist Rachgier und blindes Hassen.
 
32.
Bouillon indes, gelockt vom Lärm der Menge,
Erblickt jetzt unversehns den grausen Fall:
Da liegt Gernand, im Antlitz Todesbänge,
Gewand und Haar befleckt vom Blutesschwall;
Er hört die Seufzer, Klagen, Trauerklänge
Um den Erschlagnen schallen überall
Und fragt bestürzt: Wer übte dies Verbrechen
Hier, wo am mind'sten ziemte solch Erfrechen?
 
33.
Arnald, am wärmsten dem Gernand ergeben,
Zeigt ihm die That im häßlichsten Gewand:
Rinaldo sei's, der ihm geraubt das Leben;
Durch leichten Scherz zur blinden Wut entbrannt,
Hab' er das Schwert, für Christus ihm gegeben,
Auf Christi Streiter meuchlerisch gewandt
Und wider das Verbot sich frech vergangen,
Das kürzlich erst vom Feldherrn ausgegangen.
 
34.
Er sei des Todes wert nach den Gesetzen
Und müsse die bestimmte Straf' empfahn;
Denn schwer sei schon die That an sich zu schätzen,
Noch schwerer durch den Ort, wo sie gethan.
Und wolle man bei ihm das Recht verletzen,
So werden alle, die solch Beispiel sahn,
Bei jeder Kränkung sich mit eignen Waffen
Die Rache, die des Richters ist, verschaffen.
 
35.
Und dieser Grund werd' ew'gen Streit erregen
Und der Parteiung öffnen Thür und Thor.
Er heißt sodann Gernands Verdienst erwägen
Und sucht, was Zorn und Mitleid weckt, hervor.
Allein Tankred steht mutig ihm entgegen
Und stellt die That in besserm Lichte vor.
Der Feldherr hört's; des Auges finstrer Schatten
Scheint eher Furcht als Hoffnung zu gestatten.
 
36.
Nun fügt Tankred hinzu: Halt in Gedanken,
O Feldherr, wer und welcher ist Rinald;
Was er für Ehre hat sich selbst zu danken,
Und seinem Stamme, so erlaucht und alt,
Und seinem Oheim Guelf. Nicht ohne Schranken
Darf gleich für alle sein die Strafgewalt.
Ein andrer Stand prägt Schuld mit andern Zeichen,
Und Gleichheit ist gerecht nur unter Gleichen.
 
37.
Der Feldherr spricht: Und von den Höchsten eben
Gehorchen lerne der gemeine Mann.
Willst du, ich soll' in Ruh' das freche Streben
Der Großen sehn, so rätst du Schlechtes an.
Sollt' ich dem Pöbel nur Gesetze geben,
Tankred, was wäre meine Herrschaft dann?
Ohnmächtig Zepter! Schimpfbeladne Würde!
Nein! so bedingt, nehmt sie zurück, die Bürde.
 
38.
Frei hab' ich sie und ehrenvoll empfangen,
Und keiner soll ihr Ansehn mir entweihn.
Auch meinem Blick ist sicher nicht entgangen,
Wann man verschieden Straf' und Lohn verleihn,
Wann am Gesetz der Gleichheit müsse hangen,
Ohn' Unterschied behandeln groß und klein.
So redet er; und jener in Betrachtung
Des ernsten Worts verstimmt, besiegt von Achtung.
 
39.
Raimund, noch ganz Verehrer jener alten
Gestrengen Zeit, lobt, was der Feldherr spricht:
Wer also mit dem Zepter weiß zu schalten,
Dem zollen Niedre gern der Achtung Pflicht.
Da ist die Ordnung schon nicht wohl erhalten,
Wo man Verzeihn erwartet, Strafe nicht.
Die Herrschaft fällt, und ihr gewisser Schade
Wird, wenn nicht Furcht sie stützet, jede Gnade.
 
40.
Er spricht's; Tankred nimmt wohl in acht, was eben
Gesprochen ward, und weilt nicht länger dort;
Vielmehr, um sich zum Freunde zu begeben,
Steigt er aufs Roß und spornt's im Fluge fort.
Rinald indes, nachdem er Stolz und Leben
Dem Feinde nahm, ging in sein Zelt sofort.
Hier findet ihn Tankred und sagt in Eile
Den Inhalt ihm der Reden beider Teile.
 
