August Strindberg
Am Meer
August Strindberg

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Zehntes Kapitel

Einige Tage später, als der Inspekteur allein hinausgesegelt war, um in aller Stille einige Lachsschnüre auszulegen, und nun, nachdem er sich zu Tische verspätet hatte, vom Hafen heraufgegangen kam, hörte er Lärm und Lachen aus der Wohnung der Damen. Ohne die Absicht zu lauschen ging er dahin, und als er an die westliche Giebelwand gelangte, sah er durch die Fenster des größeren Zimmers, daß die Damen draußen aßen und daß sie einen männlichen Gast zu Tische hatten. Er tat einen Schritt vor und gewahrte Fräulein Maria, die mit strahlenden Blicken dem Gast, von dem er nur ein Paar breite Schultern sah, ein Glas Wein über den Tisch reichte. Blitzschnell fiel ihm ein, daß er diese Bewegung und diesen Ausdruck in den Augen des Mädchens schon einmal gesehen hatte, und er erinnerte sich jetzt, wie sie ihm das erstemal auf dem Klippenwerder erschienen war, als sie dem Ruderknecht ein Glas Bier reichte. Damals hatte er gedacht: sie kokettiert mit dem Kerl! Aber er wunderte sich jetzt, daß er diesen Ausdruck nie in ihren Augen gesehen hatte, wenn sie ihn selber ansah. Konnte ihr Blick nur den seinen zurückstrahlen? Oder verbarg sie ihr Inneres immer dem, den sie zu ihrem Opfer ausersehen hatte?

Er betrachtete sie eine Weile, und je länger er sah, um so fremder erschien ihm ihr Gesichtsausdruck, so fremd, daß ihn eine Angst überkam, wie wenn man bei einem seiner Allernächsten einen Betrug entdeckt.

Bekommt man so viel zu sehen, wenn man ungesehen ist, was kann man da nicht zu hören bekommen? dachte er und blieb hinter der Ecke des Hauses stehen, um zu lauschen.

Die Mutter erhob sich jetzt und ging in die Küche hinaus, so daß die beiden jungen Leute sich selbst überlassen waren.

Im selben Augenblick senkten sich ihre Stimmen, und Fräulein Marias Augen wurden feucht, während sie den mit Wärme gesprochenen Worten des Fremden lauschte:

»Die Eifersucht ist das schmutzigste von allen Lastern, in der Liebe gibt es kein Eigentumsrecht ...«

»Haben Sie Dank für die Worte! Tausend Dank!« sagte Fräulein Maria und erhob ihr Glas, während einige hervorquellende Tränen ihre Augen betauten. »Sie sind ein wirklicher Mann, obwohl Sie jung sind, denn Sie glauben an die Frau.«

»Ich glaube an die Frau als an das Herrlichste, was die Schöpfung hervorgebracht hat, als an das Beste, das Wahrste!« fuhr der junge Mann mit erhöhter Begeisterung fort. »Und ich glaube an sie, weil ich an Gott glaube!«

»Sie glauben an einen Gott? Das zeigt, daß Sie auch intelligent sind, denn nur die Dummheit leugnet den Schöpfer.«

Der Inspektor meinte, jetzt hinreichend gehört zu haben, und um die Gelegenheit zu benutzen, sich davon zu überzeugen, eine wie große Verstellungsgabe seine fürs Leben Auserkorene besaß, trat er plötzlich ein, nachdem er seine Gesichtsmuskeln zurechtgelegt und seinem Gesicht einen strahlenden Ausdruck gegeben hatte, als sei er entzückt, eine Entbehrte wiederzusehen.

Das Fräulein bewahrte das schwärmerisch Entzückte in ihrem Gesicht, und mit demselben Feuer, das das eben geäußerte Glaubensbekenntnis an die Frau hervorgebracht hatte, empfing sie die Umarmung ihres Verlobten und erwiderte sie mit einem Kuß, der brennender war denn je zuvor.

Darauf stellte sie ihm scherzend Assistent Blom vor, der schon früh am Morgen angekommen sei und aller Herzen auf der Insel gewonnen habe, da er ein vorzüglicher Fischer war.

»Und wir saßen hier oben und sprachen von dem Hering in Bohuslén, als du kamst und uns störtest«, beschloß die junge Dame die Vorstellung.

Der Inspektor ließ sowohl die Lüge, das gefährliche Wort »störte« und das herausfordernde »aller Herzen« unbeobachtet, indem er die Hand einem Riesenjüngling von einigen zwanzig Jahren reichte, der, da er der nötigen Verstellungsfähigkeit ermangelte, die dargereichte Hand mit der Miene eines Verbrechers ergriff und einige unverständliche Worte stammelte.

