Rudolf Steiner
Die Prüfung der Seele
Rudolf Steiner

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Dreizehntes Bild

Der Sonnentempel; die verborgene Mysterienstätte der Hierophanten. (Ahriman, Lucifer; die drei Seelengestalten, Strader; Benedictus, Theodosius, Romanus; Maria.)

(Es treten zuerst Lucifer und Ahriman ein):

Lucifer:
Als Sieger steht vor dir der Wunschgebieter, –
er hat die Seele sich erobern können,
die auch im Licht der Geistessonne
noch unserm Reich verwandt sich fühlen mußte.
Ich konnte noch im rechten Augebblicke
den Blick ihm blenden für den Lichtesschein,
dem sie nur träumend sich ergeben hatte.
Doch alle Hoffnung muß mir wieder schwinden,
daß uns der Sieg im Geisthebiet gelingen kann,
da jetzt ich mich zum Kampfgenossen wende.
Du konntest dir die Seele nicht erobern,
die unser Werk zum Ziele führen müßte.

So kann ich nur für kurze Erdenzeiten
die Menschenseele, die sich mir ergeben,
in unsern Reichen zwecklos mir erhalten,
und muß sie kann den Gegnern wiedergeben.
Zum vollen Siege ist die Zweite nötig,
die deinem Wirken sich entzogen hat.

Ahriman:
Ungünstig meinem Wirken ist die Zeit,
ich finde keinen Zugang zu den Seelen.
Schon nahet eine, die ich stark durchwühlte.
Noch ohne Geisteswissen ist sie hier,
doch führt Verstandeszwang sie kräftig weiter.
So muß ich ihr an diesem Orte weichen,
den sie bewußtlos nur betreten kann.
(Ahriman verschwindet.)
(Die drei Seelengestalten mit Strader.)

Philia:
Ich will erfüllen mich
mit Glaubenslichtgewalt;
ich will eratmen mir
Vertrauenslebekraft
aus Seelenstrebelust:
daß den Geisteschläfer
dem Licht erwecken kann.

Astrid:
Ich will verweben
erhaltnes Offenbarungswort
mit ergebner Seelenfreude.
Ich will verdichten
die Hoffnungsstrahlen.
Es soll im Finstern leuchten,
es soll im Lichte dämmern:
daß den Geistesschläfer
die Kräfte tragen können.

Luna:
Ich will erwärrrmen Seelenlicht,
und will erhärten Liebekraft.
Sie sollen sich erkühnen,
sie sollen sich erlösen,
und sich erhebend
Gewicht sich geben wollen:
daß den Geistesschläfer
verlassen Weltenlasten
und ihn befreien kann
der Seele Lichteslust.
(Es treten ein: Benedictus, Theodosius und Romanus.)

Benedictus:
Berufen hab' ich euch, die ihr Gefährten
mir seid im Suchen nach dem Geisteslicht,
daß zu den Menschenseelen strömen soll.
Ihr kennt der Seelensonne Wesenheit:
sie leuchtet oft in vollster Mittagshelle
und dringt in andern Zeiten dämmernd nur
in Seelentraumesnebel kraftlos ein.
Und oft muß sie den Finsternissen weichen.
Des Tempeldieners Geistesblick muß dringen
in Seelentiefen, welche kraftvoll strahlet
das Geisteslicht aus Weltenhöhenorten.
Er muß jedoch auch dunkle Ziele finden,
die unbewußt in Seelenfinsternissen
des Menschen Werdekräfte lenken wollen.
Die Geisteswesen, die der Menschenseele
aus Weltenmächten Geistesnahrung spenden,
sie sind im Weihetempel jetzt erschienen,
zu lenken eines Mannes Seelenziel
aus Geistesnacht ins Reich des Höhenlichts.
Er ist vom Wissensschlafe noch umfangen;
doch schon erklangen ihm die Geistesrufe
in unbewußten Wesensuntergründen.
Was sie in seiner Seele Tiefen sprachen,
wird bald zum Geistgehör auch dringen können.

Theodosius:
Es konnte diese Seele sich bisher
im Geisteslichte noch nicht wiederfinden,
das durch die Sinnesoffenbarung strahlet
und alles Erdenwerdens Sinn enthüllt.
Sie sah den Gottesgeist naturentblößt,
und gottentfremdet, was natürlich ist.
So mußte sie durch viele Erdenleben
sich fremd dem Sinn des Daseins gegenüberstellen,
und konnte stets nur solche Leibeshüllen
zum Werkzeug ihres Eigenwesens finden,
die sie von Welt und Menschenwesen trennten.
Sie wird im Tempel sich die Kraft erwerben,
das fremde Sein als eignes zu empfinden
und so sich auch die Macht gewinnen können,
die aus Gedankenlabyrinthen führt
und nach den Lebensquellen Wege weist.

