Rudolf Steiner
Die Prüfung der Seele
Rudolf Steiner

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Zweites Bild

Ein Meditationszimmer in violettem Grundton. Ernste, doch nicht düstere Stimmung. (Benedictus, Maria, dann Geistgestalten, die Seelenkräfte darstellen.)

Maria:
Es drängen schwere Seelenkämpfe mich,
in dieser Stunde meines Führers weisen Rat zu
hören.
Es steiget finstre Ahnung mir im Herzen auf,
und unvermögend bin ich,
zu widersetzen mich in Gedanken,
die immer wieder mich bestürmen.
Sie treffen mich in meines Wesens tiefsten Kern,
sie wollen ein Gebot mir auferlegen,
daß zu befolgen mir wie Frevel scheint.
Es müssen Truggewalten mich berücken – –,
ich fleh' euch – helft – –,
daß ich sie bannen kann.

Benedictus:
Es soll in keiner Zeit euch fehlen,
was ihr von mir erwünscht.

Maria:
Ich weiß, wie eng verbunden meiner Seele
Johannes Lebenswege sind.
Ein schwerer Schicksalspfad hat uns geeint,
und in den hohen Geisteswelten
hat Götterwille unsern Bund geweiht.
Das alles steht so klar vor mir,
wie nur der Wahrheit Bild allein.
Und doch – mich faßt ein Grausen schon,
wenn ich die Lippen öffnen soll
zu diesem frevelhaften Wort –,
und doch – ich hör's aus Seelentiefen
ganz deutlich zu mir sagen,
und stets von neuem wiederholen,wenn ich es überwunden
glaube –:
»Du mußt Johannes von dir trennen;
du darfst ihn halten nicht an deiner Seite,
willst Unheil an seiner Seele du vermeiden.
Er muß allein die Bahnen wandeln,
die ihn zu seinen Zielen führen.«
Ich weiß, wenn ihr ein Wort nur sprecht,
so flieht das Wahneswerk aus meiner Seele.

Benedictus:
Maria, dir läßt ein edler Schmerz
Die Wahrheit jetzt als Trugbild erscheinen.

Maria:
Es wäre – Wahrheit – – –

Doch nein! – auch zwischen meines Führers Rede
Und mein Gehör schleicht sich das Wahneswesen.
O sprecht zum zweiten Male.

Benedictus:
Du hast mich recht verstanden –.
Deine Liebe ist von edler Art,
und eng verbunden war Johannes dir.
Doch darf die Liebe nicht vergessen,
daß sie der Weisheit Schwester ist.
Zo Johannes' Heil ward er
Durch lange Zeiten dir vereint;
Doch fordert seiner Seele weitre Bahn,
daß er in Freiheit sich die eignen Ziele suche.
Es spricht der Schicksalswille
Von äußrer Freundschaftstrennung nicht;
Doch fordert er mit aller Strenge
Johannes' freie Tat im Geistgebiet.

Maria:
Noch immer hör ich Wahn!
So lasset mich nur weitersprechen;
Ihr müsset mich verstehn;
Denn wagen wird kein Truggebild
Vor eurem Ohr das Wort zu wandeln.
Es wären alle Zweifel leicht zu bannen
Wenn nur des Erdenlebens wirrer Lauf allein
Johannes' Seele an der meinen halten wollte.
Doch ward die Weihe unserm Bund verliehen
Die ewig Seel' an Seele bindet.
Und Geistgewalten sprachen segnend
Das Wort, das alle Zweifel bannt:
»Er hat die Wahrheit sich errungen
im Reich der Ewigkeiten,
weil er in Sinneswelten schon
dir war im tiefsten Sein verbunden.«
Wie kann ich fassen jene Offenbarung,
wenn jetzt das Gegenteil als Wahrheit gelten soll?

Benedictus:
Du mußt erfahren, wie noch vieles
Auch dem zur vollen Reife fehlen kann,
der manche Offenbarung schon erleben durfte.
Der höhern Wahrheit Wege sind verworren; –
Nur der vermag zurecht zu finden sich,
der in Geduld durch Labyrinthe wandeln kann.
Duhast erst einer Teil der Wirklichkeit
Im Reich des Höhenlichtes schauen können,
als dir vor deine Seelenaugen trat
ein Bild des Geisterlandes.
Noch ist das Bild nicht volle Wirklichkeit.
Johannes' Seele und de deine
Verbinden Erdenbande solcher Art,
daß einer jeden kann beschieden sein,
den Weg ins Geistgebiet zu finden
durch Kräfte, welche sie der andern dankt.
Jedoch hat nichts bisher geoffenbart,
ob ihr genügt habt jeder
Forderung.
Ihr habt im Bilde schauen dürfen,
was in der Zukunft euch beschieden ist,
wenn ihr die volle Prüfung könnt bestehen.
Das euch des Strebens Früchte sind gezeigt,
beweist euch nicht, daß ihr
des Strebes Ende habt erreicht.
Ihr habt ein Bild erblickt – –,
doch euer Wille kann allein
das Bild in Wirklichkeit verwandeln.