Im selben Augenblick kam die Mutter heraus, begrüßte ihren Schwiegersohn und begann die Anrichtung zu ordnen.

Die Unterhaltung kam sogleich in Fluß, und Fräulein Maria begann, wahrscheinlich in dem Gefühl, einen Bundesgenossen zu haben, über die Toilette ihres Verlobten zu scherzen.

»Der Schleier da ist unvergleichlich,« redete sie drauflos; »dir fehlt jetzt nur noch ein Sonnenschirm, wenn du am Steuer sitzest.«

»Der kommt noch, der kommt noch«, erwiderte der Inspektor, indem er den unangenehmen Eindruck verbarg, den es auf ihn hervorrief, so zum Gegenstand der Kritik im Beisein eines Untergebenen und Fremden gemacht zu werden.

Der Assistent, der sich bereits über seinen rücksichtsvollen Vorgesetzten stehend fühlte, aber doch nicht umhinkonnte, eine Verstimmung bei der grausamen Behandlung zu finden, die diesem zuteil wurde, ward von einem taktlosen Mitleid ergriffen und sagte, indem er an dem Flor herumfingerte, den der Inspektor um den Hut trug:

»Ja, aber das ist ganz praktisch!« Und indem er darauf schnell zu dem kurmachenden Ton überging, dessen er sich von Anfang an bedient hatte, fügte er hinzu: »Und wenn Fräulein Maria ebenso besorgt für ihren schönen Teint wäre ...«

»Wie Sie für Ihre schönen Hände!« entfuhr es ihr, indem sie die auf dem Tische ruhende Hand, die Brotkugeln rollte, berührte, und im selben Augenblick schien sie wieder in einer Stimmung, die, wie ihr Verlobter vermutete, während des ganzen Vormittags die herrschende gewesen war.

Er fühlte sich unbehaglich als der einzig Essende zwischen lauter Satten und bedurfte seiner ganzen Nervenstärke, um die Beklommenheit zu unterdrücken, die diese Unterhaltung hervorgerufen hatte. »Sie sagen sich schon gegenseitig Artigkeiten über ihre Körperteile in meiner Gegenwart«, dachte er mit Abscheu. Aber er sah sofort ein, daß er verloren sein würde, wenn er nur das geringste Zeichen des Mißfallens über dies unpassende Benehmen zeigte, da es augenblicklich als das schmutzige Laster gebrandmarkt werden würde, von dem er vorhin hatte reden gehört.

»Der Herr Assistent hat wirklich eine ungewöhnlich schöne und von Intelligenz zeugende Hand«, sagte er, während er mit Kennermiene den Gegenstand der Bewunderung seiner Braut untersuchte.

Aber sie, die keineswegs diese Übereinstimmung in Anschauungen wünschte, änderte ihre Taktik und richtete einen neuen Hieb gegen seine vermeintliche Dummheit.

»Man kann doch nicht von intelligenten Händen reden«, rief sie mit einem Lachen aus, das nicht ganz nüchtern klang.

»Deswegen bediente ich mich auch des korrekten Ausdruckes ›von Intelligenz zeugend‹ ...«

»Ach, du Philosoph!« lachte sie spottend. »Du träumst, so daß du gar nicht bemerkst, daß wir dir alle die Radieschen weggegessen haben!«

»Es freut mich, daß es dem Reisenden geschmeckt hat, und es ist mir ein Vergnügen zu sehen, daß die Damen mir zuvorgekommen sind in der Sorge für sein Wohlbefinden«, warf der Inspektor leicht hin. »Gestatten Sie mir, Sie willkommen zu heißen, Herr Assistent, und Ihnen alles mögliche Vergnügen von Ihrem Aufenthalt hier draußen in der Einsamkeit zu wünschen. Und nun überlasse ich Sie Fräulein Marias Sorgsamkeit; sie kann Ihnen die allerbesten Auskünfte über die Fischerei geben, während ich hinaufgehe und mich ausruhe. Auf Wiedersehen, mein Herz, nimm du den jungen Mann in deine Obhut und leite ihn richtig an.« Mit einem »Gute Nacht, liebe Schwiegermutter!« verabschiedete er sich darauf von der Kammerrätin und küßte ihr die Hand.

