G. F. Streckfuss
Der Auswanderer nach Amerika
G. F. Streckfuss

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

In keinem Lande sind die Kräfte des Dampfes mehr ausgebeutet worden, als in den vereinigten Staaten; in keinem ist sein Einfluß auf Gewerbthätigkeit, Wohlstand und Gedeihen sichtbarer als hier; aber in keinem sind auch dieser, ich möchte sagen, göttlichen Kraft, mehr Opfer gefallen. In Fabriken, auf Dampfschiffen springen die Maschinen; unaufhörlich berichten es öffentliche Blätter. Nachlässigkeit und Gewinnsucht mögen wohl die vorzüglichsten Ursachen dazu seyn. Die Maschinen sind oft leicht und fehlerhaft gebauet; sie werden, vorzüglich auf Dampfschiffen, nachlässig behandelt; insbesondere beim Anhalten, wo es nicht selten versehen wird, den dadurch überflüßig entstehenden Dämpfen freien Abzug zu lassen; diese suchen sich Luft zu verschaffen und zersprengen das leichte, fehlerhaft gebaute Werk.

Die vereinigten Staaten haben kein eigentlich stehendes Heer. Einige Haufen regelmäßigen Militairs und die Milizen reichen für ihre Bedürfnisse hin. Sieht man einen Haufen ordentlichen Militairs, läßt man sich auf den ersten Augenblick leicht täuschen. Die geschmackvollen Uniformen – sie gleichen den preußischen – gefallen, und man erwartet eine geübte Truppe zu sehen. Allein in Handhaben der Waffen, in Gleichmäßigkeit des Schritts, sind sie weit hinter dem europäischen Militair zurück. Auch machen sie es sich bei ihren Uebungen leicht. Kaum haben sie einige Zeit unter den Waffen gestanden; scheinen sie der Sache überdrüßig und einer nach dem andern sucht es sich bequem zu machen.

Die nicht uniformirten Milizen sind eine spaßhafte Nachahmung der Soldaten. Ihre Übungen können nur Lachen erregen. Sie müssen zwei Tage im Jahr sich versammeln, um geübt zu werden.

Ihre Offiziere und Gemeine tragen ihre gewöhnliche Kleidung. Erstere haben wenigstens etwas Militairisches an sich. Sie tragen einen langen Schleppsäbel, manchmal sogar einen Chako. Die Gemeinen kommen zum Theil mit Flinten, zum Theil mit Knitteln, stellen sich in Reihe und Glied und marschiren. Auf Haltung und Schritt kommt nichts an; und nicht selten macht sich der Hintermann die Freude, den vor ihm marschirenden zu treten. Die Herren Offiziere werden, während sie an der Fronte stehen, nicht selten von hinten mit Papieren, Zöpfen u. s. w. aufgeputzt. Dazu machen die ungeübten Tambours und Querpfeifer eine wahre Katzenmusik, und das Ganze gleicht mehr einer komischen Farce, als einer ernsten, zur Vaterlandsverteidigung vorbereitenden Uebung.

Es ist wahr, die vereinigten Staaten ersparen bei ihrer militairischen Verfassung ungeheure Summen, welche sie zur Beförderung allgemeinen Wohlbefindens verwenden können; allein auch sie werden in kurzem genöthigt seyn, das stehende Militair zu vermehren und schon jetzt stellt sich der Mangel desselben heraus, wo die Indianer fast ohne Widerstand ganze Provinzen verheeren und Tausende von Einwohnern den Mordmessern dieser unmenschlichen Barbaren geopfert werden.

Auf die liebenswürdigen Eigenschaften der Amerikaner habe ich oft aufmerksam gemacht; allein es finden sich auch Schattenseiten. Zwar sind grobe Verbrechen, Mord, Bigamie u. s. w. ausgenommen, selten; selbst von Diebstählen, welche streng geahndet werden, weiß man nicht viel; aber desto gewöhnlicher sind Betrügereien.

