G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Walten der Vorsehung.

Der Mensch, der gar keine Religion hat, sieht alles, was ihm begegnet, für einen Zufall an und erkennt keine unsichtbare, rettende, leitende Hand; wer aber sich selbst ein vernünftiges Religionsgebäude aufgebaut, durch viele harte Schicksale gegangen ist, der erkennt auch bald, daß eine höhere Gewalt seine Schritte lenkt. In der That war mein Schritt, den ich über das Weltmeer nach Amerika that, ein keinesweges der Klugheit angemessener und stimmte wenigstens nicht mit der wahren Liebe überein, die ich gegen meine kleinen Kinder besitze. Ohne reiflich zu überlegen, ob ich sie auch dort wirklich würde beglücken können, entriß ich sie den Armen, die brave Verwandte ihnen öffneten. Habe ich auch nun selbst streng und gerecht dafür büßen müssen, so hat Gott doch gnädig gesorgt, daß diese theuern Geliebten durch alle Gefahren unverletzt durchgingen, keines einen Augenblick Hunger, Entblösung oder wirklichen Mangel fühlte. Ich habe sie auf zerbrechlichem Schiffe zweimal über den Ocean geführt. Ich habe sie auf Dampfschiffen, Eisenbahnen, Kutschen und in Frachtwagen über Berge und Abgründe und durch dichte Wälder geschleppt und immer wachte die gütige Vorsehung über sie und selbst ein nahe herabstürzender Blitz versengte kein Haar der unschuldigen Häupter; ihre zarten Körper sind unverletzt, ihre Seelen rein ins Vaterland zurückgekehrt.

Ich stelle diese Betrachtungen an, für euch ihr liebenden Eltern, die ihr eure Blicke hinrichtet nach jenen fernem Lande. Werft, ehe ihr euern Entschluß ausführt, zuvor noch einen Blick auf eure Lieben. Bedenket, in welche Gefahren ihr sie stürzt, bedenkt, wie schwer die Vorsehung den an euern Kindern verübten Raub des Vaterlandes bestrafen kann: daß diese vielleicht dort einer giftigen, klimatischen Krankheitsseuche, einer Schlange zum Opfer fallen und dann ihr Schatten euch lebenslänglich als ihre Mörder verfolgen würden. Wird die Wunde, die ein solcher Verlust riß, euch je wieder heilen? Wird sie je wieder ein Gefühl des Glückes in euch aufkommen lassen, selbst wenn das erwünschte Ziel, wie dies doch nur selten der Fall ist, erreicht werden sollte? Ich bitte euch, seht euch noch einmal unter den Eurigen mit Vatergefühl um, ehe ihr zur wirklichen Ausführung eures Entschlusses schreitet: Der einzelne rüstige Jüngling und Mann, das gesunde, ungebundene Mädchen, gehen immerhin, wenn ihr Gefühl sie treibt, dorthin. Der einzelne Mensch findet überall Platz und nicht selten Glück, was ihm hier nimmer geworden wäre. Er steht für sich, er steigt für sich und fällt für sich; er geht allein für sich unter und reißt nicht andere mit in sein Verderben hinab. Er gehe immer hinüber in jenes jungfräuliche Land und mache Platz im Vaterlande. Doch nur dem Einzelnen blüht dort Heil.


 << zurück weiter >>