Charlot Strasser
Reisenovellen aus Russland und Japan
Charlot Strasser

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»Ruki Wjerch!«

(1906)

Unter schweren, grauen Wolken funkelte und glühte das Leben einer Stadt, in deren Adern heisses, polnisches Blut schlug und deren Atem Freude und Freiheit sein wollte. Aber schwer und grau lagen die Schatten in den Augen der Bewohner und tückisch glitzerten die Bajonette der Soldaten vor etwa noch allzufrohen Gesichtern.

Der Kutscher, der mich vom Bahnhof fuhr, hieb wie rasend auf seine elenden und die umstehenden anderen Gäule zugleich (doch schien dies hier, der Indolenz der übrigen Kutscher nach zu schliessen, so Sitte) und sprengte im Galopp über das holprige Pflaster zum Bahnhoftor hinaus. Und draussen als erster, unauslöschlicher Eindruck: Eine Reihe weisser Blusen, weisser Mützen, – Bajonette, – ein erhobener Gewehrkolben, – der Kutscher flog vom Bock, weil er einen Polizisten angefahren hatte.

»Rrrevision!« schrie der rachsüchtige Sicherheitswächter. »Ruki wjerch« (Hände hoch!) brüllten die Soldaten, die Veilchen, wie sie vom Warschauer wegen der blauen Winteruniform, vielleicht auch noch aus anderen Gründen, genannt wurden. Dann fuhren nicht allzu sorgsam gewaschene Kriegerfäuste in meine Taschen, angeblich, um nach verborgenen Waffen zu fahnden, – sie entdeckten aber bloss Kleingeld, was natürlich, wenn nicht von Amtes wegen, so doch ebenso gern konfisziert wurde.

Nachdem der Pass mich als Ausländer legitimiert hatte, ging die Reise weiter. Auf der Strasse ein 4 buntes, eigenartiges Leben voller Lärm und fremder Laute. Die vielen Juden in langen, schwarzen Kaftans weckten den Gedanken, man sei an der Grenze zum Orient. Aber ein paar Schritte weiter wieder war bewaffnetes Europa, schimmerte es weiss im bunten Gewirr und, umringt von acht bis zehn Soldaten, die am Rand der Strasse mit scharf geladenem Gewehr und aufgepflanztem Bajonett standen, hielt ein Polizist Ausguck und blickte gewaltig um sich.

»Nicht hinausschauen!« schrie mein Kutscher, »sonst gehen die Flinten los!« Und nie, so lange ich in Warschau war, wurde ich vom Gedanken befreit, dass man die Soldaten nicht anblicken durfte, sonst gingen die Flinten los.

Im Judenviertel trat ich in ein Hintertreppenhaus. Wie ein Wunder starrten sie mich an, die schlauen, schmutztriefenden Burschen und schlugen die Hände zusammen und jammerten, dass ich in so schwerer Zeit den Mut gefunden hätte, nach Warschau zu kommen. Und erzählten von ihren Leiden: Belagerungszustand, bewacht, gequält, verfolgt und im Geschäft gehindert. Das Menschenleben ein Nichts. Die Soldaten, die wie die wilden Tiere wüteten, seien keinem Gesetze verantwortlich. Niemand dürfe sich abends auf der Strasse zeigen, dürfe sich auf den Balkon seines eigenen Hauses wagen. »Warum?« – »Ja, weil so oft Bomben von oben herabgeschleudert wurden. – Gestern hat ein jüdischer Kaufmann, der die Vorschrift gar nicht kannte, auf seiner Veranda die Zeitung gelesen. Eine Kugel streckte ihn nieder. Ein Dienstmädchen, welches den Staubwedel ausschüttelte, wurde von den Soldaten durch Schüsse verletzt.« 5

Für der Regierung Machtbewusstsein sind die Juden das Thermometer. Ist es gesunken, – werden die Hebräer durch jedes Mittel, von der geringsten Einschränkung im Bürgerrechte bis zum blutigen Pogrom, gequält, so geschieht es auf einen eisig absolutistischen Hauch von oben. Wird den Israeliten Bewegung zur Höhe gelassen, dürfen sie frei wohnen, frei studieren, ungehindert ihre Examina bestehen, so bedeutet dies unbehagliches Hitzegefühl unter dem zarischen Gottesgnadenstuhl.