41.
Er fügt hinzu: Obwohl zu mancher Stunde
Das Herz nicht wahrhaft sich im Aeußern weiß,
Denn in zu dunkelm und geheimem Grunde
Ruht, tief verborgen, oft des Menschen Geist;
Doch, soviel ich von Gottfrieds Sinn erkunde,
Den er nicht ganz verhehlt, behaupt' ich dreist:
Behandeln will er dich gleich niedern Schuld'gen
Und zwingen, seiner Herrschermacht zu huld'gen.
 
42.
Rinaldo lächelt, doch im Lächeln färben
Zornflammend sein Gesicht mit hellem Schein.
In Fesseln, spricht er, mag sein Recht erwerben,
Wer Sklav' ist oder es verdient zu sein.
Frei ward und lebt' ich; frei auch will ich sterben,
Eh' Arm und Fuß unwürd'ge Band entweihn.
Gewöhnt an Schwert und Palm' ist diese Rechte
Und weigert sich der Fesseln niedrer Knechte.
 
43.
Doch wird für meine Thaten, meine Wunden
Ein solcher Lohn von Gottfried mir verliehn;
Und wähnet er, wie einem Knecht, gebunden,
In einen niedern Kerker mich zu ziehn:
Er komm'! Ich warte sein zu allen Stunden,
Und Schwert und Glück richt' über mich und ihn.
Verlangt er , daß man mit unserm Streite
Dem Feind ein wildes Trauerspiel bereite!
 
44.
Er spricht's und läßt sogleich die Waffen kommen;
Mit feinem Stahl wird Haupt und Brust bewehrt,
Schon hat der Arm den großen Schild genommen,
Schon an der Seite hängt das mächt'ge Schwert.
Und so, von Ansehn herrlich und vollkommen,
Strahlt er, ein Blitz, der aus den Wolken fährt.
Dir gleicht er, Mars, steigst du vom fünften Himmel,
Mit Stahl und Graun umhüllt, ins Kampfgewimmel.
 
45.
Tankred indes versucht auf alle Weise,
Zu stillen ihm des wilden Herzens Glut:
Siegreicher Jüngling, auch die höchsten Preise,
Ich weiß, erringet leicht dein Heldenmut;
Ich weiß, er strahlt am herrlichsten im Kreise
Versuchter Waffen, zwischen Graun und Blut.
Doch Gott verhüte, daß zu unserm Schaden
Er heute sich so furchtbar soll entladen!
 
46.
Sag's an, was willst du thun? Die Hände tauchen
In Bürgerblut? Vor Zorn und Eifer blind,
Sie wider Christus, deinen Herrn, gebrauchen,
Von dem die Christen Teil' und Glieder sind?
Der Ehre Dunstgebilde, die verrauchen,
So wie die Well' herankommt und zerrinnt,
Sie sollten dich dem ew'gen Ruhm entreißen,
Den Glaub' und Treu' und Himmel uns verheißen?
 
47.
Ha nein, bei Gott! Besiege dich und stille
Des Zornes Glut in deinem stolzen Geist.
Gib nach; es sei nicht Furcht, dein heil'ger Wille,
Dem solch Nachgeben Siegeslohn verheißt.
Und ist's vergönnt, daß in bescheidner Stille
Sich meine Jugend dir als Beispiel weist:
Man reizt' auch mich; allein, um nicht zu kämpfen
Mit Christi Volk, wußt' ich den Zorn zu dämpfen.
 
48.
Denn als ich einst Cilicien eingenommen
Und dort verbreitet unsres Herrn Panier,
Nahm Balduin, der später hingekommen,
Dies Land für sich und raubt' es treulos mir.
Da er sich stets als Freund mit mir benommen,
Blieb mir verhehlt die geizige Begier;
Doch durch Gewalt es wieder zu erringen
Versucht' ich nicht, und konnt's vielleicht vollbringen.
 
