G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

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Kirchen der Schwarzen.

Wo die Schwarzen zahlreich genug sind, um als eine Religionssekte eine eigene Kirche zu füllen, haben sie auch eine solche. Nicht allein in Newyork, Philadelphia und Baltimore, sondern auch in Mittelstädten besitzen sie ihre eigenen Gotteshäuser. Auch in Frederickstown war dieß, mit den schwarzen Methodisten der Fall, die fast alle Tage, oder vielmehr alle Abende, in ihrer unweit meiner Wohnung gelegenen, doch mehr einem einfachen Privathause gleichenden Kirche, Gottesdienst hielten. Ich hatte mich immer, so lange ich noch Neuling in Amerika war, zurückgehalten, einer ihrer gottesdienstlichen Versammlungen beizuwohnen, aus Furcht, daß die Gegenwart eines Weißen von einem andern Glauben für diese Leute störend werden und jenem selbst Beleidigungen zuziehen könne. Als ich aber einst unter die sehr zahlreiche Leichenbegleitung eines jungen Negers gerieth, die aus lauter Schwarzen bestand, trieb mich die Neugierde, dem Zuge bis an ihre Kirche zu folgen, an deren offener Thüre ich mich aufstellte. Allein der Kirchendiener, ein sehr artiger, betagter Neger, nahm mich bei der Hand und führte mich, ohngeachtet ich, durch Geschäfte abgehalten zu seyn, mich entschuldigte, dem ganzen Gottesdienste beiwohnen zu können, nach einem Stuhle, mit dem Bemerken: hier so lange zu bleiben, als mir meine Geschäfte es vergönnten und dann, ohne Rücksicht auf Störung, denselben zu folgen.

Die Leiche des jungen Negers war vor dem Altare aufgestellt, über welchem auf der Kanzel bereits ein weißer Prediger, der die Rede sprach, vor dem Buche stand und ein Schwarzer den Sitz hinter ihm eingenommen hatte.Es ist in amerikanischen Kirchen verschiedener Religions-Sekten sehr gewöhnlich, mehrere Prediger zugleich auf der Kanzel zu sehen. Ersterer, ein schöner, junger Mann, sprach ein kurzes Gebet, worauf dann, wie in allen amerikanischen Kirchen, so auch hier, ein gewähltes Sängerchor einen Gesang vortrefflich vortrug. Dann hielt er eine kraftvolle Predigt, mit allem Feuer der Beredsamkeit, die mit einem langen Gebete endigte, das der schwarze Prediger sprach und wobei die Gemeinde knieend, den Rücken dem Altare zugekehrt, so anständig und laut mitheulte, wie dieß nur in andern Methodisten-Kirchen der Fall seyn kann. Mehreres, so wie die Ceremonie des Versenkens des Sarges, habe ich nicht abgewartet, da mich meine Geschäfte weiter führten.

Noch ist zu bemerken, daß kein schwarzer Prediger in einer Kirche vor Schwarzen predigen darf, ohne einen Weißen bei sich zu haben, weil zu befürchten ist, daß er Aufruhr predigen könne.

Da, wo die Schwarzen nicht zahlreich genug sind, eine eigene Kirche zu bilden, ist ihnen erlaubt an Gottesdienste der Weißen Theil zu nehmen, jedoch müssen sie sich mit einem Winkel oder dem hintersten Theile der Kirche begnügen. Nur die Katholiken machen hierin eine Ausnahme. Diese haben den Glauben, daß vor Gott jede Farbe gleich sey und den Schwarzen ist unverwehrt, sich vermischt unter die andern zu setzen. Sie machen jedoch von diesem Rechte nur sehr bescheiden Gebrauch und nehmen in der Regel immer nur die hintern Stühle ein.

Ein Kirchgang auf dem Lande.