Noch in die Erzählung der Leute hinein knallte es von der Strasse. Die Menschen flohen erschreckt in die Häuser.

»Nitschewo!« Ein Soldat befahl einem Herrn, der in einer Droschke vorbeifuhr:

»Ruki wjerch!«

Aber der Herr sprang aus dem Wagen und lief davon. Da schoss der Soldat und traf zwar nicht den Richtigen, sondern einen Unschuldigen, der gerade vorüberging. Eine halbe Stunde liess man ihn in seinem Blute liegen. Dann wurde er von Passanten fortgebracht.

»Nitschewo! Das kommt täglich vor zu wiederholten Malen.« Und dem war wirklich so.

Auf Schritt und Tritt Soldaten, Patrouillen, zu Pferd und zu Fuss, Kosaken mit hohen Pelzmützen, Dragoner, den Karabiner quer über den Sattel, Infanterie mit dem ewigen Bajonett. In jeder Waffe aber sass ganz lose eine, wie man sagte, vergiftete Kugel.

Die Regierung entfaltete ihre gesammelte Macht. Es mussten Verzweifelnde sein, die nichts, gar nichts mehr zu verlieren hatten, wenn gegen solche Staatsgewalt sie sich empörten. An jeder Strassenecke standen 6 die Weissblusen in Posten bis zu zehn Mann; sie behüteten in ihrer Mitte als kostbares Juwel einen blauen Polizisten, der Ordnung zu schaffen gehabt hätte, wie einer bei uns, der aber für nichts Augen hatte, denn für politische Vergehen, und ausserdem froh war, wenn er selber ungeschoren davon kam. Längs der Strasse patrouillierten wiederum Soldaten in langen Reihen.

Ein Geldtransport sprengte vorüber. Vorn, zur Seite, hinten Kosaken, den Karabiner in der Faust. Im Wagen sassen zwei Offiziere, die Füsse auf der Geldkiste, den gespannten Revolver in der Hand.

Dennoch kam es vor, dass die Revolutionäre am heiterhellen Tage einen solchen Transport überfielen. Und auch sie entfalteten eine verzweiflungswilde Macht. Es fallen Schüsse auf der Strasse. Ein Polizist stürzt getroffen. Die Soldaten erwidern blindlings das Feuer. Von allen Strassenmündungen antworten die Revolver der Angreifer. Das war der Revolutionäre Gefechtstaktik: Sie besetzten die Strasseneingänge; einer führte die vorgenommene Tat aus und die andern deckten ihm den Rückzug. Die Revolutionäre lernten Tag um Tag. Sie organisierten sich. Sie gründeten eine Finanzverwaltung, eine Propagandaabteilung und vor allem ein Kriegsdepartement. Auch Polizei hatten sie geschaffen. In Warschau war Raub und Plünderung an der Tagesordnung gewesen, denn alle Klagen bei der Regierungspolizei, welche nur für politische Vergehen Zeit hatte, blieben unberücksichtigt. Im Gegenteil, die Regierung verfügte über Kreaturen, die im Gewande der Revolution abscheuliche Verbrechen nicht nur ungehemmt begingen, sondern für solche bezahlt und dazu angestiftet waren. Da organisierten sich die Arbeiter 7 und wachten in der Stadt zum Schutz des Privateigentums. Und wer wollte, konnte bei ihnen Hilfe finden. Viele Verbrechen wurden verhindert, viel Gestohlenes zurückgeschafft. Aber die Regierung duldete die Konkurrenz nicht und liess hundertfünfzig Arbeiter verhaften. Nun erklärten die Revolutionäre für sechs Wochen offen den Krieg und wählten zu ihrer Rache den Marientag, an dem die Warschauer Blumen und Kränze zu den Muttergottesbildern tragen. In Blumen und Kränzen verbargen die Empörer ihre Waffen. Achtundzwanzig Polizisten wurden während weniger Stunden, (am 15. August 1906) niedergeschossen und über achtzig verwundet. Mit welcher Todesverachtung die Revolutionäre kämpften, das zeigten die Eisenbahnüberfälle, bei denen sie übrigens in damaliger Zeit nur Staatseigentum geraubt haben. So aber Übergriffe oder Räubereien an Privatpersonen unter dem Deckmantel der politischen Notwehr und des Patriotismus vorkamen, hielten die Revolutionäre selbst Gericht und es ereignete sich mehrmals, dass sie ihre eigenen Leute auf offener Strasse erschossen.

