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Aus einem Brief des Herausgebers an die Verfasserin

... Als Eure Königliche Hoheit mir im Sommer 1933 in Oroszvar das Manuskript dieses Werkes übergaben, erschien es mir wie ein Vermächtnis aus längst verflossenen Tagen an unsere junge Zeit.

Obgleich die geschilderten Erlebnisse und Eindrücke erst knapp 50 Jahre zurückliegen, ist uns die Sicht in diese so nahe Vergangenheit von den Trümmern welterschütternder Ereignisse verschattet. Und doch ist es kein Zufall, wenn gerade aus diesem Zeitraum so viele biographische und historische Werke vorliegen. Wir brauchen sie, um die vielfach unterbrochene Fühlung mit der letzten und vorletzten Generation nicht zu verlieren, um das unmittelbare Ineinandergreifen, das sonst wohl die eine Zeit mit der anderen verbunden hat, zu ersetzen. Nur so kann die starke Beziehung zwischen dem Damals und dem Heute geschaffen werden und eine immer tiefere Erkenntnis von Ursache und Voraussetzung für unser heutiges Geschehen entstehen.

Ich glaube, es wird, wie mich, auch viele andere mit Dank erfüllen, daß mit diesem Memoirenwerk eine lange und schmerzlich empfundene Lücke in der Darstellung der letzten Glanzzeit der österreichisch-ungarischen Monarchie geschlossen worden ist.

Ganz so, wie Eure Königliche Hoheit diese Erinnerungen niedergeschrieben haben, werden sie auch verstanden werden: Nicht etwa als ein politisch-historisches Memoirenwerk im eigentlichen Sinne, vielmehr als die Aufzeichnungen einer Frau in der abgeklärten Höhe ihres Lebens – aus der Zeit einer Jugend, die glanzvoll und bitterschwer zugleich war.

Die ungezwungene, temperamentvolle und poetische Art, in der das geschieht, hat mich immer aufs neue ergriffen. Der Aufriß des Kindheitsbildes und der darauffolgenden acht Jahre Ehe zeigt in dem raschen Ablauf der Schilderung so viel Lebenskraft und so viel Wärme, daß an Stelle des bloßen Lesens ein Mitfühlen, ein Mitleben tritt.

Kein Wunder, wenn man sich schließlich auch mit hineingerissen fühlt in den Schmerz, der das Buch letztlich zu einer tragischen Historie werden läßt. Ja, die Tragik weitet sich zu einem allgemeingültigen Problem, weil das Los der gekrönten Frau einem jungen, noch kindhaften Menschen als Schicksal aufgebürdet wird. Das alles wird zum Urteil – und dort, wo es verurteilt, zur Verurteilung – nicht der Menschen, sondern der Zeit ...

Eberstadt, den 30. Januar 1935
Ferdinand Graf Gatterburg


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