Benedictus:
Ein andrer Mann erstrebt des Tempels Licht;
Er wird erst künftig unsren Pforten nahen
und diesen Weiheort betreten wollen.
Er hat gepflanzt in ernstem Forscherleben
des Denkens Keime in die Seelengründe.
So mußte sie das Geisteslicht erreichen
und außerhalb des Tempels reifen lassen.
Er konnte schauen, wie sein Erdendasein
als Folge eines andern sich erweist,
das er in langvergangner Zeit erlebt.
Er ist sich nun der Fehler jenes Lebens
und ihrer Wirkung vollbewußt beworden.
Ihm fehlt die Kraft, die Pflichten zu erfüllen,
die er durch Selbsterkenntnis fühlen kann.

Romanus:
Capesius soll durch des Tempels Kraft
erkennen, wie in einem Erdenleben
der Mensch mit Pflichten sich beladen muß,
die erst durch viele Lebenspilgerfahrten
in vollem Maße sich erfüllen können,
daß seine Seele alter Fehler Wirkung
noch durch die Todespforte tragen muß.
Er wird als Sieger sich bewähren können
im Kampfe, der die Geistespforten öffnet,
wenn er dem Wächter kühn ins Auge schaut,
der vor des Geisterlandes Schwelle steht.
Es wird ihm dieser Hüter offenbaren,
daß niemand zu den Lebenshöhen kommt,
den furchtsam macht des Daseins Schicksalsbuch.
Er wird sich mutvoll zu der Einsicht wenden,
daß Selbsterkenntnis Schmerzen zeugen muß,
für die sie selbst nicht Trostesworte kennt.
Es wird der Wille ihm Genosse werden,
der mutig sich der Zukunft übergibt
und, durch der Hoffnung Kräftequell gestärkt,
Erkenntnisschmerzen sich entgegenstellt.

Benedictus:
Ihr, meine Brüder, habt in dieser Stunde,
als unsres Tempels treu ergebne Diener,
die Wege euch in Weisheit vorgezeichnet,
in welchen ihr die beiden Geistessucher
zu ihrer Seelen Zielen führen könnt.
Noch andres Werk verlangt des Tempels Dienst.
Ihr seht den Wunschgebieter uns zur Seite;
er durfte diese Weihestatt betreten,
weil ihm Johannes' Seele öffnen konnte
die Pforten, die ihm sonst verschlossen sind.
Der Bruder, dem wir unsre Weihe gaben,
ihm fehlt in diesen Zeiten noch die Kraft,
den Worten mutig Widerstand zu leisten,
die aus den Finsternissen sich erschaffen.
Ihm werden gute Kräfte erst erstarken,
wenn sie am Gegensatz sich recht empfinden.
So wird er bald in unsrem Tempel wieder
von Bruderliebe warm umfangen sein.
Doch muß sein Geistesschatz behütet werden,
da er in Finsternisse tauchen will.
(Zu Lucifer sich wendend.)
An dich muß ich mich wenden, der nicht lange
den Ort beherrschen darf, an dem er steht.
Es kann in dieser Zeit des Tempels Macht
Johannes' Seele dir noch nicht entreißen,
doch wird sie künftig wieder unser sein,
wenn unsrer Schwester Früchte reifen werden,
die wir als Blüten schon erkennen können.
(Maria erscheint.)
Sie durfte im vergangnen Erdenleben
erblicken, wie Johannes ihr verbunden.
rs folgte ihren Spuren schon in Tagen,
da sie noch selbst sich widersetzen wollte
dem Licht, dem sie nun voll ergeben ist.
Wenn Seelenbande sich so stark erweisen,
daß sie des Geistes Wandlung überdauern,
dann wird des Wunschgebieters Macht gewiß
an ihrer Festigkeit zerbrechen müssen.

Lucifer:
Es mußte Benedictus' eigner Wille
Johannes' und Marias Seelen trennen.
Und wo sich Menschen voneinander sondern,
da ist für meine Macht das Feld bereitet.
Ich forsche stets nach Seelensondersein,
um freies Erdensein für Ewigkeiten
von aller Weltenknechtschaft zu erlösen.
Marias Wesen hat im Mönchgewande
die Seele von dem Vater abgewandt,
die jetzt Johannes' Leibesform belebt.
Auch dies hat mir die Keime zubereitet,
die ich zur Reife sicher bringen kann.