Wie stark und gewandt sie kämpften, das zeigte auch das Attentat auf den Generalgouverneur Skalon. Der lag seit Monaten vergraben in seinem Fuchsbau; ein dreifacher Truppenkordon steckte in den Büschen seines prächtigen Parkes und kein noch so schreckliches Ereignis konnte ihn aus seinem Loch herauslocken.

Aber die Revolutionäre wussten Rat. Es verkleidete sich einer von ihnen als Offizier, ging zum deutschen Konsul, redete im üblichen Leutnantston und provozierte den Diplomaten. Es kam zu Tätlichkeiten zwischen den beiden; der Konsul gelangte an den 8 Generalgouverneur und dieser musste sich wohl oder übel zum Sühnebesuch entschliessen. Die Verschworenen rechneten die Strassen aus, wo er durchkommen konnte. Zwei junge Damen erschienen und mieteten in einem Hause der einzigen Strasse, durch welche er unfehlbar fahren musste, eine Wohnung. Als der Tag der Entschuldigungsvisite anbrach, zwangen die Revolutionäre die Bewohner des Hauses mit dem Revolver in der Hand, die betreffende und die anliegenden Wohnungen zu verlassen, vor allem, um Unschuldige zu schonen. Dann, als der Gouverneur vorbeifuhr, wurden die Bomben von einem Balkon heruntergeworfen. Überall standen Posten der Parteigenossen, welche den beiden Frauen den Rückzug deckten.

Die eine der Täterinnen entkam nach Österreich, wurde dort vor Gericht gestellt und freigesprochen. Die andere, immer wieder in die unglückliche Heimat zurückgelockt, fiel in Warschau in die Hände der Polizei und sollte zu ihrer Verteidigung einen Rechtsanwalt wählen. Sie kannte den von ihr bestimmten nicht von Angesicht und vertraute sich rückhaltlos demjenigen an, der sich als Amtsbeistand in ihrer Zelle einfand. Die Regierung hatte das niederträchtige Mittel nicht gescheut, statt des Verteidigers einen Spion zu schicken. Ihr Geständnis war von einem nebenan horchenden Schreiber protokolliert worden und unwiderruflich. Sie wurde zum Tode verurteilt und dann zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit begnadigt.

Es schien damals, als ob die beiden Gegner gleich stark und gleich schwach waren. Sie lauerten sich auf im Gewirr der Anarchie und im Schreckensdunkel, 9 das die bestialische Gewalt um sich verbreitete; – sie arbeiteten mit denselben Mitteln, aber die Mittel waren furchtbar und mussten sich auf die Dauer erschöpfen. Hass und Rachsucht und vor allem die unüberwindliche Roheit mischten sich ins Spiel und machten den Kampf für die Überzeugung, denn so durfte man die Handlungstriebe der Revolutionäre wohl nennen, zu einem nervenzerstörenden, freudevernichtenden Schreckbild.

Vom ergrauten Manne bis herab zum Kind, vom reichsten Bürger bis herab zum ärmsten, jüdischen Proletarier verloren die meisten Willen und Lust zur Arbeit, fühlten alle die Wertlosigkeit des kostbarsten Gutes, des Lebens.

Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein Zeitungsknabe von vielleicht vierzehn Jahren mirnichts dirnichts über den Haufen geschossen wurde. Er war eben an mir vorbeigekommen und hatte die Namen seiner Journale, die er zum Verkauf bot, hergeleiert, um nachher mit leiser Stimme auch die der verbotenen, sozialistischen Blätter zu melden, die er heimlich unter den Kleidern trug. Da erwischte ihn der Polizist.

»Ruki wjerch!«

Der Knabe zog vor, sich blitzschnell zu drehen und begann zu laufen.

Der Polizist schrie.

Ein Kosake, der bei ihm Wache stand und teilnamslos an einen Baum gelehnt hatte, sah auf, sah den rennenden Menschen, hörte den schreienden Schutzmann, legte das Gewehr an die Schulter, – schoss, – und ein Kind verblutete für die Revolution. 10

Auf den Menschen rings lag es wie lähmender Nebel. Sie waren dergleichen ja gewöhnt. Sich darum bekümmern, bedeutete so viel wie Tod.

Aber mir stieg das Leid in die Kehle, – ich hätte aufschreien und weinen mögen und konnte mit Mühe mein eigener Herr bleiben. –

Und ich fing an, die Gebildeten und Halbgebildeten unter dem bedrückten Volke, die russischen Studenten zu verstehen, die keinen Gedanken kannten, denn die Freiheit ihres Vaterlandes, und deren Gefühlsüberwang und Idealismus gerade im Ausland so oft belächelt und gehässig missverstanden wurde. Wir ahnen ja nicht, was die Knechtschaft bedeutet, bis wir solche Dinge mit eigenen Augen gesehen haben. Es muss und wird eine Erlösung anbrechen für das starke, russische Volk, – der dafür arbeitet, hat sich eine gefahrvoll uneigennützige Aufgabe gestellt, ein Ziel gesetzt, das geweiht und geheiligt vor ihm emporragt.

* * *

Die Beamten zogen, abgesehen davon, dass sie der Verfolgung und dem Volkhass am meisten ausgesetzt waren, aus der unruhigen Zeit den grössten Nutzen. Von jeher war es bekannt, dass man mit geschlossenem Geldbeutel, was Trinkgelder angeht, in Russland auf unüberwindbare Hindernisse stiess, dagegen mit offenem reisen konnte, wie kein Kaiser und König. Das war von jeher, weil das autokratische Regiment bis zum niedersten Beamten herab eine Deckung nach oben sicherte. Denn jeder tat, was nicht als schlecht galt, und jeder, auch der beste, hatte taube Ohren, sowie tausend schlechte über den guteswollenden Reformer hergefallen wären, da die 11 kleinste Enthüllung Lawinen über Lawinen hinter sich hergerufen hätte. Aber in Russland gab es keine Lawinen. Jetzt besonders in einer Zeit, wo jegliche Administration in Unordnung, wo bei den fortwährenden Diebstählen, bei den Unterschlagungen und Hehlereien überhaupt keine Kontrolle mehr möglich war, und vor allem keine Gefahr in den Gerichten, die ja in ihren politischen Prozessen erstickten, bestand, jetzt war die Zeit, in der mancher Rubel neben die Staatskasse und in die Tasche der gewissenlosen Beamten rollte.