49.
Und willst du auch dich vor dem Kerker schützen,
Und scheust der Band' unwürd'ge Last mit Grund,
Und denkst auf Brauch und Meinung dich zu stützen,
Die in der Welt als Recht der Ehre kund:
So laß mich hier, beim Feldherrn dir zu nützen;
Nach Antiochien geh, zu Bohemund.
Nicht ratsam ist, daß man der Richterschärfe
In ihrem ersten Zorn sich unterwerfen.
 
50.
Bald, wenn Aegyptens König mit den Seinen,
Wenn andre Heiden sich hierher gewandt,
Wird heller deine Tapferkeit erscheinen,
Erst in der Fern' im vollen Wert erkannt,
Wird ohne dich das Herr verstümmelt scheinen,
Gleichwie ein Körper sonder Arm und Hand.
Hier kommt auch Guelf und billig diese Worte,
Und will sogleich ihn fern vom Lagerorte.
 
51.
Des kühnen Jünglings Sinn, von Zorn entglommen,
Beugt sich zuletzt dem Rat, den sie verliehn;
Er weigert nicht, dem Wunsche nachzukommen
Und ungesäumt vom Lager fortzuziehn.
Viel' seiner Freunde sind indes gekommen,
Und gern begleiten will ein jeder ihn;
Er, allen dankend, nimmt vom Knappentrosse
Nur zwei als Diener mit und steigt zu Rosse.
 
52.
Er eilt hinweg; ein glühend heißes Ringen
Nach ew'gem Ruhm begleitet seine Bahn.
Sein Geist, entflammt, das Höchste zu vollbringen,
Sinnt nur auf Thaten wie man nie gethan:
Als Christi Kämpfer in den Feind zu dringen,
Cypressen oder Palmen zu empfahn;
Aegypten zu durchziehn, bis wo die Welle
Des Nils entströmt der unentdeckten Quelle.
 
53.
Nachdem Rinald, entflammt von kühnem Streben,
Den Flug beeilend, von den Seinen schied,
Säumt Guelf nicht mehr, dahin sich zu begeben,
Wo, wie er denkt, der Feldherr jetzt verzieht.
Laut ruft Bouillon, da er ihn sieht soeben:
Du bist es, Guelf, den ich hierher beschied!
Herolde hab' ich schon von allen Seiten
Nach dir gesandt, zu uns dich zu geleiten.
 
54.
Die andern alle schickt er weg, und leise
Beginnt er dann zu ihm ein ernstes Wort:
Fürwahr, o Guelf! zu weit aus jedem Gleise
Reißt Zorneswildheit deinen Neffen fort.
Schwer, glaub' ich, wird es sein, daß man beweise,
Ihn trieb gerechter Grund zu jenem Mord.
Wenn du's vermagst, gern lass' ich mir's gefallen;
Doch Gottfried ist ein gleicher Feldherr allen,
 
55.
Und wird allzeit ein Widerhalt der Frechen,
Des Rechts und des Gesetzes Hüter sein,
Und seine Brust, soll er als Richter sprechen,
Von Leidenschaft erhalten frei und rein.
Ward nun Rinaldo, das Gebot zu brechen,
Die Heiligkeit der Kriegszucht zu entweihn,
Gezwungen, wie man sagt: mag er sich neigen
Vor unserm Richterstuhl, und mag es zeigen.
 
56.
Frei mag er nur sich in die Haft begeben;
Was ich vermag, kommt seinem Wert zu gut.
Doch wagt er, dem Gebot zu widerstreben –
Wohl kenn' ich ja sein ungestümes Blut –
So suche du des Jünglings Trotz zu heben;
Sonst zwingt er mich, den Mann von sanftem Mut,
Daß ich nach strengem Recht an dem Verbrecher
Werd' unsrer Herrschaft und Gesetze Rächer.
 
57.
So sagt er ihm, und Guelf versetzt dagegen:
Ein Geist, in dem der Ehre Feuer glimmt,
Hört nie ein Wort, beschimpfend und verwegen,
Das er nicht rächt, wo immer er's vernimmt.
Und traf's ihn, den Beleid'ger zu erlegen:
Wer hat gerechtem Zorn sein Ziel bestimmt?
Wer zählt die Streiche, wann die Schwerter glänzen?
Wer mißt im wilden Kampf der Rache Grenzen?
 