Sie scheinen ihren Grund in dem allgemein verbreiteten Hang zu haben: zu gewinnen, reich zu werden. Dieser Leidenschaft opfert der Amerikaner alles, und er ist nicht immer edel in der Wahl der Mittel. Daher die häufigen feinen und groben Betrügereien; daher die häufigen Banquerote. Man kann gegen Ueberlistung nicht genug auf seiner Hut seyn; und die Gesetze scheinen diesen Lastern nicht entgegen treten zu wollen oder zu können.

Banquerote sind so häufig, daß in Fredrikstown, einer Stadt, welche nur 5 bis 6000 Einwohner hat, in mancher Woche 3 bis 4 ausbrachen; und selten verging eine Woche, wo dies nicht der Fall war.

Wer zwei Jahr in Maryland lebte – in Pensilvanien ists ihm in der ersten Woche erlaubt – kann sofort das Benefit – die Wohlthat der Vermögensabtretung – anrufen, und er wird dadurch für seine Person gesichert. Da der Banquerutirer sich immer selbst angiebt, so hat er Gelegenheit, seine beste Habe, sein Geld auf die Seite zu schaffen, und den Gerichten nur so viel zu lassen, als er für entbehrlich hält. Gewöhnlich halten die Gerichte eine gute Aerndte, bei welcher die Gläubiger leer ausgehen.

Die reichsten Leute haben vielleicht zwölf und mehreremal von dem Benefit Gebrauch gemacht.

Dem Handwerker, dem Arbeiter wird nie, oder nur selten sein Lohn sofort bezahlt. Er erhält nur etwas baares Geld auf Abschlag. Gegen Nothdurft sichert man ihn durch Anweisungen auf Schneider, Schuhmacher, Victualienhändler etc., die ihm ihre Artikel gegen solche Bons gewöhnlich aufs höchste anrechnen. Hat er nun Jahre lang gearbeitet, glaubt ein hübsches Sümmchen erspart zu haben; wird ihm seine Hoffnung durch allerlei ungegründete Ausstellungen zu Wasser gemacht. Was will der arme Arbeiter, der oft nicht lang eingewandert, der Landessprache unkundig ist, machen? – Bringt er die Sache vor den Squire oder Court, so ist ihm der Einheimische, mit den Gesetzen bekannte, überlegen; dieser wird leicht zum Schwur gelassen und gehet als Sieger aus dem Streite; während der Betrogene noch Kosten zu bezahlen hat; und sich überzeugt, er würde besser gethan haben: zu dulden und zu schweigen.

Einer meiner Landsleute, ein Tischler, tritt in Arbeit bei einem dortigen Meister, läßt sich bisweilen etwas abschläglich bezahlen und den übrigen Arbeitslohn stehen. Seine Kleidung ist aber abgerissen; er muß sie wieder herstellen und er ist genöthigt: seinen Lohn zu fordern. Er glaubt 48 Dollars ausstehen zu haben. Der Meister erwidert lachend: er möge erst seine Rechnung machen. Er thut dies und bringt 48 Dollars einige Cents heraus. Als die Rechnung dem Meister vorgelegt wird, lacht dieser überlaut und sagt ihm: er habe zwar alles aufgesetzt, was er ihm gemacht; allein vieles vergessen, was er unterlassen habe und was er ihm dafür schuldig sey. Auf die Bitte, dies zu sagen, erhält er zur Antwort: das, was er verdorben, und an Arbeit schlecht geliefert. Denn er habe Stühle, Kommoden, Tische etc. so schlecht gefertigt, daß bei deren Verkauf mehr verloren gegangen sey, als die 48 Dollars betrügen. Diese gingen daher darauf; und er müsse noch 5 Dollars heraus bekommen. Der Landsmann versucht die Güte; aber vergebens; nur die 5 Dollars sollen gestrichen werden. Er gehet nun zum Squire und verklagt den Meister. Der Squire nimmt die Klage zum Protokoll und läßt den Meister vorfordern, nachdem dem er den Kläger zuvor hat abtreten lassen. Der Meister bleibt auch jetzt bei seinen Behauptungen und beweiset sie dadurch, daß er die Bibel küßt; erkläret sich jedoch zu einem Vergleich bereit, worauf der Kläger wieder vorgerufen und ihm der Vortheil eines gütlichen Abkommens auseinander gesetzt wird; und so kommt endlich ein Vergleich dahin zu stande: daß der Verklagte noch 2 Dollars herauszahlen soll. Dieser zahlt sie auch sogleich; allein als sie der Kläger einstreichen will, fordert der Squire 2 Dollars 50 Cents für Prozeßkosten, und der arme Betrogene muß, will er sich nicht durch den Konstabler festnehmen lassen, die 50 Cents noch nachzahlen.