Sein Aufbruch kam völlig unerwartet, aber seine erschöpfende Begründung und die abgerundete Form, die keine Spur von unwilliger Gemütsstimmung hinterließ, hatten ihn vor Einsprüchen gerettet, während sie ihn gleichzeitig das letzte Wort behalten ließen und eine Überlegenheit, die ihm nicht gern gegönnt war.


Als er auf sein Zimmer hinaufgekommen war, hatte er kaum Zeit, sich darüber zu verwundern, daß »die Furcht zu verlieren« ihm eine so unglaubliche Fähigkeit hatte verleihen können, sich zu verstellen, unangenehme Empfindungen zu unterdrücken, sich hart zu machen, als er auch schon auf dem Sofa lag, die Decke über den Kopf gezogen, und einen traumlosen Schlaf schlief. Als er nach Verlauf von ein paar Stunden erwachte, erhob er sich mit einem Beschluß, den er, wie er fühlte, für immer gefaßt hatte: sich von dieser Frau zu befreien.

Aber so, wie sie sich gewohnheitsgemäß in seine Seele hineingebohrt hatte, konnte sie nur auf demselben Wege wieder aus ihr herausgerissen werden; und der leere Raum, den er bei ihr hinterlassen würde, mußte erst von einem andern ausgefüllt werden – zwar von ihm, dessen Seele sie beim ersten Zusammensein in Feuer und Flamme versetzt zu haben schien.

Weiter kam er nicht, als an seine Tür gepocht wurde.

Es war der Laienprediger, der mit vielen Entschuldigungen eintrat und, ein wenig verlegen, mit dem herauszukommen suchte, was er auf dem Herzen hatte.

»Haben der Herr Inspektor bemerkt,« begann er, »daß die Bevölkerung hier draußen nicht gerade sehr gewissenhaft ist?«

»Das habe ich sofort gemerkt,« antwortete der Inspektor, »aber was ist denn jetzt geschehen?«

»Ja–a, sehen Sie, die Arbeiter an der Kapelle sagen, daß eine Menge Bretter verschwunden ist, so daß da jetzt nicht genügend mehr sind, um die Arbeit fertigzumachen.«

»Das verwundert mich gar nicht, aber was kann ich dabei machen?«

»Der Herr Inspektor haben sich doch daran beteiligt, das Erforderliche zu beschaffen!«

»Das war damals! Jetzt bereue ich es, nachdem ich gesehen habe, daß Ihre Predigten die Leute von der Arbeit ablenken und sie indirekt zu Dieben gemacht haben.«

»Das kann man doch wohl nicht direkt sagen ...«

»Nein, deswegen sagte ich auch indirekt! Aber wenn Sie Geld haben wollen, so müssen Sie zu einem andern gehen. – Sagen Sie mir doch, wer ist eigentlich der neue Assistent?«

»Ja, man sagt, er sei Seekadett gewesen, und nun soll er die Fischerei lernen; es heißt, daß sein Vater reich ist.«

Der Inspektor hatte sich an das Fenster gesetzt, als die Unterhaltung begann, und sah zu, wie der Assistent und Fräulein Maria Federball spielten. Er hatte eben gesehen, wie sich das Kleid des Fräuleins jedesmal, wenn sie sich hintenüber lehnte, um nach dem Ball zu schlagen, vorn in die Höhe hob. Und nun sah er den Assistenten sich scherzend herabbeugen, sobald sich das Kleid hob, und mit Bewegungen und Mienen andeuten, daß er etwas sah.

»Hören Sie einmal,« nahm er die Unterhaltung wieder auf, »ich habe lange darüber nachgedacht, ob es nicht für das ökonomische Wohl der Bevölkerung von großem Nutzen sein würde, wenn hier draußen ein Kaufmannsgeschäft wäre, so daß die Leute nicht nach der Stadt zu rudern brauchten, um Einkäufe zu machen, und es wäre ja auch möglich, daß der Kaufmann ihnen Vorschuß auf die Waren geben könnte und dafür ihre Fische verkaufte. Was sagen Sie dazu?«

Der Laienprediger strich seinen langen Bart, während sein Gesicht eine Menge wechselnder Ausdrücke von Habgier und schwankenden Grundsätzen abspiegelte.

Der Inspektor sah durch das Fenster, daß der Assistent im Klimmzug das Ausguckgerüst erklommen hatte, während Fräulein Maria unten stand und in die Hände klatschte.