58.
Und willst du, daß er vor Gericht sich stelle,
Sich unterwerfe dem, was du erkannt:
Vergib, es kann nicht sein; in aller Schnelle
Hat er den Schritt vom Lager abgewandt.
Doch wer ihn schmäht mit beißigem Gebelle,
Beweisen will ich dem mit dieser Hand –
Und jedem, der sich solcher Tück' erfreche –
Daß Unrecht er bestraft mit vollem Rechte.
 
59.
Den schwülstigen Gernand für sein Vermessen
Zu zücht'gen war, behaupt' ich seine Pflicht;
Er fehlte nur durch des Verbots Vergessen,
Und ich erkenne dieses Fehls Gewicht.
Er schwieg, und Gottfried sprach: Er mag indessen
Zank suchen, wo er will; doch leid' ich nicht,
Daß du hier Samen wirfst zu neuem Streite;
Bei Gott! schaff endlich diesen Groll zur Seite.
 
60.
Um die versprochne Hilf' ins Werk zu bringen,
Läßt nichts indes die Zaubrin außer acht.
Sie fleht den ganzen Tag und braucht die Schlingen
Der List und Klugheit, wie der Schönheit Macht;
Doch wann im West mit ihren dunkeln Schwingen
Die Nacht vertilgt des Tages heitre Pracht,
Dann geht sie mit zwei Rittern und zwei Frauen
In ihr Gezelt, und läßt sich nicht mehr schauen.
 
61.
Doch wenn sie gleich, als Meisterin im Trügen,
Durch Sitt' und Anstand jedermann gefällt;
Wenn gleich der Himmel nie mit holdern Zügen
Ein Weib geschmückt auf dieser Erdenwelt,
So daß ihr Reiz in fesselndem Vergnügen
Sie Tapfersten des Heers gefangen hält:
Gelingt's ihr dennoch nicht, durch Liebesgirren
Den frommen Gottfried schmeichlerisch zu kirren.
 
62.
Umsonst, daß sie ihn zu umgarnen trachtet,
Zur Lieb' ihn reizt durch lockenden Verrat;
Denn gleich dem satten Vogel, der nicht achtet,
Ob einer ihm mit Speise kirrend naht,
Hat Gottfried längst die Lust der Welt verachtet
Und klimmt gen Himmel an auf ödem Pfad.
Und wie auch stets mit ihren holden Blicken
Ihn Amor körnt, er kann ihn nicht bestricken.
 
63.
Kein Hindernis vermag ihn aufzuhalten
Auf diesem Pfad, den Gott ihm kundgethan.
Sie sucht in tausend wechselnden Gestalten,
Ein neuer Proteus, schmeichelnd ihm zu nahn;
Und wo auch längst die Triebe schon erkalten,
Wohl fachte solcher Reiz sie wieder an.
Doch hier – durch Gottes Gunst – muß all ihr Streben,
Fruchtlos erneut, sich jedes Lohns begeben.
 
64.
Sie setzte sonst mit ihres Auges Winken,
So wähnte sie, das strengste Herz in Brand;
Wieder mußte jetzt ihr alter Hochmut sinken!
Wie kränkte sie der feste Widerstand!
Doch endlich ließ sie dort die Waffen blinken,
Wo sie die schwächre Gegenwehr empfand:
Dem Feldherrn gleich, der von zu festen Türmen
Ermüdet weicht, um andre zu bestürmen.
 
65.
Doch auch Tankred bekämpft das Siegverlangen
Der Zauberin mit gleich entschloßnem Mut,
Weil seine Brust, von anderm Trieb befangen,
Nicht Raum mehr hat für eine neue Glut;
Denn wie durch Gift dem Gifte wird entgangen,
So ist vor Lieb' auch Liebe sichre Hut.
Nur diese blieben frei; viel oder wenig
Ward jeder sonst der Schönen unterthänig.
 
66.
Wohl geht's ihr nah, daß sie dem großen Werke
Mit aller Kunst nicht ganz Vollendung schafft;
Doch ist ihr Trost, so vieler Helden Stärke
Besiegt zu sehn durch ihrer Schönheit Kraft.
Drum will sie nun, eh' man den Anschlag merke,
Die Ritter führen in gewißre Haft,
Um sie zu fesseln dort mit andern Banden,
Als jene sind, die sie bisher umwanden.
 