Maria:
Zwar treffen deine Worte mich
Wie schwerster Schmerz nach langem Glücksempfinden;
Doch hab' ich wohl gelernt,
dem Licht der Weisheit mich zu beugen,
wenn sie durch innre Kraft sich wirksam zeigt.
Und schon beginnt in Klarheit sich zu wandeln,
was dunkel meinem Herzen war bis jetzt.
Doch wenn des Irrtums Schein in höchstem
Glückserlebnis
Gewaltsam sich als Wahrheit gibt dem Menschensinn,
ist Seelenfinsternis nur schwer zu bannen.
Ich brauche mehr noch, als ihr schon gegeben,
soll eurer Rede sich auch wirklich folgen können.
Ihr habt mein Selbst geführt in jene Seelengründe,
in welchen Licht mir ward gewährt,
daß ich durchschauen durfte Erdenleben,
die mir in lang vergangner eit beschieden waren.
Erfahren durfte ich, wie sich gefunden
Des Freundes Seele und die meine.
Daß ich in jenen alten Zeiten
Johannes' Seele zum echten Geistesworte führte,
das durft' ich als den Keim betrachten,
der wachsend uns gebracht der Freundschaft Frucht,
die reif befunden ward für Ewigkeiten.

Benedictus:
Für würdig wurdest du erkannt,
in Erdenpfade einzudringen,
die dir beschieden waren
in langvergangnen Tagen.
Doch sollst du nicht vergessen
Au forschen, ob die auch Gewißheit hast,
daß keiner deiner Lebenspfade sich verbirgt,
wenn du das Geistesauge rückwärts wendest.

Maria: (nach einer Pause, die auf tiefe Selbstbesinnung weist)
O wie nur konnt ich so verblendet sein!
Die Seligkeit, die ich empfand,
als einen Teil der Vorzeit ich erblicken durfte,
sie hat in eitlem Wahn vergessen mich schon lassen
wie vieles mir noch fehlt.
Und jetzt erst kann ich ahnen,
daß ich in Finsternisse blicken muß,
wenn ich den Weg ergründen will,
der von des Lebens Gegenwart mich führt in jene Zeiten,
da meines Freundes Seele
sich zugewandt der meinen.
Geloben will ich euch, mein Führer,
zu zähmen meiner Seele übermut – –!
Erst jetzt erkenne ich, wie Wissenseitelkeit
die Seele kann verführen,
daß sie, statt Kraft zu saugen
aus ihr gereichtem Geistesgut,
die Gabe nur gebrauchen will
zu frevler Selbstbespiegelung.
Ich weiß in diesem Augenblicke
Durch meines Herzens Wrnungsruf,
dem eure Worte Kraft verleihn,
wie weit vom nächsten Ziele
entfernt ich mich noch fühlen muß.
Nicht vorschnell will ich ferner deuten
Das Wissen aus dem Geistesland.
Ich will als Kraft es schätzen,
die meine Seele bilden soll –,
und nicht als Weisung,
die mir ersparen kann die Mühe,
im Leben selbst des Handelns Ziele zu erkennen.
Hätt' ich befolgt schon früher dieses Wort,
das mir Bescheidenheit gebietet:
es wär mir dunkel nicht geblieben,
daß frei sich nur entfalten kann
des Freundes reichbegabte Seele,
wenn sie sich Wege sucht,
die nicht von mir ihr vorgezeichnet werden.
Und da ich dies erkannt,
so werde ich die Kraft gewinnen,
zu tun, was Pflicht und Liebe fordern.
Doch fühle ich in dieser Stunde mehr,
als ich vorher es jemals fühlte,
daß ich vor schwerer Seelenprüfung stehe.
Wenn sonst die Menschen aus den Herzen reißen,
was von dem einen in dem Andern lebt,
so hat die Liebe sich ins Gegenteil verwandelt.
Sie wandeln selbst die Bande, welche sie verknüpfen,
doch geben ihnen Trieb und Leidenschaft die Kraft;
ich aber soll durch freien Willen tilgen
die Wirkung, welche ich von meinem Seelenleben
in meines Freundes Taten sich vollziehen sah.
Und doch muß meine Liebe unverändert bleiben.

Benedictus:
Du wirst den Weg im rechten Sinne gehn,
wenn du erkennen willst,
was dir am meisten wertvoll war an dieser Liebe.
Denn weißt du, welche Kraft
in deiner Seele unbewußt dich lenkt,
so findest du die Macht,
zu tun, was die die Pflicht gebieten muß.