»Ja, Herr Olsson, wenn man hier einen Kaufmannsladen aufmachen könnte, so würde das ja nur von Vorteil sein.«

»Aber die Sache ist die, daß der Gemeinderat wohl kaum seine Zustimmung dazu gibt, wenn man nicht eines Geschäftsmannes habhaft werden kann, der völlig zuverlässig ist, ich meine, einer Persönlichkeit, die ...« »Wir nehmen einen Geistlichgesinnten und lassen den Kapellenfond Anteil an dem Überschuß haben, dann bekommen wir die Kommune wie auch die Mission auf unsere Seite.«

Jetzt klärte sich das Gesicht des Laienpredigers auf.

»Ja, auf die Weise sollte es sich wohl machen lassen!«

»Nun, dann überlegen Sie sich die Sache einmal und suchen Sie, einen passenden Mann zu finden, der weder der Bevölkerung das Fell über die Ohren zieht noch die Kirche betrügt. Denken Sie daran. Aber jetzt zu etwas anderem. Ich glaube bemerkt zu haben, daß die Sittlichkeit hier draußen auf einem ziemlich niedrigen Standpunkt steht. Haben Sie nicht bemerkt, daß in dem Verhältnis da unten bei Vestmans etwas Verdächtiges ist?«

»Hm! Ja. Man sagt ja, daß es nicht ganz in Ordnung sein soll, aber etwas Bestimmtes weiß man nicht, und ich glaube, man soll sich nicht da hineinmischen!«

»So, meinen Sie das! Aber Gott weiß, ob man nicht doch beizeiten einschreiten sollte, ehe sie sich selbst verraten, denn dergleichen pflegt hier draußen ein böses Ende zu nehmen.«

Der Laienprediger schien durchaus nicht an die Sache rühren zu wollen, entweder weil er meinte, daß es sich nicht der Mühe verlohne, oder weil er sich nicht mit der Bevölkerung veruneinigen wollte. Außerdem zeugte sein krankhaftes Aussehen davon, daß seine Gedanken von persönlichen Leiden in Anspruch genommen waren, und so kam er denn auch plötzlich mit seinem eigenen Anliegen zum Vorschein.

»Ja, ich wollte übrigens fragen, ob der Herr Inspektor mir nicht etwas eingeben könnten, denn ich habe mir hier draußen in der feuchten Luft wohl das kalte Fieber zugezogen.«

»Das kalte Fieber? Lassen Sie mich einmal sehen!«

Dem Inspektor kam eine augenblickliche Eingebung, und ohne zu vergessen, daß es ein Feind war, der ihn herausgefordert hatte, untersuchte er den Puls des Patienten, besah die Zunge und das Weiße im Auge und war sich schnell im klaren über seine Verordnung.

»Bekommen Sie schlechtes Essen bei Ömans?«

»Ja, es ist wirklich erbärmlich«, erwiderte der Laienprediger.

»Sie haben Hungerfieber und sollen Essen von meinem Tisch bekommen; Sie haben wohl allen starken Getränken entsagt?«

»Ja–a, das heißt, Bier trinke ich doch ...«

»So, – hier haben Sie eine Chininmischung, mit der Sie anfangen können; sie muß dreimal täglich genommen werden. Wenn sie alle ist, so sagen Sie es mir.«

Damit gab er dem Laienprediger eine Flasche Chinabittern, nahm seine Hand und sagte:

»Sie müssen mich nicht hassen, Herr Olsson, denn wir haben große gemeinsame Interessen, wenn wir auch verschiedene Wege gehen. Wenn ich Ihnen irgendwie nützen kann, so stehe ich zu Diensten, sobald Sie meiner bedürfen.«

Ein so naheliegendes Mittel wie ein wenig scheinbares Wohlwollen genügte, um den einfachen Mann, zu blenden, so daß er glaubte, einen Freund gefunden zu haben. Mit aufrichtiger Bewegung reichte er dem Inspektor die Hand und stammelte:

»Sie haben mir einmal Böses zugefügt, aber Gott hat es zum Guten gewendet; nun danke ich für alles und bitte den Herrn Inspektor, dies mit dem Kaufmannsladen und dem Gemeinderat nicht zu vergessen.«

»Das tue ich sicher nicht«, schloß der Inspektor und machte eine kleine Bewegung mit der Hand zum Abschied. Nachdem er sich einen Augenblick besonnen hatte, ging er hinab, um den Assistenten aufzusuchen; er fand ihn von einer Fechtübung mit Fräulein Maria in Anspruch genommen, deren Handgelenk und Oberarm er mit viel Mühe die erforderliche Biegsamkeit für ein schönes en garde beizubringen suchte.

Nachdem er den Fechtenden seinen Beifall ausgesprochen, bat er um Entschuldigung, weil er störe, aber er müsse mit dem Assistenten darüber sprechen, wo dieser wohnen solle.