67.
Da endlich der ersehnte Morgen tagte,
Bestimmt vom Feldherrn, um ihr beizustehn,
Trat sie mit Ehrfurcht vor ihn hin und sagte:
Der Tag ist da, Herr, den du ausersehn.
Und hört vielleicht der Wütrich, daß ich wagte,
Um Beistand deine Waffen anzuflehn:
Wird er zur Gegenwehr bereit sich halten,
Und minder leicht sich unser Werk gestalten.
 
68.
Deshalb, bevor er diese Kund' erfahren
Durch ungewissen Ruf, gewisses Wort,
Wähl' ein'ge wen'ge von den Heldenscharen,
Die dich umstehn, und laß sie mit mir fort.
Denn sieh der Himmel menschliches Gebaren
Nicht scheelen Blicks und bleib der Unschuld Hort,
So wird die Krone mein, und meine Lande
Sind zinsbar dir im Kriegs- und Friedensstande.
 
69.
So sagte sie; und was er hintertreiben
Nicht füglich kann, wird von Bouillon gewährt,
Obwohl er sieht, daß durch des Zugs Betreiben
Die Last der Wahl zu ihm, nun wiederkehrt.
Doch sich der Schar der Zehn einzuverleiben,
Das ist's, was jeder ungestüm begehrt;
Und dieses Wettkampfs hitziges Entlodern
Macht heft'ger stets und dringender ihr Fodern.
 
70.
Sie aber schauet klar des Herzens Triebe
Und wendet gleich ein neues Mittel an,
Um durch den Sporn der Furcht, die Geißelhiebe
Der Eifersucht zu fördern ihren Plan.
Denn ohne diese Kunst wird leicht die Liebe –
Das weiß sie – matt und träg auf ihrer Bahn:
So pflegt ein Roß im Laufe zu verweilen,
Wenn andre nicht vor oder nach ihm eilen.
 
71.
Und so verteilt sie ihre süßen Reden,
Des Lächelns Reiz, der Blicke Schmeicheltrug,
Daß Neid entbrennt in jedem gegen jeden,
Und Furcht hält mit der Hoffnung gleichen Flug.
Der Buhler Schar, stets unter sich in Fehden,
Gespornt durch schnöder Reize Kunst und Lug,
Rennt ohne Zaum und Scheu in ihre Garne,
Und wenig hilft's, daß sie der Feldherr warne.
 
72.
Er, welcher sich auf keines Seite wendet
Und alle zu befried'gen sich bemüht,
Obwohl beim Wahnsinn, der die Ritter blendet,
Er bald von Scham und bald von Zorn erglüht,
Bringt, da er sieht, daß die Begier nicht endet,
Durch neuen Rat zur Eintracht ihr Gemüt.
Auf Zettel, spricht er, laßt die Namen schreiben,
Und mag alsdann der Zufall Richter bleiben.
 
73.
Der Name wird nun aufgesetzt von allen,
Und eine Vase faßt den ganzen Chor.
Man zieht; der erste, dem das Los gefallen,
Ist Pembroks edler Graf, Artemidor.
Den Namen Gebhards hört man drauf erschallen,
Und Wenzel kommt sogleich nach ihm hervor;
Der Wenzel, sonst so ernst und wohlerfahren,
Jetzt kinderhaft, ein Buhl' in grauen Haaren.
 
74.
O wie erfreuten sich die drei Erwählten,
Da ihnen jetzt das Glück zur Seite stand!
Ihr froher Mund, der Augen Glut verhehlten
Die Wonne nicht, die ihre Brust empfand.
Doch Eifersucht und bange Zweifel quälten
Der andern Herz, die man noch nicht genannt;
Begierig hingen sie an dessen Munde,
Der aus dem Los erteilt der Namen Kunde.
 