Die protestantische Kirche, zu der die lutherischen, reformirten und presbyterianischen Christen meiner Nachbarschaft gehörten, war etwa nur 1 ½ Wegstunde von dem von mir bewohnten Blockhause entfernt; aber ich konnte nur einmal die Gelegenheit benutzen, dem Gottesdienste beizuwohnen, da mich späterhin stets mein Fußübel davon abhielt. Sie war ein mittelgroßes Breterhaus, dessen Inneres zwar durch Altar und Stühle das Ansehen einer Kirche gewann, das aber weder Orgel, noch Glocken, noch Thurm hatte. Ich war zeitig dahin gegangen, um wo möglich, als einer der ersten, die ganze Gemeinde ankommen zu sehen, und ich traf auch zur Zeit ein, wo noch weder ein anderer Kirchgänger, noch der Prediger oder Küster auf dem Platze waren. Bald jedoch kamen einzelne Gentlemen zu Pferde an, die ihre Rosse an die umherstehenden Bäume des Kirchhofes banden, und ihnen folgten bald ganze Schaaren Herren und Damen in bunten Haufen, von Negern begleitet. Es ist ein angenehmer und erfreulicher Anblick, jene schönen, schlanken Amerikanerinnen in knapp anliegenden Reitkleidern und schönen Hüten mit wehenden Schleiern, in ihrer Grazie und Geschicklichkeit auf ihren Rennern zu sehen; und auch die mit seinen blauen Fracks und schneeweißen Pantalons und Westen bekleideten Herren verkümmern keinesweges die Augenweide, die dieser wohlaussehende Menschenhaufe darbietet. Sobald die Damen ankommen, werden sie von den bereits Versammelten artig, jedoch ohne HauptentblößungNiemand, außer die Schwarzen, erniedrigen sich zur Hutabnahme. Selbst in anständigen Zimmern findet man keine bedeutende Unschicklichkeit darin, indem der Eintretende seinen Hut auf dem Kopfe behält, und nimmt er ihn ab, so ist dies mehr aus Bequemlichkeit als Höflichkeit. begrüßt, springen gewandt und geschickt von ihren Pferden, übergeben diese den Bereitstehenden, sie in Verwahrung zu nehmen und eilen in die Kirche, wahrend die Gentlemen sich so lange vor der Thür auf dem freien Platze sonnen, bis ihnen der Küster den Anfang des Gottesdienstes andeutet.

In der Kirche nun herrscht, so lange der Gottesdienst währt, die heiligste Stille, bis der Prediger, ein langes und inbrünstiges Gebet erhebt, wobei sich Alles auf die Knie wirft. Dann ertönt der nicht allgemeine, sondern wie fast überall in amerikanischen Kirchen, blos von einem einstudirten Sängerchor ausgeführte Gesang, der hier, wie sonst überall, trefflich vorgetragen wird. – So einfach und schmucklos dieses Gotteshaus auch aussah, so gab die stille, ländliche Ruhe, in der es lag und die lieblichen, herzerhebenden Töne, die es erfüllten, doch dem Ganzen den Eindruck einer Erhabenheit; und tief in sein Herz drang die schöne Rede, die der Prediger mit Salbung und Würde sprach. Ich kann sagen, ich habe lange nicht so viel Trost, Ruhe und Freudigkeit in mir gefühlt, als in diesem einfachen Gotteshause.

Gegen Mittag war der Gottesdienst beschlossen, – Alles eilte zu seinen Pferden, ich war der einzige Fußgänger – die ganze etwa 400 Köpfe starke Versammlung vertheilte sich in bunte Haufen auf die Wege, und verlor sich in die Waldungen, wo dann die entfernt wohnenden gewöhnlich das Mittagsmahl bei ihren nähern Freunden einnehmen. Lärm und Geräusch wird auch hier, wie überall in Amerika, am Sonntage sorgfältig vermieden.

Das Jahr und seine Abtheilungen in Pensylvanien, Maryland und Virginien.

Die Hitze des Sommers ist drückend und glühend und gewöhnlich lacht lange ungetrübt ein blauer Himmel auf die grüne Flur herab. Wenn sich aber einmal das Himmelsgewölbe mit Wolken umzieht, so sammeln sie sich auch mit weit größerer Schnelligkeit als in Europa und stürzen nach kurzem Drohen unter heftigem Donner und Blitz in dichtströmendem Regen herab. Von der letzten Hälfte des Maies bis mit Mitte Septembers dauert die heiße Jahreszeit, die ihrer Heiterkeit ungeachtet, für die sie noch ungewohnten Ausländer, sehr drückend und lästig ist. Doch mit dem Spät-September, October und November kommen die vollkommen schönen Tage des indischen SommersDer Spätsommer heißt indischer Sommer. herbei, die wahrhaft zauberisch schön zu nennen sind. Die unerträgliche Hitze macht jetzt einer milden heitern Luft Platz. Aus dem noch hellgrünen Laub der Aepfel- und Pfirsichbäume schimmert der Segen der Früchte hervor, oft in solchem Ueberflusse, daß die Aeste sich biegen und zu brechen drohen. Eben so groß ist der Reichthum, den die Fruchtbäume des Waldes mit ihren sehr verschiedenartigen Früchten darbieten, die dort ohne die Arbeit der Menschen wild aufwachsen. Die Hickery-, Wall- und Haselnuß, die Kastanien und der Sinkepin, der wilde Apfel und der Semenes schimmern aus der Tiefe des Urwaldes hervor, wo sie neben dem längst schon seiner Frucht beraubten wilden Kirschbaum, dem Sassafras-, Maul- und Gummibeerbaum, inmitten der Eichen, Linden, Buchen, der prächtigen Fincomore, der Pappel etc., auf deren höchsten Gipfel sich die wilde Rebe schlingt, herrlich gedeihen.

