Rudolf Stürzer
Schwankende Gestalten
Rudolf Stürzer

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Der Schaffner

Der Choleriker.

»Also, was is denn? Geh'n ma, geh'n ma! Da is ka Platz für a Abschiedsfest – g'rad' beim Einsteig'n fall'n eahna no die wichtigst'n Sach'n ein! Vurgeh'n, vurgeh'n! Drinn is alles leer und da heraust knödeln si d' Leut' z'samm', also, was is denn? Woll'n S' vurgeh'n oder net? I kann net vierzehn Tag' da steh'n bleib'n, bis Ihna g'fällig is! – Is wer eing'stieg'n? Fahrscheine! Hab'n alle Fahrscheine? – Auf an Hunderttausender kann i net außageb'n, wann da a jeder mit so an Fleck kummat, wir i bis zu d'r Remis'n aussi net firti – i bin ja ka Wechselstub'n. – Wia oft werd'n S' denn no umsteig'n mit dera Kart'n? Aber red'n S' nix, des muaß i besser wiss'n, Se fahr'n ja jetzt wieder z'ruck – also frische Kart'n oder aussi! – Was is mit dem Packl da? Mir san ja ka Transportg'sellschaft! Hintri in 'n Beiwag'n, wann er Ihna mitfahr'n laßt! Aber Herr, reg'n S' Ihna net auf, des Packl is z'groß, i brich ma net weg'n Ihna meine Füaß, und a andrer aa net! Ja, beschwer'n S' Ihna, vielleicht hängt die Direktion für Ihna an Strafwag'n an! Wer is keck? I bin net keck, i sag' Ihna 's ganz im guat'n – 's nächste 36 Mal kumman S' halt mit an Schubladkast'n! – Fahrscheine! Hat alles Fahrscheine?«

Der Sanguiniker.

»Bitte, einsteig'n! Aber ja, alle hab'n an Platz, nur net drängen! Bitt' schön, nur hineingeh'n, es sind eh die Fenster off'n, da is g'rad' so lüftig wia da heraust'n! – Erlaub'n schon, die Fahrkart'n! Aber ja, auf jed'n Betrag kann i aussageb'n, des is ja net wia bei die armen Leut'! – Also bitt' schön, vurgeh'n! – Herr, Sie entschuldigen schon, aber die Kart'n gilt nix mehr, Sie san am Margaret'ngürt'l eing'stieg'n, net wahr? No und jetzt fahr'n S' wieder die Schönbrunnerstraß'n auffi, des geht net. Also, woll'n S' an neuch'n Fahrschein oder woll'n S' lieber aussteig'n? – Geht das Packerl net untern Sitz eini? Aber ja, nur a bißl antauch'n, es muaß einigeh'n – no von mir aus, wann's dem Herrn da recht is, i sitz ja net da, i kann ma aa daher nix tuan! – Aber nein, das is ja net wahr, seit ana Viert'lstund wart'n S' schon auf den Wag'n? Das kummt Ihna nur so vur, mir hab'n g'rad auf der Linie an tadellos'n Betrieb, das war'n kane fünf Minut'n! Das geht mir aa so, den Samstag kann i ma d'rwart'n, der kummt ewig net, und d'r Sunntag is in an 37 Rutscher vurbei! – Aber net streit'n, meine Herr'n! Schaun S', Wien is ja so groß, warum müass'n S' g'rad da herin streit'n? Was glaub'n S', wia viel Leut' in dem Wag'n san? Fünfasechz'g! Also, wann de alle mitananda streitat'n! . . . Wer eingestieg'n, bitte?«

Der Phlegmatiker.

»Wiss'n S', wann die Leut' ana nach dem andern einsteig'n möcht'n, kummatn s' ohne Gedräng eina, und es gingat viel schneller, aber wann glei fünfe, sechse auf amal eina woll'n, dann kummt gar kana eina (er wird an die Brustwand geschleudert). Oha, langsam, i fahr ja eh net früher weg, als bis alle herin san! – Is wer eing'stieg'n? – Auf die Franz Josef-Bahn in an D-Wag'n umsteig'n – ja, wann geht Ihner Zug? Uma vierivierzig? Aber leicht – von der Polizei weg fahrt er kane zehn Minut'n aussi. – Nach Meidling? In an Zwarasechzga bei der Oper umsteig'n! – Hab'n S' ka andre Kart'n? Mit dera gehts net mehr –, warum? weil's eb'n net mehr geht. No ja, von mir aus, beim Gürtel kummt d'r Revisor, da haßt 's halt dann Straf' zahl'n – i hab's Ihna g'sagt! – Achtgeb'n, da steht a Kist'l hintern Sitz füra! Wann 's net hintri geht, kann ma nix mach'n als aufpass'n! – Kann vielleicht 38 von die Herrn ana an Hunderttausender wechs'ln? I bin schon ausg'sack'lt mi'n klan Geld – wann net, dann müass'n S' halt aussteig'n und wo wechs'ln. (Ein Kohlenwagen steht quer über den Schienen.) Er wird glei wegkumma! Das dauert ka halbe Stund', da kann ma nix mach'n, Kohl'nwäg'n muaß 's aa geb'n! (Er begibt sich zum Wagenführer und sieht in ruhiger Fassung den Arbeiten zur Beseitigung des Hindernisses zu.)

Der Melancholiker.

»I waß net, was die Leut' hab'n, a jeder will der Erschte herin sein, es is ja net der letzte Wag'n – es kummt ja eh glei wieder a andrer! I hab' eh schon kane Zehchn mehr, alle tret'n auf meine Füaß uma und kana sagt was! – Jessas, schon wieder a Hunderttausender! Was ma da Zeit mit 'n Aussageb'n vasamt! – Gengan S', stell'n S' den Binkl wenigstens auf, i d'rstöß mi no, und wann a Fahrgast drüber fallt, hab' i die Schererei! – Wann niemand vurgeht, kumm i ja gar net durch 'n Wag'n – i kann dann den Murra vom Revisor einsteck'n! – Hat no wer kan Fahrschein? – Herr, des is a g'fehlte Kart'n! Na? Aber ja! Was, na? Aber ja! Tuan S' mi net aufhalt'n, schaun S', i hab ja nix davon, aber Se müass'n Straf zahl'n! Aber zehnmal im Tag 39 hab i a so a Gfrett – i hab ja die Vurschrift net g'macht – tuan S' net so lang uma, es san ja no andre Fahrgäst' aa da! – (Einer springt während der Fahrt ab, fällt, wälzt sich im Staube, steht aber gleich wieder auf.) Is das drumiwert, daß ana seine g'rad'n Glieder reskiert! I hab' 'hn schon unterm Wag'n g'sehgn, a Krüpp'l kann er sei ganz' Leb'n lang werd'n weg'n de paar Schritt bis zur Haltstell'! Und die Eltern, de hab'n dann den Kummer, und i tram vierzehn Tag lang von dera Leich! I sag's ja, i sag's ja!« 41

 


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