75.
Der vierte, Guasco, tönt; nach diesem kommen
Ridolf und Olderich, dem Lose dank!
Wilhelm von Roussillon wird dann vernommen;
Der Bayer Eberhard, Heinrich der Frank;
Zuletzt Rambald, der bald hernach vom frommen
Dienst unsres Herrn zum Heidentume sank.
Hat Liebe so viel Macht? Ihm war gefallen
Das zehnte Los; nichts blieb den andern allen.
 
76.
Von diesen, die vor Neid und Aerger beben,
Wird als verrucht und falsch das Glück verdammt.
Dich, Liebe, schilt man, daß du zugegeben,
Es üb' in deinem Reich ein Richteramt.
Doch weil im Menschen der Begierde Streben
Meist durch Verbotnes wird zumeist entflammt,
Entschließen viele sich, bei Nacht zu fliehen
Und, trotz dem Glück, der Schönen nachzuziehen.
 
77.
Ihr folgen wollen sie bei Nacht und Tage
Und Blut und Leben ihrem Dienste weihn.
Sie deutet darauf hin mit leiser Frage
Und ladet sie durch Blick' und Seufzer ein,
Und schenkt bald dem, bald jenem eine Klage,
Daß sie von ihm nicht soll' begleitet sein.
Die andern zehn indes, in vollen Waffen,
Gehn zu Bouillon, sich Urlaub zu verschaffen.
 
78.
Zwar säumt er nicht, manch gutes Wort zu spenden:
Wie Heidentreu' sei ungewiß genug,
Ein trüglich Pfand; wie Zufall sei zu wenden,
Und wie zu meiden Hinterlist und Trug.
Doch Liebe nimmt nicht Rat aus weisen Händen,
Und seine Wort' entführt des Windes Flug.
Er läßt sie ziehn; die Jungfrau, nun geborgen,
Verschiebt den Abzug nicht bis auf den Morgen.
 
79.
Die Sieg'rin geht und führt an ihrer Seite
Der Buhler Schar gefangen mit sich fort,
Wie im Triumph, und läßt im wilden Streite
Unendlich bittrer Qual die andern dort.
Doch als die Nacht im flüchtigen Geleite
Der Träum' hervorgeht aus dem stillen Ort,
Da folgen rasch, von Amorn eingeladen,
Der Ritter viel' Armidens Zauberpfaden.
 
80.
Eustaz, der erste, wartet kaum so lange,
Bis günstig ihm des Abends Dunkel lacht;
Dann folgt er ungesäumt dem mächt'gen Drange
Des blinden Führers durch die blinde Nacht.
Im Dunkeln streift er fort mit irrem Gange;
Doch als er sieht der Sonne hehre Pracht,
Sieht er Armiden auch samt den Genossen,
Die nächt'ger Rast in einem Dorf genossen.
 
81.
Rasch eilt er auf die zu; am Helm und Schilde
Erkennt Rambald von weitem ihn und schreit,
Weshalb er komme, was für Plän' er bilde?
Ich, spricht er, komm' Armiden zum Geleit
Und bleib' ihr stets, vergönnt es ihre Milde,
Nicht minder treu zu Hilf' und Dienst geweiht.
Und, fragt der andre, zu so kühnem Triebe
Wer gab dir Recht? Der Jüngling sagt: Die Liebe.
 
82.
Dich wählte Glück, mich Liebe zum Begleiter;
Nun sage: wessen Wahl hat mehr Gewicht?
Doch ihm Rambald: Nichts hilft dein Reden weiter,
Dein falscher Grund gibt weder Recht noch Pflicht.
Dich drängen unter die berufnen Streiter
Der königlichen Jungfrau darfst du nicht,
Ein unberufner Knecht. Und, schon im Gären
Des Zornes spricht Eustaz: Wer wird es wehren?
 
83.
Ich, ruft Rambald, ich werd' es nimmer leiden!
Und sprengt indem zum Angriff schon dahin;
Doch jener auch denkt nicht den Kampf zu meiden
Und stürmt heran mit gleich entbranntem Sinn.
Jetzt aber hebt, um solchen Grimm zu scheiden,
Den Arm empor der Seelen Herrscherin
Und spricht: Rambald, nicht dünk' es doch dir bitter,
Erwächst dir ein Gefährte, mir ein Ritter.
 