Maria: (an Lucifer gewendet)
Es gibt im Menschenwesen Liebequellen,
zu denen deine Macht nicht dringen kann.
Sie öffnen sich, wenn alte Lebensfehler,
die unbewußt der Mensch auf sich geladen,
in spätern Erdenleben mit dem Geist
geschaut und durch den freien Opferwillen
in Lebenstaten umgewandelt werden,
die wahrem Menschenheile Früchte bringen.
Mir haben Schicksalsmächte schenken wollen
den Blick, dem Vorzeittage sichtbar sind;
und auch die Zeichen sind mir schon gegeben,
die mich den Opferwillen lenken lehren,
daß Heil erwachse jenen Menschenseelen,
mit deren Lebensfäden sich die meinen
im Erdenwerden stets verbinden müssen.
Ich sah in ihrem frühern Erdenleibe
Johannes' Seele sich vom Vater wenden
Und sah die Mächte, die mich selbst getrieben,
den Sohn dem Vaterherzen zu entfremden.
So steht mir jetzt der Vater gegenüber,
mich mahnend an die alte Lebensschuld.
Er spricht in jenen Weltenworten deutlich,
die sich in Lebenstaten Zeichen schaffen.
Was zwischen Sohn und Vater ich gestellt,
erscheinen mußt' es, nur in andrer Form
in diesem Leben, das Johannes' Seele
der meinen wieder eng verbunden hat.
In jenen Schmerzen, die ich tragen mußte,
als ich Johannes von mir trennen sollte,
erkenn' ich eigner Taten Schicksalsfolgen.
Wenn meine Seele Treue halten kann
dem Licht, das ihr die Geistesmächte spenden,
wird sie sich Kräfte schaffen durch die Dienste,
die sie Capesius vermag zu leisten
auf seiner schweren Lebenspilgerfahrt.
Sie wird von Kräften, die sie so erwirbt,
gewiß Johannes' Stern auch dann erschauen,
wenn er, von Wunschesfesseln abgelenkt,
den Weg nicht wandelt, den das Licht bestrahlt.
Erkennen wird sie aus der Geistesschau,
die sie geführt in ferne Erdentage,
wie sie gestalten soll die Seelenbande
in dieser Zeit, so daß die Lebenskräfte,
die aus der Dumpfheit sich bereitet haben,
im Sinn des Menschenheiles weiter wirken.

Benedictus:
Es formte sich in alten Lebenstagen
ein Knoten aus den Fäden
die Karma spinnt im Weltenwerden.
Ihm sind verwoben dreier Menschen Leben.
Es strahlet jetzt auf diesen Schicksalsknoten
Der Weihestätte hohes Geisteslicht.
An dich, Maria, muß ich mich jetzt wenden:
Von jenen Seelen bist nur du allein
In dieser Stunde an dem Opferorte.
Es möge dieses Licht in deinem Selbst
die Kräfte heilerschaffend weiter wirken,
die deine Lebensfäden einst den andern
zum Lebensknoten fest verbunden haben.
Der Vater konnte in dem frühern Sein
des Sohnes Herz nicht finden; doch jetzt wird
der Geistessucher deines Freundes Selbst
auf dessen Weg ins Geistesland begleiten.
Und dir erwächst die Pflicht, Johannes' Seele
Durch deine Kraft dem Lichte zu erhalten.
Wie du sie einst an dich gekettet hast,
so konnte sie dur nur in Dumpfheit folgen.
Du hast sie ihrer Freiheit überliefert,
als sie im Wahn dir noch ergeben war.
Du sollst sie wiederfinden, da sie selbst
sich ihre Eigenheit gewinnen will.
Wenn deine Seele Treue hält dem Licht,
das dir des Geisteslandes Mächte spenden,
dann wird Johannes' Seele nach der deinen
auch in des Wunschgebieters Reichen dürsten,
und durch die Liebe, die sie dir verbindet,
den Weg zum Höhenlichte wiederfinden.
Denn lebend dringt durch Licht und Finsternis
ein Wesen, welches Geisteshöhen durfte
aus eignen Seelentiefen wissend schauen.
Es hat geatmet aus den Weltenfernen
die Luft, die für die Ewigkeit belebt, – –
und lebend alles Menschensein erhebt
aus Seelengründen zu den Sonnenhöhen. – –

(Vorhang fällt.)


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