»Hier auf der ganzen Insel ist nicht ein einziges Zimmer frei, ausgenommen eine Bodenkammer über der Wohnung der Damen«, sagte er mit einer Kühnheit, als habe er sich bis aufs äußerste angestrengt, um eine andere Behausung zu finden.

»Nein, das geht aber doch auf keinen Fall an!« rief Fräulein Maria aus.

»Aber warum denn nicht?« entgegnete der Inspektor, »was sollte da denn im Wege sein? Es ist kein anderes Zimmer zu bekommen, falls Herr Blom nicht meines haben sollte, und dann müßte ich ja im selben Haus mit den Damen wohnen, was doch sicher nicht angeht.«

Da so keine Wahl blieb, wurde die Sache als abgemacht angesehen und das Gepäck des Assistenten auf die Bodenkammer getragen.

»Aber nun kommen wir zu den ernsteren Dingen«, fuhr der Inspektor fort, nachdem sich die Unruhe gelegt hatte. »Der Strömling ist gekommen, und in acht Tagen beginnt die Fischerei. Es ist deswegen notwendig, daß Sie, Herr Assistent, sofort, am besten noch über Nacht, den augenblicklichen günstigen Wind benutzen und mit den Netzen hinausfahren, um die Treibnetzfischerei zu versuchen. Damit sind Sie ja vertraut!«

»Darf ich mitfahren?« bettelte Fräulein Maria, indem sie das Wimmern eines Kindes nachahmte.

»Freilich darfst du das, mein Engel,« erwiderte ihr Verlobter, »falls Herr Blom nichts dagegen hat. Aber jetzt müßt ihr entschuldigen, wenn ich euch allein lasse, ich muß die ganze Nacht Briefe schreiben; um ein Uhr müßt ihr aufbrechen. Vergesset auch nicht, den Kaffeekessel mitzunehmen.«

»Nein, wie himmlisch amüsant das ist!« jubelte Maria, die zehn Jahre jünger geworden zu sein schien.

»Ich gehe jetzt hinab und lasse Boot und Netze von den Leuten in Ordnung bringen. Seht nur, daß ihr heute abend früh zu Bette kommt, damit ihr die Zeit nicht verschlaft.«

Damit ging er, selbst erstaunt über die Sicherheit, mit der er seinen Willen durchsetzte, nachdem er eine undurchführbare Verteidigungstaktik verlassen hatte und zum Angriff übergegangen war.

Zum erstenmal betrat er das Haus des ihm feindlichen Großfischers Oman.

Er bemerkte sofort die Kälte und den Unwillen, die hier drinnen gegen ihn herrschten, aber seine Fragen und Befehle wurden so bestimmt geäußert, daß sich alle ihm beugten. Er begann mit einigen allgemeinen Fragen, wie es den Kindern gehe, versprach, daß jetzt bald bessere Zeiten für die Insel kommen würden, ließ ein Wort über das Kaufmannsgeschäft fallen, das errichtet werden sollte, und forderte auf, Fässer und Salz in Bereitschaft zu halten; wenn die Leute nicht Geld genug hätten, um Einkäufe zu machen, so könnten sie sehr gut Vorschuß bekommen. Als er ging, war er aller Freund und mußte versprechen, einige »starke Tropfen« für den Alten zu schicken, der sich arg erkältet hatte.

Dann ging er nach dem Packhaus am Strande hinab und suchte einen Satz Netze mit starken Ankern und guten Lieken aus, besichtigte das beste Boot und erteilte zwei flinken Jungen seine Befehle.

Nachdem er diese Vorbereitungen abgeschlossen hatte, schellte es von dem Hause der Damen her zum Abendbrot.

Bei Tische sprach er mit der Mutter, während die Jungen, wie er sie nannte, einander mit den Augen verschlangen, sich scherzend zankten und einander pufften, als besäßen ihre Körper eine unwiderstehliche gegenseitige Anziehungskraft.

»Willst du die beiden allein zusammenlassen?« flüsterte die Mutter, als er gute Nacht gesagt hatte, um auf sein Zimmer zu gehen.

»Ja, warum nicht? Zeige ich mich unzufrieden, so mache ich mich lächerlich, und zeige ich mein Mißfallen nicht, so ...«

»So wirst du noch lächerlicher!«

»Also: lächerlich, was ich auch tun mag. Es ist folglich gleichgültig, wie ich mich auch benehme! Gute Nacht, Schwiegermutter!«


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