84.
Willst du mein Wohl: warum nicht soll mir frommen,
In solcher Not, die neue Hilfe dort?
Und zu dem andern spricht sie: Sei willkommen,
Du, meiner Ehre, meines Lebens Hort!
Fürwahr, mir wäre Sinn und Geist entnommen,
Wies' ich so edlen, werten Beistand fort.
Sie spricht's, und immer nahn von allen Seiten
Der Ritter mehr, die Schöne zu begleiten,
 
85.
Der da-, der dorther; und mit scheelen Mienen
Sieht jeder hier den andern in der Schar.
Gleich froh empfängt sie jeden unter ihnen
Und allen beut sie Gruß und Lächeln dar.
Als aber kaum die Morgenröt' erschienen,
Wird Gottfried schon der Ritter Flucht gewahr,
Und sein Gemüt, bei ihres Unglücks Ahnung,
Fühlt kummervoll zukünft'ger Uebel Mahnung.
 
86.
Noch sinnt er drüber nach, da kommt in Eile,
Bestäubt und atemlos, ein Bot' heran,
Dem Manne gleich, der schlimme Kund' erteile,
Und zeigt schon auf der Stirn den Kummer an.
Herr, spricht er zu Bouillon, in kurzer Weile
Wird sich Aegyptens große Flotte nahn.
Mir ward von Wilhelm, von dem Meereshelden
Liguriens, der Auftrag, dir's zu melden.
 
87.
Er fügte dann hinzu: Von Wilhelms Schiffen
Sei für das Lager Vorrat abgesandt;
Der schwere Zug sei plötzlich angegriffen
Von Arabern; nach kurzem Widerstand
Die Wache teils getötet, teils ergriffen,
So daß auch nicht ein einz'ger Rettung fand;
Denn vorn und hinten fiel mit einemmale
Das Räubervolk sie an in engem Thale.
 
88.
Und so gewachsen nun sei dieser kecken,
Streiflust'gen Horden Trotz und Uebermut,
Daß ohne Hemmung sie die weiten Strecken
Rings überziehn, gleich einer Wasserflut.
Drum solle man, um sie zurückzuschrecken,
Kriegsvölker senden zu des Landes Hut,
Die jenen Weg, der von Judäas Küsten
Zum Lager führt, mit Obmacht sichern müßten.
 
89.
Von Zung' auf Zunge fliegt in wenig Stunden
Das Angstgerücht der nahen Hungersnot;
Und alles Volk, vom Schrecken überwunden,
Erwartet schon den jammervollsten Tod.
Der Feldherr, als er sieht den Mut entschwunden,
Der sonst dem Heer so starke Waffen bot,
Sucht mit verständ'gem Wort und heitern Blicken
Das zage Volk zu trösten, zu erquicken:
 
90.
O, die ihr kühn durch Leiden und Gefahren
Mir seid gefolgt in so entfernte Gaun;
Ihr Gotteskämpfer, die geboren waren,
Die Kirche Christi siegreich aufzubaun!
Die ihr der Griechen List, der Perser Scharen,
Gebirg und Meer und Sturm und Wintergraun,
Und selbst des Hungers und des Durstes Plagen
Mutvoll besiegt: ihr könnet jetzt verzagen?
 
91.
Wie? Diesem Gott, der unsern Schritt gelenket,
Den wir in größerm Mißgeschick erkannt,
Dem traut ihr nicht? Als hätt' er abgesenket
Von uns den Segensblick, die Gnadenhand!
Bald kommt ein Tag, da ihr mit Lust gedenket
Vergangnen Leids und einlöst euer Pfand.
Jetzt dauert aus, und welche Not euch drücke,
Erhaltet, bitt' ich, euch dem künft'gen Glücke.
 
92.
So mindert er die Furcht dem bangen Heere
Mit heiterm Wort und frohem Angesicht;
Doch tausend Sorgen, die mit mächt'ger Schwere
Sein eignes Herz belasten, zeigt er nicht.
Er sinnt darauf, wie er das Volk ernähre,
Wenn's in der Not an Zufuhr ihm gebricht;
Wie er die Flott' im Mittelmeer bekämpfe
Und wie den Trotz der Räuberherden dämpfe.

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