Einer der Kandidaten der Theologie, welche ich hatte kennen lernen, fand bei einem angekommenen Schiff Beschäftigung durch das Ausladen von Bretern, welches ein Entrepreneur übernommen hatte.

Die Arbeit war einträglich; denn es wurde nicht für den Tag, sondern nach der Zahl der getragenen Breter bezahlt. Sie dauerte eine Woche, und der Kandidat hatte 9 Dollars verdient. Er forderte Bezahlung derselben; allein diese wurde ihm unter dem Vorwande verweigert: daß er ungedungen zur Arbeit gekommen sey und daß man ihn blos dabei geduldet habe. Dies wird beim Squire beschworen und der Kandidat verliert den Rechtshandel und muß noch die Kosten bezahlen.

Ich könnte noch andere ähnliche Beispiele aufführen; allein ich will nur das erzählen, was ich aus eigener Erfahrung kennen lernte; daher nur noch das zum Besten geben, was sich mein oft erwähnter Landsmann N*** gegen eine eben eingewanderte Altenburger Familie erlaubte.

Ich habe schon erwähnet, mit welcher Gier in Baltimore die Point-Wirthe auf die Schiffe warten, welche Einwanderer mitbringen. N*** gelang es: eine Familie Altenburger, aus 4 Personen bestehend, in sein Netz zu ziehen. Er wird mit ihnen über eine Vergütung für 2 Cents für den Tag einig, wofür sie ein Schlafgemach eingeräumet bekommen und das Recht erhalten: in seiner Wirthschaftsstube sich aufzuhalten, die Speisen sich darin zuzubereiten, und soll außerdem ihr Schlafbehältniß gereiniget werden. Die guten Leute beziehen sein Haus, schlagen ihre eigenen Betten in dem ihnen angewiesenen Loch auf; bereiten sich ihre Speisen selbst, wozu sie das Holz auf dem nahen Werft zusammen gelesen hatten. Nach 4 Tagen wollen sie sein Haus verlassen; ihre Kisten sind schon aufgeladen und alles ist zur Abreise bereit; aber als sie die 32 Cents für Quartier bezahlen wollen, ist der Herr Wirth nicht damit zufrieden. Er verlangt noch 4 Dollars für Reinigung, Aufenthalt in seiner Wohnstube, Benutzung der Feuerstelle und für Holz. Der Vater der Familie, welcher sich an den abgeschlossenen Vertrag hält, verweigert deren Bezahlung hartnäckig. Da ruft N*** einen vorbei gehenden Konstabler und ersucht ihn den Wagen nicht von der Stelle zu lassen; läuft nun mit einem Bekannten, welcher gut englisch spricht, zum nächsten Squire, der kein Deutsch verstehet, bringt jetzt seine Klage auf 6 Dollars an und beschwöret deren Grund. Der arme Mann wird sogleich herbei geholt, kann sich nicht vertheidigen, denn er verstehet kein Wort englisch, und muß die 6 Dollars und noch einen Dollar an Kosten bezahlen. Ein feiner Landsmann! –


 << zurück weiter >>