Maria:
Dies sprechend, gebt ihr schon die Hilfe,
die meine Seele jetzt so nötig hat.
Ich muß an meine Wesenstiefen
Die enrste Frage stellen:
Was treibt mit starker Kraft in dieser Liebe mich?
Ich sehe meiner Seele Eigenleben wirkend
In meines Freundes Wesen und in seinem Schaffen.
So such' ich nach Befriedigung
Die ich empfinde an dem eignen Selbst,
und lebe in dem Wahne, daß ich selbstlos sei.
Verborgen ist mir doch geblieben,
daß ich im Freunde nur mich selbst bespiegle.
Es war der Selbstsucht Drache,
der täuschend mir verhüllte,
was mich in Wahrheit trieb.
Es wandelt sich die Selbstsucht hundertfach,
das muß ich jetzt erkennen.
Und hält man sie besiegt,
entsteht sie nur mit größrer Kraft
aus ihrer Herrschaft Trümmern.
Und auch an jener Kraft gewinnt sie dann,
die Wahn als Wahrheit täuschend offenbart.
(Maria verfällt in tiefes Sinnen; Benedictus geht ab.)
– – – – – – – –
– – – – – – –
(Die drei Gestalten der Seelenkräfte erscheinen.)

Maria:
Ihr, meine Schwestern, die ich
In Wesenstiefen finde,
wenn meine Seele sich weitet,
und die in Weltenfernen
sich selbst geleitet,
entbindet mir die Seherkräfte
aus ätherhöhen,
und führet sie auf Erdenpfade,
daß ich im Zeitensein
mich selbst ergründe,
und die Richtung mir geben kann
aus alten Lebensweisen
zu neuen Willenskreisen.
– – – – – – – –
– – – – – – –

Philia:
Ich will erfüllen mich
mit ftrebendem Seelenlicht
aus Herzenstiefen;
ich will eratmen mir
belebende Willensmacht
aus Geistestrieben;
daß du, geliebte Schwester,
in alten Lebenskreisen
das Licht erfühlen kannst.
– – – – – – – –
– – – – – – –

Astrid:
Ich will verweben
sich fühlende Eigenheit
mit ergebenem Liebewillen;
Ich will entbinden
Die keimenden Willensmächte
aus Wunschesfesseln,
und dir das lähmende Sehnen
verwandeln in findendes Geistesfühlen;
daß du, geliebte Schwester,
dich selbst ergründen kannst.
– – – – – – – –
– – – – – – –

Luna:
Ich will berufen entsagende Herzensmächte,
ich will erfestigen tragende Selenruhe.
Sie sollen sich vermählen,
und kraftendes Geistesleuchten
aus Seelengründen heben,
sie sollen sich durchdringen
und lauschendem Geistgehör
die Erdenfernen zwingen;
daß du, geliebte Schwester,
in weitem Zeitensein
die Lebensspuren finden kannst.
– – – – – – – –
– – – – – – –

Maria: (nach einer Pause)
Wenn ich mich entreißen kann
Verwirrendem Selbstgefühl,
und mich euch geben darf:
daß ihr mein Seelensein
mir spiegelt aus Weltenfernen;
vermag ich zu lösen mich
aus diesem Lebenskreise,
und kann ergründen mich
in andrer Daseinsweise.
(Längere Pause, dann das folgende)

Maria:
In euch, ihr Schwestern, schau' ich Geisteswesen,
die Seelen aus dem Weltenall beleben.
Ihr könnt die Kräfte, die in Ewigkeiten keimen,
im Menschen selbst zur Reife bringen.
Durch meiner Seele Tor durft' ich oft
Den Weg in eure Reiche finden,
und Erdendaseins Urgestalten
mit Seelenaugen schauen.
Bedürftig bin ich eurer Hilfe jetzt,
da mir obliegt, den Weg zu finden
von meiner gegenwärtigen Erdenfahrt
in langvergangne Menschheitstage.
Entbindet mir das Seelensein vom Selbstgefühl
In seinem Zeitenleben.
Erschließet mir den Pflichtenkreis
Aus meiner Vorzeit Lebensbahnen.
– – – – – – – –
– – – – – – –
(Geistesstimme, das geistige Gewissen):

Es suchen ihre Gedanken
in Zeitenspuren.
Was als Schuld ihr geblieben,
was als Pflicht ir gegeben,
entsteige ihrem Seelengrunde,
aus dessen Tiefe
die Menschen träumend
ihr Leben führen;
in dessen Tiefe
die Menschen irrend
sich selbst verlieren.

(Vorhang fällt, während noch alles auf der Bühne steht.)


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