Adalbert Stifter
Die Narrenburg
Adalbert Stifter

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Des andern Tages, da das Scheibenschießen begann, führte Heinrich sein junges Weib in Begleitung der vornehmsten Gäste mit Prunk auf seinen Berg, und geleitete sie dort in die für sie eingerichteten fürstlichen Gemächer des Christophhauses, so wie Jodok einst die unschuldige Chelion in das Parthenon geführt hat. Erasmus war stolz darauf, daß desselben Tages noch vor Anbruch des Morgens fünf beladene Wagen mit Annas Gütern und betrunkenen Fuhrleuten auf den Rothenstein vorausgefahren waren. Er konnte sagen, daß sein Kind die reichste Braut der Fichtau sei; denn selbst der Hasenmüller im Asang vermag seiner einzigen Tochter nicht fünf schwere Wagen zu beladen.

Wir enthalten uns, die Empfangsfeierlichkeiten auf dem Rothensteine zu beschreiben, sondern beschließen unsere Erzählung mit diesem heitern Ausgange der trüben Geschichten des Rothensteins, und wünschen dem Paare, daß es so glücklich fortlebe, wie ihre Ehe glücklich begonnen.

Ein Anfang dazu ist schon gemacht; denn die einigen Jahre, die seit dem, was wir eben erzählten, bis auf heute verflossen, sind ganz glücklich gewesen. Eine Reihe Glashäuser mit den Pflanzen aller Länder steht neben dem Parthenon, dann sind Säle mit den Heerden ausgestopfter Thiere, und dann die mit allen Erzen und Steinen der Welt. Diese Leidenschaft ihres Herrn, meinen die Fichtauer, sei doch auch eine Narrheit, wie sie Alle seine Ahnen hatten, aber daß er sonst auch rastlos schaffe und wirke, gaben sie zu. In der hohen Frau, die mit zwei blühenden Knaben wandelt, würde Niemand mehr die einstige Anna aus der grünen Fichtau erkennen; denn sie wird in Heinrichs Schule fast ein halbes Wunderwerk – aber ein anderes vollendetes Wunder steht neben ihr, ein Mädchen, namenlos schön, wie ein Engel, und rein und sanft blickend wie ein Engel; es ist Pia, die Tochter Narcissa's, und des unglücklichen Grafen Christophs, der eher gestorben, ehe er seine Sünde gut machen konnte. Heinrich hatte sie an Kindesstatt angenommen, nachdem er sie und den alten Ruprecht, die sich bei seiner Ankunft in dem Kastellanhäuschen verkrochen hatten, an sich gelockt und an sein Wesen und Thun gewöhnt hatte. Durch ein seltsames Naturspiel ist sie ihrer Großmutter Chelion ähnlich geworden, und zugleich ihrem Großvater Jodok, so daß man sie den Bildern nach für ein Kind dieser Beiden halten mußte; aber sie ist minder dunkel als Chelion, und noch um Vieles schöner, als das Bild derselben, was aber vielleicht nur der Jugend zuzuschreiben ist.

Das Bild des zweiten Sixtus steht nun im grünen Saale auch offen, daneben Heinrichs und Anna's und Jeder, der den Rothenstein besucht, kann sich von der vollendeten Aehnlichkeit Heinrichs und Sixtus überzeugen.

Der alte Ruprecht lebt noch. Er sitzt ewig hinten an der Sandlehne in der Sonne, dreht lächelnd seinen Stab in den Fingern, und erzählt Geschichten, die Niemand versteht; er erzählt sie auch Niemanden, und meint, er sei noch immer Kasteltan, obgleich schon ein anderer ein neues Häuschen neben dem Thore der Ringmauer hat.

Viel Besuch kommt auf den Berg, und viele Augen fallen schon auf Pia; aber sie scheut noch jeden Mann so, wie sie einst die zwei Freunde scheute, als sie dieselben zum ersten Male in den Juliantrümmern gesehen, wo sie auf dem Geländer des Balkons geritten war. Der häufigste und liebste Besuch aber ist der von Robert und Thrine. Heinrichs Mutter und Schwester leben auf dem Schlosse.

Draußen in der Fichtau ist es, wie es immer gewesen, und wie es noch hunderte von Jahren sein wird.

Während der Schmied sagt: »Mein Schwiegersohn, der Herr Stadtschreiber,« sagt Erasmus nie anders, als: »Mein Herr Schwiegersohn, unser gnädigster Herr Graf.«

Boten-Simon und der Schecke fahren Land aus, Land ein, und Beide gewannen bei den letzten Ereignissen, da der Asang sogleich bei der Uebernahme eingelöset, und Simons Grundzins alldort erniedrigt worden ist.

Und so, du glückliches Paar, lebe wohl! Gott der Herr segne dich, und führe noch unzählige glückliche Tage über deinen Berg und die Herzen der Deinen empor.

Wenn von den andern Schriften des rothen Felsensaales von Julian, Christoph, Prokop, etwas bekannt wird, so wird es dereinst vorgelegt werden.


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