Kurz, – ich hatte versäumt, am Vorabend der Weiterreise mir in einer eigens dazu eingerichteten Agentur Platz- und Fahrkarte zu erstehen, und als ich an den Billetschalter kam, hiess es, der Zug sei völlig besetzt. Die Beamten waren mit einemmal taub oder nationalpolnisch geworden, sodass sie weder mein geradebrechtes Russisch, geschweige denn mein gutes Deutsch verstehen konnten. Einen sporenklirrenden Obersten verstanden sie dagegen beim leisesten Auftreten. Mein Reisegenosse sass im Wagen; er hatte die Verhältnisse gekannt und war am Vorabend schlauer gewesen als ich, der ich ratlos und gebrochen im aufgeregten Warschau stand, vor dessen unangenehmen Kosaken ich sehnsüchtig auszureissen hoffte. Ein Schaffner der internationalen Schlafwagen zupfte mich vertraulich am Rockzipfel und erklärte mir, man müsse erst die Fahrkarte lösen und dann dem Beamten, der die Platzkarten ausgebe, vorweisen, jedoch solcherweise, dass man unter dem Billet das »kleine Geschenk«, zwei bis drei Rubel, bemerken könne. Der gute Schlafwagenmann! Ich wollte ihm gerührt zwanzig Kopeken überreichen. Er aber wies 12 sie stolz zurück und lächelte. Das ärgerte mich, – o dieser lächerliche Stolz! – und ich hielt ihm einen Rubel hin. Er verdankte ihn gnädig durch ein Kopfnicken. Dann befolgte ich seinen Rat. Er wirkte Wunder. Auf einmal war sogar der Platz neben meinem Reisegenossen frei, und, als ich beglückt in den Zug einstieg, sah ich gerade noch, wie der Schlafwagenschaffner mit dem Platzkartenmann die Beute teilte. Ich brauchte für den Spott nicht zu sorgen. Es ging noch manchem ähnlich, aber der Zug wäre eher leer gefahren, als dass die Beamten sich um ihre Nebeneinnahmen hätten bringen lassen. –

Und nun aus Polen heraus ins wirkliche, grosse Russland!

Ebene Flächen, eben bis ins Unendliche, – seltene, graue Dörfer, die dadurch befremdeten, dass fast keine Kirchtürme herausragten, die wenigen aber, die doch am Blick vorüberglitten, waren ungewohnt durch die mit grüner oder blauer Oelfarbe bestrichenen, plumpen Kuppeln. Von Zeit zu Zeit rote, leuchtende Flecke in den gelben Flächen, die sich beim Näherkommen zu feuerfarbenen Blusen arbeitender Bauern formten. Stumpf starrten sie dem Zuge nach. An den Bahnhöfen lebhaftes Handelsgetriebe. Groteske Juden priesen ihre Früchte an und feilschten um den Preis. Die Mitreisenden unseres Coupés, ein blutjunges Studentenehepaar, stiegen aus, um mit allen Herrlichkeiten der Erde beladen den ohnehin knappen Raum vollends auszunutzen. Dann, als der Zug weiterfuhr, wurde plötzlich ein Teetopf vorgeholt, – heisses Wasser war auf jeder russischen Station erhältlich, – ein Spiritusbrenner brannte und puffte, und Spiegeleier, richtig gehende Spiegeleier glotzten mich gelbäugig 13 von der kleinen Pfanne an. Zwei Stunden lang schmausten die beiden vergnüglich schmatzend. Und wieder eine Station. Händler, Juden in langen Kaftans und den historischen Locken, und überall dazwischen die weissen Blusen und weissen Mützen der Soldaten mit ihren bajonettbepflanzten Gewehren. Und dann die Bettler. Bettler in jedem Lebensalter, Bettler in allen psychologischen Schattierungen, vom schüchternen Hungrigen zum unverschämten Berufsvagabunden. Bettler in nicht zu beschreibenden Lumpen, Bettler mit unsagbaren Gebresten. Sie erzählten kurze und lange Geschichten: Dass der Kosak ihr Hab und Gut gestohlen hätte und dass sie reich gewesen seien, – alles klang nur zu wahr, – wer hinderte in solcher Zeit den Soldaten an Raub und Gewalttat?

Und wieder, um all das Elend vergessen zu lassen, – die Sonnenuntergänge der ungeheuren Ebene mit ihren Wolken und wieder ins Unendliche schweifenden Wolken! Die untergehende Sonne weckt Hoffnung für den kommenden Tag. Alle Sehnsucht legen wir in die reiche Liebe ihrer Farben. Aber in aller Sehnsucht ist unergründliches, ewiges Leid, – das Bewusstsein der Unvollkommenheit, – hätten wir dieses nicht, dann wäre der Tag und sein Elend, – die Welt und ihr Siechtum Abend um Abend verklärt, vergoldet von diesem majestätischen Abschied, – hier in der unbegrenzten Weite, darin das brutalste »Ruki wjerch!« harmonisch aufgehen müsste.

 


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