Unter frohen Naturgenüssen kommt der ernste December heran. Zwar auch sein Himmel ist meist noch hell und heiter und nicht arm an laumilden Tagen.

Aber bereits kommen nächtliche Fröste und das dunkle Grün des Waldes verfärbt sich allmählig in Hochroth, Gelb und Grau. Rauhe Stürme beginnen durch ihre Kronen zu rauschen und die Früchte abzuschütteln, die des Menschen Hand und der Hunger der Vögel und der Eichhörnchen darauf ließ. Was herabfällt wird nun eine Beute dir braungestreiften, kurzbeinigen Schweine, die es gierig auflesen und dem Farmer die Mühe ersparen, seinen Mais zu ihrer Mast zu verwenden. Die letzte Frucht, die noch hängen bleibt, ist die bräunlich sich färbende Semenes, die mit ihrer grünen Farbe auch ihren säuerlich herben Geschmack verliert und einen süßen, gewürzhaften annimmt, wenn die Fröste eintreten, wo sie dann mit Wasser übergossen ein lieblich und wohlschmeckendes weinartiges Bier liefert. Der Wind braußt nun immer kälter und kälter über die Stoppeln und durch die rohrartigen Maisstengel, die der Farmer jetzt abschneidet um für die Zeit, wo er sich dieselben nicht mehr aus dem die Erde bedeckenden tiefen Schnee hervorholen kann, für sein Vieh ein gerngenossenes Winterfutter zu haben.

So kommt das Ende des Decembers herbei, die Luft erreicht einen noch höhern Grad von Kälte und endlich stürzt aus den grauen Wolken, die nun den Himmel bedecken, der Schnee in Masse herab und verhüllt die nun schlummernde Flur. Der Januar, Februar und ein Theil des Märzes sind rauhe, launige Gäste in diesem Lande. Die meilenbreiten Ströme erstarren, hoch sind die Wege mit Schnee bedeckt, dessen Oberfläche oft so fest gefroren ist, daß man sicher darüber gehen kann. Es kommt zwar auch vor, daß die durch die Wolken brechende Sonne den Schnee schmilzt und von dem Boden wegleckt. Aber dieß ist nur ein Spott für die armen lebendigen Geschöpfe; denn dann ist der Boden so weich, daß der Fuß darin stecken bleibt und kaum hat ihn die trocknende Sonne oder der nächtliche Frost wieder ein wenig befestigt, stürzt aufs neue eine Masse Schnee herab. Im April kommen nun wohl zuweilen schöne Tage, aber immer noch, bis tief in ihn hinein, scheint die Natur gefesselt, grau blicken noch die Wiesen und die Knospen der Bäume bleiben verschlossen.

Da meldet sich endlich der Frühling mit nicht sehr milder Geberde. Donner braußt, durch den Himmel zuckende Blitze erleuchten ihn. Ein heftiger Regen stürzt herab, überschüttet Berg und Thal, Wald und Flur mit lauen Gewässern, welches, die Fluren durstig und gierig einsaugen. Und welche göttliche kraft liegt in diesem Regen, wer beschreibt die Wunder, die er vollbringt. Wie durch Zauber verschwindet das traurige Grau der Wiesen und sanftes Grün zieht sich darüber. Zusehends wachsen die Blätter der Bäume und sichtbar platzen die Knospen zu Blüthen auf; der dunkle Urwald zeigt nun eine herrliche, blühende Welt; aus dem frischen Grün hervor leuchten in Millionen Blüthen die Farben der Lilien und der Rosen und andere schöne Blumen sproßen aus dem Boden. Ein herrlicher aromatischer Duft liegt auf der erwachenden Erde. Munter ertönt das Gekreisch der Vögel, in welches nur der Spottvogel einige liebliche Laute mischt. Aber ach, so schnell der Lenz erschien, so schnell verschwindet er, und sein Genuß ist nur von kurzer Dauer! Wenige Tage und aus der Blüthe drängt sich die Frucht hervor, des Sommers drückende Hitze tritt ein, noch sind die 31 Tage des Mai nicht vorüber und schon ist die Saat hoch aufgeschossen, und die Johannis-, die Stachel-, die Himbeere und die Frühkirschen bieten schon ihre erquickenden Früchte dar.


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